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Wilsdruffer Tageblatt : 08.12.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192312085
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19231208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19231208
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-12
- Tag 1923-12-08
-
Monat
1923-12
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.12.1923
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Kl OL. Berlin, 6. Dezember. (3S6. Sitzung.) z» za Schrtftleitung. hättniffe zu tun. sondei preis Friel mi 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40 50 60 70 80 SO 100 200 300 400 500 «00 700 800 SOO 1000 so und soviel an Zoll entrichtet werden sollte. Den Bewohnern blieb nichts weiter übrig, als sich ihr Brot einzeln — natürlich Unkiu ihrem lassen bezw. in W Meine haben die B Angel liche doch helfen Teil i auch Bitte sich r aber : Einse, Ausfi die 3 niemc 80 bis 100 Milliarden — und futsch ist der Segen. Viel schwieriger ist es schon, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, eine 5—10-köpfige Familie dabei vor dem ärgsten Hunger zu bewahren. Und dennoch: diese für die heutige Zeit so lächer lich geringen Summen genügten, zusammengerechnet, um die bereits angesichts der Gültigkeitssperre inzwischen stillgelegte gemeindliche Notgeldpresse noch einmal für einen Gesamtbetrag von reichlich 100000 Billionen Mark in Bewegung zu setzen. Mir sind eine Gemeinde von annähernd 50 000 Einwohnern, — wie bunt mag es da erst in den übrigen Riesenstädten des Industriegebiets aussehen? Und nun kommt der Schlußeffekt. Am 28. November wird auch dieser Papieisegen aufhören, denn die Reichsbank brüstet sich, dann alles aus eigenen Mitteln aufzubringen. Mir graut vor der praktischen Auswirkung dieser Theorie, — denn bisher war es der Reichsbank noch nie möglich, auch nur den aller geringsten täglichen Bedarf an Zahlmitteln zu befriedigen. Wird sie sich angesichts solcher Tatsachen etwa auch noch dazu aufschwingen wollen, die uns — genau wie allen andern In dustriestädten — seit Monaten auferlegte französische Kontri bution von täglich 3000 Franken mit zu übernehmen? So und noch mannigfach rosiger liegen also die Dinge im Ruhrgebiet. Es lag mir auf der Seele, Euch einmal vom Herzen herunter ohne jede Schönfärberei zu schreiben, wie es hier ist, nicht, um Euch persönlich Sorgen meinetwegen aufzu erlegen oder Euch ein besseres Verständnis für mein Los abzu-- ringen. Nein, mein Los ist nicht schlimmer als das all meiner andern Ruhrgenossen, und ich denke, wir verstehen uns Gott sei Dank ohnehin genug um unser Schicksal — aber eine Bitte habe ich bei meinem kleinen Bericht, benutzt ihn ruhig dazu, mal durch Vermittlung Eures Wilsdruffer Blattes — den übrigen deutschen Volksgenossen ins Gewissen zu reden und sie zu fragen, ob sie oder wir Grund haben, uns zu schämen. ,Mn ewiges Durcheinander, dazu die äusseren Wirren, hei denen kein Mensch recht zur Ruhe kommen kann. Vielleicht hattet Ihr auch schon davon gehört: An die sechzig Schaufenster wurden an einem Tage von der hungernden Menge zertrüm mert. Jetzt ist die Welt in . . . mit Brettern vernagelt. Alle Fabriken stehen seit vielen Wochen still. Wir sitzen wörtlich auf der Kohle — und doch frieren die meisten, weil monatelang keine Kohle gelaust werden konnte. Selbst Handwägelchen, Körbe und Säcke wurden von den Franzosen auf der Strasse untersucht und, wenn Kohle darin war, weggenvmmen. Viele erhielten deswegen obendrein Gefängnis. Jetzt kann man Kohle haben zu unerschwinglichen Preisen, mit hoher sran- zösischer Steuer, drei bis vier Billionen der Zentner. Keiner hat aber noch Geld dafür. Viele graben einfach da, wo ein Flöz zutage tritt, unter Lebensgefahr, was sie sich nicht kaufen können. Andere machen sich diese Mühe gar nicht erst, sondern ziehen truppweise nach dem . . . und holzen ab, was ihnen in den Weg kommt. Der Verkehr ist trotz Aufgabe des passiven Widerstandes um keinen Deut besser geworden. Die Haupt eisenbahnstrecken sind in den Händen der Franzosen. Wer fahren muss, mutz sich erst Franken kaufen. Deutsches Geld wird nicht angenommen. Wer Franken aber braucht, muh sie sich erst von wilden Händlern vor den Bahnhöfen oder in einer Wechselstube für doppelten Preis beschaffen. Wer andrerseits nun wieder Franken hat und sie nicht verwenden kann, dem bleibt nur der Weg, sie auf dem gleichen Wege zu halbem Preis wieder zu veräußern. Ist das Leben nicht bunt? Ueberhaupt die Geldfrage, es ist zum Davonlaufen. Will ich Euch etwas schicken, so renne ich erst bei allen öffent lichen Kassen und Banken herum, um Reichsgeld zu erhaschen. Tausenderlei Notgeldscheine von Behörden und Fabriken schwirren herum. Wer es in seiner Hand hat, weiss nicht, ob er es morgen noch los wird — oder, wenn er es schon.los wird, ob er infolge der inzwischen eingetretenen Entwertung noch eine Dose Streichhölzer dafür bekommt. Ich habe eine ganze Schub lade von dem Zeug — und doch hat es nur noch Makulatur wert. Wer ins unbesetzte Gebiet will — und das kann man von hier aus ja in 5 Minuten über die Ruhrbrücke haben — mutz es auf alle Fälle erst in Reichsgeld umsehen. Es muss oft genug geschehen, denn die Geschäfte sind oft von den aller notwendigsten Dingen, was ich besonders bei der Einrichtung meines Haushalts recht empfindlich spüre, völlig entblösst. Nun, cs lohnt sich schon, am andern Ufer der Ruhr drei Stunden bis zur nächsten grösseren Stadt zu Fuss zu tippeln, um etwas zu ergattern. Früher gab es hier Eisenbahnen und Strassen bahnen in Hülle und Fülle — Ihr habt Euch mit eigenen Augen davon überzeugen können — seit Anfang dieses Jahres liegen sie still. Später suchte man mit Postautos Abhilfe zu seitens der Grösse und Kleine oft eigenartige Anschauungen, so dass manchmal schon ein einziges Pfund Kaffee zu gross erschien, um zu passieren. Ich habe mir eigenen Augen folgendes ge sehen: Ein Brotwagen, der die Nachbargemeinde B. mit Brot aber nur mit ordnungsmässigem Patz in den Händen — um den Zoll zu sparen, herüberzuholen. Ueberhaupt, die Pass- geschichte ist ein Kapitel für sich. Einmal kostet er eine Menge Geld, dann hat er nur beschränkte Gültigkeit his zu einem nahen Zeitpunkt und zum Dritten erfordert er erst stundenlanges Stehen vor der Ausfertigungsstelle. Seitdem die deutsche Be hörde die Vermittlung übernommen hat, geht es etwas erträg licher, aber vordem war es nichts Seltenes, wenn man sich be reits nachts 12 Uhr vor der Kommandantur mit Feldstuhl und Kaffeepulle einfinden musste, um am andern Morgen einer von den hundert Glücklichen fein zu können, denen der Paß zwischen 9 und 10 Uhr zur Abstemplung abgenvmmen wurde. Die Aushändigung des gestempelten Ausweises geschah dann nicht sofort, sondern am nächsten Tage unter ähnlichen günstigen Auspizien. O, glückliches unbesetztes übriges Deutschland, und Du murrst, dass Du verblutest, wenn Du noch eine Minute, den Ruhrwahnsinn mitmachen sollst. Du hast noch Zeit, mit stun denlangem, nutzlosem Gewäsch in Reichs-, Staats- und Ge meindeparlamenten Dich darum zu streiten, welche Partei wohl in Deutschland etwas zu sagen hat? Siehst Du noch immer nicht, wo der Weg hinführt? Weißt Du noch immer nicht, wer Dich beherrscht und -Dir Dein armseliges Dasein vor schreibt? Ja, meine Lieben, so steht es um das Ruhr- und Rheinvölklein, das zehn Monate ohne Murren Leiden und Qualen erduldet hat, die das Vaterland als selbstverständlich forderte, die aber das übrige Deutschland nicht im entferntesten mitgetragen hat. Dreimal bitter ist es deshalb für uns, wenn wir jetzt zusehen müssen, wie wir im Stich gelassen werden, dreimal bitter, wenn wir obendrein von den übrigen Stammes- genossen mit Verbrechern, Separatisten und Landesverrätern in einen Topf geworfen weiden. r schaffen. Ich habe mir auf den ausgefahrenen Wegen bei ! meinen Brautfahrten nach H ... oft genug den Rücken ver- ! staucht und manche Schuhspitze abtreten lassen. Aber nunmehr ist auch dies Vergnügen aus. Das Auto kann ohne Gefahr eines Achsbruches nicht mehr fahren. Also, es geht zu Fuss, und wie gesagt, wer den dreistündigen Weg auf sich nehmen will oder mutz, um sich im unbesetzten Gebiet etwas Lebens notwendiges zu erstehen, der kann ein Lied singen. Auch den Heimweg, schwer bepackt, mutz er mit abermals drei Stunden in Kauf nehmen, — um dann an der Zollsperre zu erkennen, -dass alle Erdenmühe umsonst war. Nichts kommt hindurch. Die Zollbeamten befühlen Mantel, Rock und Hose und wenn sich etwas Verdächtiges zeigt, dann kann man getrost seine Schätze in den Schornstein oder auch in die Zollbude schreiben. Man muss sich bis aufs Hemd ausziehen und wird erst dann wieder entlassen, wenn alles geklärt ist. Ob Frau oder Männ lein, das ist egal. Das Herüberfchaffen von Sachen ist nur möglich, wenn man sich vorher in Düsseldorf eine entsprechende Bescheinigung hat geben lassen und den nicht geringen Zoll ab geladen hat. Die Zollbeamten an der Grenze sind zur An nahme dieses Zolles nicht berechtigt und haben nur Auftrag, alles mit Beschlag zu belegen. Verschont bleiben hiervon nur Lebensmittel in kleinen Mengen, — aber auch hier herrschen Doch, ich hin vom vorigen Thema, der Geldfrage, abge- kommcn, ohne zu Ende zu berichten. Also, das Notgeld und das Reichsgeld, .das sind zwei Kämpen, die miteinander um die Wette dafür sorgen, daß uns das Leben noch, im besonderen vergällt wird. Auch in dieser Woche gab es wieder eine Schreckensnachricht. Es hieß, das Notgeld habe nur noch bis 22. November Gültigkeit — und dann? Ja, diese Hauptfrage blieb ungeklärt. Also, alles kratzte den letzten Rest der mühsam erworbenen Notgeldfcheine zusammen und rannte, um noch irgendeinen schäbigen Gegenstand dafür zu erstehen. Man stand wieder glücklich vor einem Nichts. Nm letzten Augenblick wurde die Frist für die Gültigkeit bis zum 28. November ver längert. Alles rannte wiederum, um nunmehr auf irgend welche Weise Geld zu erhalten. Vor dem Rathause sammelten sich Tausende. Drinnen aber zerbrach man sich den Kopf stundenlang, wie man ihnen das Nötigste zum Leben geben sollte. Die geringe Erwerbslosenunterstützung war längst den Weg alles Vergänglichen gegangen. Schliesslich der Ausweg: Jeder Verheiratete sollte noch einmal zehn und jeder Unver heiratete fünf Billionen erhalten. Die Situation war gerettet. Obwohl die Zahlstellen bereits seit dem frühen Morgen un unterbrochen tätig waren, um ähnliche Riefensummen (??) als Rest für die abgelaufene Woche unter die Menge zu verteilen, mussten sie weitere arbeitsreiche Stunden bis zum Abend auf nehmen, um noch einmal das Unheil abzuwenden. Also zehn und fünf Billionen. Es ist kein Kunststück, sich den Kops darüber zu zerbrechen, wie man sie wohl am besten klein versorgte, mutzte vor der Zollsprrre halten, weil für jedes Brot l kriege, denn 1 Brot 1 Billion, 1 Pfund Speck 5 Billionen, 1 Pfund Schmalz etwa 2 Billionen, 1 Pfund Kartoffeln Myrunge« da- Verhalte« »er So;iatbem»i»atlschex Partei gegen den früheren sächsische« Ministerpräsident«« Zeig «er. Rsichsffnanzminifter Dr. Luther nahm Stellung zu einem inzwischen von Len Deutsch- nationalen eingebrachten Anträge, wonach die Ermächti gung sich nicht auf Lie Änderung der währungsgesetzlichen Be stimmungen über die Rentcumark erstrecken solle. Er erklärte, die.Regierung stimme mit Ler Absicht der Antragsteller völlig überein, wonach jede Gefährdung Ler Rentenmark unmöglich gemacht tveodcn solle. Die Inflation sei durch die Rentcnmark verstopft- und der jetzige Peisabbau wäre ebenfalls durch die Nentcumark hergestellt wanden. Die Reichsregierung werde das Ermächtigungsgesetz nicht benutzen, um Lie prozentuale Belastung des Grundbesitzes usw. irgendwie zu erhöhen. Die Negierung bittet demnach um Ablehnung des deutschnatio- nalen Antrages, weil Lie von Ler Negierung beabsichtigte Aufhebung der Zwangswirtschaft bei den Mieten gewisse so rum le Änderungen notig machen könnte. — Mit Lieser Erklärung des Reichsfinanzministers erklärten sich der deutsch- nationale Abg. Dr. Reichert namens seiner Freunde offen ein verstanden und verzichtete auf eine Abstimmung über Len deutschnationalen Antrag. Dann beantragte der kommunistische Ab-g. Frölich, den Überwach,ingsausschuß für das Ermächtigungsgesetz von l5 auf,21 Mitglieder zu verstärken. Dieser Antrag Wunde abge- leünt, dagegen ein Antrag der Mittelparteien angenommen, wonach der Reichstagsausschuß auch über Anträge zu Ver ordnungen auf Grund «des alten Ermächtigungsgesetzes zu hören ist. Einzelabsti«, mung. Nunmehr kam man zur Abstimmung. Die Besetzung des Hauses >sar offensichtlich nicht stark genug, um einen glatten Verlaus zu sichern. Daher waren die Abstimmungen über die einzelnen Para graphen gewissermaßen eine Generalprobe für die entschei dende Süsiußabstimmnng. Auch die paragraphenweise Abstim mung wurde auf Antrag der Deutschnationalcn namentlich vor- gcnommcn. Beim 8 1 wurden 362 Stimmen abgegeben. Da von lauteten 282 auf ja, 79 auf nein und eine auf Enthaltung. Der Paragraph war infolgedessen angenommen. Aus den Abstimmungsziffern ergab sich jedoch, Laß, wenn Lie 79 Nein sager bei der Schlußabstimmung den Saal verlassen würden, die übrigen Mitglieder nicht ausreichen würden, um die Zwei drittelanwesenheit herzustellen, die für eine namentliche Ab stimmung notwendig ist, denn zwei Drittel Les Reichstages sinL 306 Mitglieder, während nur 282 mit ja gestimmt hatten. Nunmehr erfolgte Lie namentliche Abstimmung über § 2. Dieser wurde ebenfalls angenommen. Vertagung bis Sonnabend. Da aber die Schlußabstimmung sehr zweifelhaft erscheint bei einem etwaigen Verlassen des Saales durch die Deutsch- nationalen wird ein Antrag deS Zentrums auf Vertagung des Sonnabend cingcbracht. Dieser Antrag wird nach längerer De batte angenommen und das Haus vertagt sich bis Sonnabend. Mißhandlung der Ruhrgefangene». Gegen alles Völkerrecht. Münster, 6. Dezember. Seit dem Ruhreinbruch ist die Aufmerksamkeit der Be völkerung wiederholt auf die schlechte Behandlung deutscher Politischer Gefangener seitens der Franzosen gelenkt worden. Wiederholt sind die politischen Gefangenen mit Schwer verbrechern inhaftiert worden. Sonn druff l Josef 50 I tives er ihr Harun Z Dezen 1 K>l. gaben Der arden in der 2 Ziegel Streck bezirk Wetten war. c Hilfsf am 6 Sitzur jahr 1 AM- Jahr S 5 schäft Z in He Schlo druff, r 1. K 2. P 3. K 4. L 5. K 6. L 7. L Sin Notl-brei aus ckem besetzten gebiet. Die Angehörigen eines im besetzten Gebiete weilenden Wilsdruffers stellen uns das folgende Schreiben zum Abdruck zur Verfügung. Wir geben unsern Leser» gern davon Kenntnis und danken dem Verfasser wie auch seinen hiesigen Angehörigen herzlichst, daß sie unserer Leserschaft Gelegenheit geben, einmal einen solchen ungeschminkten Einblick in die dortigen Ber- EnnaMungSgessß im Reichstage Noch keine Entscheidung. Dank de» Schritten der Roten Kreuzes und des landes ist in manchen Gefängnissen inzwischen die Behand lung, Unterbringung und Beköstigung der Gefangenen besser geworden. Schlimme Zustände herrschen aber noch in dem französischen Militärgefängnis in Mainz, wo die Behand lung der deutschen politischen Gefangenen durchaus unwür dig ist und jedem Völkerrecht Hohn spricht. Dort werden im Gefangenenaufsichtsdienst französische Schwerverbrecher verwendet, die nach Willkür schal ten und walten. Je nach Laune des Aufsichtshabenden er halten die deutschen Gefangenen entweder nichts zu essen oder Schläge. Mißhandlungen der Gefangenen sind an der Tagesordnung. Infolge der körperlichen und seelischen Mißhandlungen befinden sich alle Gefangenen in einem be jammernswerten Zustand. Jeder Verstoß, zum Beispiel gegen das Sprechverbot, kosten drei Tage Dunkelarrest bei Wasser und Brot. Die Gefangenen erfahren nichts von der Außenwelt. Die meisten habe» nicht einmal einen Verteidi ger. Deutsche Verteidiger werden nicht zugelassen. Oar ZMVesidrama von LSerbach. s. Mosbach, 6. Dezember. Vor der hiesigen Strafkammer begann Las gerichtliche Nachspiel zu einem tollen überfall, der im August dieses Jah res statt fand und damals nicht geringes Aufsehen erregte, da er wie ein Filmdrama aus Wildwestamerika annrutete. Der überfallene war der Deutschamerikaner Grover Cleveland Berg Loll, dessen Vater, der in jungen Jah ren aus Lem Badischen nach Amerika ausgewanderte Brauerei- besitzer Berthold Bergdoll, einer der reichsten Männer der neuen Welt ist. Der junge Bcrgdoll, Ler im Heere der Vereinigten Staaten- als Fliegeroffizier gedient hatte und im bürgerlichen Leben Automobil fabrikant ist. war, als Amerika in den Weltkrieg eintrat, nach Deutschland geflohen, weil er nicht gegen die Heimat seiner Eltern kämpfen wollte. Als „Drückeberger, Verräter und Deserteur" wurde er dafür durch Kontumazurteil zumehrerenJahren Gefängnis ver urteilt, aber die amerikanische „Legion^ ehemaliger Frontsoldaten hielt diese Strafe nicht für ausreichend und hatte schon vor etwa zwei Jahren den Versuch gemacht, Bergdoll aus Eberbach, wo er seinen Wohnsitz genommen hatte, zu entführen und über die nahe Grenze zu schaffen. Was mit ihm geschehen wäre, wenn die „Legion" ihr Ziel erreicht hätte, kann mau sich denken. Der Anschlag mißlang jedoch, und Lie beiLen amerikanischen Detektive, die daran beteiligt ge wesen waren, wurden zu mehreren Monaten Gefängnis ver urteilt, später aber begnadigt. Am 10. August dieses Jahres nun wurde mit besseren Mitteln ein neuer Überfall versucht. Es kam dabei im Hotes „Kronen Post" in Eberbach, dem Aufenthaltsorte Bergdolls, zu einer Schießerei, in deren Verlauf Ler Schweizer Ingenieur Karl Schmidt, einer Ler Angreifer, von dem Überfallenen, der ein Hüne von Gestalt ist, erschossen und ein anderer der Angreifer, ein übel beleumundeter Franzose (?) namens Roger Sperber schwer verwundet wurde. Mit diesem jetzt wiederhergestellten Franzosen hat noch eine sonderbare Ge sellschaft auf Ler Anklagebank Platz zu nehmen: der frühere amerikanische Oberleutnant und jetzige Journalist Griffith, der Chauffeur Nelson und ein heruntergekommenes Subjekt, Las von Natur Russe ist, Gagalun oder so heißt und sich — Fürst nennt. Daß der Prozeß auch in Amerika das größte Interesse er regt, beweisen die große Zahl amerikanischer Journalisten, di« sich zu den Verhandlungen eingefunden haben. Vor Beginn der heutigen Plenarsitzung entstand in den Mittagsstunden im Reichstage wieder einmal eine nicht geringe Aufregung, weil es schien, als ob das Er mächtigungsgesetz in letzter Stunde wieder frag- l i ch geworden wäre. Teils glaubte man, daß sowohl die Deutschnationalen wie ein großer Teil der So zialdemokraten bei der entscheidenden Abstimmung den Saal verlassen würden, so daß nicht die nötige Zwei- drittelanwesenheit aller Mitglieder gesichert wäre. Dann stellte sich aber heraus, dass von den Sozialdemokraten mir ein so kleiner Teil sich fernhalien wollte, daß auch das Fernbleiben der Deutschnationalen nicht mehr von ent scheidendem Einfluß gewesen wäre. Die wichtigere Frage aber war ein sachlicher Konflikt, der darin lag, daß die Regierung im Anschluß an das Ermächtigungs gesetz die Vertagung des Reichstages bis Ende Januar herbei?,»führen wünscht, während die Sozialdemo kraten die Möglichkeit behalten wollten, auch in der Zwischenzeit das Plenum zusammenznberufcn. In diesem Streitpunkte, der, wenn die Sozialdemokraten auf ihrer Meinung bestehen geblieben wären, für die Negierung, nach einer Erklärung des Reichskanzlers, den Grund zur Auf - iösung gebildet hätte, wurde eine Einigung in letzter Stunde dahin erzielt, daß der Reichstagspräsident Löbe, für den Fall eines außerordentlich wichtigen Ereignisses, die Ermächtigung zur früheren Einberufung des Reichs tages erhalten solle, im übrigen aber der Reichstag nicht vor Ende Januar wieder zusammenberufen wird. Sitzungsbericht. Zunächst teilte Präsident Löbe mit, daß von der Staats anwaltschaft Anträge auf Strafverfolgung wegen Hochverrats gegen den deutschvölkischen Abgeordneten v. Graefe und ver schiedene kommunistische Abgeordnete eiugcgangen wären. Ein gestern abend eingebrachter kommunistisck^r Miß- irauensantrag gegen die neue Regierung wurde ohne Debatte in einfacher Abstimmung gegen 11 Stimmen der Koinmumsten abgclchnt. Abg. v. Graefe (Deutschvölk.) beantragte selbst die Auf- yebung seiner Immunität, La er ein Interesse an der schleuni gen Erledigung seines Strafverfahrens habe. Der Antrag wurde jedoch zurückgesteltt. und nach Erledigung mehrerer klei ner Vorlagen ging das Haus zur dritten Beratung des Ermächtigungsgesetzes über. Zunächst erhielt Ler DeittschvöMschc Abg. Wulle das Wort. Er wandte sich scharf gegen das Ermächtigungsgesetz und übte dann weiterhin eine eingehende Kritik an Len gegen wärtigen Wirtschaftlichen Zuständen, Lie er in die Worte tlei- dcte: „In Deutschland wird alles reicher, was rasst, und alles ärmer, was schafft! Das erste Ermächtigungsgesetz sei ein Schutzgesetz für Len Bankkapitalismus gewesen, und mit Leni neuen Ermächtigungsgesetz sei dieselbe Absicht verbunden. Der Redner wandte sich dann gegen die Art des Beamtenabbaus. Für den bayerischen Bauernbund erklärte der Abg. Fehr, seine Pattei müsse dem Ermächtigungsgesetz die Zustimmung versagen, weil sie befürchte, Laß die unter diesem Gesetz er gehenden steuerlichen Maßnahmen die Interessen des bauer- Uchen Mittelstandes nicht genügend berücksichtigen würde. Der Aba. Lcdebour (U. Soz.) verurteilte in längeren Ans-
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