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Dis neuen Gslösteuem. i Einkomnien und Vermögen. — Amsatz- und Erbschaftssteuer. — KaPiLalverkehrssteuer. — Fortfall der BeLr'rebssteusr. Die neue sog. zweite große Steuernotverordnung auf ' Grund des Ermächtigungsgesetzes wurde vom Reichskabi- f nett unter gewissen vom Reichstagsausschuß vorgeschlagenen i Abänderungen genehmigt und bringt im wesentlichen fol- t gcnde Bestimmungen: Abschluüzahlilngcn ans die Einkomnrcnstencr für 1923. Die Rcichsfinanzverwaltung verzichtet auf eine endgültige, ge nau errechnete Steuerbczahlung und begnügt sich mit einer schematischen Abschlußzahlung, die bis zum 1. Januar vollzogen sein muß. Physische Personen haben 40 Gold- psennige pro 1000 Mark der Jahressteuerschuld 1922 zu ent richten. Erwerbsgesellschaften 60 Pfennige. Lag der Abschluß für 19A bereits vor dem 30. Juni, und war er dem zufolge in seinen Ziffern noch verhältnis-mäßig niedrig, so wird das Vierfache erhoben. Bei den Gesellschaften, deren Jahres abschluß nicht ohne weiteres mit dein Kalenderjahr zusammen- - fällt, sind 60 Goldpfennige pro 1000 Mart auf das Wirtschafts« ! jahr 1921-22 zu leisten. Einkommensteuer für 1924. Die Veranlagung dazu findet Ende des Jahres statt. Zumeist werden Vorauszahlun gen erhoben, und zwar für drei Gruppen: Landwirt schaft, Handel und Gewerbe und die übrigen Steuerpflichtigen. Die Landwirtschaft hat erstmalig am 29. Februar 1924 l eine Goldmark pro 1000 Mark des Vermögeussteuerwertes ab« zugeben. Der Gewerbebetrieb hat von den Bruttoein nahmen abzüglich der Löhne und Gehälter 2 zu entrichten. In besonderen Fällen können noch Werbetosten in Abzug ge brach: werden. Die dritte Gruppe umfaßt Grundbesitz, freie Berufe, nicht selbständig« Arbeiter usw, In allen diesen Fällen sind von den Einnahmen nach Abzug der Werbungskosten, auf je 2000 Mark im Vierteljahr 10 und auf die weiteren Einnahmen 20 A zu entriflsten. Die Zahlung der Steuern hat am zehnten Tage nach Ablauf deS Vierteljahres zu erfolgen. Beim Stuerabzug vom Ar beitslohn bleiben bei jedem Steuerpflichtigen wöckenilich 12 Mark des Lohnes steuersrei. Der durchschnittlich« Steuer- abzug beträgt 10 A. Ledige und Verwitwete ohne Kinder ' haben den ganzen Steuersatz abzuführen. Bei Verheirateten f darf für die Frau und für jedes Kirtd 1 N abgezogen werden. f Beträgt das vierteljährliche Gehaltseinkommen mehr ah- AM j Marl, so sind von der darüber hinausgehendeu Einkommens. ! summe 20 abzugebcn. Bei Einkommen aus Kapital sind die - Gläubiger frei von einer Steuer auf Dividenden und Zinsen j aus wertbeständigen Anleihen. Dagegen hat der Schuldner f wie bei der früheren Kapitalertragsteuer 10 N zu zahlen. Bei j physischen Personen, von denen kein oder nur een geringes f Einkommen angegeben wird, oder von denen große Verluste f in den Büchern ausgeführt werden, während die Lebens- i fübrung vamit nicht in Einklang zu bringen ist, kann das i Finanzamt eine Steuer auf den Verbrauch legen, und zwar j aus die ersten 2000 Mark pro Vierteljahr 10 N med darüber ! hin'aus 20 K. Bei den Erwerbsgesellschasten kann das Finanz« j amr in dieser Hinsicht 6 vom 1000 des Vermögenssteuer-wertes - erheben. Vcrnmgenftwucr für 1924. Als Stichtag für die Veran lagung ist der 31. Dezember 1923 vorgesehen. Dafür gelten die bishecisen Vorschriften des-Vermögenssteuergeseyes mit einigen Ausnahmen. Die Wertermittlung erfolgt grundsätzlich nach dem jetzigen Wert. Bei den Grundstücken können aber Zu- oder Abschläge, je nach den Umständen, gemacht werden. Im allge meinen wird hier die frühere Veranlagung zum Wehrbeiirag als Basis dienen. Die Entrichtung der Steuer hat Mitte bis Ende Januar zu erfolgen. Der Tarif beträgt durchschnitt lich 5 pro 1000. Bei Vermögen bis 25 000 Mark 3 pro UM. darüber bis 50000 4 pro 1000 und so fort bis schließlich 78 pro 1000 bei einem Vermögen von über 5 Millionen Mark Kleinrentner, die über 60 Jahre alt sind, bleiben von der Steuer befreit. Erbschaftssteuer: Grundsätzlich ist eine Unistellung auf Gold mark vorgenommen. Eine Änderung ist nur bei dem Steuer satz der Gruppe I (Abkömmlinge) vorgesehen. H-ier betrug der Steuersatz bischer 3,5 A und stieg bis zu 17 A. Jetzt stellt er sich aus bloß 2 A und geht nicht höher als 10 Ein« Sonder- belastuug der Vermögen, die der Steuer-Pflichtige bereits bei einem Erbanfall besitzt, findet nicht mehr statt. Tie Umsatzsteuer wird mir für das Kalenderjahr 1921 von 2 auf 28 erhöht. Die Kapitnlvcrkchrsstcuer wird ebenso wie di« Börien- ilmsatzsteuer auf Golo gestellt. Die Fusionssteuer wird von 71« auf 4 5? ermäßigt. Die Börsenumsatzsteuer auf Waren wird außer Kraft gesetzt. Die Wechselskuer wird auch aus Goldniveau gebracht. Bersicherungssteuer: Erfolgte die Besteuerung, zum Bei spiel der Feuerversicherung, bisher auf Grund der Versiche rungssumme, so jetzt auf Grund der Prämie. Der Satz ist 4 also niedriger als bislang. Nie xranmurzeilgtzcucr wirs «us das I>4fache der gelten den Sätze erhöht. Bei Personenkraftfachrzeug«« «uf daS Dreifachei Zuschläge auf Steuerrück st ände werden für je eine» halben Monat bei einer Woche Frist auf 5 festgesetzt. Die Betriebs-, also Vie Lohn- und Landabgabe, fallen mit Wir kung vom 1. Januar 1924 fort. Die für den 1. Januar uns 1. Februar vorgesehenen Raten werden nicht mehr erhoben. Hanae« unü Verkehr. An MINENM. Was kosten fremde Werks? SNMWENM» Börsenplätze LS IS. S1. 12. gesucht angeb. gesucht j an geb. Holland 1 Guld. 1 596 000 1 604 000 1 596 000 1 604 000 Dänemark 1 Kr. 751 118 754 882 751 118 754 882 Schweden 1 Kr. 1 109 220 1 114 780 1 109 220 1 114 780 Norwegen 1 Kr. 623 438 626 S62 626 430 629 570 Finnland Mark 103 740 104 260 102 742 103 528 Amerika 1 Doll. 4189300 4210500 4188500 4210500 England 1Pfd. 18254250 18345750 18354 000 18 446 000 Schweiz 1 Fr. 732 165 735 835 732 165 735 835 Frankreich 1Fr. 213 465 214 535 216 458 217 542 Belgien 1 Fr. 188 528 189 472 188 528 189 472 Italien 1 Lira 183540 184 460 183 540 184 460 Tschechien 1 Kr. 123 690 124210 123 690 124 210 Ssterr. 1000 Kr. 59 850 60 150 59 850 60 150 Ungarn 1000 Kr. 219 450 220 550 219 450 220 SSO Deutsche Werte am 22. Dezember. Eine Rentenmark 1 Billion Papiermart Dollarschatzanweisungen ... 4.2 Bill. Goldanleihe (1 Dollar) amtlich . 4200Milliard.Pavierm. ' in Goldpfennig 10 . Eine Goldmark . 1000 * Nur noch werLLestmtdigs Reichsbankkredite. Der Zentralausschußsitzung der Neichsbauk am Sonn abend wohnten zum erstenmal zwei Vertreter der Deutschen Rentenbank bei. Der Leitung der Rentenbauk soll auf viese Weise Gelegenheit gegeben werden, ihre beratende Stimme bei der Festsetzung der Zinssätze der Reichsbant zur Gel tung zu bringen. Die zur Erörterung und zur Beschluß fassung stehenden Dinge sind von entscheidender Bedeutung. Das ganze Kreditgeschäft der Reichsbank soll von jetzt ab auf die wertbeständige Basis gestellt werden. Während es bisher so ist, daß nur das Lombardgeschäft wertbeständig vor sich geht, und wertbeständige Wechselkredite nur in der Form von Wechsellombard erhältlich sind, soll fortan auch das wertbeständige Wechseldiskoutgeschäst gepflegt werden Heraufsetzung des ReichsSankdiskonLs. Die Reichsbank hat den Zinssatz sür wertbeständige Diskontkredite auf 10 Prozent, für wertbeständige Lombard darlehen aus 12 Prozent für das Jahr festgesetzt. Für Papiermarkdarlehen ohne Entwertungsklausel, die etwa aus Grund früherer Zusagen in einzelnen Fällen für besondere Zwecke noch weitergegeben werden müssen, verbleibt es bei dem seitherigen Zinssatz von 30 Prozent. pk»oäuktrnm3rM. * Vroduklenmarkt. Berlin, 22. Dezember. Amtlich sest- gesetzie Preise an der Produktenbörse. Getreide und Olsaatcn pro 1000 Kilogramm, sonst pro 100 Kilogramm. (In Gold mark der Goldanleihe oder in Rentenmark): Weizen märkischer 152—156. Stetig. Roggen märkischer 126—130, westpreußischer 124. Stetig. Sommergerste märkische 152—155. Stetig. Hafer märkischer 110—115, westpreußischer 104. Stetig. Weizenmehl 23 50—27 (feinste Marken über Notiz). Stetig. Roggenm-Hl 22—24.75. Stetig. Weizenkleie 7.75—8. Stetig. Roggenkleie 7.50—7,75. Stetig. Raps 260—265. Stetig. Mktoriaerbsen 38 bis 40, Nein« Speiseerbien 20—22, Peluschken 14—15, Acker« bahnen 1'2—14, Wicken 15—17, Lupinen, blaue 13—14, gelbe 14—17, Serndella 16,50—17. Rapskuchen 11—11,50, Trockea- schnitzel 6,75—7, Kartoffelstöcken 16,50—17. Ranhsutter. Berich: der Preisiwtienmgskommission für Rauhfutter. (Nichtamtlich) Großhandelspreise pro 50 Kilogramm ab märkischer Simion sür den Berliner Markt. (In Goldmark): drabyepr. Roggen- und Weizenüroh 0.60—0,70, vesgl. Haftrstroh O.öO-d!. desgl. GerstenstroH 0,50—0,60, RoMri,lavMroH 0,40, bindfadengepr Roggen- und Weizenstrob 9.40,' Häcksel 1.N—1PS. hondelsübl. Heu 1,10—1,20. gutes Heu IM Chemnitzer Produktenbörse vom IS.' Dezember. Weizen 166—172, Roggen 160—165, Sommergerste 175—180, Hafer 135—140, Maio 210 Goldmark für 1000 Kilogramm, Weizen mehl 33, Roggenmchl 31, Weizenkleie 7,50, Roggenkleie 7,50, Wiesenheu 6,50, Getreidestroh, gepreßt 2,50 Goldmark für 600 Kilogramm franko Chemnitz del Getreide in Ladungen von .200 bis 300 Zentner, bei Mehl in Mengen unter 100 Zentner und bei Heu und Stroh ladungsweife. — Die nächste Börse findet am 2. Januar statt. Döbedret ProduNerrrrSarkt am '20. Dezember. Die Preise verstehen sich in Goldmark bei Getreide für 1000 Kilogramm, sonst für 50 Kilogramm. Weizen, hiesiger 75/76 Kilo für 1000 Kilo fein 153—155, hiesiger 1000 Kilo mittel 148—150, Roggen, hiesiger 71/72 Kilo für 1600 Kilo mitte! 135—136, fein 138—140, Braugerste« hiesige für 50 Kilo fein 152—155, Mahl- und Futterqerste, fein sür 1060 Kilo 148—150, Hafer, fein für 1000 Kilo 123—1L5„ Prchstroh für 50 Kilo 1,00—2,10, Bundstroh sür 50 Kilo 0,85—0,90, Speifekariofseln sür 50 Kilo 2,25—2,50. Diese Preise gelten für Ware, die auf Lagcr ge liefert wird. — Futierarrikel: Rogacnkleie, inländisch« für 50 Kilo 3,90—4,Och Weizenklrie, inländische für 50 Kilo 3,90—4,00 Ferkelmarkt Dippoldiswalde. Die Zufuhr betrug am Sonnabend 20 Stück. Der Handel ging flau. Um 0«10 Uhr waren erst zwei Stück zu je 17 -ck' verkauft. cebensmittelmsrkl. * In der Berliner Zentralmarkthalle wurden am 22. Dezem- brr folgende Pfundpr«ise (in Festmark) verlangt: Rind fleisch 1,10-1,8», Gefrierfleisch »,70-0,80, Kalbfleisch 1,50-2,5», Hammelfleisch 1,2»—1,60, Schiveinefleisch 1,60—1,80, geräucherter Jnlcmdsspeck 1,80—2,40, Leberwurst 0,85—2, Blutwurst 0,80, Hasen 1,50, Gänse ab 2, Ent«n 1,80—3, Hühner ab 2, eine Taube 1,20—2, Kabeljau 0,80, Schellfisch 0,80, Heringe 0,30-0,60, Bücklinge 1—1,4», Salzfettheringe »,09—0,1», Äpfel »,50—1,50, Birnen 1, eine Apfelsine 0,10—0,20, Kartoffeln 0,04, Weißkohl 0,07-0 08, Rotkohl 1—1,10, Rosenkohl 0,60—0,80, Spinat 0,40, Mohrrüben 0,05—0,08, Tomaten 1,80, Zwiebeln 0,20—0,25, Erbsen 0,38—0,50, Weiße Bohnen 0,32-6,45, Butter 2,20—2,50. Margarine »,58—0,80, Schmalz 0,80—1, Limburger Käs« 1,20 bis 2, Harzer Käse 0,80—1, ein Ei 0,21, eine Zitrone 0,06, Kunsthonig 0,50—0,60, Pflaumenmus 0,70—0,85, Malzkaffe« 0,34-0,50, Zucker 0.50, Weizenmehl 0,20-0,26. Kirchenrmchrichten aus Wilsdruff. Wilsdruff: Kirchenmusik sür den 1. Feiertag: Jesus und Maria: „Maria durch einen Dornenwald ging", Weihnachts- mufik sür zwei Soprane, Quartett, gemischten Chor und Orgel von R. Härtel, op. 17. — Vespergottesdienst 4 Uhr: „Heilge auf Engelsschwingen", Weihnachtslied für Sopran und Orgel von Riccius. Solo: Frl. Doris Rost, Konzertsängerin. — 2. Feiertag: „Vom Himmel in die tiefsten Klüfte", Weihnachts lied für Sopran und Orgel von Berger. Solo: wie vorher. krieMalten. S-D-A-E: Von Pietro Raimondi (geb. 20. Dezember 1786 in Rom, gest. 30. Oktober 1853 in Rom, berühmter Kontrapunktist) stammt die Oratorientrilogie „Potifar, Giuseppe, Giacobbe". Treuer Leser und Leferwerber in L.: Der Dichter Friedrich Lienhard ward zu Rothbach in Elsaß geboren am 4. Oktober 1865. (Bleiben Sie Leser und werben Sie fleißig weitere Leser unserer Zeitung. Dafür auch heute einen schönen Gruß vom Onkel!) Zeitungsleserin A. L.: Die älteste der noch heute in Deutschland erscheinenden Zeitungen ist die „München-Augsburger Abendzeitung". Ihr Gründungsjahr ist zwar nicht genau bekannt, dock datiert der älteste noch vorhandene Jahrgang aus 1609. Nach ihr kommen als älteste: „Magdeburgische Zeitung", „Ienaische Zeitung", „Hanauer Zeitung", „Gothaische Zeitung" u. a. Gerda H.: Möhrenpudding haben Sie gegeßen und er hat Ihnen gemundet? Hier das Rezept: Ein Pfund Möhren kocht man weich und stampft sie mit dem Gemüsestampfer ober dreht sie durch die Fleischhackcmaschine, nachdem man das Kochwasser durch ein Sieb abgeschüttet hat und zur Tunke aufbewahrt. Dann wirb ft- Pfund Brot gerieben und zu dem Möhrenbrei gegeben, ebenso ein Ei, oder wenn man dies nicht hat, 1—2 Eßlöffel Mehl in etwas Magermilch angerührt, auch etwas Salz und Pfeffer. Davon füllt man eine gut gefettete Puddingform ft, voll, nicht voller, sonst hat die Masse keinen Platz zum Ausgehen, und kocht 1ft, Stunden im Wasserbade. Zur Tunke macht man eine Helle Einbrenne, füllt sie mit dem Möhren- kochwasfer auf, und würzt mit Muskat. , SchUa!sMge. Lmorikan. Cop^rlZttt 1920 löt. Lur. dl. Innks, vrescksn-21- Roman von Matthias Blank. Die lange, hagere Gestalt des alten Dieners Malefaz schlich durch den Gang nach der Zimmertür des Barons Sieg mund v. Regensperg; er trug auf einer silbernen Platte das frühstück: Eine Kanne Tee, Milch, Zucker, mehrere Weißbrote, Honig und Butter. Vor der Tür wartete er eine Weile, lauschte vorgebeugt an der Tür, richtete sich wieder auf und Hopfte dann vorsichtig an. Als aber von innen heraus kein Laut vernehmbar wurde, hüstelte er ein paarmal und wiederholte das Pochen, aber mals ohne Erfolg. Er schüttelte den Kopf und schien ratlos. Schon war er von der Tür ein paar Schritte weggegan gen, als er nochmals wie überlegend stehen blieb; dabei mur melte er: „Es ist doch schon so spät! Nun bin ich schon zwei mal dagewesen.* Er wendete sich abermals Ler Tür zu und klopfte. Als er daraufhin, nachdem er schließlich mit der knochigen Faust gegen die Tür geschlagen hatte, wieder ohne Antwort geblieben war, griff er nach der Türklinke. Das mußte zwar vergebens sein, denn Siegmund von Regensperg pflegte sich doch sonst immer einzusperren; aber die Türe gab dem Drucke seiner Hand nach. Sollte der Baron ausgegangen sein, ehe der Diener selbst aufgewacht war? Ohne Frühstück? Immer weiter schob er die Türe auf. Da sich nichts regte, betrat Malefaz das Zimmer. Die tief in den Höhlen liegenden schwarzen Augen durch, trrten den Raum. Dann schrie er gellend auf; seine Hand zitterte, so daß die Platte samt dem Geschirr mit lautem Klirren zu Boden fiel. Die Teekanne rollte über den Teppich, die Brötchen kollerten nach verschiedenen Seiten, und das Honigglas lag in Scherben. Aber die Augen des alten Dieners starrten entsetzt. Er stand wie gelähmt; seine langen Deine Merten, unü die Arme hingen kraftlos herab. Sekunden vergingen, ehe er zur Besinnung kam; er bückte sich nicht nach den Scherben, sondern rannte aus dem Zimmer und schlua krachend die Türe zu, als hätte er das Grauen hinter sich gelassen. .In fassungslosem Entsetzen murmelte er immer die gleichen Worte: „Mein Gott — mein Gott!" Vor der Türe blieb er stehen, als müsse er sich besinnen, was er mm beginnen solle. Scheu spähten seine Augen nach der geschlossenen Türe. Auf seinem glänzend kahlen Schä del standen Schweißtropfen, die er gedankenlos mit der Hand wegwischie. Dann lief er über den Gang, eilte zum Treppenhaus, schloß dis Tür und jagte auch noch die Treppe hinunter und aus dem Hause. Auf der Straße blieb er nicht stehen, son dern rannte weiter, unbekümmert um die Leute, die ver ständnislos hinter ihm herschauten. Fast atemlos kam er im Amtszimmer des Bezirkskom missars an. In diesem Raume waren mehrere Schutzleute anwesend unü der in der Stadt gut bekannte und von allem lichtscheuen Gesindel gefürchtete Inspektor Rebstein. Die Er scheinung dieses Beamten glich der eines Schauspielers. Breitschultrig und mittelgroß, hatte er einen rundlichen, kurz geschorenen Kopf mit einem glattrasierten Gesicht, die Äugen waren klein und sehr beweglich, die vollen Wangen rosig, die Lippen sehr fleischig, die Zähne, die er lächelnd häufig sehen ließ, blendend weiß. Der Kopf saß fast ohne Hals auf den Schultern. Die breiten, sehnigen Hände dieses Krimi nalbeamten sahen gut gepflegt aus. Nebstein war an seinem Schreibtisch in eine Arbeit vertieft, als die hagere Gestalt des Dieners hereingestürmt kam, der vergessen hatte, hinter sich die Türe zu schließen. Ohne eine Frage abzuwarien, keuchte er mit überschla gender Stimme: „Mord! Mord!" Dann sank er in einen Stuhl, ließ die Arme schlaff herabhängen und schnappte nach Luft. Der kurze Ausruf war deutlich genug, um den Ernst der Lage verständlich zu machen. Inspektor Rebstein erhob sich sofort und trat gegen den Alten hin, der mit irrem Ausdruck um sich schaute. „Beruhigen Sie sich und antworten Sie: Wer ist er mordet worden?* „Baron Siegmund v. Regensperg.* „Wo?" „In seinem Zimmer.* „Wissen Sie, daß es ein ,Mord «ar?* „Ich habe das Blut gesehen; aus dem Haise ist es au, den Boden niedergesickert." „Haben Sie allein ihn gefunden?" „Ja!" „Wer sind Sie?" „Der Diener des Darons." „Wie heißen Sie?" „Donifaz Hellmenberger. „Gut! Haben Sie sich soweit erholt, daß Sie mich hin führen können? Fühlen Sie sich stark genug?" „Ja!" Inspektor Rebstein griff nach seinem Hut und gab mit einigen Micken ein paar Polizisten die Weisung, ihnen zu folgen. Dann trat er mit dem alten Diener, der hastend voranging, auf die Straße. Auf dem Wege setzie der Insepktor das begonnene Ver hör fort, um seine spätere Aufgabe zu erleichtern. Auf jede Frage gab der alte Diener Antwort, ohne sich besinnen zu müssen, ohne mit irgend einem Bescheid zu zögern. „Wissen Sie, ob der Daron auch tot war?" „Er regte sich nicht." „Sahen Sie die Waffe, mit der die Tat begangen wor den war?" „Nein! Nur das Mut sah ich, das aus dem Halse ge ronnen ist" „Wann haben Sie den Toten gefunden?" „Ich wollte das Frühstück bringen. Dann bin ich gleich hieLhergelaufen." „Schlafen Sie in der Wohnung?" „Ja, ich habe eine kleine Kammer.* „Haben Sie während der Nacht nichts gehört? Sind Sie durch kein Geräusch wach geworden?" „Nein!" „War der Tote, als Sie ihn fanden, angekleidet?* „Ja! Er trug seinen Hausrock." „So war er gar nicht ins Bett gekommen?" „Das kann ich nicht sagen." „Fanden Sie Spuren von Gewalt? War die.Flurtüre aufgebrochen? Oder erschien Ihnen sonst etwas „Nein!" (Fortsetzung folgt.)