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DikdrufferAlgeblatt Früher: Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Srsthein! bl« auf weitere« nur Montag«, Mittwoch« u. Freitag« nachmittag« 5 Uhr für den folgenden Tag. A-zug«prci« bei «eibstabhoiung f. die Woche v. 25.11.—1. 12. 500 Miüiarden, durch unsere Austräger zugeiragen in der Stadt 520 MiM- arden auf dem Lande 5M Milliarden, durch die Post monailich enisprechend. Aste postanstatten und Postboten sowie unsere Allsträger und Seschckstsiklle nebmen lederzeii Bestellungen entgegen. Im Faste höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebestörungen hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« Bezugspreise«. Dieses Blatt enthält die amtliche« Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, Fernruf Wilsdruff 6 / Postscheck Dresden 2640 Anzeigenpreis: dies gespaltene Raumzeile ro Goldpfennig, die Z gespaltene Zeile der amtlichen Belanntmachungen 40 Sold pfennig, die Zgespaltene Reliamezeile im textlichen Teile der Zeitung 50 Goldpfennig. Rachwestungegebüyr 20 Goldpfennlg. Vorgeschriebene Erschcinungstage u. Platzvorschristen werden nach Möglichkeit borüllstchtigt. Anzeigenannahme bis vormittags 10 Uhr. Für die Richügteit der durch Fernruf übermitteiien Anzeigen übernehmen wir »eine Garantie. Zeder Rabalt anspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konlurs gerät. des Amtsgerichts «. Stadtrats zu Wilsdruff, Forftrentamts Tharandt, Finanzamts Stosse». Nr. 141 — 1S23 — 82. Jahrgang. Sonnabend / Sonntag 1. / 2 Dezember AoAeillMbMe. Regierungslos — „Sieben Männer hast du gehabt . . — Wo ist der Starke? — Kanitz, Albert, Stegerwald, Leicht — Angeführt und unangeführt — Der Neurastheniker — Jauche» decken „Korruption" — Beremigungsvcrsuche — „Wie könnt ich sonst so tapfer schmälen. . Seit Freitag der Vorwoche ist das deutsche Reich ohne Re gierung. War, wie an dieser Stelle wiederholt schon betont worden ist, auch vordem vom Vorhandensein einer Regierung nur blutwenig zu merken: nun ist der regierungslose Zustand völlig zur Tatsache geworden. „Sieben Männer Hast du ge habt" — so sagte einst Christus zur Sünderin —, „doch den du nun hast, der ist nicht dein Mann." „Acht Regierungen so kann man Deutschland zurufen —, doch die du hattest, sie waren nicht Deine Regierungen!" Waren es die Volksbeauf tragten? — Waren es die Regierungen mit den Sozialdemo kraten Scheidemann, Bauer und Hermann Müller, dem Rei senden in — hm — Sanitas-Becken, an der Spitze? — Waren es die von den Aentrumsführern Fehrenbach und Dr. Wirth ge tragenen? — War es die Cuno'sche Kanzlerschaft mit dem von ihm wohl angestrebten, niemals aber erreichten „Ministerium der Köpfe"? — War es die „große", die „mittlere", die dann in sich selbst versinkende „kleine Koalition" Stresemann? „O Deutschland, nein, o nein, nein, nein, Wer Dich regiert, muß st ärker sein!" Wo ist der Starke? — Das ist die bange Frage. Graf Kanitz, der von den Deutschnationalen nach dem linken Flügel immer linkswärtser abgeschwenkte Deutschvolksparteiler, hat seinen Versuch leise hingehaucht, — vergebens! Dr. Albert, Liebling des Gottvaters Ebert, hat sich mit seinem geplanten überparlamentarischen Kabinett rasch übernommen. Und Sle ge r w a ld, genannt „Der Deutsche" (nach seiner gleichnamigen Zeitung)? Diesen Kotau des Reichspräsidenten vor den Ge werkschaften christlicher Observanz dürsten die Führer der freien Gewerkschaften, an die sich Ebert sowieso schon nicht mehr recht herangetraut, wohl kaum mit einer — 'kehrseitigen Verbeugung quittieren. Leicht, der Vorsitzende der Bayrischen Volks partei, Domkapitular in Bamberg, wird in letzter Stunde noch genannt. Leicht würde dann die bayerisch-deutsche Frage lösen, — Leicht der Anknüpfungspunkt sein zwischen Berlin und München, — Leicht das Vergessen, das Nord und Süd trennt. Ernstlich dürste aber diese Kandidatur erst in letzter Linie in Frage kommen, wenn alle anderen Stränge längst gerissen. Darum tröste sich der Domkapitular von Bamberg — Und werde die Erinnerung, Bis ihm das Haar gebleicht, Mit dieses Ruhms Verdünnerung Ihm wie sein Name — Leicht! — So wird Deutschland denn ungeführt und fomit auch un- a n geführt der zweiten regierungslosen Woche zufchreiten müssen. Und während „in Berlin heroben" die Parteien sich im Er wägen der „Für's" und „Wider" nicht genug tun können, ob Reichsdiktatur oder nicht, ob Ueber- oder Unter-, Vorder- oder Hinter-Parlamentsregierung, ob Köpfe oder Taten des Reiches nächste Geschicke leiten, verfällt man „am Rhein herunten" mehr und mehr der Losreißungsbewegung, verlangt Frankreich eine neue Entwaffnungsaktion, meldet die Entente immer weitere Forderungen gegen Deutschland an. — Ob der Zentrumsmann, Senatspräsident Dr. Marx, sein „Verlegenheitskabinett", wie es vor seiner Konstituierung schon genannt wird, zustande bringt, ist im Augenblick noch nicht bekannt. (Näheres darüber an anderer Stelle dieser Nummer.) Doktor Zeigner, dem seine justizministerielle wie minister- präsidentäle Tätigkeit so gänzlich vorbei gelang, — wird ihm das Gebiet der Neurasthenik, auf das er sich im Zustande völliger Abgeschlossenheit von den schlcckerlichen Genüssen der freien Schweiz geworfen, mehr Glück bescheren? Noch sind Staats anwalt und Untersuchungsrichter eifrig um ihn bemüht. Noch winkt die Aussicht völliger Amnestie weitere Zeugen auf den Plan. Noch hängt er wie angewachsen seinen sozialistischen Parteifreunden, die ihn auf den Schild, der ihm kein Ehrenschild werden konnte, erhoben, an den Rockschößen und will trotz aller Abfchüttelungsversuche nicht davon sich loslösen. Noch versucht er, das Strafbare seiner Handlungsweise in Abrede zu stellen, wenn er auch — wohl der zwingenden Beweise wider ihn wegen — die Annahme von Geschenken einstweilen schon zuzu geben beginnt. Aber: daß er, daß gerade Dr. Zeigner es fein mußte, der in das von ihm selbst übervoll gepumpte Iauche- becken „Korruption" nun selbst hineinplumpste, er, der nach den Ausführungen Dr. Kaisers im sächsischen Landtage die Sauber keit als das unbedingte Erfordernis der Beamtcnpolitik immer hingestellt hat, das — sieht nicht nur ihm allein ähnlich. Der sächsische Landtag hat — und das Mag als erstes Zeichen des „Bereinigungsversuches" hingenommen werden — den beantrag ten Untersuchungsausschuß gegen Dr. Zeigner einstimmig ange nommen. Wenn aber gelegentlich der Aussprache darüber der sozialistische Abgeordnete Müller den Zeigner-Skandal damit abzuschwächen versuchte, daß er darauf hinwies, daß auch im alten Staate Korruption anzutreffen gewesen sei, so möchte man nur wünschen, daß sich das von dem Deutschnationalen Gündel angezogene Faust-Zitat recht viele der anwesenden Sozialisten hinter die Ohren schreiben möchten: Wie könnt ich sonst so tapfer schmälen, Tat mal ein armes Mägdlein fehlen, Wie malt ich schwarz, und schwärzt' noch gar Und bin nun selbst der Sünde bar In Berlin lassen die Kommunisten nicht nach in ihren Bemühungen, sich zu den Herren der Straße zu machen. Was Wunder, daß sie sich dabei auf Unterstützungen von Osten, aus dem Sowjetreiche, verlassen können? Wo Regierungslosigkeit, da haben Abenteurer und ihnen verwandte Elemente noch immer leichtes Spiel gehabt. Die Polizei ist zwar der verschiedenen Aktionen noch Herr geworden. Hoffentlich gelingt es bald, einen Regierungszustand zu schassen, welcher der Polizei endlich ein mal eine festere Grundlage für ihr Verhalten gewährt. Zurzeit ist es ihr noch nicht möglich, immer abzuwägen, ob das, was sie heute tut, vor den Augen: der Regierenden von morgen noch Gnade und Anerkennung findet. Darin liegt aber der größte Teil unserer gegenwärtigen Gefahr. Jupiter. IN vr. Marx cirr netter? Berlin, 29. Nov. Nachdem Stegerwald dem Reichs präsidenten die Mitteilung hat zugehen lassen, daß er die Bil dung eines Kabinetts nach seinem Sinne nicht für möglich hält, hat Ebert den Reichstagsabgeordneten der Zentrumspartei und Senalspräfidenten Marx mit der Kabinettsbildung beauftragt. Marx hofft, dem Reichspräsidenten noch im Laufe des heutigen Tages seinen Vorschlag zur Bildung einer Regierung, die sich auf die Mittelparteien des Reichstages stützt, unterbreiten zu können. Die Verhandlungen zwischen Marx und seinen Gefolgs männern sollen schon soweit gediehen sein, daß man die letzteren schon glaubt namhaft machen zu können. Die neuen Männer find: Marx (Z.) Kanzler, Stresemann (Vp.) Aeußeres, Hamm (Dem.), früher bayrisch. Handelsmmister, Inneres, Emminger (Bayr. Vp.) Reichsjustizministerium, Geßler (Dem.) oder auch Kardorff (Vp.) Reichs- wehrministerium, Brauns (Z.) Arbeit, Fuchs (Z.) besetzte Gebiete. Offen stand noch die Frage der Besetzung des Ernährungs- Ministeriums, für das man außer dem bisherigen Inhaber Graf Kanitz den deutjchnationalen Reichstagsabgeordneten Schiele nannte. Das Reichsverkehrsministerium dürste der Demokrat Oeser weitersühren. Ganz und gar offen stand die Frage der Besetzung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums. Hier scheint es tatsächlich ziemlich schwierig zu sein, geeignete Kräfte zu finden, zumal Finanzminister Dr. Luther voraussichtlich keinen Ministerposten mehr annehmen wird. ' Wie es im Reichstage hieß, hatte sich Reichspräsident Ebert entschlossen, dem Abg. Marx die Zusicherung zu geben, daß, falls ihm der Reichstag nach Bekanntgabe seines Programms des Vertrauen versagen sollte, er ihn auflösen könne. Im allge meinen hofft man aber, daß die Sozialdemokraten durch wohl wollende Neutralität, die erforderlich ist, wenn das Kabinett über eine Mehrheit verfügen soll, es ermöglichen werden, daß das Kabinett Marx so lange die Geschäfte führen kann, bis neue Wahlen eine Aenderung in den Parteiverhältnissen schaffen. Mit wechselnder Mehrheit gedenkt Marx zu regieren. Wie er sich das denkt, wird sich zeigen, wenn sein Kabinett zusammengekommen ist. Im Grunde genommen stellt auch dieser Lösungsversuch der Krise nichts weiter als eine Verlegenheitslösung dar und es wird adzuwarten bleiben, wie die Parteien sich bei den einzelnen Anlässen ver halten werden. Die nächste Reichstagssitzung dürste vermutlich am Montag stattfinden. 1250VV0 Erwerbslose im unbesetzte» Deutschland. Berlin, 2d. Nov. Im unbesetzten deutschen Gebiet be trug die Zahl der unterstützten Erwerbslosen am 25. November 1250 060 gegen 943000 am 1. November, die Zahl der unter stützten Kurzarbeiter 1 772 000 gegen 1 703000. Die Zahl der Arbeitslosen im besetzten Gebiet wird unverändert auf über zwei Millionen geschätzt. Belgien sür Erleichterung der Besatzungslasten. Paris, 29. Nov. Der Brüsseler Korrespondent des „Echo de Paris" schreibt über dis Stellung der belgischen Re gierung zur Reparationssrage, es sei kein Zweifel möglich, daß man in Brüssel auf dem Standpunkt stehe, daß der passive Widerstand beendet sei und daß man sich wieder in derselbe» Lage befinde wie am 11. Januar 1923. Daher sei man der Anq sicht, daß es Zeit sei, die Maßnahmen durchzugehen, die schritt weise die Lasten der Besetzung des Ruhrgebietes erleichtern und dem Unternehmen wieder friedlichen Charakter verleihen. Entwaffnung -er Separatisten in Duisburg Duisburg, 29. Nov. Die Separatisten wurden heute t von belgischer Gendarmerie entw,affnet. Damit hat die Se- . paratistenhcrrschast in Duisburg ihr Ende gefunden. Die Separatisten in Pirmasens. München, 29. Nov. Nach einer Meldung aus Pir masens haben die Separatisten heute vormittag Pirmasens be setzt. Die Separatistenverbände rückten mit Musik in die Stadt ein und wurden vom französischen Staatskommissar Schwab festlich empfangen. Die öffentlichen Gebäude befinden sich in ihrer Hand. Reichspräsident Ebert aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Berlin, 30. Nov. Der Sattler-, Tapezierer und Port- feuillerverband hat den Reichspräsidenten aus der Organisation ausgeschlossen, weil er sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Interessen des Verbandes entgegenwirken. Ein Stuttgarter Polizeiwachtmeister von Kommunisten erschossen. Stuttgart, 28. Nov. In einem Vorort von Stuttgart wurde der Polizeiwachtmeister Tscherch, der eine kommunistische Versammlung auflösen wollte, durch einen Schuß getötet. Der Täter ist flüchtig. „OMne Kriese". Generalmajor v. Schoeneich gegen Stinnes. Der „Offene Bries" ist eine Errungenschaft des Journalis mus. Bevor es Zeitungen oder ihnen ähnliches nicht gab, konnte es keine Journalisten geben. Vor den Journalisten waren somit die „Offenen Briefe" nicht gut denkbar. Der „Offene Brief" hat viel Wefensverwandtes mit der sogenannten „Flucht in die Oeffentlichkeit". Bei beiden ist genaues Beherrschen des Stoffes ein Grunderfordernis. Die erste Flucht in die Oeffentlichkeit trat, soweit bisher geschichtlich nachgewiesen, Dr. Martin Luther an. Der Zwickauer Forscher O. Clemen hat vor etwa 15 Jähren den Urdruck gefunden: Als Luthers Lehre und Person sich in größter Gefahr befanden, als von Rom aus die Verschickung des rebellischen Reformators nach Italien in immer dringlicherer Weise gefordert wurde, ergriff Luther das letzte und wirksamste Rettungsmittel, indem er in einem kurzen Schriftsätze, der auch rein journalistisch ein Meisterstück darstellte, an die breiteste Oeffentlichkeit appelierte. „Offene Briefe" blieben einer späteren Zeit Vorbehalten. Der Einblattdruck, zu Luthers Zeiten als Re sonanz des damaligen Journalismus üblich, mußte erst durch den Vielblattdruck, zumindest das Flugblatt, abgeloft werden:. Dann I erst begann die „Zeitschrift", die „Relation", die „Zeitung". * Während sich der „Flüchtende" (in die Oeffentlichkeit) zumeist > in Bedrängnis befand, in Bedrängnis vor andern, griff der- » jenige, der sich des „Offenen Briefes" bediente, in der Regel von sich aus andere an. Das der Unterschied. — Einen „Offenen Brief" richtete kürzlich Herr Generalmajor a. D. Dr. h. c. von Schoeneich an den Großindustriellen und Reichstagsabgeordneten Herrn Hugo Stinnes. Darin sagt der Verfasser, daß er die Volksmeinung über Herrn Stinnes besser kenne als das Stinnes'sche „vortrefflich organisierte Nachrichten büro", — daß sich Stinnes die Sporen verdient habe als ziem lich kleiner Kohlenhändler, daß Stinnes bei Kriegsausbruch ein nur „mäßig begüterter Mann" gewesen und dergleichen mehr. Daß sich die Mär von der „Masse von Zeitungen", die Stinnes besitzt, in seinem „Offenen Briefe" gleichfalls findet, — und die andere, die Stinnes zum größten Kriegsgewinnler zu machen versucht, — wen sollte das wundern? — Was die Masse von Zeitungen anbetrifft, so darf hier auf einen früheren Aufsatz verwiesen werden, der einwandfrei dar legte, was es damit für eine Bewandnis hat. Der „Kriegs gewinnler" wurde dabei gleichfalls erwähnt. Wenn der Ver fasser sagt, daß Stinnes diese „Masse von Zeitungen" dazu benutze, „Volksmeinung zu fabrizieren wie Stabeisen und Schmierseife", so wird die tendenziöse Absicht des Verfassers und seines „Osfenen Briefes" ans Helle Tageslicht gerückt. In dem erwähnten früheren Aussatz an dieser Stelle war auch schon kurz angedeutet, wer Hugo Stinnes war und was er bedeutete, bevor der Krieg ausbrach. Der „kleine Kohlenhändler" hat wohl niemals auf ihn zugetroffen. In seine persönlichen Besitze