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Feierstunden nachdem Mag v« Nestler Ein« spanische Erinnerung von Karl Znchardt. Ein armes Land hat viele Bettler, aber di« Armen wissen noch um die Wollust des Ge bens, und selten darben deshalb die spanischen Bettler. Einen kannte ich und werde ich nie ver gessen. Der wurde Casildo genannt. Casildo erhielt reichlich Gabe». Er forderte sie nie, man gab sie iym willig und manchmal saft demütig. Aber selbst der, der achtlos vor- ubereilen wollte, stockte und fühlte für einen Augenblick sein Herz, wenn er zufällig CasildoS Augen sah. Nie sah ich Augen so hoffnungslos traurig. Und dunkel und müde waren die Augen, so müde, als könnten sie, um zu verlöschen, nur die letzte kleine Kraft nicht ausbringen. In einer Mauernische, dicht neben der Ein- »ngspforte zum Kloster der Schwestern vom üben Namen Jesu, war CasildoS Platz. Dort aß er auf einem niedrigen Schemel, bä gutem Detter, bei schlechtem Wetter. Und an den kalten Tagen stand neben ihm ein kümmerlicher irdener Topf, angefüllt mit warmer Asche, obenauf ein paar Stucke glimmender Holzkohle. Das war der Ofen, an dem sich Casildo die alten Hände wärmte und den er bald rechts, bald links von sich stehen hatte. Mitunter aber nahm er ihn vor sich auf den Schoß, um seinen Leib zu Wärmen. Mein Weg führte mich täglich an der Ein gangspforte des Klosters vorbei, und ich wurde nach und nach mit den Gewohnheiten CasildoS vertraut. Ich sah, wie er, abwesend und ver- loren, auf seinem Stühlchen das Mittagessen löffelte, das ihm ein Dienstmädchen aus der Nachbarschaft gebracht hatte. Sah, wie er den dünnen, roten Strahl aus der Weinflasche mit dem Munde auffing, sah, wie eine stattlich« Köchin ein eisernes Kohlenbecken neben dem Alten hinstellte und seinen Neinen Ofen mittels einer Zange mit neuen glühenden Holzkohlen versorgte. Und es schien mir, daß Casildo ein ungemein gleichmäßiges und im Grunde wohl behütetes Leben führ.«. Doch einmal sah ich ihn anders. Da kamen gerade, von zwei Nonnen geführt, die Schü lerinnen der Mädchenschule aus dem Kloster heraus. Eins der größten Mädchen legte ein Geldstück in den Teller. Der Alte schien zu zittern und hatte eine eigentümliche Röte rn dem faltigen Gesicht. Kaum aber war das letzte der Mädchen vorüber, da riß Casildo das Geldstück aus seinem Teller an seine Lippen. Mehr sah ich nicht; denn in diesem Augenblick traf mich der Blick des Alten mit einem so seltsamen Ausdruck von Leid und Entzücken« daß ich mich scheu tvegwandte. Welch' ein merkwürdiger Aberglaube mochte den Bettler veranlaßt haben, gerade dieses Geldstück zu küssen? Was mir einheimische Leute von Casildo erzählen konnten, war nicht viel. Er war aus einer entlegenen Provinz zugewandert und batte seinen Platz bei den Schwestern vom mßcn Namen Jesu schon lange inne. Was das Auskommen solcher Bettler anbetraf, so war^ ich unbesorgt; denn ich hatte längst gemerkt, daß unter den spanischen Bettlern große Unter schiede bestanden und daß es von den vorneh men bis zu den geringen sehr viele Abstufun gen gab. Und Casildo gehörte zweifellos zu den vornehmen und stellte etwas Besonderes dar. Aber eines Tages blieb CasildoS Platz leer. Auch am nächsten Vormittag saß er nicht da. Ich fragte im Tabakladen; denn uh wußte, daß der Alte dort, wenn er gegen Abeild mtt feiner „Arbeit" fertig war, seine Einrichtung — de« Stuhl, den Essentopf, die Weinflasche und im Winter das Oefchen — einzustellen Pflegte. Da hörte ich denn, daß der Alte gestorben sei und bereits gegen Mittag bestattet werden sollte. Zugleich wurde ich höflich eingeladen, an der Trauerfeier in der Kirche teilzunehmcn. Ein Bettlerbegängnis? Es muß mir Wohl nicht möglich gewesen sein, mein Erstaunen zu verbergen j denn der Tabakverkäufer fügte er klärend hinzu, das Geld für die Trauerfeier solle ein Gönner CasildoS gestiftet haben, wahrscheinlich, weil der Alte ein so merk würdiger und achtbarer Bettler gewesen sei. Würdig und achtbar. Ich wußte nicht, daß CasildoS Blick hoffnungslos müde gewesen war, so, wie ich noch keinen gesehen habe. Und ich beschloß, an dem Begräbnis teilzunehmen. Die Beisetzung ging rasch, aber anständig vor sich. Nicht, wie ich es auf dem Zentral friedhof erlebt hatte, mußte man erst noch die Knochen eines Skeletts aus dem Grabe hinaus werfen, um für den Neuankömmling Platz zu machen. Der Totengräber und sein Gehilfe standen bereit. Aber was sage ich: Totengräber! Lotenmaurer wäre richtiger, denn der schmale Sarg wurde längs in ein Loch der tiefen Mauer hineingcschoben, das Loch sofort in behender Geschicklichkeit mit Kalk und Ziegel steinen vermauert und eine dünne Marmor platte mit einem schlichten Kreuz daraufgeklebt. So lag nun Casildo in seinem Mauergrab, ein namenloser Toter, über, unter und neben sich in der langen Friedhofsmauer ein paar hundert andere Tote, deren Namen freilich auf den Platten meist zu lesen waren. Aber wenige nur, durfte ich vermuten, hatte man wie Casildo im Sarge liegen lassen, als man sie in das Mauerloch hineinschob. Ein arines Land muß sparen an Särgen und an Platz für die Armen unter seinen Toten. Es hatte nicht lange bedurft, um Casildo zur letzten Ruhe z»l betten. Nachdem der Pfarrer das Grab gesegnet hatte, gingen wir langsam zum Tor zurück. Die alten Adressen des jkirchhofs ragten spitz und schlank in den reinen Himmel. Zwischen den Weinstöcken standen die Mandelbäume in duftiger Blüte, und ich freute mich, daß der Pfarrer dem Kutscher befahl, im Schritt zur Stadt zurück zufahren. Auf der stillen Nebenstraße war kein Ver kehr, die Pferde gingen in müder Lässigkeit, mein Pfarrer aber begrüßte die Sonne und die tvürzige Vorfrühlingsluft mit einem behag lichen Seufzer. Und dann kam es ganz natür lich, währen- der schönen, stillen Wagenfahrt, daß er zutraulich wurde und mir von dem Schicksal CasildoS zu erzählen begann. Was ich erfuhr, war das folgende: Casildo war in früheren Jahren Besitzer einer Neinen chemischen Fabrik in der Provinz gewesen. Er hatte eine Frau gehabt, die er liebte, und vier gesunde Kinder, die er fast noch mehr liebte. Und sie hatten in ihrem eigenen Hause gewohnt, auf das er stolz ge wesen war, weil seine Arbeit es geschaffen hatte, und das zugleich als Fabrik und als Wohnung gedient hatte. Bis er sich eines Tages Mötzlich und un vorbereitet .vor den Trümmern seiner Existenz fand, bis der Tag gekommen war, der aus dem Gesicht des damals Vierzigjährigen ein Antlitz formte, das, zeitlos und verstemt, den Vorüber gehenden zur Mahnung wurde. So war es geschehen: Casildo hatte zur Abwicklung von Geschäften auf einige Stunden ein Haus verlassen müssen. Als er zurückkam, and er statt des Hauses einen Schutthaufen, >ie Frau und drei seiner Kinder, schrecklich zugerichtet, als Leichen. Eine Explosion in der Fabrik, hervorgerufen durch die Unvorsichtigkeit eines neu eingestellten Arbeiters, hatte alles vernichtet. Nur das jüngste Kind, ein Mäd chen, war gerettet worden. Damals war eS gewesen, baß Casildo — bettelarm geworden an Glück — auch dem Leben nach vollends ein Bettler sei« wollt«. Oder war es die Angst vor dem eigenen Herzen, eine verzweifelte Vorsorge, die ihn trieb, daS einzige ihut verbleibende Kind nicht dem Uebcrmaß seiner Liebe auszusetzen? Er toar mit seinem noch nicht dreijährigen Kinde bei dän Pfarrer erschienen und hatte Hm daS Kind gebracht, damit eS ausgenommen würde als Vollwaise bei den Nonnen vom süße» Namen Jesu. Zugleich übergab er den Rest seines Geldes, um seinem Neinen Mädchen Aufnahme und Erziehung zu erleichtern. Für sich bat er um den Platz an der Eingangspforte des Klosters. Der Pfarrer hatte ihm den Platz gewährt und das Kind als Volltvaise ausgenommen unter der Bedingung, daß Casildo nie versuchen würde, mit seinem Kinde zu sprechen, sondern sich begnügen würde, es von weitem zu sehen, wenn es mit den andern Mädchen, von Non nen begleitet, ausgeführt wurde. Casildo hat fern Gelübde gehalten. Biel leicht ist es ihm gar nicht einmal so schwer geworden? — Aber ich mußte an das armselige Stück Kupfer denken, das er mit zitternden Lippen geküßt hatte, und an die Augen, die so dunkel und müde von der NichtiAeit aller Irdischen klagten. Und erzählte mir nicht der Pfarrer, daß eine Veränderung im Schicksal der Tochter, und noch dazu eine glückliche, genügt hatte, in Casildo den letzten kleine« Widerstand gegen den Tod aufzuheben? Seit langem hatte sich der Pfarrer bemüht, für CasildoS Tochter Pflegeeltern,zu finden. Das war ihm endlich gelungen. Das Mädchen hatte die Klosterschule verlassen und war zu den Pflegeeltern übergesiedelt. In derselbe« Woche noch war Casildo gestorben... Kurzweil Zart ««gedeutet „Vater, erinnerst du dich noch an die Ge schichte, die du mir mal erzählt hast, wie sie dich vom Gymnasium rausgeschmissen haben?"- „Natürlich, mein Junge!" „Gut! Genau dieselbe will ich dir jetzt voll mir erzählen!" « » Silben-Rütsel. a — bau — bei — bei — der — chau — da — de — e — ell — ern — fen — Haus — i — la — ma — mor — no — rock — fa — tae — rich — was. Aus obigen 23 Silben find Wörter herzustellen, die folgende Bedeutung haben: 1. Militär. Kleidungsstück, 2. Weibl. Rufname, S. Tier (männlich), 4. Waffe, 5. Länol. Wohnstätte, 6. Gott der Liebe. 7. Ortschatt bei München, 8. Ortschaft im Harz, v. Wanderndes Hirtenvolk. Sind die richtigen Wörter gefunden, so nennen die Anfangsbuchstaben 1—S und die Endbuchstaben der einzelnen Wörter zusammengestellt zwei Großstädte Deutschlands, die zugleich auch als deutsche Schiffsnamen bekannt find. Das HoWerdchen Tin Zeitbild von Josef Wcrnthaler. Jedermann in der Siedlung bedauerte die jungverheiratete Frau mehr als den Mann, der doch nicht minder betroffen war: beider zweijähriges Kind war in einem unbewachten Augenblick aus dem Fenster gestürzt und töd lich verunglückt. Man bedauerte die Frau mehr als den Mann, weil sie, wie cs schien, seit das Kind nicht mehr da war, auch die Liebe des Mannes verlor. Es war jeden Tag dasselbe: war er des Abends nach Hause gekommen, so setzte er sich stumm an den Tisch und verzehrte stumm das Abendessen. Stumm blieb er nach der Mahlzeit sitzen, vor sich das hölzerne Schimmel- Pferdchen seines verstorbenen Jungen. Der Schwanz tvar denn grau betupften Holztier ausgcrissen, ein Rädchen an den« Standbrett fehlte, und das rechte, trabend hochgehobene Bein starrt« nur mehr wie ein Stumpf an deutungsweise nach vorne. Karlchen, ihr Kind, hatte das Pferdchen mit Vorliebe auf den Tisch gestellt. Es gab ihm dann meist einen Schubs hintendrauf; das Pserdetier sprang dann brav «nd gehorsam auf den Stuhl. So hatte es auch sein rechtes Bein verloren. Damals hatten die Eltern gelacht und das lustig« Spi«l Wohl selber eifrig mitgcspielt. Nun war's ein unheimliches Spiel. Der Vater schob das Pferd wohl über den ab- geräumten Tisch: aber e» hinkte, ohne Schwanz «nd trabendes Bein, armselig darüber «nd war eS beim Kind auch ohne daS Bein ge sprungen — nun mochte eS nicht wehr springsn und das Hindernis nehmen zwischen Tisch und Stuhl und zwischen den beiden schweigsamen Menschen, den Eltern. Es sprang nicht mehr mitten in ihr Herz, daß es fröhlich tvcrde und die Lippen, die verschlossenen, wieder lachten. Die junge Frau ging jedesmal hinaus, wenn der Mann mit den« Pferdchen in der Hand vor sich hinstarrte, und er sah kaum hoch, wenn cs draußen auf dem Gang schluchzte. Jeden Tag, jcden Abend war das so, und jeden anderen Morgen stand er wieder hinter seinem Zeichenbrett in der Fabrik, durchaus ein verläßlicher Mann und kein Schatten mehr. Was ist schwerer für eine so geprüfte Frau als das Schweigen und fruchtlose Spiel ihres Mannes? Hätte er auch nur mit einem ein- zitzcn Wort ihr einen Vorwurf gemacht — es wäre eher zu ertragen gewesen. Sie hatte wäh rend des Unglücks Wäsche hinter dem Hause aufgehängt — glaubte er denn, sie träse die Schuld? Sie mußte es denken, da er nichts sagte. Des Mannes Schweigen war bitterer Vorwurf. Ja, sie traf wohl die Schuld. Eines Tages ging die Rede in der Nach barschaft, die Frau suche ihr Kind, als könne dies noch über die Straße trippeln nüd sie brauche nur danach zu rusen und es einholen. Und wieder eine Zeit später sagte man, sie glaube, sic hätte ihr Kind gefunden. Man hatte sie draußen bei de« Hcimgärtcn beobachtet, wie sie einem kleinen Bübchen, da« dem ihre« ähnelte, Süßigkeiten schenkte und es streichelnd „Karlchen" rief und imnier wieder so rieß wenn es der Frau, die ja nicht fein« Muttei war, davonlies. Nein, das kann nicht «ehr so wettergehen, sagte «an und wandt« das Gesicht dabei ab. Sie verwarnt di« Mütter, ihre Kinder nick» an offenen Fenstern sitzen zu lassen. Und den Buben, der dem ihren an Alter und Aussehen glich, ließ sie nicht aus den Augen, wo er sich auch hcrumtreibcn mochte. Sie rief ihn Karl- chcn, obwohl er doch Ernst hieß. Sie schenkte ihm sogar das Pferdchen, sie zeigte ihm, wie es sprang. Aber es wollte nicht springen, auch mit dem Kinde nicht; denn der Bub fürchtete sich vor der seltsamen Frau und vergaß jedes mal den Schub hintendrauf. Es war kein rechtes Spiel mehr mit dem Pferd. Ach, wie sollte es anders werden, wenn der Mann stumm blieb und sich abkehrte von ihr! Er hatte es geduldet, daß das dreibeinige, hinkende Schimmeltier weggcgeben wurde. Er hatte zwar danach gefragt, als er es nicht vor- siind und sie hatte gesagt: „Karlchen hat es!" Er hatte sich damit zufrieden gegeben, ver wundert aufblickend, doch irgendwie einver standen. Freilich fehlt« chm daS Schimmeltier bald danach, und er suchte es. .^karlchen hat es", sagte die Frau wieder und deutete hin unter auf die Straße, wo gerade Kinder spielten. Ach, wi« sollte es anders werden, da kein Wunder geschah! Er befand sich abends wieder auf dem Heimweg, kam an den Gärten vorbei. Bevor er in die Straße einbog, wo sie wohnten, da geschah das groß«, das unfaßbar« Wunder. Das Wunder, das wir Menschen sonst überall suchen, nur nicht in unserem Leben selbst, in unserer nächsten Nähe und bei uns Menschen. Ein Kind lief ihm vor die Beine. Es glich, das sah er, seinem Jungen. Es schwang hoch über seinem blonden Schopf den hölzernen Schimmel. Der hatte keinen Schwanz und nur noch drei Bein«. DaS war KarlchenS Pferd- chcn, kein Zweifel. Torkelnd lief daS Kin- über die Strak«. Da kam eine Frau nackaelauken. die Mutter Wohl, nein: seine Frau wär's, Kornelia. Sie lief besorgt dem Kleinen nach, . ohne den Mann zu sehen. Sie faßte das Kind unter die Aermchen, hob es hoch und schalt es aus. „Kornelia!" rief er. Aber sie hörte nichts, sah ihn nicht, sie redete besorgt auf das Kind ein; wie leicht kann ein Auto kommen! Das Kind plapperte nur vor sich hin und hielt ihr das Pferdchen wie siegreich entgegen. Am Zaun ließen sich dann die beiden nie der, sie glücklich und voll warmen Eifer«, da« Dreibeinticr Hüpfen zu lassen, während der Kleine es mit flachen Patschhändchen be arbeitete. Es sollte springen. Einen Klaps bekam es hintendrauf, ganz heimlich und ge schickt — und das Pferd sprang, es sprang, wie cs, ehemals gesprungen war. „Kornelia!" rief der Mann, der wie ge bannt stand, „Kornelia!" und eS war derart gerufen, daß man selbst von diesem Spiel auf sehen mußte, Frau w:c Kind. So war sie schon lange nicht mehr gerufen worden. Da mußte man sich ein wenP ov- heben, das Kind an der Hand. Und sine sie dann auch in die Arme genommen wurde von dem Manne, der gerufen hatte, so war sie lange nicht mehr in die Arme genommen Woo den. Es wunderte sich selbst das Kind und guckte hoch zu den beiden großen Menschen, die nicht sein« Eltern waren. Arm in Arm sah man die beiden an diese« Abend nach Hanse kommen, und niemand, d« sie so heimkommen sah, zweifelte mehr dova« daß eS jetzt bald anders würde mit khne» «M das Wunder ihnen bald wieder <»f ttbtsch» Weise zu ihrem verlose»«» Glück verhektz» wollte