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Beilage zum Frankenberger Tageblatt Mr. LTV Freitag, den 1. Oktober 1837 86 ^ahraang Der Leibniz wusch sich nicht.. ^Das höchst gefährlich« und ärgerlich« Baden." Von Werner Fuchs-Hartmann. Im Jahre 1736 brachte ein hohes Schul- kollegium für alle Rektoren und Lehrer den bündigen Erlaß heraus, die Schüler „vor dein so gemeinen als höchst gefährlichen rind ärger-- Uchen Baden" zu warnen. Der Treppenwitz der Weltgeschichte wollte es, daß dieses Schrei ben ausgerechnet in dem schönen Lande Baden herauskam! Eingedenk solchen Vorfalles, können frühere Zustände kaum noch überraschen. Wir wissen, wie Versailles unter dem Sonnenkönig zum Mittelpunkt höfischen Glanzes geworden war. Und doch konnte zu gleicher Zeit die Schwä gerin Ludwigs XIV. keinen Schlaf finden, weil die — Wanzen das nicht zulieben. „Die hexen-wandtleuß", schreibt sie 1719 an die Raugräfin Luise, „haben mich dieße nacht so. geplagt, daß ich keine zwei stundt habe nach- einander schlaffen können." Kein Wunder! Der Luxus, den nmn sich zur täglichen Gewohnheit gemacht hatte, be friedigte wohl so ziemlich alle Bedürfnisse, nur nicht das der Reinlichkeit. Im ganzen Schloß gab es nur eine Badewanne, -die aber kurz nach ihrer Anschaffung jahrelang ver schwunden war, bis man bei einer baulichen Veränderung entdeckte, daß man sie versehent lich eingemauert hatte. Vermißt war sie jeden falls nicht worden, denn auch jetzt wußte man nichts Rechtes damit anzufangen. So verwen dete man sie schließlich als Bassin für einen Springbrunnen im Park der Madame Pom padour. Zu den Erinnerungen eines Höflings wird berichtet, daß der König nur gebadet hätte: als er noch verliebt war. Später wusch er sich ab und zu die Finger. Er folgte damit <mr der Anschauung seiner Zeit, die den Ge brauch des Wassers für unbedingt schädlich hielt. Bedenkt man hierbei noch, daß .das Schnupfen zu den Lieblingsgewohnheiten der galanten Welt beiderlei Geschlechts zählte, so kann man sich ungefähr vorstellen, welcher Geruch sich bei einer größeren Gesellschaft ent wickelte. Liselotte von der Pfalz bekundet, daß der Schnupftabak gestunken und allen Damen eine schmutzige Nase gemacht habe. Dennoch gesteht sie selber bei anderer Gelegenheit: „baden wär mein fache nicht, habe diese lust mein lebe lang nicht begreifen können." Anderen OrteS war es nicht Lesser bestellt. Die Königin von Sizilien schreibt, daß ihr Bett häufig voller Läuse gewesen sei, und die schölle Aurora von Königsmarck soll so ent setzlich gerochen haben, daß selbst August der Starke es nicht bei ihr aushielt. Das waren keineswegs Ausnahmen. Es gab viele Leute von Rang und Bildung, die sich grundsätzlich nicht einmal die Finger wuschen. Leibmz, der umfassendste Geist seiner Zeit, war wegen seiner Unsauberkeit geradezu berüchtigt; es muß uns heute unbegreiflich erscheinen, wie mail einen derartigen Zustand längere Zeit aushielt, zumal die Mode nicht gerade eben sehr bequem war. ' Da ging es dann eben vor alle,» Dingen um das Schminken! Die Verwendung der Schminke loar so selbstverständlich, daß man noch Leichen entsprechend herrichtete. Mrs. Oldfield, eine bekannte englische Schauspielerin des 18. Jahrhunderts, hatte in ihrem Testa ment ausführlich niedergelegt, wie sie für daS Begräbnis geschminkt sein wollte. Keyßler, der Weltenbummler des Rokokos, sah in Rom die Leiche des Kardinals Pamphili rot geschminkt aufgebahrt! Madame de Monaco schminkte sich noch, tvährend man sie bereits zur Guillotine fuhr, und als die Infantin Marie-Therese von Spanien, die 1745 den Dauphin heiraten sollte, sich weigerte, Rot auf zulegen, war man in größter Verlegenheit, weil man glaubte, der Bräutigam müsse sich beim Anblick einer ungeschminkten Frau ent setzen. Dabei war die Weigerung durchaus nicht so töricht, denn die zum Schminken verwen- oeten Stoffe waren oft giftig, verursachten Haulausschlag, Augenkranrheiten und dau ernde Kopfschmerzen. Hinzu kamen noch die nachträglichen Folgen des in ungeheuren Men gen verwendeten Haarpuders. Die anspruchsvolle Haartracht jener Zeit erforderte mehrere Stunden, selbst vornehme Damen ließen sich daher nur alle acht bis vierzehn Tage frisieren, ärmere noch viel seltener. In der Zwischenzeit konnte man sich natürlich nicht kämmen — eine Rücksicht, für die sich das Ungeziefer durch rastlose Ver mehrung erkenntlich zeigte. Mit den langen Kopfkratzern konnte man nur unzulängliche Abhilfe leisten. Die Markgräfin von Bayreuth bemerkte zu ihrem Unbehagen, daß die Haare ihrer Hof damen „wimmelten", und Casanova, der scharf sichtige Beobachter seiner Umwelt, weiß in der 1 gleichen Beziehmrg von einer Augsburger , Patrizierin in wörtlichem Sinne ,chaar- sträubende" Geschichten zu erzählen. Als die beiden Grafen Stolberg unter freiem Himnrel ein Bad »ahmen, verursachten ne ihrem Gastwirt Lavater bei den Behörden die größten Unannehmlichkeiten. Noch Char lotte von Schiller machte sich über einen Stu denten lustig, der sich die Nägel reinigte, und Fürst Kaunitz machte eine Haupt- rind Staats aktion, als er sich zum ersten Male — die Zähne reinigte... Var de«We Lied aus dem Waeber- 11000 Sänger singen Massenchöre — Acht Musikkorps der Wehrmacht spielen die Be gleitung Unvergessen und unvergeßlich sind die Tage des Sängerbundesfestes in Breslau, Lei denen Massenchöre Zeugnis von der Gewalt des Liedes und seiner volksverbindenden und Volks gemeinschaft stiftenden Wirkung ablegten. Auch -ei den diesjährigen Feiern, die auf dem Backeberg zum Erntedanklag am Sonnabend und Sonntag stattfinden, werden wieder Massenchöre zum Einsatz kommen und wesentlich zur Ausgestaltung des Pro gramms beitragen. In 10 Sonderzügen werden nicht weniger als 11000 Sänger auf den Backeberg gebracht werden, wo sie zur Aus schmückung der Feiern in Massenchören vereinigt werden. So kommen 2200 Sängerbrüder aus Hannover, 1000 aus Bremen, 1100 aus Osna brück, 2100 aus Hamburg, 1200 ans Hildes heim, 1300 aus Kassel, 1200 aus Lippe und 1000 aus Göttingen-Northeim. Weiterhin wer den noch etwa 1600 Schulfinder aus Hameln herangebracht werden, um mit dem Männer chor zusammen zu singen. Die Sänger, die in den letzten Tagen und Wochen in ihren Heimatorten zahlreiche Proben abgehalten haben, um für den Einsatz beim Erntedanktag völlig gerüstet zu sein, treffen am Sonnabend bis 16 Uhr in Tündern bei Hameln ein. Sie werden in einer Sänger- zeltstadt unteraebracht. Nachdem vor ihrer Abreise erst noch Massenproben von ihrem Kön nen ei'» eindrucksvolles Zeugnis abgelegt haben, beginnt bereits um 17 Uhr auf dem Bückeberg die Generalprobe. Für die Verpflegung der Sänger während ihres Aufenthaltes in der Zeltstadt Tündern sorgt bis Sonntag abend der Hilfszug Bayern, der auch warmes Essen liefern wird. Am eigentlichen Erntedanklag, am Sonn tag, findet dann die eigentliiche Großr-sr- anstäktung der Sänger statt. Hier werden in der Zeit von 9 bis 11 Uhr muf dem Dückeberg sowohl mehrstimmige Chöre äks auch einstimmige Volkslieder vorgetragen werden. Die von der Neichspropagandaleitung heraus- gegebenen Programmhefte, di« die genauen Terte dieser Lieder enthalten, sollen es er- möglichen, daß die Volkslieder von allen ans dem Bückeberg versammelten Volksgenossen mit- gesungen werden. Höhepunkte der musikalischen Darbietungen werden vor allem sein „Die Him mel rühmen des Ewigen Ehre" und „Der deutschen Arbeit Feiertag". Bei dem letzten Lied wird auch der Kinderchor mitsingen. Acht Musikkorps der Wehrmacht begleiten einige der Volkslieder und Chöre und d ielen auch selbst mährend der Gesangspausen Militär» Märsche. Die Leitung der Volkslieder und Chöre hat Kapellmeister Stenzel vom Deutschlandsender inne. Er ist auch für die Organisation des Sängevanfmarsches verant wortlich. Luftwaffeninspkzient Professor Hus«, del Hai die Stabführung» für die Musikkorps. Aehnfich wie beim Sängerbundesfest in Bres lau und unter Verwendung der dabei gemach ten Erfahrungen wird vom Reichsautozug „Deutschland" eine eigene Lautsprecheranlage errichtet, die eine einwandfreie Wiedergabe der Massenchöre gewährleisten soll und die den Gesang ohne Verzerrung und Echowirkung nach ollen Stellen des Bückeberges hin kkangecht überträgt Noch seinem Ehrentag in Breslau wird das deutsche Lied nun in diesem Jahre zum zweiten Make bei einer GroßveranstMung in Erscheinung treten. Es wird auch auf dem Bückeberg ein festes Band für das ganze deutsche Volk werden. M eine »MM Wend km IeuiMuds SEMI »Mem Deshalb spendet GastfteUen für dis NSV.'lttinderlandverschickung. g (Nachdruck verboten) "'M mutz der Mensch haben -u heiterer Roman von Hannes Peter Stolp Urheber-Rechtsschutz: Mitteldeutsche Roman- Korrespondenz, Leipzig L 1 „Fräulein Smith war hier und ist wieder fort. Sie hat im Touristhotel übernachtet — Einzelzimmer natürlich, zu Ihrer Beruhigung, Mylord", Archibald zwinkerte Smith zu, „und mit einem jungen Mann zu Abend gegessen. Mit diesem jungen Manne ist sie honte früh im Auto auch wieder woggefahren. Ich denke, daß wir diese Nacht hierbleiben wrden, um morgen früh nach Plunground weiterzufahren, wohin sich zweifelsohne das Paar gewendet „Gott sei Dank, da hätten wir >ja ihre Spur!" schnaufte Hannibal Smith erleichtert. „Ja, die hätten wir!" stellte der Lord zu frieden fest. „Und somit dürften wir Mm auch bald der Gesellschaft jenes überspannten jungen Menschen entreißen." „Ich denk« doch!" sagte Archibald Walbom, der mehr wußte, als seine beiden Begleiter wissen konnten. „Also morgen früh geht es dann weiter!" Lord Lensham erhob sich. „Entschuldigen Sks mich, fieber Herr Smith, ich werde mich erst mal für den Abend umkleiden gehen." Der Lord bewegte seine hagere Gestalt zu dem List hin, worauf Archibald dem Zahn pastakönig ins Ohr zischte: „Eine entsetzliche Entdeckimg habe ich machen Müllen, Sir!" „Um Gottes willen!" Hannibal fuhr halb «us seinem Sessel hoch. „Sprechen Sie, Spalteholz!" kAre Tochter, Sir, Ihre Tochter — ach, entschuldigen Sie, ich erröte und werde ganz »erlegen — Ihr« Tochter — Ihre Tochter —" „Zum Teufel, ja, ich weiß, mciue Tochter!" knirschte Smith wütend. „Sagen Si> mcht dauernd „Ihre Tochter, Ihre Tochter!" Wissen will ich, was Sie entdeckt haben!" „Zunächst, Sir, haben sich die jungen Leute als Ehepaar in das Gästebuch des Hotels ein getragen!" „Du gerechter Himmel!" stieß Smith keuchend hervor. „Und dann", fuhr Archibald mit schämig gesenkten Augen fort, „und dann — dann haben sie beide in einem doppelbettigen Schlaf zimmer übernachtet!" „Wie — was — was sagen Sie da. Smal- stich?" Hannibal schlug entsetzt die Hände zu sammen. „ In einem — doppelbettigen Schlaf zimmer — zusammen übernachtet? Ann mit jenem jungen Halunken — in einem doppel bettigen Schlafzimmer! Ja, geht denn jetzt die Welt nicht unter?" Archibald beantwortete die letzte ^Anfrage nicht. Erstens hielt er diese für nicht an sich gerichtet, und zweitens mar er über etwa kommende kosmetische Geschehen aber auch gar nicht unterrichtet. Im großen und gan-en je doch war er mit der Wirkung seiner Worte vollauf zufrieden. „Waldkatz!" keuchte nunmehr Smith, müh sam gesammelt. „Walbom!" korrigierte der Detektiv milde. „Lassen Sie das doch!" sagte der verstörte Zahnpastakönig. „Hören Sie mich an! Nie darf Lord Lensham etwas von diesen schreck lichen Dingen ersah««. Nie! Hören Sie, Nie! Sie sind doch ein Ehrenmaml, Stanhope?" „Ja", gab „Stanhope" widerwillig zu, der ein Geschäft nämlich das einer kleinen Er pressung, in der Ferne verschwinden sah. „Ich danke Jhrken. Sie sollcn nicht un belohnt bleiben, wenn alles zu einem guten Ende kommt. Sie sollen außer Ihrem Honorar eine Ertragahlung erhalten. Nur schweigen müssen Sie über alles das! Schweigen, schwei gen wie — wie — zum Henker, wie was gleich?" „Wie ein Grab?" erbot sich Archibald. „Ja, wie ein Grab!" keuchte Smith. Schön, er werde wie ein Grab schweigen! erklärte der Detektiv. „Nichts anderes, als daß der Teufel in das Mädel gefahren ist!" murmelte Smith und versank in düsteres Brüten. Wenn Ann Smith während des ganzen Vor mittags im Angedenken an all das Geschehen vom gestrigen Abend recht einsilbig und kurz angebunden gewesen war, so taute sie jetzt am Nachmittag auf und wurde zusehends ge sprächiger. „Hier in dieser Gegend", sagte sie, während sie den Wagen eine notdürftig gepflasterte und seitlich von Bäumen bestandene Straße anttangjagte, „wohnen Verwandte von mir." „Das ist ja sehr interessant", bemerkte Peter höflich. „Ja", «wählte Ann weiter, „ganz in der Nähe der Straße, die mir augenblicklich be fahren, wohnt Onkel Jerim W-bbs und Tante Mally, die eine Schwester meines Vaters ist. Aber ich mag die Webbs nicht sonderlich" „Es sind wohl recht eingebildete Leute?" forschte Peter, in dem Bestreben, das end'ich begonnene Gespräch nicht elendiglich wieder ver sickern zu lassen. „Eingebildet, das sind die Webbs' auch", fuhr Ann fort. „Aber in der Hauptsache mag ich sie nicht wegen ihres Sohnes Dick. Dick, ein sommersprossiger, nunmehr etwa zwölf jähriger Knabe, ist nämlich ein derartiger Lause- rüpel, wie es wohl kaum einen zweiten aus der Welt gibt. Und Tante rind Onk-l, denen ist Dick einfach ihr Idol. Tas Bürschchen kann die boshaftesten Streiche ausheckcn, ohne daß Tante oder Onkel ihm mal eine ordent liche und verdiente Tracht Prügel verabreichen. Im Gegenteil freuen sie sich noch darüber, wenn ihnen die Streiche des Nüveltz bekannt werden, und, was das Verwerflichste von diesem sonderbaren Elternpaar ist: sie feiern ihn direkt, sobald er wied-r mal eine seiner Nichts nutzigkeiten an dm Mann gebracht hat." „Ja, so etwas nennt man Affenliebe", sägte Peter. „Affenliebe, jawohl, das ist das- richtige Wort!" Ann nickte mehrmals zustimmend, so daß sich die blauschwarz glänzenden Löckchen ihrer glatten, weißen Sllrn bewegten.,, , »"eU", '»Ihr sie fort, und ü^r ihr schönes Gesicht ging ein grimmig-schadenfrohes Lächeln, lab' den Knaben. Dick mal ivrdmuich verbauen." l ; „Bravo!" Peter sah das Mädchen aner kennend an. „Daß Sie das auch können, ist ja einfach prächtig. Und wie kam es. daß Sie dm Knaben Dick versohlten?" „Dieser boshafte Lümmel", Ann wurde bei der Erinnerung richtig Zornig, „batte meiner Stute Dessy, die ich ritt, als ich vor zwei Jahrm bei dm Webbs' auf Bestich war. Steine unter den Sattel gelegt, natürlich ohne daß ich dies wußte. Ich ritt mit Beify aus. und das arme Tier begann plötzlich ohne Aufhören fchmerzli'ch zu wiehern. Ja, es wurde fast toll vor Scbmewen und hätte mich bald ab geworfen. Jcb stieg daraufhin ab und führte es in den Stall zurück. Hier ^and ih schon den grinsenden Dick vor, der mib fragte, wie mir der Ritt bekommen wäre. Und als ich Bessy den Sattel abnahm, entdecke ich die St ine, die das arme Tier schon blutig gescheuert hatten." ' „Und darauf erteilten Sie diesem kleinen Strolch die verdiente Abreibung?" forschte Pe ter begeistert. cllnrtseUung folattt -LI