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WM MM AM«»«» Vögel fliegen nach dem Süden - Wer zeigt ihnen den Weg? Das Wunder des Vogelzuges Länder antreten läßt datz z. B. die Drossel bis zu den Küsten des Atlantischen Ozeans und des Mittelmeeres fliegt, ja von der Polarschwalbe will man wissen, daß sie sogar um die ganze Erde wandert. Die Möwe brütet im höchsten Norden zur Zeit der Mitternachtssonne; wenn ihre Jungen herangewachsen sind, tritt sie ihre unvorstellbar lange Reise an, und ihr Ziel, das sie in etwa 20 Wochen er reicht, ist das Südpolargebiet. Die inter estantesten und wohl am meisten bekannten Forschungen beziehen sich heute auf die Be- ringnng des Storches. Wenn im Juni die Jungstörche ihre Flugübungen beginnen, und sich jung und alt an den drolligen Versuchen erfreut, dann traut Wohl niemand diesen jungen Klapperstörchcn zu, daß sie schon an der großen Reise im Herbst teilnehmen werden. Bekannt lich gibt es zwei Hauptflugstraßen, eine westliche, die über Frankreich, Spanien, Gibraltar nach dem heißen Erd teil führt, und eine östliche, die von Ros- sitten die Flußtäler aufwärts geht, über die Karpathen, die Donau, den Balkan, Klein-Asien und Sy rien nach Afrika. Die Grenze in Deutsch land bildet ziemlich genau der Lauf der Weser: Alle Vogel arten, die westlich der Weser während der warmen Jahreszeit legen, bevorzugen den Weg über Gi braltar, während die östlich beheimateten Vogelartcn die Reise über den Balkan und Klein-Asien nach den Rilgebieten antreten. Als man vor eini gen Jahren jenen in teressanten Versuch unternahm, 150 Jungstörche, die man in Rossitten beringt hatte, westlich der Weser aufzog, vis man sie im Herbst auffliegen lassen konnte, da mußte man die Feststellung machen, daß die Tiere nicht etwa die westeuropäische Zug strabe benutzten, son dern den osteuropä ischen Weg ihrer El tern und Großeltern einschlugen. Dieser ererbte Nichtungs- trieb, ein geheim nisvoller innerer Kompaß, nach dem sich das kleine Vogelgehirn zu rich- Seit Ende des vergangenen Jahrhun derts ist die Vogelberingung wissenschaftlich «ufgenommen und seit 1003 von der Deut schen Ornithologischen Gesellschaft zu einer internationalen Gemeinschaftsarbeit ausge- baut. Heute sind wohl in allen Kultur ländern Beobachtungsstationen, sogenannte Vogelwarten, errichtet, die es ermöglichen, die Ergbniffe der Vogelberingung fcstzu- stellen und Rückschlüsse auf die Arten, die Anzahl, die Fluggeschwindigkeit und Flug richtungen der Vogelwanderungen anzu stellen. Wenn aus kleinen Anfängen heraus die Ergebnisse der Arbeiten der Vogelwarten in Deutschland von Jahr zu Jahr aufschluß reicher geworden sind, so erläutern dies allein die folgenden Ziffern: 1922 wurden in Rossittcn 1500 Vögel, im Jahre 1933 da gegen 78 762 Vögel mit Ringen der For schungsanstalt versehen. Und nun laufen aus allen Teilen Afrikas, aus Nubien, vom Kongo, ja selbst aus Südafrika in Rossittcn Meldungen mit den Ringnummern der Vögel ein. Ueber 3000 solcher Meldungen trafen in den letzten Jahren durchschnittlich in Rossitten ein Genau so günstig für die Vogelzugforschung wie Rossitten liegt auch die Vogelwarte der Biologischen Anstalt auf Helgoland. Angelockt von den riesigen Feuern des Lcuchtturms auf der Nordsee insel durchschwirren Tausende von Vögeln, oft dicht wie ein Schneegestöber, ihre blen denden Lichtkegel. Durch die Beringung kann man die ver schiedenen Winterquartiere der Vogelarten genail ermitteln. So hat man festgcstellt, Im Lichtkegel des Leucht feuers von Helgoland «Bild links» sam- mein sich im Herbst Schwärme von Zug vögeln. Viele werden in Reusen gefangen und bekommen in der Vogel warte der Biologischen Anstalt einen Rina um den Fuß. Dann dürfen sie sofort weitcrflicgen. (Bild oben.) Bild darunter: Kraniche ver sammeln sich vor der Reise nach Afrika. ten scheint, ist Wohl das größte Wunder des Vogelfluges. Man staunt immer wieder über den vor bedachten Gemeinschaftstrieb, besonders bei den berühmten Kranichflügen. Diese Vögel, die aus den an die Ostsee grenzenden nörd lichen Ländern auf ihrem Flug nach dem Süden über Deutschland fliegen, nehmen bei uns längeren Aufenthalt. Bei den Kranich flügen fliegen immer erst einige wenige Tiere voraus als Kundschafter, um nach ge eigneten Mooren und Sümpfen für die Zwischenstationen Ausschau zu halten. Merk würdig ist auch, wie das Volk der Kraniche, nachdem dann eine halbe Stunde die Massenlandung erfolgt, bei der Futtersuche streng nach dem Heimatverband getrennt ist. Am Abend vor ihrer Weiterreise macht sich bei ihnen eine seltsame Unruhe bemerkbar, und schon vor Sonnenaufgang erheben sie sich in die Lüfte, um nach wenigen Minuten jene typische Keilform anzunehmen, die ihnen die Ueberwindung des Luftwider standes erleichtert. Der Vogelzug fällt in die Zeit von Ende Juli bis Oktober. Ja, einige Vögel ver lassen Mitteleuropa erst im frühen Winter. Am frühesten, nämlich Ende Juli, verlassen uns der Kuckuck, der Mauersegler, der Pirol und Gelbspötter. Sehr bald folgen die Grasmücken. Teilweise ziehen sie, wie der Mauersegler, in Schwärmen, teilweise, wie der Pirol, allein und in Paaren. Fast alle Zugvögel überwintern in Afrika, nur wenige bleiben im südlichen Europa. Die Nachtigall, die uns Ende August verläßt, hat in Nordafrika ihr Winterquartier, ebenso andere Erdsänger, wie der Sprosser und das Rotkehlchen. Ende August geht auch der Storch auf die Reise. Anfang September folgen der Ziegenmelker, die Sperbergras mücke und der Rohrsänger, im September der Wiedehopf, die Rohrdommel und die Grasmücke, dazu die Turmfalken und die Gabelweihe. Erst Ende September bis An- fang Oktober verlassen uns in starken Zügen die Hausschwalben, ferner die Lerchen, Schnepfen und Stare, dazu die Gartenrot schwänze. Um diese Zeit sind mich die be rühmten Kranichzüge, und wenn die an deren Vogelarten bereits in wärmeren Ge bieten sind, dann machen sich als letzte auf die Reise das Rotschwänzchen und die Bach stelze und schließlich das Rotkehlchen, von denen schon viele in Mitteleuropa über wintern. Die erstaunlichen Streckenleistungen der Vögel erfolgen selbstverständlich nicht in einem ununterbrochenen Fluge. Auch die Fluggeschwindigkeit unserer Zugvögel wird meist weit überschätzt. So soll festgesteM worden sein, daß der Storch auf seiner Reife täglich 120 bis 220 Kilometer zurücklegt. Das bedeutet bei einer Stundengeschwindig- keit von etwa 60 Kilometer, daß er an einem Tage drei bis vier Stunden fliegt. Kleine Vögel legen am Tage sogar weniger als 100 Kilometer zurück. Als Durchschnitts* geschwindigkeit können 40 bis 50 Kilometer angenommen werden. Die größte Flug geschwindigkeit erreicht mit 20.6 Sekunden meter und 74,1 Stundenkilometer der Star. Dabei bewegt sich die Höhe, in der die Vögel fliegen, zwischen 40 und 50 Meter, und nur an ganz klaren Tagen mit weiter Fernsicht konnte man Höhen bis zu 300 Meter beobachten. Hunderte von Vogelarten, Millionen von Vögeln überfliegen im Laufe eines JahreS die Nehrung und Helgoland. Es sind un vorstellbare Mengen von Tieren, die au- inneren, ihnen angeborenen Trieben diese gewaltigen Züge antreten. Man hat eipmal einen Rtesenzug von Krähen in Nossitten beobachtet und in zehn Minuten 1000 Vögel gezählt, das ergab in der Stunde 6000. Wieviel Rätsel gibt tatsächlich die Natur uns Menschenkindern auf. Fragen über Fragen bleiben ungeklärt. Wie findet der Star nach monatelanger Abwesenheit nach dieser, viele tausend Kilometer langen Reise, wieder genau denselben Kasten, die Schwalbe den alten Scheunengiebel, der Storch das vorjährige Hausdach?! Peter Hürup. , DaS Wunder des Vogelzuges — einst im alten Rom zu einem vielseitigen Aberglauben mißbraucht — erschien »er Menschheit seit Jahrtausenden genau so, wie da« Wunder des Vogelflugcs von geheimnisvollen und unerklärlichen Ursathen erfüllt. Aber wie die Menschheit seit den letzten Jahrzehnten sich erst zur Beherrscherin der Luft gemacht ha«, so kann man auch erst seit dieser Zeit von einer Erkenntnis jenes seltsamen Triebes sprechen, der die Zugvögel alljährlich -n weiten Reisen — zweimal im Jahre — ost 1U0UW Kilometer weit — in die heißen (Bild oben.) Ans dem Flug bilden die Kraniche zur Ueberwindung des Lust- Widerstandes keilförmige Staffeln.—D a r- »nter: Während einige Zugvogclarten durch die veränderten Lcbensbedingungen bereits zu Standvögeln geworden sind, machen sich die meisten in jedem Jahr wieder auf die Reise. So kann man im Winter deutsche Wasserhühner auf den Schweizer Seen finden. — Rechts außen: Wildgänse, die im Sommer ziemlich weit im Norden zu linden sind, verlegen ihren Aufenthalt im Winter mehr nach Süden, auch nach Deutsch- wnd. — Daneben: Zugvögel ruhen sich während der Herbstwanderung auf Helgoland aus. Photo (7): Ufa-M