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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 17.02.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-193202173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19320217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19320217
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-02
- Tag 1932-02-17
-
Monat
1932-02
-
Jahr
1932
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das Vertrau«! kn dke Währung doch allein davon abhangen, daß wie im privaten Leben, Üe Aufrechterhaltung von Treu und Glauben auch im öffentlichen Leben da» Vertrauen zum Staat wieder Herste! st. Der Bortrag auf der letzten ordentlichen Mit- gliederversaminlung in Leipzig endete mit de» Worten: „Wir wollen die Wiederbelebung der produk- tiven Kräfte, und wir wollen auf dieser Grund lage Vertrauen gewinnen in unsere Zukunft. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das alles möglich ist; es kommt bloß darauf an, nach der Erkenntnis den Entschlich und nach dem Entschluß die Tat folgen zu lasten. Ich sehe in einem solchen Betätigungswulen die Möglichkeit zur Beseitigung der Krise, auch der Krise im Staat, und ich seh« darin den wahren Wiederaufbau zur Erhaltung von Staat und Wirtschaft und auch den einzigen und richtigen Weg zur Wiedergewinnung der politischen Gröhe der Nation." Chemnitz folgte mit zwei archerordentlichen Mitgliederversammlungen. In der ersten stellte der Reichskanzler Brüning die Forderung der Abkehr von den Fehlern der letzten 10 Jahre auf, und die Wirtschaft knüpfte an die Er wartung dieser Umkehr ihre Forderungen! Die zweite Chemnitzer Versammlung zog das Fazit der vergeblichen Erwartungen mit der für jeden vorsichtigen Geschäftsmann notwendigen Skepsis. Die Dresdner Osterversammlung wird den Appell an alle Kreise richten: „Durch Treu und Glauben zum Wiederaufbau!" Soziales Die Not der Angestellten wächst. Die Not- gemeinschaft der älteren Angestellten, Kaufleute und Angehörigen geistiger Berufe in Sachsen wendet sich von neuem an ihre Freunde mit dem Aufruf uin Hilfe durch Arbeit. Daß ihre Not weiter wächst, zeigt aufs ernsteste der soeben ver öffentlichte Bericht des Landesarbeitsamts Sachsen über den Arbeftsmarlt für Angestellte im Januar 1932. Nach ihm ist gegen das Vorjahr eine Zu nahme der arbeitsuchenden Angestellten im Durch schnitt um 10 v. H. zu verzeichnen, in den freien Benifen betrug die Zunahme sogar 29 v. H. dluffäftig hoch wird die Zahl der Angestellten b^eichnet, die sich jahrelang in fester Stellung befanden und sich erstmalig arbeitslos melden. In Leipzig waren z. B. von den neugemeldeten inännlichen Angestellten 51 o. H. noch nie arbeits los, von den weiblichen 41 b. H. Was wird aus den Heimarbeitern? Da am 81. März d. I. der Termin abläuft, nach dem die Heimarbeiter in die Arbeitslosenversicherung «inzubeziehen sind, sind von den maßgebenden sächsischen Kreisen erneut dringende Vorstellungen erhoben worden, diese VersicherungspsUcht ans» rechtzuerhalten. Das Ausscheiden der Heim arbeiter aus der Versicherung würde für manche arme Gemeinde eine untragbare Belastung be deuten, da sie im Falle der Arbeitslosigkeit dann sofort voll für die unbemittelten Heimarbeiten zu sorgen haben würde. Wenn die Versicherungs pflicht aufgehoben würde, würden in Sachsen, — diesem großen Heimarbeitsgebiet — eine sehr große Zahl Heimarbeiter aus der Versicherungs pflicht ansscheiden. Die Zahl der im Jahres bericht der sächsischen GewerbeaufsiMsdeamten von 1930 aüfgeführten Hausarbeiter beläuft sich auf über 67000. Reue Grundsätze in der Arbeitslosenversicherung. Ist die Arbeitslosenunterstützung rechtskräftig ver- Dar siebente Wunder Dresdens Ein Grütz an Oskar Seyffert z« seinem 70. Geburtstage am'19. Februar Von Kurt Arnold Findeisen. Die Tausende und Abertausende von Vergnü- gungsrcisenden, die aNsommerlich aus allen Himmelsgegenden nach Dresden kommen, haben es zumeist aus die sechs überlieferten Wunder der Madt abgesehen, auf den Zwinger, die katholische Hofkirche, die Brühlsche Terrasse, aus die Sir- Anische Madonna, das Grüne Gewölbe und den Großen Garten. Daran fügen die meisten noch »ine Dampferfahrt in die Sächsische Schweiz und, wenn es hoch kommt, nach Meisen; damit meinen sie, „Elbflorenz und Umgebung" erledigt zu haben. Die wenigsten aber wissen, daß Dresden seit 1913 noch eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges birgt, eine einmalige Kostbarkeit, die in der nächsten Aufsage des Baedeckers sicherlich mit zwei Sternen bezeichnet werden wird, nämlich das „Lcmdcsmuseum für Sächsische Volkskunst", das neuerdings nach seinem verdienstvollen Gründer und treuen Verwalter „Oskar Seyffert-Museum" heißt. Es ist zu verstehen, daß manche Leute ein gelinder Schauer überläuft, wenn sie das Wort Museum hören; sic denken, durch Erfah rung gewitzigt, an spinnenüberkletterte Rumpel kammern und feuchtkalte Grabverliese, an lächer lich phantastische Häufungen von llrvälerhausrat «twa, der für Lebendige scheinbar keine Bedeu tung und ganz bestimmt keinen praktischen Wert mehr Hai. Und leider gibt es heute noch hier und da solche Schreckenskammern, wenn auch der verständige Sinn und der verbesserte Kunltge- schmack unserer Zeit in den meisten Fällen Wand rung geschaffen hat. Das Landesmuseum für Sächsische Volkskunst kst im überlieferten Sinn überhaupt kein Museum, vielmehr eine wundervoll harmonische Lebensge meinschaft all der Dinge, die zu Notdurft und Zeitvertreib, Merktagspflichi und Sonntagslust unter Volk aus einem einfach herzlichen Kinder gemüt heraus erzeugte und in Gebrauch hatte, damals, als es noch Jahrzehnte, Jahrhunderte jünger mar als heute. Denn wie jeder Mensch Im Kleinen die Entwicklung der ganzen Menschheit durchma ht, so gleicht seinem Wachstum auch das Handel Dir Chemnitzer Börse wird nicht wieder er öffnet. Infolge der katastrophalen Schrumpfung des Geschäftes an der Chemnitzer Börse, die schon fett längerer Zeit besteht, hat der Chemnitzer Börsenvorstand beschlossen, den Handel an der Chemnitzer Börse vorläufig einzustellen. Wie unser Chemnitzer Vertreter hierzu von unterrich teter Seite hört, ist damit zu rechnen, daß die Chemnitzer Börse überhaupt nicht wieder eröffnet wird. SivteifMer Wtnter ttver VeutsMland Starke» Eistreiben aus dem Rhein an der Kölner Eisenbahnbrücke (alte Aufnahm«). Der Winter 1932 ist vrrspätet in Deutschland «lugezogen. Seine Kälte-Temperaturen haben Grade erreicht, die für unser« Breiten ganz ungewöhnlich sind. Dl« kleineren Flüsse sind völlig vereist, während aus den gröberen ein so starker Eirtreiben herrscht, da« den Schiffahrtsverkehr autzer- ordentlich erschwert. sagt worden, weil der erforderliche Lebensunter halt im Betrieb von Angehörigen miterworben werden kann (8 89a Abs. 1 des Gesetzes) und ändern sich nachträglich die zugrundeliegenden Ver hältnisse, so ist auf Antrag von dem Vorsitzen den «des Arbeitsamtes eine neue Entscheidung zu treffen. Die Rechtskraft der früheren Ent scheidung steht nicht entgegen, (lila Ar. 227/31: Entscheidung des Neichsversicherungsamts.) Ist ein Arbeitnehmer infolge eines Verhaltens, das zur fristlosen Entlassung berechtigt, entlassen worden (8 93 des Gesetzes), so rechtfertigt seine Eigen schaft als Betriebsratsmitglied nicht ohne weiteres eine schärfere oder mildere Beurteilung im Sinne des 8 93s des Gesetzes; diese Eigenschaft ist vielmehr lediglich im Rahmen der gesamten Um stände des Einzelfalles zu würdigen, (Illa Ar. 145 N1: wie oben.) Ruhegeld und Notverordnung. Wenn eine Ver- sicherte der Angeftelltenversichenmg vor dem 1. Januar 1932 geheiratet aber den Erstattungs anspruch nach K 62 des Angestelltenversicherungs gesetzes nicht geltend gemacht sondern sich frei willig wciterversichert hat, so kann sie deki Er- stattungsanspruch noch nachträglich geltend machen, wenn infolge des Zusammentreffens ihres Ruhe geldes mit einer anderen Rente eine dieser Ren ten nicht gewährt wird oder wenn das Ruhegeld ganz oder teilweise ruht. Es handelt sich hier um die Bestimmungen des Fünften Teils Kap. kV ßtz 4 und 10 der letzten Notverordnung, zu dem der Reütsarbeitsminister soeben die Durchfüh rungsbestimmungen erlassen hat. Muf Grund der Durchführungsbestimmungen wird von den für die Zeit seit dem 1. Januar 1924 entrichteten Beiträ gen die Hälfte der Pflichtbeiträge sowie der für die Zeit vor der Verheiratung entrichteten freiwil ligen Beiträge und der volle Betrag der für die Zeit seit der Verheiratung entrichteten frei willigen erstattet. Das Ruhegeld fällt mit dem Ablauf des Monats, in dem die Erstattung ge währt wird. Die Erstattung schlieft weitere An sprüche an die Reichsversicherungsanstalt aus den erstatteten Beiträgen aus. Volkswirtschaftliches Der Verbandssitz des Deutschen Earngrohhan- dels nach Chemnitz verlegt. Mit Rücksicht daraus, daß das Schwergewicht de» Verbandes Deutscher Baumwollgarngroßhändler, e. B., Berlin, schon seit langer Zeit bei der sächsischen Untergruppe, dem Verband« Sächsischer GarngsoMndler, e. V., Chem nitz lag, ist der Verband letzt aufgelöst worden. Wie zuverlWg verlanlet, wird der Verband Säch. slscher Garngroßhändler tn allernächster Zeit den Namen „Verband Deutscher Garngroßhändler e. V., Sitz Chemnitz" annehmen und damit gleichzeitig an die Stelle de» bisherigen Verbandes Deutscher Baumwollgarngroßhändler treten. Der Verband Sächsischer Garngroßhändler wird unter seinem neuen Namen die Ausgaben des alten deutschen Verbandes übernehmen, insbesondere auch die bis herigen Konditionen (Zahlungs- und Lieferungs bedingungen). Wie unser Chemnitzer Vertreter erfährt, wird der neue Verband nicht nur die Interes sen der Baumwollgarngroßhändler, sondern auch die der Händler in Gespinsten aller Art, insbeson dere auch in Woll-, Vigogne-, Streich-, Kammgarn-, Kunstseide-, Seide und Leinenwaren wahlnehmen. Damit wird endlich die einheitliche Wahrnehmung der Handlerintcreffen in Garnen und Gespinsten aller Art durch einen geschloffenen Neichsverband erreicht, die nach Ansicht der Fachkreise umso not wendiger ist, al« der Garnhandel gerade in der Gegenwart der zahlreichen lehr schwierigen Prob leme aus dem Gebiete der Zollsragen und der Umsatzfragen, der Devlsenbewirrschaktung usw. steht. Aus den Gerichtssälen S tteberspitzte Auslegung der Paßvorschriften. Wie vorsichtig man bei Wanderungen m un bekannte Grenzgebiete sein muh, mutzte ein 51- jähriger Lederhändler ans Hohenstein-Ernstthal erfahren, der in der Nähe von Herlasgrün an einer Stelle, wo dte deutsch-tschechische Grenze ganz schlecht gekennzeichnet ist, ahnungslos' das bereits auf tschechischem Boden liegende Gasthaus ,,Panischere!" aufgesucht hatte. Da der Leder- Händler die Gegend nicht kannte und das Gast haus unnrittelbar jenseits der Grenze liegt, hatte er umso weniger eine Ahnung, sich eines Paß- ! oeraehens schuldig geinacht zu haben, als da« Gebäude doyu noch ein deutsches GastHausscblld trägt. Trotzdem war der Fäll bekannt gewor- de» und dir Lederhändler hatte einen Straf, befehl in Höhe von 1005 Mark erhalten, weil er ohne Entrichtung der Ausreisegebühr In Höhe von 100 Mark und ohne Paß nach der Tscheche, flowakek gereist sein sollte. Er legte natürlich gegen diesen stark an den alten ehrlich«» Amts schimmel erinnernden Strafbefehl Berufung ein, und das Amtsgericht Schwarzenberg sprach ihn auch in Ansehung der bereit» geschilderten Um stände frei. Damit gab sich nun wiederum der Staatsanwalt nicht zufrieden, der zwar die An klage wegen Grenzüberschreftung ohne Zahlung der Ausreissgebühr fallen ließ, aber insoweit Be rufung einlegte, als der Lrderhändlcr die Greine ohne Paß oder Grenzausweis überschritten hafte. Der Staatsanwalt vertrat dabei die Ansicht, daß zumindestens wegen fahrlässigen Uebertretens dec Paßvorschriften eine Bestrafung hätte erfolgen »nüssen. Tas Berufungsgericht machte sich jedoch eine derartig überspitzte Auslegung der Paß vorschrift nicht zu eigen rind schloß sich unter Verwerfung der Berufung der vorinstanzlichen Urteilsbegründung an. Z Ein ehrsamer Handwerksmeister des Meineids schuldig geworden. Wie unglaublich leichtfertig der Eid auch von Menschen genomnien wird, die ihrem ganzen Lebenswege und ihrer gangen Le bensauffassung nach niemals die Absicht gehabt haben, vom rechten Wege abzuwekchen, bewies die Schwurgerichtsverhandlung vor dem Chemnitzer Gericht gegen den 56jährigen Bäckermeister Fried rich Richard Schönherr aus Harthau, der in einer Vormundschaftsfache vor dem Chemnitzer Amtsgericht wider bester«» Wissen beschworen hatte, daß der 64jährige Schuhmachermeister Emanuel Friedrich August Baum aus HärthaU keinen Verkehr mit Frauen gehabt habe. Baum selbst Haft« den Angeklagten gu der ersten falschen Aussage, die allerdings noch nicht unter Eid erfolgte, verleitet, doch beschwor dann nachträg lich der Angeklagte ohne Zutun von Baum seine erste Mssage, um nicht seine erste strafbare Falschaussage etngestehen zu müssen. Das Gericht ließ deshalb Milde walten und verurteilte ihn nur zu der zulässigen Mindeststrafe von drei Monaten Zuchthaus, die in drei Monate 14 Tage Gefängnis umgewandelt wurde. Da der Handwerksmeister bisher vollkommen unbeschol ten war und nur.aus Leichtsinn gehandelt hatte, wurde ihm zudem eine Bewährungsfrist zugc- standen, während Baum wegen versuchter Ver- leitung zum Meineid die empfindliche Strafe von einem Jahr Zuchthaus erhielt. Der unbeteiligte Beobachter aber fragte sich kopfschüttelnd, wie Männer von 56 und 64 Jachren überhaupt noch in derartige Prozesse verwickelt werden können, und wie es möglich ist, daß sie sich bei ihren, Alter der Bedeutung eines Eides nicht bewußt sind. Wahrlich ein charakteristischer Beweis da für, wie heute alle ethischen und moralischen Grundsätze in ihrem Fundament erschüttert find! Wachstum seines Volkes, seines Stammes, und so hat auch sein Volk und sein Stamm eine schöne, in allen Regenbogenfarben schimmernde Kinderzeil gehabt. Und wie für jeden Menschen Kraft, Trost, ja so etwas wie Segen aus den Tagen kommt, da er jung war, so geht eine zwingende Beruhigung, eine Kraftzufuhr und eine Aufmunterung, die einem Segen gleichkommt, von der stilleren, seclenvolleren Zeit aus, die wir die Kinderzeit unseres Volkes nennen müssen. Und das ist der Gewinn, der im Landesinuseum für Sächsische Volkskunst in einer besonders glücklichen Offenbarung aus jeden Besucher wartet. An keiner ähnlichen volkstümlichen Kunststätte Deutsch lands (um nur von Deutschland zu sprechen) liegt vielleicht der Weg so klar und sympsMch ausgezeichnet, der Weg, der in die heilsame Boden ständigkeit und Naturnähe, in die ehrliche Ge sinnung und schöpferische Einfalt unserer Alt- vorderen weist, in Eigenschaften, die nicht etwa romantisch gepriesen werden, weil sie ausgestor- bcn scheinen, sondern weil wir täglich mehr und mehr einsehen lernen, daß Amerikanisierung, Mechanisierung und Materialisierung der Welt, gegen « die wir jene Eigenschaften auslauschen mußten, das letzte Glück ganz gewiß nicht be deuten. Treten wir zu einem kurzen Besuch in diese merkwürdige Gemeinschaft seelenbunter Dinge ein. Lie ist stilgerecht untergebracht im stimmungs vollen „Iägerhof" zu Dresden-Neustadt, dem vorsichtig erneuerten Ileberrest eines kurfürstlichen Jagdschlosses, und wird vom Landesverein Säch sischer Heimatschuß verständnisvoll erhalten. Das Schlößchen liegt nicht etwa in einer ausgefallenen „pensionierten" Gegend, wie manche meinen, son dern nur durch einen sich aus sich selbst belohnen den Gang über die schönste Dresdner Elbbrück«, die Augustusbrückc. von Zwinger, Hofkirche und Brühlscher Terrasse getrennt. Gleich beim Eintritt kommt der Naum auf uns zu mit Farbe, Licht und fröhlicher Bunt heit -yje eine Weihnachtsstube unserer Kinder- Mt. Die schlichten Bogengänge des alten Ge- väudes leiten langhin, ohne Ilrbcrredungspbrasen nötig zu haben. In einem ländlich festlichen Zimmer ist der Tisch für uns gedeckt mit akt- gediegenem Zinngeschirr; wir fühlen uns aus einem vertrauten Herzen heran, willkommen ge-' heißen. In einer Lausitzer Stube redet alles, das grundehrliche Holzgestühl, dis solide Maue rung des Ofens, die Art, wie die Dinge mühe los anfeinander abgestimmt sind, die Sprache, oder vielmehr die rüstige Mundart einer Sach lichkeit, die nicht erst als „neue" Sachlichkeit angeboten zu werden braucht, um Beifall zu finden. Lebensvolle Zusammenstellungen von handwerklichen Arbeiten, vor allem von volks tümlicher iKeramik überrascht durch die innere Notwendigkeit, mit der alles gestaltet scheint. In einer kleinbürgerlichen „guten" Stube wohnt der innige Geist des deutschesten aller deutschen Maler und Zeichner, der echte Geist Ludwig Richters. Die Treppe führt empor zu Kaspertheater, Guckkasten, Puppenküche, zu Jahrmarkts- und Vogelschießherrlichkeit, zu einer jener freundnach barlichen Hutzenstuben, zu einer vogtlandischen Spinnstube und zu dem unvergeßlichen erzgebir- gischen Weihnachtsraum. Dieser Bethlehemwin kel mit seinen beglückenden Chrfftwundern, den geschnitzten Bergleuten und Engeln, Stand- und Hängeleuchtern, Drehtürmen (sogenannten Pyra miden) und Krippen ist allein schon eine Sehens würdigkeit, die sich unverlierbar cinprügt. Dazit prangen hier die kulturgeschichtlich so aufschluß reichen Volkstrachten der Altenburger, Vogtlän der, Erzgebirger, Meißner und der evangelischen und katholischen Wenden. Das blüht und prunkt uin einen wie ein sommerlicher Bauerngarten, ein Garten, der von altmodischen Blumendüften voll ist. Lehrreich, gebieterisch, überzeugend führt aus den nächsten Zimmern oi« menschliche Ent- wicklnngskurve von Gestern ins Heute und Mor gen, aus der abergläubischen Dumpfheft der wen dischen Wöchnerinncnkammer in die Hygiene der praktischen Vernunft, aus engen und finsteren Handweberstuben in die lichten Säle durchgeistig ter Technik und in den Begriff eines neuen Respek- tes vor Ker Arbeit und ihren sozialen Forde- rungen. Ueberhaupt herrscht, und das ist einer der Hauptgründe, warum dieses Museum so gar nicht abseitig, überholt, sentimental wirkt, überall das Bestreben, di« geheimnisvoll« Wefterbewegung aus dem Gestern ourch da« Heut« ins Morgen zu zeigen, die schicksalhaft« Verwobenheit von Ver gangenheit Gegenwart und Zukunft. Ueberall, ° w» vortreffliche Ueberlieferung (beispielsweise der Volkskunst) fruchtbare Fortentwicklung, Bereiche- . rung, Entfaltung unter veränderten Gesichtspunk- . ten verheißt, hält es das Museum für seine j unerläßliche Pflicht, neu« Ansätze, neue Erperi- ! mente, neue Perspektiven anzudeuten. Das be- ' weift eine herrliche Sammlung neuer volkstüm- i sicher Keramik, das beweffen überwältigend reich haltige Ergebnisse von Versuchen auf dem Ge biet eines aktuellen, aber doch aus bester Tra dition gespeisten heimatlichen Kunstgewerbes (be sonders i NSpitzen und in Spielwaren daraetan), das beweist eine kunterbunte Galerie von Kinder zeichnungen aus den Schukzimmern von beute, die sich einer geheimnisvollen Gesetzlichkeit ge horchend, mit der Urwüchsigkeit primitiver Baucrnmalerel beglückend berühren. Es jst kein Zweifel: dieses Museum ist leben dig, in gewissem Sinne unvergleichlich, ein« groß« Sehenswürdigkeit! Man braucht von den Schätzen, die es in einem zweiten Obergeschoß birgt, gar nicht noch zu reden. Immerhin sei erwähnt, daß hier eine zweite gutbürgcrliche Stube, riß mit liebevollem Sichbeschetden und mit sichtlicher Freude an den Kleindingen des Lebens aus- gestattetes Zimmer, aus der Ausgeruhtheft der Biedermeiertage anmutigen Frieden sprnnt. Da neben kann die Materialechthekt bejahrter Kup fer-, Messing-, Zinngefäße bewundert werden^ seidenweiche, mattglänzende Stroharbeiten, die m Sachsen einmal in Schwung waren, lasten er sprießliche kunstgewerbliche Möglichkeiten ver muten. Ueberali aber blitzt hier wie im ganzen Museum der Dinge tiefster Sinn auf, weil Dinge nichts anderes sein wollen als sie selber. Wer irgend einen Instinkt für unverwüstlich« Wertaufspeicherungen und latente Starkstrom leitungen gemütbildender Krüfte hat, wird nach diesen oberflächlichen, flüchtigen, schändlich lücken haften Andeutungen immerhin ahnen, woran er mit dem ,O>skar yffert-Museum" ist. Jedenfalls macht es das siebente Wunder Dres dens aus; und w«r in die fchpne Stadt der schönen Künste kgmmt und diese volkstümlichste Kunststätt« nicht besucht, der Lat wohl in ein ausdruckevoll«» edles Antlitz geblickt, aber er hat den liebenswürdigsten Zug seines Mienenspiel« nicht bemerkt, ein verstecktes, gütiges tief au» dem Herzen kommendes erlösendes Lächeln,
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