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^^^DWUVUMMt^ r«--du>« WD»WW!WII>WIW 12 (Nachdruck verboten.) »Ich. renne Sie zwar nicht," fährt er zögernd fort, ,,aoer ich weih, das; nnr ein guter Mensch so musizieren raun. Darf ich Sie bitten, heute noch in diesem Hause Gast zu sein? Und wenn es Ihre Zeit gestattet, bleiben Sie so lange Sie mögen!" „Aber Herr Geheimrat ... ich kann mich doch nicht einfach hier bei Ihnen einguarticren!" wendet sie zag haft ein. Doch der Geheimrat legt die Hände anein ander, als beschlösse er dieses Gespräch bereits. „Doch, Sic können es. Sic wissen nicht, welche Freude Sie mir bereiten, und Freude ist in diesem HauS ein fo seltner Gast wie die Musik. Wenn Sie niemand ruft, wenn keine Pflicht Sie bindet, bitte, bleiben Sie ein wenig. Ich märe Ihnen sehr, sehr dankbar." Das ist, als gebe es keinen Ausweg mehr. Noch einen Augenblick überlegt Babett. Was sie er zwingen wollte: den Aufenthalt in diesem Hause . . . Las fällt ihr nun mühelos zu. Aber wozu soll das setzt noch? Sic ist doch gekommen, sich zu verabschieden. Aber ruft sie eine Pflicht? Nein. Sie weih nicht einmal, wohin sie will. Vielleicht gibt ihr das Schicksal hier die Hand. Sie ist in ihrem Leben oft vom Glück dahingewirbelt worden, wohin sie aus eigener Kraft kaum gekommen wäre. Aber wie wird er es auffassen, wenn er erfährt, waS Uh ^A^rtrieb, welche Absicht sie in dieses Haus „Herr Geheimrat, Sie wissen nicht, weshalb das Flugzeug gerade in Ihrem Garten landete. -Es war kein Zufall!" stützt sie herausfordernd hervor. Er aber winkt gelassen ab. „Davon wollen wir nie miteinander sprechen. Stehlen wollten Sie nicht. Geheimnisse . . . birgt dieses Haus nicht mehr als jedes andre. Was kann Sie also schon hcrgetrieben haben?!" „Die Sorge um das Schicksal einer Freundin. Sie ist Dr. Hellmanns Braut." So. Nun ist es heraus. Aber der Geheimrat scheint auch von dieser Mittciluug nicht sehr berührt zu fein. „Das liegt alles weit, weit hinter mir. Bitte, forgen Sie sich darum nicht! Dr. Hellmann muh seinen Weg gehen, wir alle müssen ihn gehen. Außerdem ist mein Neffe bereits heute ab gereift." „Ich weiß." „Sie wissen es schon?" „Ja, der Herr Sanitätsrat berichtete es vorhin. Ich kam zu Ihnen, um alles zu erklären, nm Ihre Ver zeihung zu erbitten und nm Abschied zu nehmen." Ein feines Lächeln zieht über das Gelehrtengesicht des Geheimrats. „Sic werden sich meine Verzeihung crstngen nnd er« spielen müssen. Lassen Sie uns in einer Woche weiter darüber reden!" Er streckt ihr die Hand entgegen und Babett zögert nicht. Sie schlägt ein. Mit diesem kleinen, feinen Lächeln hat er sie entwaffnet, allen Widerspruch beiseite geschoben. Sie fühlt mit dem sicheren Ahnen der klugen Frau, datz hinter diesem kühlen, beherrschten Aeutzcren ein ganzer Mensch steht, ein Mensch, der leidet, und der es wert ist, sich um ihn zu mühen. „Gut. Ich bleibe. Aber ich darf gehen und kommen, wie ich mag. Außerdem hab' ich Petermann, »reinen Dackel, bei mir." „Er ist willkommen wie Sie. Und nun wollen wir Herbolzheimer nicht betrüben. Er wartet nicht gern mit dem Essen." So ist Babett der dritte Gast auf Haus Rheinfelden geworden. - * * Herbolzheimer überlegt jeden Morgen genau, an welcher Stelle daS Mädchen den Tisch decken soll. Er weiß, datz der Geheimrat gern da sitzt, wo ihn die Sonne nur gedämpft trifft, nicht in ihrem vollen Schein, aber auch nicht im Schatten. Mit Sorgfalt prüft er deshalb pente wie jeden Morgen das Wetter, den Stand der Sonne, und endlich entschließt er sich, unter der breit schattenden Linde den weißen Tisch und die Sessel auf« zustcllen. Ter Geheimrat ist schon auf. Er ist ein Frühaufsteher, der jeden sonnigen Morgen bm-.uzi, sich in seinem Garten ein wenig Beschäftigung vor dem Frühstück zu verschaffen. Heute hat er einen schonen Straus; köstlicher Teerosen geschnitten. Darüber wundert sich Herbolzheimer im stillen, denn sonst ist der Gchcimrat eigentlich recht geizig mit seinen sclbstgezogencn Nolen. Noch viel größer wird seine Ver- w'mdernng, als der Geheimrat ihn fragt, wohin die großen Kristallvasen gekommen feien. .Sollen die Vasen ans den Frühstücksnsch?" fragt der Alle erstaunt. Sein Herr nickt, summt ein wenig vor sich hin, und ordnet seinen großen Strauß zu zwei kleinere!;. Kopfschüttelnd geht Herbolzheimer ins Haus. Seit Jahren ist cs nicht vorgekommen, daß sein Herr auch nur den Versuch gemacht hat zu singen. Und heute summt er. Was kann da geschehen sein? Ta schreckt ihn ein fröhliches „Guten Morgen!" auf. Er jährt zusammen, da aber steigt Babett schon die breite Treppe herunter, frisch wie ein Frühlingsmorgcn. Vor ihr her faust Petermann in fröhlichen Sprüngen dem Garten zu. „Warum erschrecken Sie vor mir? Sehe ich so gräß lich ans?" fragt sie den Alten lachend. Da ahnt er mit einem Male, woher die seltsamen Anwandlungen beS Herrn Geheimrats kommen: Der neue Gast. Er begrübt Vabett umständlich mrd auf keine feier. liche Weise, aber sie fühlt seine Zuneigung und ist ihm gut. »Ich glaube, wir beide werden gute Freunde!" S;e reicht ihm lachend die Hand. Er neigt sich tief darüber und murmelt: „Ich wünsche. . . Sie werden länger unser Gast sein!" Dann geht er ihr voran und führt sie zum Geheim rat. In der klaren Heiterkeit des sonnigen Morgens sitzen sie beide beim Kaffee, lassen sich die frischen, duftenden Brötchen mit goldenem Honig gut schmecken, und in den ersten tastenden Gesprächen erfährt der Geheimrat, wes Nam' und Art sein neuer Gast ist. Er yilft ihr mit guten, klugen Worten über die erste Verlegenheit hinweg, die aus der sonderbaren Art ihrer Bekannt schaft berrührt, und dann schlägt er einen Rundgang Lurch Len Garten vor. „Inzwischen werden auch die beiden anderen Haus genossen erwacht sein!" fügt er mit schwachem Lächeln hinzu. Aber Babett hat den Schatten Loch gesehen, der über sein Gesicht hilschte. Was mögen die Hausgenossen für Menschen fein? Petermann rast in fröhlichen Sprüngen vor ihnen her. Er frent sich des grünen Rasens, saust wie irr sinnig über die Nosenbeete und versetzt den Geheimrat bald in Entsetzen, bald lockt er ihm cur Lachen heraus. Babett aber geht langsam hinter ihm her und denkt — an Peter. Mit einem Male ist er wieder bei ihr. Ja, wenn sie die Augen schließt, könnte sie denken, da, einen Schritt vor ihr acht er, langsam, etwas wcitschreitenü mit seinen langen Beinen, und leicht nach vorn geneigt wie viele große Menschen. Peter! O Gott, wo mag er nur stecken! Er wird sich doch sicherlich heute nach ihr erkundigen. Da hinten liegt noch die brave Heinkel mit dem zerquetschten Fahr gestell. Er muß Loch nach seiner Maschine sehen! Während sie so durch den Garten schlendern, jeder in feine Gedanken verlieft, steht an einem der hohen Fenster im ersten Stock ein funger Mensch. Er mag eben zweiundzwanzig sein. Während er sich die Krawatte bindet, verfolgt er aufmerksam die beiden Schreiten den. „He . . .1 Derenburg! Hast du das da nuten schon gesehen?" Er ruft es halblaut ins Zimmer zurück. Der Ge rufene, es ist -er Stadtrat, tritt zu ihm. „WaS ist denn nun wieder?!" brummt er unwillig. „Mußt du denn immer stören? Du weißt doch, daß sie Abschriften noch heute fertig werden müssen'/ „Werden sie ja auch. Aber erst komm' doch mal her. Das Neueste! Der alte Narr hat sich ein junges Lieb chen zugelegt." „Du bist verrückt!" Der Kleinere reißt seine Augen weit auf, wischt sich über die Glatze, wie er's immer tut, wenn ihn etwas aufrcgt, und drängt sich dicht neben den Jungen. „Donnerwetter! Und sogar ein blihsaubreS Mädel. Wie kommt denn die hierher?" „Keine Ahnung. Ich dachte, du weißt Bescheid, Stadtrat." „Woher soll ich denn? Hast dl^Mhts im Dorf ge hört? Du warst doch im „KurköMischen Hof"? Ich hab' den ganzen Nachmittag in Köln gesessen." Der Kurkölnische Hof scheint dem jungen Menschen «»angenehme Ermnerungcn zu wecken. Er dreht sich kurz nm, saßt sich verstohlen in die Hüfte und knurrt; ,,Halt's Maul davon! Hab' mich gestern genug ge ärgert." Der Stadtrat stößt ein kurzes Meckern auS, fällt dann aber sofort in seinen trostreichen öligen Tonfall. „Warum treibst dn dich herum?! Tag für Tag unter Alkohol! Du bist noch nicht ganz zweiundzwanzig Jahre und wirklich schon ein verluderter Kerl. Ich an deiner Stelle . . ." „. . . würde weniger Bilanzen fälschen nnd nicht so verdächtig oft zwischen Industriegebiet und Herbesthal umhergvudeln." „Verdammt! Sieh dich vor! Und halte gefälligst den Rand!" Er spürt sorgfältig herum, ob niemand in der Nähe ist, besonders unter ihrem Fenster; aber sie sind allein. „Di; wirst uns noch eines Tages in die ekligste Schwei nerei bringen. Mir patzt das überhaupt nicht, deine Unvorsichtigkeit, dein Trinken, dein Wirtshaushockcn! Sieh mal ... ich entnehme dem Geschäft in Leipzig ..." „Entnehme... ist ganz großartig ansgcdrückt!" „ . . . ich entnehme dem Geschäft nur so viel, daß nie jemand Argwohn schöpft. Dn bist dagegen in Hohem Maße leichtsinnig. Kannst dn dich nicht an ein solides Leben gewöhnen?" Di5r Jüngere lacht hell auf. „Herrgott, Stadtrat, du bist heute morgen zum Schreien komisch! Jetzt fängst dn an, Moral zu pre digen! Dit! Ausgerechnet Jacob Derenburg, der mich dazu brachte, die niedlichen Papierchen, die herrlichen Duplikate . . ." Er kann nicht wcitersprechen. Mit schnellem Griff ist Derenburg bei ihm, preßt die Hand auf seinen Mund. „Blödsinniger Narr!" Daun schließt er das Fenster. Nach wenigen Minuten erscheinen beide am Kaffee- tisch. Der Geheimrat stellt sie dem neuen Gast vor. „Herr Stadtrat Derenburg, mein Bevollmächtigter tu den geschäftlichen Dingen < . . Herr Czuka, ein Maler, von -cm Sie vielleicht schon gehört haben, verwaltet Meine Bildersammlungen." d, MchLtt bearM bLide Herren freundlich, aber HM z»4 rückhaltend. Der Stadträt scheint ihr ein Durchschnitts mensch zu sein. Der junge Maler, der die Samm lungen des Geheimrats verwaltet, ist ihr im ersten Augenblick unheimlich. Sie schauert leicht, als sie seine feuchte, heiße Hand in der ihren stthlt und muß an Peters große, gute Pratzen denken, die sich so fest un sicher schließen, wenn man die seine hineinlegt. „ES ist etwas nicht sauber an diesem Maler!" sagt ihr eine Stimme, und sie beschließt, sehr vorsichtig zu sein. Der Maler aber ist wie verwandelt in ihrer Gegen wart. Er hat sie zuerst angestarrt wie ein Wunder, dann aber, als die erste Erstarrung gebrochen ist, be müht er sich krampfhaft, sich, von seiner besten Seite zu zeigen. Er erzählt ihr von den Sammlungen des Herrn Geheimrats, von Len vielen wertvollen Stichen und Drucken, die La in mühseliger, kostspieliger Arbeit zusammengetragen seien, und die er, Czuka, nun ordne und in einem wissenschaftlichen Werk auswerten wolle. Er lädt sie ein, zu gelegener Zeit die schönsten Stücke zu besichtigen, wenn es der Herr Geheimrat erlaube. Der nickt ermunternd. „Aber sicher! Ich glaube bestimmt, Sie werden manche Freude erleben. Außerdem ist Herr Czuka wirklich ein guter Führer. Er ist nicht nur selber Maler, sondern versteht es auch ausgezeichnet, die alten Meister zu würdigen, sie im besten Lichte zu zeigen und ihre Ab sichten zu deuten." Czuka wird leicht rot Uber dieses Lob, und das macht sein Gesicht für einen Augenblick jungenhaft heiter. Babett steht es mit Freuden, und überlegt, Laß sie viel leicht doch ein wenig voreilig über ihn geurteilt habe. Jedenfalls sagt sie gern zu. Der Geheimrat und Derenburg verabschieden sich. Sie wollen gemeinsam die Morgenpost durchsehen und ge schäftliche Dinge besprechen. „Das Leben läßt uns nie loSl Sie sehen eS, da hilft auch der beste Bevollmächtigte nichts!" meint der Ge heimrat mit bedauerndem Lächeln, als er sich verab schiedet. Doch Babett ruft ihm ein herzhaftes: „Gott sei Dank!" zu. Das quittiert er mit staunender Ver wunderung. „Ein junges Mädchen ... eine Dame . .. und so den nüchternen Alltäglichkeiten zugetan?" „Nüchtern sind wir, Herr Geheimrat. Das Leben, finde ich, ist immer bunt und wunderbar." „Vielleicht haben Sic recht. Ich fand'S bisher immer umgekehrt." Er zuckt ein wenig müde die Achseln und geht dem Stadtrat nach. So ist Babett mit dem jungen Maler allein. Der läßt sie keinen Augenblick zum Nachdenken kommen. Er erzählt von seiner Arbeit, seinen Plänen, und dabei starrt er sie immerzu an, als wolle er sie mit den Augen verschlingen. Babett läßt sich das ein Weil chen gefallen, dann unterbricht sie ihn. „Warum sehen Sie mich immer so entgeistert an, H-r» Czuka? Bin ich in irgendeiner Weise wunderbar?" Er wird zuerst rot, ein wenig verlegen, senkt den Blick. Aber dann sicht er sie voll nnd brennend an. „Ja. Sie sind wunderbar ... Sie sind wie der Früh ling!" „Aber, aber!" wehrt sie lachend. „Ich denke Sie malen?! Nnn dichten Sie ja!" „Ja, ich bin Maler! Und wenn ich als Maler eine Bitte aussprechen darf, so gestatten Sie mir, daß ich Sie male! So, wie Sie hier stehen, beide Arme auf die Bank gestützt, ja . . . so mit dem Blick nach oben, daß Ihnen die Sonne ins Haar scheint! Bitte, gestatten Sie mir's!" „Muß das denn gleich sein?! Ich habe nämlich noch einiges zu besorgen. Ich brauche ein wenig Kleidung! Ich kann doch nicht Tag für Tag im gleichen Kleid her- umlanfcn, das ich schon im Flugzeug anhattel Außer dem muß ich mich um meinen Bckanuten, den Pilo ten, kümmern! Haben Sie keine Ahnung, wo ich den treffen kann?" „L>ie puo ... Sie waren ... mit m ocm Fluazeug?:- „Ja, sicher. Wie glauben Sie wohl, bin ich in dieses Hans gekommen?!" „Dann gehört ... der große, lange Mensch, diestr Flieger zu Ihnen?! Ist er etwa Ihr Bräutigam?" „Aber Herr Czuka! Nun wollen Sie mich schon ver loben, nachdem Sie mich knapp eine Stunde kennen! Peter Vogel ist ein guter Freund von mir. Nicht mehr." Er blickt sinstcr vor sich hin. ,,Jch glaube, ich bin ihm unten im Gasthaus begegnet D;e Leute sagten, das sei der abgcstttrzte Flieger. Sie können das Gasthaus nicht verfehlen. „Alter Kurköl- nischer Hof". Es liegt gleich am Marktplatz. Und nun will ich nicht länger stören. Sie haben es gewiß eilig." Mit kurzer Verbeugung verabschiedet er sich und geht ins Haus. Verwundert sieht ihm Babett nach. Komisch. Was hat er nur mit einem Male? Du lieber Gott, der Junge scheint sich Hals über Kopf in sie verliebt zu haben! Und nnn ist er eifersüchtig. Armer Kerl! denkt sie. Du hast Pech. Der Mann, den» sich Babett ergibt, muß anders anssehenl Ja, wie denn? fährt es ihr durch den Sinn. Wi« Peter etwa?! O ja! So könnte er schon lein! gibt sie sich selbst zur Antwort. Groß, stattlich, sicher in seinem Wesen, ein ganzer Kerl, kein unfertiger Mensch! Ach, Peter! Wie oft denkt sie an ihn an diesem Morgen! Was ist das nur? Sollte sie etwa auf demselben Wege sein wie Hildegard? Liebe? Du lieber Himmel! Das fehlte ge rade noch! Sic legt sich lang ins Gras. Die Sonne hat den Boden wunderbar durchwärmt. Hier liegt es sich gut. Petermann kennt jetzt alle Winkel des Gartens, befrie digt streckt er sich neben seine Herrin. „WaS ist mit uns, Petermann?" sragt ihn Babett. „Sind wir auf dem richtigen Wege? Was geschieht eigentlich mit uns beiden? Magst du Peter auch gern, den großen, fröhlichen Peter, mit dem wir hergeflogen sind?" Petermann hebt den Kopf, sieht seine Herrin ein wenig dumm an, wedelt viermal schwach mit dem Schwänze und legt sich wieder auf die Seite. Er weift mit Mchen. Fragen nicht- anzukangen. (Fortjetzung joigt.-.