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ViMnOrNgeblaii Früher: Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Erschein« bis auf weiteres nur Montags, Mitwochs ti Freitag« nachmittag« 5 llhr für den folgenden Tag, Bezugspreis bei Seibstabpotung f, die Woche v, rv. rr.-üö. 12. Svo MiNiarden, durch unsere Austräger zugetragen in der Stadt sro Milli arden auf dem Lande ZA) MiNiarden, durch die Post monatlich entsprechend. Alle Postanstalten und Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Fm Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« Bezuaspreise«. Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, Rr. 146 — 1923 — 82. Zahrgasg. Donnerstag / Freitag 13. /14. Dezember „ver starke Mann". Die „München-Augsburger Abendzeitung" in München ver- bssentiichre unter dieser Ueberschrift einige Anregungen, die sie dem neuen Reichskanzler Dr. Marx bei seinem Regierungs antritt mit aus den Weg gab. Anter den sieben sormulierten Forderungen, die sie an den „starken Mann" richtete, befand sich auch diese: „Er muß fordern eine Reform und Erweiterung der Strafgesetzgebung zur Sicherung der Währung und Wirt schaft gegen die zersetzenden Einflüsse ohne Arbeitsäqui- valent erwachsender materieller Gewinne." In einer ihrer letzten Nummern nimmt ein Leser der ge nannten Münchner Zeitung Veranlassung, auf diese Forderung etwas näher einzugehen. Wir wollen das, was der Einsender zu sagen hat, unsern Lesern nicht vorenthalren. Es hat nicht nur in Bayern Berechtigung. Auch im übrigen Reich hat der Verkehr der Banken mit ihrer Kundschaft und besonders mit der Geschäftswelt, die Kredit in Anspruch zu nehmen gezwungen war, Formen angenommen, die mehr als blosse Belästigungen darstellten. Der Einsender schreibt: „In den letzten Wochen verlangten Banken für Leihkapital rund 8 Prozent Zinsen pro Tag; dazu die A u f - Wertung der geliehenen Summe bei fallen der Mark am Rückzahlungstag. Das Risiko einer G e l d e n t w e r t u n g h a t d e r B e l i e h e n e z u t r a g e n, die Vorteile eines Markanstiegs aber die Bank sich ausdrücklich Vorbehalten. Wenn daher ein Unternehmen wegen der Stockungen im Geldumlauf beispielsweise auf zwölf Tage 10 00V Billionen Papiermark aufnehmen musste, so hatte es hierfür bei gleich bleibendem Dollarkurs oder auch bei Besserung der Mark am Rückzahlungstage nahezu den gleichen Betrag als Zinsen an die Bank abzuführen. Das Arbeitsäquivalent der 10 000 Billionen Zinsen ist aber, wenn sie für Lohnzahlungen verwendet werden, die in dustrielle Produktion von rund 200 Facharbeitern während zwei Wochen. Was steht dem als Gegenleistung der Banken gegenüber? Um die Löhne zu bezahlen, hat nun trotzdem wegen der grossen Umlausstörung im Geldverkehr der vergangenen Wochen Bank- kapital zu den angegebenen Bedingungen ausgenommen werden müssen. In der Presse aller Färbungen wird das deutsche Volk zur Hilfe gegen die unbeschreibliche Not von Millionen Men schen aufgerufen, wird aufgerufen zur Steigerung der Pro duktion, und hier sieht man, wie G eldinstitute die Pro duktion in erschreckendem Masse verteuert haben, ohne nur irgendein finanzielles Risiko aus sich zu nehmen oder wirtschaftlich nennenswerte Gegenwerte zu schassen." Ob im Vorgehen der Banken, wie es hier an Hand eines Beispiels treffend charakterisiert wird, infolge des langsamen Platzgreifens der Festmark oder der inzwischen eingetretenen einstweiligen Stabilität der Papiermark eine Aenderung in zwischen eingetreten ist, wurde bisher nicht bekannt. Wenn nicht, so ist sie aber nun wohl mit allem Nachdruck zu fordern. In gleicher Weife, wie dem Kaufmann und Gewerbetreibenden die sogenannte Risikoprämie nur in beschränktem Umfange zu gestanden wurde, hätten auch die Banken sich mit gewissen Ein schränkungen bescheiden müssen. Sie gingen aber soweit, i n allen Fällen sür sich aus jedem bankartigen Geschäft unberechtigt hohen Nutzen zu ziehen, während sie jegliches Risiko auf den Kunden abzuwälzen wussten. Das ging denn doch zu weit. Die zunehmende Stabilität auf dem Geldmarkt, die dazu führte, dem Kaufmann das Ausschlagen jeglicher Risikoprämie auf die Wären zu verbieten, wird nun wohl auch die Banken zu einer Aenderung ihrer geschäftlichen Praktiken zwingen. Tun sie das nicht freiwillig, so müssen sie dazu gleichfalls gezwungen werden. F. meine Leitung M eilige Leser. * Das Reichskabinett hüt der Neuregelung der Beamten- besoldung zugestimmt. * Die Beschlüsse des Reichskabinetts zur Rheinlandsraae stehen unmittelbar bevor. * Wie eine Berliner Korrespondenz von gut unterrichteter Seite noch erfahren haben will, soll trotz der vielen Dementis ein Angebot maßgebender industrieller Kreise der Reichsbahn» Verwaltung in der Frage der Kreditbeschaffung gemacht wo» den sein. * Der Internationale Gewerkschaftsbund hat eine Mugabe an Len Vökkerbnndsrat in Genf gesandt, in der auf die furcht bare Rot in Deutschland hingewicsen und um Eingreifen er sucht wird. * Der Poststreik hat in Österreich Telegraphen- und Fern sprechverkehr, in Verbindung damit auch Lie Zollverwaltungen erfaßt. Wirtschaftliche Notwendigkeiten. Man muß jetzt alles, was geschieht, unter dem einen Gesichtspunkt betrachten, daß das Deutsche Reich, ebenso natürlich die Länder und Kommunen, fast völlig bankerott sind. Die Steuereinaänae sind trotz der zahllosen Steuern. Lulammenbrueb äer ZoÄaMemokratie. Hamburg, 12. Dezember. Den weiteren Verfall der sozialdemokratischen Parteien meldet folgende Nachricht aus Hamburg: Die Hamburger Gewerkschaften haben angekündigt, daß sie sich politisch selbständig und von den bestehenden politischen Parteien unabhängig machen wollen. Den ersten Schritt auf diesem Wege soll die Herausgabe eines eigenen Organs bedeuten, das unter dem Titel „Der Vorwärts Gross-Hamburgs" erscheint und die wirtschaftspolitischen Interessen der Arbester, Ange stellten und Beamten vertreten soll. Schließung der Getreideschtaunen im rechtsrheinischen Bayer». München, 12. Dezember. Die Korrespondenz Hoffmann meldet amtlich: Auf Grund einer Verordnung des bayrischen Eesamtminlsteriums hat der Generalstaatskommissar ab sofort die Schliessung sämtlicher Getreideschrannen im rechtsrheinischen Bayern infolge der bisherigen ungünstigen Preisbildungen an geordnet. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis und Geldstrafe in unbeschränkter Höhe und in einem Mindestmass von 100 Goldmark bestraft, sowie der Getreidebestand und die Zahlungsmittel, mit denen gegen die Anordnung verstossen wird, beschlagnahmt. Reichskanzler und Reichspräsident sprechen über die deutsche Presse. B e rlin, 11. Dezember. Die berufliche Standesvertretung der Berliner Redakteure und Journalisten aller Parteien, der Bezirksverband Berlin im Reichsverband der deutschen Presse, veranstaltet am kommenden Freitag, den 14. d. Mts., abends O/2 ilhr, im grossen Sitzungssaale des Preußischen Landtags (Prinz-Albrecht-Straße) eine Kundgebung über das Thema: „Schicksalsfragen der deutschen Presse". Dabei werden Reichs kanzler Dr. Marx und Reichstagspräsident Löbe über die Be deutung der Presse, Chefredakteur Ackermann über soziale und berufliche Fragen des Redakteurstandes sprechen. Deutschlands finanzielle Gesundung (eine englische Aeutzerung). London, 10. Dezember. „Daily Telegraph" schreibt zu dem Steigen der Mark im Auslande: Anter den Fincmz- männern der Entente herrsche die Aeberzeugung, daß der Wäh rungskommissar Dr. Schacht ein kompliziertes finanzielles Spiel mit beträchtlichem Scharfsinn erfolgreich anstrebe. Man glaube, dass Dr. Schacht auf die automatische Stabili sierung der Mark im Verhältnis von einer Goldmark zu einer Billion Papiermark Hinziele, indem er Bedingungen schaffe, unter denen der Handel in ausländischen Währungen von selbst ein solches Verhältnis aufrechterhalte. Abgesehen von der unmittelbaren Wirkung des Steigens der Mark, nämlich der Ermutigung des deutschen Volkes durch Herabsetzung der Preise, habe diese Taktik eine weitere sehr heil same Wirkung gehabt und'kleinere Hamster, die soviel dazu bei getragen hätten, die Mark zu schwächen, indem sie ihre Gewinne in auswärtige Währungen umsetzten, begännen Furcht zu emp finden. Ihr Schatz trage nicht nur keine Zinsen, sondern sei jetzt auch von der Entwertung bedroht. Wenn die Mark im Buslande steige, so könne sie auch in Deutschland steigen, und wenn sie sich zu lange an ihren Besitz klammerten, so könnten sie mehr verlieren als die Zinsen, aus die sie jetzt verzichteten. Infolgedessen begännen diese Leute bereits ihre auswärtigen Banknoten auszugeben und sie in Goldmark oder Geldanleihe umzutauschen. Dr. Schachts bisherige Erfolge an der Wieder herstellung des Haupterfordernisses zu einer Rückkehr der finan ziellen Gesundung, nämlich des Vertrauens des deutschen Volkes zu seiner eigenen Währung, seien erstaunlich gewesen. Oberregierungsrat Rätzsch des Dienstes enthoben. Dresden, 12. Dezember. Wie nachstehende Meldung besagt, ist der Dresdner Pvlizeiskaudal noch immer in der Zu nahme: Vom Militärbesehlshader des Wehrkreiskommandos 4 ist der Oberregierungsrat bei der Staatspolizeiverwaltung Rätzsch bis auf weiteres vom Dienst enthoben worden. Keine Aufwertung der Reichsschulden. Berlin, 10. Dezember. Das bekannte Urteil des Reichs gerichts in der Frage der Hypochekenaufwertung hat vielfach eine Auslegung erfahren- die zum Teil ganz die vorsichtigen! Formulierungen des Reichsgerichts außer Acht läßt. Insbe sondere ist auch die Meinung aufgekommcn, dass infolge dieser Entscheidung auch die Schulden des Reiches und der Länder aus der Zeit des Krieges und der Vorkriegszeit aufgewertet würden. Damit wäre aber die Tragweite der Entscheidung bei weitem überschätzt. Es war vorauszusehen, dass insbesondere die Reichs- smanzverwaltung dieser Bewegung gegenüber nicht untätig bleiben würde. In der Tat scheint man auch im Reichsfinanz- ministerium Schritte zu planen, um ihr entgegenzutreten. Eine Auswertung der Reichsschulden und der Schulden der übrigen öffentlich rechtlichen Verbände dürfte unter keinen Um ständen in Frage kommen. Man glaubt aber auch, dass die private Wirtschaft einen derartigen Auswertungsprozess nicht vertragen könnte. Ausser dem würde er auch mit schwebenden SLeuerplänen, insbesondere der beabsichtigten 'Mietsteuer in Konflikt geraten. Welche Schritte demgegenüber ergriffen werden, steht noch nicht fest. die wir uns in den letzten 8 Jahren zugelegt haben, so ge ring — Vas ganze Ruhr-und Rheingebiet steuert ja nicht einen Pfennig —, daß der Staat auch feine Aus gaben auf ein Minimum reduzieren muß. Wir haben das alles freilich erst erkannt, als der Trillionennebel der Papisr- mark sank und nur der, ach so kärgliche Goldkern dieser Papierfluten zum Vorschein kam. Man ist infolgedessen dazu übergegangen, zunächst einen Etat in Goldmark aufzustellen, und hat dabei ein Defizit von 800 Millionen Goldmark herausgerechnet. Herausrechnen müssen, selbst bei ganz außerordentlich scharfen Ab streichungen an den Personal- uno Sachausgaben. Wie nun aber dieses Defizit decken? Die Reichsregierung ist an die Rentenbank herangetreten, um von ihr einen weiteren Kredit — der sich in der Mehrausgabe von Rentenmarknoken geäußert hätte — über den ihr gemäß der Verordnung über Vie Rentenbank zustehenden zu erbitten. Die Rentenbank hat aper erklärt, daß sie gar nicht daran denke, einen Schuld ner ^n kreditieren, der mehr aus gebe, als er ein nehme. Er solle wiederkommen, wenn er Ausgaben mii Einckkhmen balanziert habe. Das war damals, als der Reichskanzler Dr. Stresemann in Hagen über die „in ländische Finanzkontrolle" durch die Rentenbank sprach. Nicht ganz mit Unrecht, aber dieses harte Vorgehen der Renten bank ist der einzige, der letzte Damm dagegen, daß die Nen- tenmark nicht etwa auch den Weg der Patziermark wandelt. Die Reichsregierung versuchte und versucht nun, dieser Forderung der Rentenbank nachzukommen, und das ist die Ursache für den weiteren Abbau der Personalver waltung nach der Zahl und, was ja jetzt Verzweiflung in die Reihen der Beamtenschaft brachte, nach der Ge ¬ yaltshöhe. Die neuen Gehaltssätze, die vor einigen Tagen in die Öffentlichkeit gedrungen sind, bedeuten ja Ge hälter, die wirklich zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel sind. Sofort hat eine gewaltige Protestaktion eingesetzt, aber das Kabinett hat am Montag in fünfstündiger Sitzung Vie letzten, etwas günstigeren vom Reichsfinanzministerium ge machten Vorschläge zum Beschluß erhoben. Für die unteren Beamtenklassen bedeutet das einen Gehaltsabbau auf 70, für ' die mittleren auf 80 und für die oberen auf 40 des Friedensgehaltes. Diese Verordnung, hie lediglich die Abänderung von bisherigen Gesetzen über die Gehaltsregelung ist, wird natürlich, weil nicht unter das Ermächtigungsgesetz fallend, dem Überwachungsausschuß des Reichstages nicht unter breitet werden. Anders ist es dagegen über neue Beamten abbauverordnungen, die jenem Ausschuß vorgelegt werden müssen, und die vermutlich noch weitergehend sind als die schon veröffentlichte. Auf der einen Seite also schärfste Gehaltskürzung und Entlassung, auf der anderen aber macht die langsam be gonnene P r eissenk ungschonwiederHalt; diese leichte Preissenkung, die keineswegs sich mit der Ausschal tung des Patziermarkwährungsrisikos deckt. Während in folge des Sinkens der Papiermark die Preise oft täglich um ein Vielfaches hinausgesetzt wurden, geht man jetzt um- ganz langsam daran, etwas abzubauen. Noch immer stehen die Preise der notwendigsten Lebensmittel — abgesehen von Getreide und Kartoffeln — nicht nur nicht mehr auf dem Friedensstand, sondern meist auf dem .doppelten und dreifachen des Jahres 1913.