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Fürchtet euch nicht! Von Pastor Hermann Pankow in Berlin-Pankow. Nun dürfen wir wieder Weihnachten feiern. Wir dürfen? Ach, wird mancher denken: wir müssen — Wenns doch erst vorüber wäre! Sie fürchten sich vor dem Fest. Das ist immer so gewesen, daß dies Fest gerade für mancherlei Menschen sehr unwillkommen nahte. Ich meine die, und dazu haben wir wohl alle schon gehört, denen es bangte vor dem Fest, weil ein liebes Augenpaar sich für immer geschlossen hat; ich denke an die lZ in famen; an die, denen nebenan ein lieber Mensch auf dem Krankenbett liegt; an die, denen Sorge das Herz abdrücken will. Und solche gibt es dies Jahr so viele, so unendlich viele! Bei ihnen ist es verständlich, daß sie sich fürchten gerade vor diesem Fest, das so ganz auf Freude gestellt ist. Ihnen allen soll der erste Gruß gelten mit den ersten Worten der alten Weihnachtsbotschaft: fürchtet euch nicht! Sie fallen daran denken, ja, wir alle in unserem gequälten Deutschland wollen es uns sagen lassen: Fürchtet euch nicht! Ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird — allem Volke! Auch euch, ihr Gequälten — ja, euch erst recht. Wir dürfen Weihnachten feiern. In dem Dunkel dieser Tage, wo man uns alles nehmen wollte, spricht es uns von dem ewigen Licht, das uns niemand nehmen kann; von der e w i g e n L i e b e, die uns alles geben will. Wir können vieles nicht mehr, wir sollen vieles nicht mehr. Aber Weihnachten dürfen wir feiern. Gott felbst sorgt dafür, daß uns das nicht genommen werden kann. Und wir sollen Weihnachten feiern. Unsere Seele braucht es. Nicht mit großen Geschenken — es geht auch ohne sie. Aber mit der stillen Freude darüber, „daß über uns ist eine Liebe, die uns nicht vergißt". So feierten es damals die Hirten. Diese armen Menschen eines gequälten Volkes sehnten sich auch nach Erlösung. Und ehe sie ahnten, kam sie. Anders, als sie gedacht, freilich nur für Seelen, die den Sinn dafür sich bewahrt hatten oder ihn sich wieder wecken ließen. Für sie aber wahrhaft beseligend — und ein neues Leben hob an für alles Volk in aller Welt. Wirklich? Ja. Verzweifelt wehrt sich die Finsternis mit ihren Mächten; und doch muß sie weichen; langsam, aber sicher. Das ist ein Kampf wie der der Morgensonne mit den Nebeln der Nacht. Sie winden sich unter ihrer Macht, sie ziehen sich und verdecken sie immer wieder — und sie siegt doch. Sehen wir auf die trübe Gegenwart, so scheinen die Nachtnebel zu siegen. Sehen wir auf den Gang der Geschichte, so sehen wir den Sieg der Weihnachts liebe. Gerade unsere Tage zeigen uns das. Wohl sind die finsteren Mächte am Werk, uns zu quälen, und manch mal sieht es aus, als bestimmten sie alles. Das war einst so auch vor zwei- und dreitausend Jahren und das ist auch so in der nichtchristlichen Welt heute noch. Aber daß sich dagegen das Gewissen der Völker regt und daß von überall helfende Liebe sich naht, daß im eigenen Volk die Not- und Winterhilfe unermüdlich schafft, weil sie das Elend nicht ansehen will und kann, daß Millionen Fremder draußen und drinnen sorgen für Millionen, die ihnen fremd sind — das war früher vor der stillen Nacht von Bethlehem nicht so und das ist im Heidentum, auch im höchstgebildeten, heute noch nicht so. Man lasse sich von Leuten, die China kennen, einmal erzählen, wie Millionen da verhungern und niemand rührt das und niemand er barmt sich — wenn nicht die Christen kommen: das zeigt uns, wie das Licht von Bethlehem seinen Sieg vollzieht. O ja, wir dürfen Weihnachten schon feiern, gerade in dieser entsetzlichen Gegenwart: der neue Tag hat ange fangen, Nacht und Nebel sind im Weichen, auch wenn sie im Augenblick sich noch einmal vor die Sonne fchieben wollen: überall brechen ihre Strahlen durch! Wir dürfen Weihnachten feiern und wir sollen es: zum Dank und zur Stärkung. Wir dürfen Weihnachten feiern. Wirklich? Manche dürfen es eigentlich nicht. Die, deren Herzen ohneLiebe sind. Bist du einer von denen? Hast du in deiner warmen Stube auch warmherzig für die gesorgt, die da frieren müssen? Bist du einer von der Sorte, die ihre, Scheunen und Kammern voll haben und nicht geben, trotz dem viele hungern? Wieviele blasse Kinderbäckchen röten sich dies Jahr nicht vor Weihnachtsfreude, wieviele alte Augen glänzen nicht, weil Liebe unverhofft schenkend naht. Und das sind unsere Brüder und Schwestern! Willst du nicht — es ist auch jetzt noch nicht zu spät! — hingehen und einigen von ihnen Weihnachtsfreude machen? Du darfst es! Gott hat dir soviel gegeben, daß du es darfst — du darfst Weihnachten feiern — denn d a s ist die wahre Weih nachtsfeier: dankbar sich freuen der Botschaft der ewigen Liebe und selber ein Strahl sein wollen dieses göttlichen Lichts! Wir dürfen! Mir klingt ein alter Vers im Ohr: Wär' Christus tausendmal in Bethlehem geboren Und nicht in dir — so wärst du doch verloren! Wie sotten wir feiern? Von Dorothee Goebeler. Und wir sollen Weihnachten feiern? Seufzend ringt sich die Frage aus mancher Brust. Wie ein Hohn will es aufsteigen. Weihnachten — das Fest der Lichter, der Lieder, der Freude, das Fest des Kindes jubels, der Sorglosigkeit, kann man das überhaupt noch feiern in diesen grauen Tagen? Vor uns steht der Winter mit Kälte und Dunkelheit. Was sie bedeuten, das haben bisher wohl nur die wenigsten von uns erfahren. Wenn der Winter kam, heizte man den Ofen und knipste das Licht an, je dunkler draußen die Nacht, je Heller die Häuser drinnen. Wie wundervoll saß es sich am Ofen, wenn der Wintertraum durch die Straßen fuhr und weiße Flocken am Fenster vorüber flogen. In diesem Jahr werden viel Ofen kalt und viele Zimmer dunkel bleiben. Der Hunger geht um, das Gespenst der Arbeitslosigkeit erhebt sich drohend. Und wir — sollen Weihnachten feiern? Ja, wir sollen es feiern, gerade in diesen grauen und trüben Zeiten sollen und wollen wir es feiern. Der Stern, der über der Krippe stand, der soll auch hineinleuchten in unsere Nacht. Er hat schon manche Erdennacht erhellt und über tiefsten Jammer lichten Schein geworfen. Wo soll die Weihnachtsstimmung Herkommen in diesem Jahr? Oh, sie kann schon kommen, viel herzlicher und inniger sogar als in den Jahren des Glückes und der Sorglosigkeit. Weihnachten ist ja nicht nur das Fest der vollen Tafeln, der reich beladenen Gabentische, der prunk vollen Geschenke, Weihnachten ist ja auch das Fest der Liebe, wann hat Liebe mehr und besser Gelegenheit sich zu zeigen als in Zeiten der Not? Aber sie zeigte sich doch gerade in den Geschenken, die unter der Tanne lagen. Wirklich? War es immer Liebe, die sie aussuchte? War es nicht manchmal bloß Gewohnheit — nicht auch ein ganz kleiner leiser Zwang? Es war Weihnachten und also mußte man etwas schenken — und der mußte etwas haben, und jener auch — und — ja und was schenkte man denn nun bloß Tante Ida und was Onkel Adolf, unb dem Dienstmädchen? Nach „etwas aussehM" und „etwas vorstellen" sollte es doch — und tunlichst wenig kosten. — Hand aufs Herz, war nicht das der Geist, in dem sehr viele Christgeschenke ausgesucht wurden? War es vielleicht der Geist — der Liebe??? „In diesem Jahr können wir nichts schenken — Wir wollen zugeben, das Wort wird von vielen, vielen Lippen mit aufrichtiger Betrübnis ge sprochen. Man möchte so gern geben mit vollen Händen und steht nun vor leeren Tischen. Oh, harte Zeit! Ist denn Liebe aber immer nur gebunden an materielle Werke? Das Kind, das in der Krippe lag zu Bethlehem im' Stalle, das Kind hat niemals irgend etwas gegeben und verschenkt, das sich in Geld und Geldeswert berechnen läßt.— und dennoch liefen ihm die Menschen zu, segneten es die Armen und Betrübten. Sie segnen es noch heute und schöpfen aus dem Brunnen unergründlicher Liebe, den es der Menschheit erschlossen.