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(Nachdruck verboten.^ Urhidrrr-chuschuy durch vrrla-tanftalt Mauz, Mtnchru -Vawrvnunr von ^ans Emh^rrbÄ^m WlWIkKizBckd « - .».^..„..nn Die Mutter fitzt noch in der Stube und liest im Coffins, al» fie Schritte auf dem Flur hört. Eie hebt erstaunt den Kopf. Eie hat nicht damit gerechnet, daß einer der bei den Buben fo früh schon vom Seefest heimlehrt. Und nun Ist es gar der Robert! Sie hat den ganzen Abend ein« heimliche Angst um ihn gehabt, denn im Grunde ihres Aer zens ist er doch ihr Liebling, wenn er auch fetzt ihr Sor genkind geworden ist. Die Bärbel hatte erzählt: Da sei gegen Abend ein frem des Auto auf den Hof gefahren und eine schöne Fremd, habe sich herausgeneigt und nach dem Robert Meißner ge fragt. Die Bärbel hatte das Auto zum Seefest gewiesen und es war gleich daoongefahren. Was war das für eine Frau? War es jene, von der ihr Bub erzählte, die Linde aus seinem Herzen verdrängt hatte? War es vielleicht eine dritte? — Die Tannhofbäuerin hat ein wenig Angst. Eie fürch tet nichts so sehr als den bösen Einfluß einer Frau auf ihren Buben. Aber was bleibt ihr viel zu tun übrig? Ge warnt hat fie ihn. So kann sie in ihrer Herzensnot nichts anders als für ihn beten. Als sie Roberts Schritte auf dem Flur hört, fällt ihr «kn Stein vom Herzen. Jetzt ist er wenigstens daheim unter dem häuslichen Dach, in ihrer Nähe. Hat ihn dis Fremd« gar nicht getroffen? — Sie will ihn doch fragen. Aber sie kommt nicht zum fragen. Ohne sich noch einmal in die Stube zu begeben, geht Robert hinauf in seine Kam mer. Die Mutter hört ihn dort mit wuchtigen Schrit ten auf- und abgehen. Gerne wäre sie zu ihm hinaufge gangen, um zu hören, was ihn so umtreibt, ob ihn etwa die fremde Frau so in Erregung gebracht oder ob zwischen shm und Linde eine Auseinandersetzung stattgefunden hat. Aber fie will ihm nicht nachlaufen! Und wer weiß, ob es Nicht bester ist, man läßt ihm die Suppe, die er sich ein- brockte, allein ausesten. Darum setzte sich die Mutter wieder zu ihrem Goffin« und las. Und nach einer Meile klappte sie das Buch zu, nahm den Rosenkranz und betete so innig und herzlich, wie es nur eine Mutter vermag. Nicht lange dauert es, so kommt Bärbel nach Hause. Die Trine hatte sie begleitet. Die Tannhofbäuerin verlangt von ihren Dienstboten, daß sie pünktlich bei der Dunkelheit zu Hause find. Heut am Seefest hatte sie dem jungen Bölke einige Stündlein länger gegönnt. „Hat der Robert die fremde Frau getroffen?" —- fragt Bärbel gleich. — „Ich hab das Auto beim Seewirtshaus gesehen und die Frau saß mit einem Herrn am Tische. Si« müsten sich sehr gern haben, denn sie drückten sich oft di« Hände und hatten viel zu scherzen!" — Gott sei Dank!, denkt die Mutter, dann wird fie dem Robert nicht gefährlich werden, wenn sie einen andern gern hat. Laut sagte sie: „Was ihr euch nicht alles einbildet! Laßt die fremden Leute in Ruh, sie gehen euch nichts an. Der Robert ist schon lang im Bett!" — Ueber den Besuch der fremden Dame wird aber weder yon Robert, noch von der Mutter in den folgenden Tagen gesprochen. Nur Christoph hänselt Robert etwas mit sei ner neuen „Eroberung!" ..Aber Geschmack Haft, das muß ich sagen!" 7 Sonntag ist es. Der letzt« Tag in der Heimat. Am an dern Morgen soll Robert nach München abreisen. Robert ist froh, daß «r_sort towmt und daß -r W jg Linde hatie gespürt, daß seine Gedanken abseits wa- ren. Sie wurde nicht bös« darüber. Eie hielt den Begriff Treue fo hoch, daß sie sich gar nichts dabei dachte, wenn eine fremde Frau mit Robert redet. Mit einem Scherzwort hatte fie sich von ihm verabschiedet. Er war zum Seewirtshaus zurückgegangen. Suchend schritt er unter den Bäumen dahin. Die Gäste saßen all« im Fr«i«n. Einfach« Glühbirnen gaben einen spärlichen . Schein. Bald hatte sein Blick das Paar an dem Tischchen entdeckt. Robert Meitzner spürt sein Herz klopfen. Das ist der Kerr, der in Passau bei ihr war, den er für ihren Mann gehalten hatte und bei dessen Erwähnung ein Schatten über ihr Erficht gefallen war. Sein Fuß ist wie auf di« Stelle gebannt. Jetzt sieht er, wie der Herr lächelnd sich zu Hilde beugt und ihre Hand ergreift, di« fie ihm läßt, ja fie neigt sich zu ihm hin und flüstert ihm etwa» ins Ohr. E» mutz etwa» sehr liebes Und etwas sehr fröhliches s«in, denn Hilde Bergendorf lacht belustigt auf wie ein Mädchen, und «r lacht auch. Robert Meitzner bricht der Schweiß aus allen Poren« Qualen der Eifersucht brennen in ihm. Sollte er vor- stürzen und den Nebenbuhler packen? Sollt« er dieser fal schen treulosen Frau offen ihre Schande ins Geficht schrei en? — Das war ja Unsinn! Er konnte sich nur lächerlich machen! Was hatte er, Robert Meitzner, der Tannhofbub Und Bildhauerschüler, für «in Recht auf diese Frau? Katte sie ihm auch nur den Anlaß gegeben zu glauben, fie Nebe ihn? — Aber warum kam sie dann hierher? Und warum mit diesem? — Und warum setzt« fie sich hier ins Licht vor aller Äugen und ließ sich vom andern schmeicheln und streicheln? Mar das ein Theater? Tat fie es nur, um ihn zu reizen, eifersüchtig zu machen? Sie mußte doch wissen, daß er so fort zurückkehrt« zu ihr, wenn er Linde heimgebracht hatte? Oder halt, jetzt glaubte er das richtige getroffen zu haben: Eie war auf Linde eifersüchtig! Sie hatte ihn mit Linde gesehen! Ja, so wär es! Und nun stürzte fie sich au» Katz und Wut voll Verzweiflung in die Arme de» nächst besten Mannes! O Robert Meißner, was für ein irrfinniges, törichtes igeug fuhr dir mit Blitzesschnelle durch den Kopf, als du im Schatten einer großen Buche standest und auf das Paar am Tischchen starrtest! Und warum traust du dich nicht einfach kn den Tisch hinzutreten, zu grüßen und dich auffordern zu fassen, Platz zu nehmen? Dann wärst du dem Herrn vor gestellt worden. Er ist ein freundlicher Herr, ein weltge- tvandter, reifer Mann. Und du hattest erfahren, Robert Meißner, daß dies der Verlobte der Hilde Bergendorf war, mit dem fie schon seit Jahren zum Bund fürs Leben sich versprochen, zwei gesund empfindende, sich treu liebende, kluge Leut«, du hättest auch erfahren, daß der Herr die Passion seiner geliebten Frau, junge Künstler zu entdecken vnd zu fördern, mit Nachsicht und Verständnis betrachtet, schon weil er hofft, dies« jungen Talente später für seine Porzellanfabriken «inzuspannen — er ist nämlich jener schon erwähnte, entfernt verwandte Fabrikbesitzer in Sach sen, mit dem eine Fusion des Bergendorfwerkes in Selb bevorsteht. Du hättest vielleicht auch erfahren — denn Hilde vergendorf war an diesem Abend sehr mitteilsam, aufge- kockert und gesprächig, — daß das Hindernis ihrer Verbin dung der Onkel Hildes war, der den Konkurrenten in Sach- fen fürchtet«, daß aber dieser Onkel, von Gicht und Podagra langsam zermürbt, vor etwa vierzehn Tagen seine Zustim mung zur Fusion der Werke und damit zur Verheiratung der beiden Leutchen gegeben hatte. Das war auch der Hauptgrund der Schweigsamkeit Hildes gewesen und heut« der Hauptgrund für die glückliche zufriedene Stimmung des Paares. Alles dies wußte Robert Meißner nicht und er konnte es auch nicht erfahren, denn sein Fuß blieb immer noch an den Boden gebannt. Jetzt erhebt sich das Paar. Der Herr bietet Hilde den Arm. Sie schreiten beide dem Tanzpodium zu. Mit brennenden Augen verfolgt fie Robert. Wieder schlagen die Flammen der Eifersucht prasselnd in ihm em- por. Seine Zähne knirschen, die Fäuste ballen sich. Er sieht, wie der Fremde den Arm um Hild« legt, wie fie sich an seine Brust schmiegt und zärtlich zu ihm aufschaut. Kein Zweifel, diese beiden lieben sich! — Dann ist das ja alles Unsinn, was sich Robert zusammengereimt, von Eifersucht und Liebe. Sie liebe ihn nicht! Sie liebe den andern! Natürlich liebe sie ihn nicht, sonst hätte fie ihn «rwartet, sonst könnte sie sich nicht fröhlich und selbstver gessen im Tanze drehen mit dem andern. Und am unerträglichsten dünkte ihn der Gedanke, daß «r hier in der eigenen Heimat von Hilde verraten wurde. Da bekommt der Robert einen rasenden Zorn. Er dreht sich um und rennt in di« Nacht hinaus. Vergeblich war tet Hilde und ihr Begleiter noch ein bis zwei Stunden. Der Bub zeigt sich nicht. Eie tanzen noch hie und da ein mal und hie und da kam auch ein. Einheimischer mit höfli chem Anstand an das Tischchen, um die schöne, fremde Frau! «m einen Tanz zu bitten, was huldvoll gewährt wird. Ptnmal kommt auch ein Bursch«, bet dessen Anblick Hild« B«rg«dorf überrascht auffuhr: E» ist Tdrikovb der an« »er« Tannhofbub. ' Di« Aehnlichkeit d«r Brüd«r ist nicht zu übersehen. Si« fragt auch Christoph sofort, ob er ein Tannhofer sei. ,^a," ist di« Antwort. Und fi« sei wohl die fremde Frau, die nach Robert im Tannhof gefragt habe? „Die bin ich," sagt Hilde, „ich kenne nämlich Ihren Bruder von Oberammergau her. Er kann etwas und wird «in tüchtiger Bildhauer werden! — Schad, daß er heut Nicht Hergekommen ist?" — „Ja, der ist doch dal Den hab ich doch vorhin, vor einer halben Stund vielleicht noch vorübersausen sehen. Er hats furchtbar eilig gehabt!" — Fra« Hild« schüttelt den Kopf: „Warum ist er denn nicht zu uns hergekommen?" — Sie ist doch etwas verstimmt. Die gewöhnlichen Anstands formen sollte man doch wahren, selbst wenn man auch noch so verliebt ist in ein kleines Mädchen, klebrigen» «in hübsches Mädchen, diese Linde! Geschmack hat der> Bursche auf jeden Fall. Nach dem Tanz erzählt Hilde ihrem Begleiter, was ihr Christoph gesagt hat. Ein Gelächter war die Antwort: „Siehst du, da hast du es! Dein Schützling hat es vor gezogen, fein« Linde zu betreuen. Aber wenn er so einen Kopf hat, wie sein Bruder, mit dem du eben tanztest, be greife ich es. In diesem Burschen steckt Eigensinn und — Leidenschaft! — Und nun will ich zahlen und langsam den- Wagen holen. Wir brechen auf. Du hast wohl nichts da-, gegen Hilde? Oder willst du noch warten?" „Nein, fällt mir nicht ein. Ich muß offen sagen, ich bin etwas verstimmt über Robert —" „Ach, warum nicht gar? Du wirst dir doch den schönen Abend nicht verderben lassen! Bagatelle! Man muß nicht so kleinlich sein gegen di« Jugend. Die Hauptsache, daß er ein guter Künstler wird. Du kannst ihn doch nicht immer am Rockzipfel haben!" neu« Verhältnisse und neue Arbeiten stürzen kann. Er hält es nicht mehr aus daheim. Hilde hatte ihm zuerst recht verärgert geschrieben we- gen des Seefestes. Es wurde Robert nicht leicht, sich zu ent schuldigen,' denn den wahren Grund, warum er sich davon gestohlen hatte, durste er ihr nicht nennen. Oder sollte er ihr eingestehen, daß ihn nur die rasende Eifersucht von ihr ferngehalten habe, die Eifersucht auf den Mann, mit dem sie tändelte und schön tat? Sollte er ihr sagen, daß er wie «in Bettler im Schatten gestanden war und hungerte nach den Zärtlichkeiten, die fie dem andern vor aller Augen schenkt«? Nein, das konnte er ihr nicht schreiben und so ging er mit einer leeren Entschuldigung über den Vorfall hinweg und legt« den Hauptton seines Schreiben» auf dis Mitteilung, daß er auf die Akademie nach München komm«. Und flehe, die Freundin ist's zufrieden und schickt ihm gleich ein halbes Dutzend Adressen von Bekannten, die ih« fördern konnten. Sie war die alte, frühere Hild« Bergen dorf. Aber er war ein anderer geworden. Seine Liebe war zur eifersüchtigen Raserei geworden. Und mochte er auch alles in sich verbeißen und verschließen, man merkte doch, daß er litt. Die Mutter merkte es und die treue Bärbel! Am Sonntag vor der Abreise kommt Linde zu ihm, um den Nachmittag noch mit ihm zu verbringen. Beim Wegkreuz treffen fie sich und Robert ist fest ent schlossen, ihr heute über alles Aufschluß zu geben und von Hilde zu reden. Bisher hat er den Mut noch nicht dazu gefunden. E» ist ein wundervoller Herbsttag. Die Laubbäume haben ihr Festtagskleid angelegt und wohin das Auge blickt, ist ein Rausch der Farben, so leuchtend schön, wie es kaum ein Maler festhalten kann. Zuerst wandern sie auf der Landstraße dahin und dann biegen fie in einen Weg ein, der so schmal ist, daß er hinter ihr gehen mutz. Es ist ein Fest für seine Augen, wie fie vor ihm her schreitet, umflossen von einem hellblauen Kleid, das fie ihr „Himmelschlüsselkleid" nennt, und dessen Schnitt ihren fei nen schmalen Wuchs sacht h.ervorhebt. „Jetzt muß ich es ihr sagen," denkt er. „Liebe Linds," wjrd er also sagen. „Ich muß dir — das heißt, ich hätte dir schon längst gewisse Dinge bekennen müssen..." Aber gerade, als er damit beginnen will, kommt Men ein Bekannter in den Weg, der Lehrer des Dorfe», der fie sogleich in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. „Und Sie gehen nach München, hab ich gehört?" sagt der Störenfried. „Ja, morgen." „Oh. München ist wunderschön. Na, da wünsche ich ave» Gute. And — obackt geben auf das Herz. Die Münchner Mädeln haben es in sich " Dazu lacht er mit gespitztem Mund und es ist ainunehmen, daß er sich da an irgend et was L"stiges erinnert aus der Jugendzeit. Robert weist nicht recht, ob er der Begegnung fluchen oder danken soll. Jedenfalls hat er zu einem Bekenntnis hernach den ganzen Mut wieder verloren, Er versucht es aber trotzdem und sagt: „Liebe Linde —" Seine Stimme will Idm aber nicht gehorchen und klingt wie zerspringen des Glas. Linde wendet den Kopf nach ihm zurück und sagt: „Lieber Robert, nicht traurig sein! Ich warte ja auf dich, bis du wiederkommst." Hat sie denn eine Peitsche in der Hand? NeiNj ihre Hände hängen ganz schlaff herunter. Ihm aber ist zu Mut« gewesen, als habe ihm jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt. „Da sagt man, du hättest eine Liebelei mit der schönen Frau, die vor einigen Wochen im Seehaus war," sagt Lind« dann ganz unvermittelt. Robert fühlt, wie etwas nach seinem Herzen greift. „Wer sagt es denn?" fragt er, blaß bis in die Mund winkel. , Linde dreht sich ganz nach ihm um und faßt ihn bei der Hand. „Du mußt dich darüber nicht ärgern, Robert. Der Chri stoph hat es mir gesagt. Sie habe dich in ihr Herz einge schlossen. Sie habe mit ihm getanzt und dich dabei über de» Schellenkönig gelobt! — Aber ich habe darüber gelacht, denn ich weiß doch, wie du bist." Robert bekommt einen ganz schmalen Mund. „Das ist ja Unsinn, Lüge!-Das ist gemein von Chri stoph! — Ich habe nichts mit dieser Frau!" Er schaut ihr ins Gesicht, steht in ihren Augen den gro ßen, unbeugsamen Glauben an ihn und weiß in diesem Au genblick, daß er es ihr um keinen Preis der Welt wird sagen können. Jetzt mitten in dieses gläubige Kindergesicht hineinzusagen: „Es ist schon wahr, ich liebe diese Frau und das mit dir, das war ein Irrtum —" das wäre gleichbe deutend mit Mord. Und ist es nicht wahr, was er sagte? Er hatte nicht» mit dieser Frau. Er hatte nicht einmal mit ihr gesprochenf Ein hauchfeiner, seidendünner Faden, wie sie zu Tausen den in der Luft fliegen, verhängt sich in ihrem Haar. Ein zweiter und dritter legt sich dazu und in Stunden vielleicht würde die ganze Rosalinde von solchen silbernen Marien- fäden umschlungen sein. Aber sie streicht mit der Hand über ihr Haar und die ganze glitzernde Pracht ist entschwunden« „Hast du sie schon einmal geküßt?" fragt sie ihn. Robert erschrickt. Er weiß es: in Wirklichkeit nicht, in der Sehnsucht und im Traum schon vielemal. „Um Gotteswiven! Nein! Linde, diese Frau ist mir nichts als eine zufällige Bekannte. Sie hat Interesse an mei ner Kunst! Sie ist selbst Künstlerin. Ich habe fie am See fest ja überhaupt nicht mehr gesprochen, Linde —" iÜolllesuug lvlgl^ HäANkvnberger LrzSKIer Tageblatt 80. April 1SS7