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Deutsche Werte am 4. Dezember. 1 Billion Papiermark 4.4 Bill. 4200 Milliard. Papierm. 10 , 1000 „ Eine Nentenmark Dollarschabanweisungen . . Goldanleihe l1 Dollar) amtlich Mn Goldpsennig Eine Goldmark 6snäel und Verkehr. I" MM-wen M Was kosten fremde Werte? JnMMonenM. Börsenplätze 4. gesucht § LS. angeb. 3. LS. gesucht angeb. Holland 1 Guld. 1 586 025 1 593 975 1 576 050 1 583 950 Dänemark 1 Kr. 752 115 755 885 754 110 757 890 Schweden 1Kr. I 099 245 1 104 755 1 097 259 1 102 750 Norwegen 1 Kr. 626 430 629 570 626 430 629 570 Finnland Mark 103740 104 260 104 737 105 283 Amerika l Doll. 4 1 89500 4S10500 4189500 4210500 England 1Prd. 18154 500 18 245 500 18154 500 18245 500 Schweiz 1Fr. 738 150 741 850 728175 731 825 Frankreich 1 Fr. 223 440 224 560 225 435 226 565 Belgien 1Fr. 195 510 196 490 193515 194 485 Italien 1 Lira 179 550 180 450 179 550 180 450 Tschechien 1 Kr. 121 695 122 305 121 695 122 305 Qsterr. 1000 Kr. 59 850 60150 58 852 59 148 Ungarn 1000 Kr. 217 455 218 545 217 455 218 545 * Anhaltende Besserung der Papiermark. Die starken Fortschritte in der Kursbesserung der deut schen Papiermark wurden durch alle Telegramme am Dienstag bestätigt. In Newyork war die Berliner Pari tät erreicht, man notierte 4,16 Billionen für einen Dollar (deutsche Notierung 4,20). Auch in London stieg der Papiermarkkurs über den deutschen. Für englische Pfunde wurden in London 17,5 Billionen Mark gerechnet. Der Dienstag, Börsenruhetag, verlief infolgedessen lustlos in Berlin, Effekten ließen nach. Dollarschatzanweisungsn waren angeboten mit 4,4, ebenso Goldanleihe zu 4,2 Bil lionen. Ausländische Zahlungsmittel kamen ebenfalls aus ihren Verstecken hervor. Der Geldmarkt war äußerst flüssig, tägliches Geld war für 28 zu haben. * Goldwert des deutschen Papicrumlanfs. Nach einer vor läufigen Berechnung war am 29. März 1923 ein Gesamtnoten- umlauf zu verzeichnen mit 5530,5 Milliarden und einem Wert in Gold von 1104 700 000 Mark, am 7. November ein Gesamt- notenumlauf von 19,2 Trillionen und einem Goldwert von 123000 000 Mark. -tz Eigene Devisennotierung in Köln. Nachdem die Rhein landkommission die Verordnung gegen die Spekulation in aus ländischen Zahlungsmitteln und alle diesbezüglichen gesetzlichen Erlasse verboten hat, hat der Börsenvorstand beschlossen, ab Mittwoch, den 5. d. M. Devisen selbständig zu notieren. * LebrnsniMelmarkt. * In der Berliner Zentralmarkthalle wurden nm 4. Dezem- ber folgende Pfundpreise (in Milliarden Mark) verlangt: Rind fleisch 1600-3200, Gefrierfleisch 1000—1400, Kalbfleisch 1800 bis 3300, Hammelfleisch 2000—2400, Schweinefleisch 2400—3000, ge räucherter Fnlandsspeck 4500—5000, LÄerwurst 2000—1800, Schlackwurst 6000, Hase 1600—1700, Rehflcisch 1000-2500, Gans 2000-3300, Huhn 1800—2400, Kabeljau 1500—2000, Schellfisch 800—10V0, Heringe 600—800, Bücklinge 1400—2000, Sprotten 1200-3200, Räucheraal 5500—7000, Salzfettheringe 170, Äpfel bis 2090, Birnen bis 1500, Kartoffeln 42—44, Weißkohl 60, Rot kohl 120-140, Spinat 1500-2500, Mohrrüben 60—70, Tomaten 850—2000, Zwiebeln 400-500, Erbsen 550-700, Weiße Bohnen 4M-530, Butter 2200-3000, Margarine 900-1100, Schmalz 1200, Limburger Käse 1800-2800, Harzer Käse 1600-2200, 1 Ei 320, Kunsthonig 850—900, Pflaumenmus 900—1000, Malz- kassce 500, Zucker 650—660, Weizenmehl 320—380. * Herabsetzung deS Brotpreises in Berlin. In gemeinschaft licher Sitzung der Prcisprüfungsstelle mit dem Zweckvcrband der Bäckermeister Groß-Berlins wurde der Einheitspreis für Helles Brot auf 79 von 100, für dunkles Brot auf 75 von 84 Goldpfennige ab Dienstag, den 4. Dezember, festgesetzt; der Preis der Schrippe bleibt unverändert, 3 Goldpfennige. proüuktrnmarkt. * Produltenmarkt. Berlin, 4. Dezember. Amtlich festge setzte Preise an der Produktenbörse. Getreide- und Olsaaten pro 1000 Kilogramm, sonst Pro 100 Kilogramm. (In Goldmark der Goldauleihe oder in Rentenmark.) Weizen, märkischer 193 bis 189. Flau. Roggen, märkischer 175—168, westpreutzischer 165. Klau. Sommergerste 180—185. Flau. Hafer, märkischer Goldpfennig und Goldmark zur Papiermark nach dem Goldmark- und Dollarstande vom 4. Dezember 1923: I Goldpfennig 10 000 000 006 Papiermark 5 Goldpfennige . 50 OSO 000 000 „ 10 Goldpfennige . 100 000 000 000 „ 25 Goldpfennige 250 000 000 000 „ 50 Goldpfennige 500 000 000 000 „ 1 Goldmark . 1000 000 008 000 „ 1 Dollar 4200 000 000000 „ 152—154, pommerscher 150—152, westpreützifcher 150—151. Matt. Weizenmehl 30 bis 34,50, feinste Marken über Notiz. Matt. Roggenmehl 28—31. Matt. Weizenkleie und Rvggenkleie 7 bis 7,20. Matt. Raps 335-340. Behauptet. Viktoriaerbsen 48 bis 58, kleine Speiseerbsen 33—36, Peluschken 17—19. Sevadella 20—23. Rapskuchen 13. Rauhfutter. Bericht der Preisnotierungskommission für Rauhsutter (nichtamtlich). Großhandelspreise pro 50 Kilo gramm ab märkischer Station für den Berliner Markt (in Gold mark): drahtgepr. Roggen- und Weizenstroh 0,75—0,95, desgl. Haferstroh 0,65—0,85, desgl. Gerstenstroh 0,65—0,85, Lindfaden gepreßtes Roggen- und Weizenstroh 0,55—0,65, Häcksel 1,90, handelsübliches Heu 1,30-1,40, gutes Heu 1,60—1,80. * Kartofsclnotierungen (amtlich) pro 50 Kilogramm Er zeugerpreise ab märkischen Vollbahnstationen (Goldmark), Speisekartofseln, weiße und rote 2.00. Produktenbörse zu Dresden vom 3 Dezember 1923 Inländischer Weizen 19,75—20,25, inl. Roggen 19,25 bis 19,75, Sommergerste, neue 19,50—20, Hafer 16,30 bis 16,80, Mais 25,50—27, Rotklee 18Ü-210, Trockenschnitzet 11—11,50, Zuckerschnitzel 16—26, Kartoffelflocken 24 bis 26, Weizenkleie 8,20—8,40, Roggenklcie 8,20—8,40, Bäcker mundmehl Dresdner 42—43, Jnlandsmehl Type 70»/« 41—42, Roggenmehl Type 70«/, 41—42. Feinste Ware über Notiz. Preise für 100 Kilogramm in Goldmark. Rotklee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen, Mehl (Mehl frei Haus) in Mengen unter 5000 Kg. ab Lager Dresden; alles andere in Mindsstmengen von 10000 Kg. waggon- frei sächsischer Abladekationen. * Drrsaner SOlachtvirvmarkt. 3. Dezember 1923. Auftrieb: — Stück. 1. Rinder: — Ochse,—Bulle, — Kalben und Kühe, — Kälber, — Schafe, — Schweine. Preise in Mark für Vr^llfürLebend-u. (im Durchschn.) für Schlachtgewicht. Ochsen: 1. vollfleischige, ausgemästete höchsten Schlachtwertes bis zu 6 Jahren 6ö0 b. 750 Milld. (1278 Milld.), 2. junge fleischige, nicht aus gemästete, ältere ausgemästete 509 bis 6 0 Mill. (1058), 3. mäßig genährte junge, gut genährte ältere 400 bis 480 Milld. (936), 4. gering genährte jeden Alters 250 bis 350 (750). Bullen: 1. vollfleischjgc. ausgewachsene höchsten Schlachtwertes 700 bis 800 Milld. (1300), 2. vollsteischige jüngere 500 bis 650 Milld (1100). S. mäßig genährte jüngere nnd gut genährte ältere 400 bis 500 Milld. (865). 4. gering genährte — bis — (—). Kalben und Kühe: I. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten Schlacht wertes 650 bis 750 Milld. (t273). 2., vollfletschige, ausgemästele Kühe höchsten Schlachtwertes biszu 7 Jahren soo bis 600 Milld. (1058 Milld.). 3. ältere ausgemästete Kühe u. gut entwickelte jüngere Kühe und Kalben 400 bis 4Y0 Milld. (l033) 4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 800 b. 880 (850 Milld.), 5. mäßig und gering genährte Kühe und gering genährte Kalben 200 bis 280 Milld. (706). Kälber: l. Doppellender —- bis — — ( ), 2. beste Mast- und Saugkälber 620 bis 680 Milld. 1050 Milld.), 3. mittlere Mast- und gute Saugkälber 450 bis 550 Milld. (833 Milld.), 4. geringe Kälber 300 bis 400 Milld. (634 Milld.). Schafe: I. Mastlämmer und jünger» Masthammel 700 bis 800 Milld. (1500 Milld.), 2. ältere Masthammel 500 bis 800 Milld. (1220), 8. mäßig genährte Hammel u. Schafe (Merz- schafe) 800 bis 400 Milld. (910). Schweine. !. vollfleischige der feineren Rassen und deren Kreuzungen im Aller bis 1 Vs Jadr 1500- 1600 Milld. <2000 Milld ), 2. Fettschweine 1600-1700 Milld (2062 Milld.), 3. fleischige 1300—1400 Milld. (1800), 4. gering cnt wickelte 1000 b. 1200 (1570). 5. Sauen und Eber — bis — Mill.) Ausnahmepreise, über Notiz. Die Preise sind Markt preise für nüchterne Gewicht der Tiere und schließen sämtllchc Spesen des Handels ab Stall, Frachten Markt- und Verkaufs kosten, Umsatzsteuer sowie den natürlichen Gewichtsverlust ein, er heben sich allewesentlich über die Stallpreise. Ueberstand: — Rinder — Schafe, — Schweine. Vorschläge sSr Seamien-GvldgrWer. Das Angebot der Negierung. über die Goldbesoldung der Reichsbeamten schweben zurzeit Verhandlungen zwischen der Regierung und den Beamtenverbänden. Eine Berliner Parteikorrespondenz macht nun eine Mitteilung, die das Negierungsangebot für die Jahres-Goldgehälter der Beamten, verglichen mit den Friedensgehältern von 1913, enthält. Dieses Angebot soll sich für die Grundgehälter wie folgt stellen: Besoldungsgruppe jetzt letztes BesoldunTs- Msetz 1913 1 570— 762 M. 1100- 1300 M. 2 630— 840 „ 1100— 1400 , 3 696— 930 „ 1100- 1500 „ 4 804-1074 „ 1100— 1600 „ 5 1042—1254 „ 1100— 1800 « 6 11W—1194 „ 1100— 2200 , 7 1380—1860 „ 1650— 3000 » 8 1620-2160 „ 1800— 3000 , 9 1890—2520 „ 2090— 4000 „ 10 2250—3000 „ 3000- 7200 , 11 2610-3480 „ 4200- 7800 „ 12 3060-4080 „ 7000— 9200 „ 13 3750—1950 „ 8000-12000 „ Die höchste Besoldungsgruppe 13 umfaßt die Ministe rialräte. Die darüber liegenden Einzelgehälter ge stalten sich folgendermaßen: 61 (z. B. Präsidenten der Oberpostdirektionen) 5 280 Mark; 6 2 (Präsidenten selbstän diger Behörden) 5 820 Mark; 8 3 (Ministerialdirektoren) 6 690 Mark; 3 4 (Reichskommissare) 7 020 Mark; 8 5 (Staatssekretäre) 9 009 Mark; 3 6 (Minister) 13 500 Mark und 3 7 (Reichskanzler) 15 000 Mark jährlich. Die Orts zulagen betragen in der Ortsgruppe d 130 bis 300 Mark, in 8 102 bis 252 Mark, in Gruppe 0 84 bis 216 Mark, in Gruppe 3 72 bis 186 Mark und in Grupe 8 60 bis 150 Mark. Die .Ortssonderzulagen sollen um 13 abgebaut werden. Die Frausnzulage soll auf 84 Mark, die Kinder zulagen auf 132, 150 und 168 Mark festgesetzt werden. Bei allen diesen Zahlen handelt es sich zunächst nur um den Vorschlag der Regierung. Bei den Beamtengehäl- tern ist außer den verschiedenen Zuschlägen auch in Betracht zu ziehen, daß die Beamten lebenslänglich angestellt sind und Pension für sich und ihre Hinterbliebenen miterwerben. kneikajten. R. W., N.: Dank und Gruß! Für Verwendung in Ahrem Sinne verbürgen wir uns. Frieda vom Hofe: Das Düngen der Zimmerpflanzen muß im Verhältnis zu der geringen Erdmenge des Blumentopfes sichen. Das Richtigste ist, den Topfpflanzen den Dünger in flüssiger Form zu geben und lieber eine dünne Lösung öfter als eine starke selten. Zu starker Dünger kann wie Gist wirken. Zimmerdüngemittel gibt es eine unendliche Menge. Im Verhältnis sind sie alle teuer, da man aber anderseits auch wieder sehr wenig braucht, so ist es aber immer richtiger, man kauft sich ein Paketchen, als daß man sich etwa selbst welche mischt. Es soll nur dann gedüngt werden, wenn die Pflanzen einen kräftigen Wurzelstock besitzen. Vom Düngen muß man weiter absehen, sobald eine Pflanze ruht, also von Natur aus nicht treibt; des weiteren, wenn eine Pflanze krank ist. Dann wird starkes Düngen ebenso wie übermäßiges Gießen die Krankheit ver mehren. Metallkunbiger in der Carlstraße: Der Platinbestand der Welt befindet sich zum weitaus größten Teil im Besitz der Compagnie Industrielle de Platin in Paris, die je nach Bedarf den Markt mit den erforderlichen Mengen versorgt. Der verfügbare Platinbestand in den Bereinigten Staaten wurde zu Anfang 1922 auf 65 000 Unzen geschätzt gegenüber 47 000 Unzen zu Anfang 1921. Musikschüler in L.: Die Bezeichnung Klavier ist abgeleitet von dem lateinischen Worte Clavis, das heißt „Taste". Argonauten 1923: Ein Flugrekord schlägt fortwährend den andern. Die kürzlich bekannt gewordene Weltrekordleistung des amerikanischen Fliegers Harald Brown, der eine Fluggeschwindig keit von 416 Kilometern in der Stunde erzielte, ist durch den ameri- kaniischen Fliegerleutnant William übertroffen worden. William er zielte die phantastisch klingende Stundengeschwindigkeit von 428 Kilo metern. Willi mit dem Römer: Denaturierung heißt eigentlich Entnatu- rung. Es ist der Prozeß, durch welchen ein Produkt seiner eigent lichen,Natur entkleidet, also in einen Zustand gebracht wird, welcher feinen' gewöhnlichen Gebrauch verhindert (Spiritus, Salz). «, MMMN. Roman von Hans Schulze. Mit einem leisen Seufzer stellte Axel seinen Koffer auf den Tisch und packte die wenigen Habseligkeiten hinein, die er von der Insel mitgcbracht hatte. Dann öffnete er ein Geheimfach und nahm seinen Re volver heraus, den er alter Gewohnheit gemäß auf Reisen stets mit sich führte. Halb ohne zu wissen, was er eigentlich tat, drehte er die Trommel des bläulich blinkenden Stahllaufes und lud sie mit seinen letzten Patronen. Hella hatte ihm einst die kleine Waffe geschenkt, damals, als sie ihre erste Reise ins Leben angetreten hatten und durch den schwerdonnernden Welle.nsturz des Kanals nach England gefahren waren. Eine Flut glänzender Bilder schoß plötzlich durch sein Hirn. Ein Rennen in Auteuil, wo der letzte Luxus der Erde seine Blüten trieb. Ein Sommertag am Badestrand von Trouville im weißen Feuer der Iulisonne, die den schlanken, reifen und doch wieder fast kindhaften Körper Hellas wie ein Mantel von flimmerndem Licht umhüllte. Eine Blitzfahrt im Speisewagen des Calais-Expreß. Das blaue Wunder einer Mondnacht in der Wüsten einsamkeit von Biskra. Und dann das Ende dieses wahnwitzigen Taumels, der Zusammenbruch in dem Spielerparadies des Mittelmeeres, als ihnen die unerbittliche Bank ihr letztes Tausendfranks- billett entrissen und sie fast wie Bettler über die Alpen nach der Heimat zurückgeschickt hatte. Der Revolver war dem einsam Sinnenden mit einem Male seltsam schwer in der schlaff herabhängenden Hand. Und dann sprang blitzartig jäh, ohne Sinn und Zu sammenhang ein Gedanke in ihm auf, ein Gedanke, so furcht bar, daß er wie von einem Schlage getroffen zwei, drei Schritte vom Fenster zurücktaumelte. „Du sollst ja heute Nacht noch einen Mord begehen!" Einen Mord. Mit zuckenden Lippen sprach Axel von Lessow die vcr- hönenisvollen Worte balblaut vor sich hin. Auf seiner Haut war ein Stechen und Prickeln, wie es das Gefühl plötzlicher Ohnmacht und Hilflosigkeit mit sich bringt. Und immer diese Stille ringsum, diese entsetzliche, läh mende Stille. Auch draußen kein Laut, nicht einmal ein Hundegebell fern im Dorf. Verstört sah er die scheue Dämmerung des matterhellten Raumes, die die ungewissen Umrisse der Gegenstände ins Riesenhafte zu dehnen schien. In diesem Augenblick dünkte es ihm, als habe sich die Schuld jener fernen Zeit körperlich von ihm losgelöst und stände ihm als ein fremdes, entsetzliches Wesen gegenüber, das drohend seine Seele verlangte. Mit unsicheren Schritten kam er endlich wieder di; dunkle Treppe herab. Die Stufen krachten unter seinem Tritt, als schrien sie m heimlichem Schmerz, daß er immer wieder erschreckt inne hielt. Unten im Gastzimmer war das Mädchen über dem Schenktisch eingenickt, indes der kleine Junge gravitätisch um den Ofen herumspazierte, die Wiege an dem Wiegenbande hinter sich hcrziehcnd. „Wer hat die schönsten Schäfchen?" sang er dazu mit sei nem hohen, feinen Kinderstimmchen. Als er Axel von Lessow ansichtig wurde, der zuweilen mit ihm gespielt hatte, kam er sogleich zutraulich angelaufen und bot ihm sein schmutziges Händchen. Axel hob ihn in die Höhe und schwenkte ihm im Kreise. Die großen, blauen Augen des blonden Buben waren seinem Gesicht ganz nahe. Und plötzlich überkam ihn vor diesen unschuldigen Kin deraugen ein so heißes, quälendes Verlangen nach der Un schuld und Reinheit seiner eigenen Kindheit, daß er nur müh sam die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen vermochte. „Gott im Himmel hilf mir!" hallte es auf einmal macht voll durch seine Seele. Dann setzte er den Kleinen wieder vorsichtig auf die Erde und stürmte durch den Flur ins Freie. Die Dorfstraße lag in nächtlicher Verlassenheit. Allenthalben schliefen die Häuser unter den überhängen den Strohdächern wie unter tiefherabgezogenen Mützen, die grauen Wände vom Mondlicht grell getüncht. Drohende Schatten schienen ringsum in den dunklen Ecken und Nischen zu nisten, daß der einsame Wanderer un willkürlich seine hastenden Schritte beschleunigte. Dann saß er wieder im Boot und trieb auf den See hinaus. Der Mond baute eine blitzende Brücke zu den dunklen Waldhöhen von Pahlowitz hinüber. Sein weißes Licht sprühte unter den Ruderschlägen und glitt in zitternden Ringen von dannen, die in der Kielwelle in einer helleuchtenden Furche zusammenliefen. Es war ganz still über der einsamen Wassertiefe und doch schien es ihm, als klinge durch das große Schweigen der Nacht unablässig eine leise, mahnende Stimme: „Was willst du tun? Schon einmal blieb deine Hand nicht rein, beflecke sie nicht auch noch mit feigem Meuchelmord. Denk an dein altes adliges Geschlecht, das schon Jahr hunderte lang unter den Ersten des Landes sitzt, mit dem Pflug im Frieden, mit dem Schwert im Kriege, und sich mit so mancher stolzen Tat in das Buch der Geschichte eingezeich- net hat!" Mit einer müden Bewegung hob Axel den Kopf. Ein fernes Bild stand auf einmal vor seiner Seele. Ein stilles Gartenzimmer mit feinen, altmodischen Möbeln. Über dem runden Tisch eine einfache Hängelampe, die ihr friedliches Licht auf einen weißen Scheitel goß, den Scheitel der Frau, der der Gram um den verlorenen Sohn vor der Zeit das Haar gebleicht und die ihn doch wieder in verzeihender Liebe an ihr Herz genommen hatte, als er in Verzweiflung und Schande bei ihr eine letzte Zuflucht suchte. Seine Mutter. In weitem Bogen flog plötzlich der Revolver auf den See hinaus und verschwand mit einem glucksenden Laut. Dann griff Axel wieder zu den Rudern. In seiner tiefsten Herzensnot war ihm auf einmal mit Allgewalt die Überzeugung geworden, daß jene Tat nicht ge schehen durfte, daß es noch einen anderen Ausweg geben mußte, der ihm diese letzte, unaustilgbare Schmach ersparte, die auch ihm ein Weiterleben unmöglich machte. (Fortsetzung folgt.)