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HLStrKenbvLgvL LrzSKIe« z«m 24. April 1987 -Vawivinan von Isans Lrnst I ^^22772^ ' I d«rch v^la^axstale Ma,z, Mixcho iIännlfdftrbulien s - Hat er schon zuviel gesägt? Ist ihm schon das Herz mit der Zunge durchgegangen? Robert beißt sich auf die Zunge, al« Hilde jetzt überrascht zu ihm aufschaut. Aber sie hat sich gut in der Gemalt und sagt nur leichthin: „Der erste Eindruck «Ines Menschen bleibt immer am besten hasten. Und von diesem ersten Eindruck blieb mir da« Bild «ine» braungebrannten Waldlerbuben in Erin« «erung. Die Schule hat Ihnen nun ja etwas Farbe ge nommen, aber sonst hoffentlich recht viel geschenkt? Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut über die Berichte Ihre« Lehrers." Nun ist der Bann gebrochen und Robert erzählt offen von seinen ersten Enttäuschungen, die ihm freilich die Be geisterung für sein hohes Ziel nicht nehmen konnten. Und er schüttet ihr da« Herz au» wie einem treuen Freundel G- ist ganz da» Herz eine, großen Kinde« und Frau Hilde merkt gleich, wie st« mit ihm dran ist; hier brennt einer in der Sehnsucht nach einer großen Welt! Und hier brennt der Ehrgeiz des Jünglings, der große Taten vollbringen «nd unsterbliche Werte schaffen will, um dieser großen Welt Achtung abzugewinnen: Ehre, Ruhm! Und sie spürt auch mit dem feinen Instinkt der Frau, daß sie es ist, die für ihn diese große Welt verkörpert. Eie wäre keine Frau, wenn ihr da» nicht schmeicheln würde. Und sie wär« selbst nicht Künstlerin, wenn sie dieser Ueberschwang des Jüng lings nicht rührt«. Aber sie ist auch reif genug, um ihn beizeiten dämpfen zu können. Das weiß sie. Nachdenklich fitzt nun Robert da. Er betrachtet ihre Hände, die so fein und so klein vor ihm auf dem Holztisch liegen. Nur ein einfacher Keiner Brillantring schmückt fie. Es fällt ihm auf, daß fie gar keinen Ehering trägt. Ist fie Vielleicht doch nicht verheiratet? , „Was denken Eie denn jetzt?" frägt fie ihn und ihre «arme, weiche Hand erfaßt die seine. Da errötet er: „Eigentlich nichts, gnädige Frau." „Sie müssen nicht gnädige Frau zu mir sagen. Nennen Eie mich ruhig Hilde. Und ich sage zu Ihnen Robert. Wir haben nun einmal so ein« Art Verschwörung angezettett und müssen konsequent sein. Und nun wollen wir noch ein wenig hinaus in die Sonne, bevor fie ganz hinunterfintt. Kommen Sie." Wie im Traum geht er neben ihr her. Sie sprechen nicht», bis fie auf dem grünen Waldweg find, der von der Landstraße fort in die Tiefe führt. Aber sobald die stillen Stämme um fie stehn mit dem frühen Harzgeruch, sobald der Wechsel von Licht und Schatten fie überspielt und der Abendwind von der Höhe die Wipfel leise bewegt, bleibt Robert auf einmal stehen und wendet ihr sein Erficht zu. „Gnädige Frau — Hilde, wollte ich sagen, wissen Sie, was ich mir jetzt auf dem ganzen Weg gedacht hab?" Za?" Er schaut an ihr vorbei zu den Wipfeln hinauf. „Was Ihr Mann sagen würde, wenn er uns jetzt sähe." Sie lacht klingend auf. „Haben Sie denn gedacht, ich sei verheiratet? Und selbst wenn es so wäre, niemand würde sich daran stoßen, wenn Ich mit Ihnen plaudere. Ich bin aber nicht verheiratet." „Gott sei Dank!" „Warum find Eie denn da so froh?" „Ich meinte, der Herr, damals in der Ausstellungs- Halle..." „War nicht mein Mann." Er sieht den Schatten nicht. Per über ihr Erficht huscht. .Kommen Eie," drangt fie un vermittelt. ,Zch möchte Sie überhaupt einmal über meine löbliche Person etwas aufklären. Ich schätze es immer, wenn ich imit klaren Verhältnissen zu tun habe und alles halbe, zwiespältige, dunkle, ist mir verhaßt. Da» hängt vielleicht auch mit meinem Beruf« zusammen?" „Sie üben einen Beruf aus?" — rief Robert überrascht. „Natürlich! Ist Ihnen das so unfaßbar? Meinen El«, Ich sei eine verkappte Märchenprinzesfin? Nur ist mein Beruf zu ertragen. Ich bin die Nichte eines wohlhabenden Llteren Porzevanfabrikanten, ein Beruf, der sehr ange- kehm ist, ich bin aber auch gleichzeitig seine PrivatsekretS- rln, Reisebegleiterin und Beraterin vor allem in künstle rischen Fragen. Es wird keine Nippfigur bei uns gebrannt, Phne daß ich fie gutgeheißen. Wissen Sie nun, daß wir in j-ewissem Sinne Kollegen find. Sie in Holz, ich in Por- jzellan." — „Dann modellieren Eie auch selbst?" „Sehr mäßig, sehr mäßig! nicht so gut wie Sie: aber ich ,traue mir ein Urteil zu. Und vielleicht mache ich mir Jhret- »oegen noch bestimmte Hoffnungen. Jetzt find Eie noch /Holz, aber vielleicht werden Sie noch Porzellan?" — Ihre «Stimme klang übermütig. Immer stiller wird der Weg. Aus der Tiefe des Wal des ruft «in Bogel und die Eonnenbänder liegen fast wagrecht im dunklen Geäst. Auf einmal blieb Hilde Ber gendorf stehen und lächelte: «Nun, und da ich Ihnen so offen Red und Antwort stand, wie steht es in diesen Dingen bei Ihnen? Wartet nicht irgendwo «in klein«- Bräutch«n? Künstler find leicht entflammt. Auf den Schwingen der Li«b« —" -iw« hält plötzlich inn«, denn auf dem Erficht ihr« BWkit«, »Mein Blässe uyd Röte. Ihre Worte, leicht und lässig hingeworfen, trafen ungewollt in» Schwarz«. Dor Robert« Auge steht Linde» Bild und rührt an sei nem Gewissen, mahnt und warnt. Er kommt in ein« Ver legenheit, die «r kaum verbergen kann. „Aha" — la«M Hild« belustigt — „hab ich, erraten? — Wie heißt fie denn? Ich stelle fie mir reizend vor, ein frische» Landmädchen —" Robert würgte an einer Antwort herum: ,Zch habe — ich kenn« — nein! Ich liebe keine! Ich bin frei!"- Und wieder schwebt Lindes Bild vor ihm und «» ist ihm, al» sagte fie: Nun hast du mich zum erstenmal ver leugnet! — ,Has ist — allen Ernstes gesprochen, nur gut für Sie." Hilde nimmt die Wanderung wieder auf. Sie kommt nun in richtigen Eifer, denn das Thema Künstler und Fra« hatte fie immer gefesselt. „Gehen wir weiter! Es spricht sich besser im Gehen. — Sehen Eie, dies Thema ist ungemein interessant. Ein jun ger Künstler darf sich nicht binden. Erin« Liebe muß der Kunst gehören. Und wenn einmal die Frau in sein Leben entscheidend etntritt, dann soll es die richtige sein. Sehen Sie, mein lieber Freund, Sie find noch jung und dürfen nicht in unrechte Hände fallen. Versprechen Eie mir eines: Sagen Sie mir offen, wenn sich ihr Herz ernstlich entschei det! Ja? Ich möchte wissen, ob es eine Frau ist, die zu Ihnen paßt. Eie werden Ihren Weg machen, werden Künstler sein und da paßt nicht jedes Mädchen zu Ihnen. Eie brauchen «inen verständigen Kameraden, «in Wesen» das spornt und treibt, mäßigt und lenkt, wie es das künstlerische Schaffen fordert!" Seine Gedanken find wieder bei Linde. Warum hat er darüber geschwiegen? Zögernd beginnt er: ,Zch kenne wohl ein Mädchen daheim — seit früher Kindheit. Eie heißt Linde und —" „Mädchen, die Linde heißen und kn stillen Walddörflein wohnen, find nicht gefährlich," scherzt fie. „Es ist eine kleine Iugendfreundlchaft." - ,Mer hat da» nicht? Aber da« hab« ich ja nicht gemeint. — Ich meine die große, die einmalige Liebe, an der man sterben kann. — Gott, wir müssen umkehren. Es wird schon dunkel. Also, wenn einmal die Stunde kommt, das werden Eie mir nicht verschweigen, nicht wahr, Robert? Eigent lich weiß ich ja nicht, warum ich mich um Sie so kümmere. Aber ich brauche jemand, für den ich mich sorgen kann und den ich bemuttern darf." Ueber ihrem klugen Gesicht liegt wieder ein Schatten. Es scheint, als ob fie doch nicht alles vor Robert ausgebrei tet habe. Sie schweigt eine Weile und spricht dann lang sam weiter: „Wir Frauen haben oft sehr törichte Wünsche, aber in jeder von uns steckt eine Mutter. Es ist merkwürdig; schon damals, als ich Eie in Passau sah, sagte ich zu mir: Für diesen Jungen möchtest du eigentlich so recht von Herzen sorgen dürfen. Es wäre schön. Nicht lachen, bitte. Es ist tatsächlich so. Und als Sie mir dann schrieben, da freute ich mich, daß Sie mich nicht vergessen hatten. Wir wollen uns auch niemals vergessen, nicht wahr? Und deshalb war auch vorhin diese Frage. Ich will nicht haben, daß Eie einmal unglücklich werden. Nein, Sie sollen recht, recht glücklich werden..." Robert ist immer noch verwirrt. Er sinnt und grübelt und sucht nach den richtigen Worten. Was soll er 4hr sagen? Daß er schon viele Nächte an sie gedacht hat? Daß fie in seinen Träumen umgeht nicht als die Mutter, son dern als jene Frau, von der sie sagte, daß man sterben für fie könnte. Denn so ist es; Robert Meißner ist erfüllt von dieser Frau. Er liebt fie. Er hätte die kleine Linde verraten und geopfert. Er wäre willens, sich dieser Frau zu ergeben bis in den Tod. Aber er ist nicht ganz glücklich bei diesem Gedanken, kommt sich fast vor wie ein Kind, das sich im ungeheuren Wald verirtt hat. Er betrachtet Hilde von der Seite. Linie für Linie ihres ' Antlitzes nimmt er in sich auf. Es leuchtet etwas matt in der Dunkelheit. Aber auch dann, als fie in den Bereich der . ersten Straßenlaterne kommen, ändert sich dieses Gesicht um nichts. Gleich darauf bleibt Hilde vor einem Bauernhaus stehen. „Hier wohne ich," sagt sie. „Aber leider nur noch bis morgen früh. Mit dem ersten Zuge fahre ich weiter. Mein Onkel fährt nach Florenz, und ich muß mit." Robert ist bestürzt und fassungslos. „Nein! Das dürfen Sie nicht! Sie wollen mich schon wieder verlassen?" E» klingt so leidenschaftlich, daß Hilde befremdet den Kopf hebt und ihm prüfend in die Augen schaut, dann lächelt sie gütig. „Nicht so stürmisch! Es ist ja nicht so, daß wir uns nicht wieder sehen. Ich verlasse Eie nicht. Im Gegenteil, jetzt, nachdem ich von Professor Hagen weiß, daß in Ihnen ein ganzer Kerl steckt und nachdem ich mit Ihnen gesprochen, habe, halten wir Fühlung. Ich schreibe Ihnen, «erde Ihnen viel schreiben. Ich sorge mich gerne um Sie - „Einmal haben Eie Lieber Jung«' g«schrieb«n," meint «Ja. ich weiß es. Ich schrieb, wir ich dachte." „Da» hat mich schon arg gefreut." „Wirklich? Und ich dacht« schon, Et« wären mir bös« deshalb." „Kann man denn Ihnen bö» sein?" ,Soho, schau den Schwärmer!" lacht Hilde. — „Aber bktt« kein« Komplimente, da» steht Ihnen nicht, ist auch nicht das echte. Und keine Sentimentalitäten! Sagen wir «ns Ade wie gute Kameraden — da, meine Hand! Und auf Wiedersehen!" Robert ergreift stumm diese schmale Nein«, aber doch kräftige Hand und will fie nicht loslassen. „Nein Bub! Nicht so fest! — Sagen Sie doch: auf Wi dersehen!" — „Auf Wiedersehen — Hild«!" Ihr« hohe, schlanke Gestalt verschwindet im dunklen Flur. Eie wendet sich auch nicht um, obwohl sie doch wissen müßte, daß er noch dasteht, hilflos und überglücklich und doch verwirrt von der unerwartet über ihn hereinbrausen den Gefühlswelt. * Robert ist wieder daheim. Ueber die Sommermonate war die Schule geschlossen. Viel« Schüler fuhren zwar nicht nach Hause, sondern gingen in die Berge oder auf die Wan derschaft und Robert wollte das auch, aber er hielt e» kaum einige Tage au», dann packte ihn das Heimweh. Gr war wütend auf sich selbst:,Heine Mutter zürnt, der Linde traw ich mich nicht unter die Auaen. Was zieht mich eigentlich! heim?" — Aber der Zug war zu stark, er konnte nicht wiederstehen. Eie behaupten im Tannhof, daß er ander» geworden sei. Die Mutte, sieht es sofort, aber fie schweigt. Sie kommt mit Robert nicht mehr in das alte herzliche Ver hältnis, aber fie streiten auch nicht miteinander. Sie reden von dem, was so dies letzte Jahr passiert ist in Wolfsdach» aber fie reden nie von dem, was beider Herz berückt, von der Bildhauerei und von der Linde. Zwei Tage schon ist Robert daheim und hat Linde noch nicht gesehen. Tr hat ihr auch nicht geschrieben, daß er heimkomme. Heute muß er zu ihr, denn wenn fie von frem den Leuten erfahren würde, daß er da sei, wär» noch schlimmer. Und es ist schon schlimm genug, denn Robert Meißner spürt es ganz genau, daß er Linde nicht mit reinem Ge wissen wird gegenübertreten können. Denn Linde ist nicht mehr die alles überstrahlend« Sonne in seinem Leben. Sein Ehrgeiz ist erwacht. Seitdem er spürt«, daß L«ute, die etwas verstehen, von ihm mit Achtung sprechen, Frau Ber gendorf, Professor Hagen, seitdem er selbst seine Kraft und seine Kunst wachsen steht, brennt es in ihm, «r wird sehr selbstbewußt. In dem Tannhosergeschlecht steckt «in Stolz- Vater und Mutter hatten ihn, auch in Robert wurzelt «r tief. Diesen Stolz hat die fremde Frau geweckt, nicht das liebe Mädchen Linde, die zarte milde Gespielin der Jugend, die fremde Frau aus der vornehmen Welt, der großen Welt, wo Eeist und Eleganz triumphieren und Künstler und schöne Frauen in ewiger Jugend das Leben genießen. In dieser Welt war die treue aber doch einfache Linde, deren höchstes Glück ein Heim in dem verlassenen Wald dorfe war, nicht zu Hause, in dieser Welt strahlte wie ein fremder, seltener, schöner Stern Hilde Bergendorf. Linde stand unter der Türe, als fie Robert Meitzner über den Kirchplatz kommen sah. Sie hatte ihn nicht er wartet, die lleberraschung trieb ihr das Blut zum Herzen, daß sie sich schnell setzen mußte. Es wurde ihr schwach. Dann aber brach der Jubel in ihrem Herzen los. Di« Freude brauste in ihren Adern wie eine Orgel. Eie sprang auf: „Robert!" Ihr Ruf klang wie eine Fanfare über den Platz. Leut« standen still und schauten, was sich da begab, Fenster öff neten sich. Aber das war Linde ganz gleichgültig: Mit zwei drei Sätzen, flink wie ein flüchtiges Reh war fie bei Robert. Mit beiden Händen griff sie nach seiner Rechten. Träne« der Freude standen in ihren Augen. „O Robert! Wie hast du mich überrascht!" -- Robert hätte in den Boden versinken mögen. Welche Liebe wurde ihm da entgegengebracht! Und was brachte er dafür? — Aber Linde deutele seine Verlegenheit anders. „Mußt mich nicht schimpfen, lieber Bub, daß ich mich hab so gehen lassen. Aber ich konnte nicht anders, ich mußtet dir schreien! Es hätt mich sonst erdrückt! O Bub, di« Freud!" „Linde, du Gute — Mußt entschuldigen wegen den» Schreiben." — „Laß das! Ich weiß, du hast so viel lernen müsse«., Komm, die alten und jungen Natschkatheln schauen scho« zu allen Fenstern heraus und zischeln. Gehen wir in« Haus herein!" — „Ich wollte eigentlich nicht hineingehen," wehrte R— bert ab, „ich wollte mit dir allein reden —" Linde strahlte und schaute ihn mit einem innige« Blicke an. „Guter Robert! Das glaub ich, auch ich macht dich al lein haben, aber Vater hat dich schon gesehen, hörst du ih«> klopfen? Sogst ihm halt guten Tag schnell, dann habe«, wir uns allein!" (Fortsetzung folgt.» 0— l«, «I««