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Wilsdruffer Tageblatt : 24.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192311248
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19231124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19231124
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-24
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.11.1923
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politische kimGAsu. veullivrs Deitch flne Kundgebung Hindenburgs. Generalfeldmarschall von Hindenburg veröffentlicht c-kgende Kundgebung: „Ich betlage es tief, daß deutsche, on gleicher Vaterlandsliebe beseelte Brüder sich in Mün den feindlich gegenübergetreten sind und damit zur Freude msercr Gegner einen Riß im Volksleben geschaffen haben. Reicht Euch, wie wir Alten es 1866 auch getan haben, über ne Gräber der auf beiden Seiten im festen Glauben an hr gutes Recht Gefallenen hinweg zur Versöhnung die Hand! Unser armes Vaterland bedarf in einergrößtenNotdoppeltderEiniakeiti* die Verhaftung Dr. Roths in München. Zu der Verhaftung des rechtsstehenden Abgeordneten md früheren bayerischen Justizministers Dr. Roth wird nitgeteilt, daß er in Schutzhaft genommen wurde, weil er mich Verbreitung unzutreffender Behauptungen das An lehen des bayerischen Staates gefährdet und insbesondere, weil er in Bamberg aufreizende Reden gehalten hat. Der Kechtsbeistand Dr. Roths hat inzwischen eine Eingabe an »en ständigen Ausschuß des bayerischen Landtagsgerichts gerichtet, in dem Dr. Roth als Ersatzmann fungiert. Die Eingabe geht von der Behauptung aus, daß die Verhaftung eine Verletzung der Abgeordnetenimmunität darstelle. Aus In« und Ausland. Berlin. Der deutschnationale Wg. Dr. Helfferich ist von einem ernsten Magen- und Darmtciden befallen und hat sich zur Kur nach Italien begeben. Seesen am Harz. Hier ist der Oberlehrer Dr. Joels on von der früheren Jakobsohnschule verhaftet worden. Der Ver haftete ist verschiedentlich politisch in radikal-kommunistischem Sinne hervoraetreten. Dr. Stresemann vor dem Reichstag. 68. Berlin, 22. November. Den großen Tag, den der Reichstag eigentlich vor gestern erwartete und der durch das Verhalten des Kom munisten Remmele gestört wurde, hat das Parlament nun heute erlebt. Der Reichstagspräsident und der Ältestenrat hatten sich inzwischen dahin geeinigt, daß die schärfsten Maßnahmen gegen Ruhestörer ergriffen werden sollten, und somit war die Befürchtung, daß die 16 Parteigenoffen des inzwischen auf 20 Lage aus dem Hause verwiesenen Herrn Remmele auch die heutige Sitzung stören würden, gegenstandslos geworden. Der Präsident würde andernfalls nicht gezögert haben, heute die Maß nahmen zu ergreifen, die er bisher noch unterließ, nämlich die Ruhestörer durch Polizeigewalt aus dem Saale ent fernen zu lassen. Das Haus war selbstverständlich wieder voll besetzt, und mit fast noch größerer Spannung als vorher erwartete man den Beginn der Sitzung. Die politische Lage war noch ebenso ungeklärt wie vorher. Die Mißtrauensanträge der Parteien lagen noch nicht vor, und es war noch nicht sicher, ob und mit welchen Mehrheiten derartige Anträge angenommen werden würden. Nur soviel war bekannt, daß der Reichskanzler eine klare Entscheidung verlangen würde. Jedoch batten sich ganz im allgemeinen die Aussichten des Kabinetts Stresemann etwas gebessert. Das Kabinett selbst war «och in der Mittagsstunde zu einer Besprechung über dd eventuelle Umwandlung des militärischen Ausnahmezustandes in einen zivilen ein getreten, da von dieser Frage im wesentlichen die Stellung der Sozialdemokraten abhing. Gerade die Un klarheit der politischen Lage aber hatte zur Folge, daß die Rede des Kanzlers selbst eine weit größere Bedeutung er hielt, als es in ähnlichen Lagen der Fall zu sein pflegt, wo eine politisch schon im voraus festgelegte Situation vorbanden ist. Der Kanzler selbst trat heute in großer Frische und Energie auf. Daß es im übrigen nicht zu größeren Störungen kam, log daran, daß der ganze Reichs tag durch ein starkes Polizeiaufgebot gesichert war und daß u. a. auch dem Abgeordneten Remmele selbst, der mehrfach versucht hatte, in das Haus zu ge langen, der Eintritt verweigert wurde . - Flamme«. Roman von Hans Schulze. „Bestellen Sie der Frau Baronin, wir wären nach der Pastorei gegangen", rief sie dann einem der Hausmädchen zu. „Mit dem Abendbrot braucht nicht auf uns gewartet zu werden." — Zwanzigstes Kapitel. Herta und Trude hatten sich aus dem sengenden Son- Nenbrande des Vorplatzes sogleich in den Schatten der Buchen allee geflüchtet und wandten sich dann am Rande des Ülosen- gartens zur See hinunter. Trotz der vorgerückten Nachmittagsstunde war es noch Immer drückend heiß. Das Kaoalierhaus ragte wie ein alter, verlassener Tem pel in die große Stille hinein, das verschnörkelte Dach vom Eonnenglanz überflimmert. In dem duftigen Blau des Himmels schwamm nur ein ein ziges weißes Wölkchen und trieb still dahin, wie ein vom Eturm zersplissenes Segel. — „Das gibt heute noch ein Gewitter!" meinte Trude, ihm prüfend nachblickend. „Weißt du, Herta, wir holen schnell noch unser Morgenbad nach. Zu dem langweiligen Braut paar kommen wir noch immer früh genug!" Sie hatten sich auf der Bank, an ihrem alten Badeplaß niedergelaffen und schauten auf die metallisch blinkende Was serweite des Sees hinaus, über der ein Mückenschwarm wie eine leise summende Säule ständ. Herta bohrte die Spitze ihres Sonnenschirms unschlüssig in ein am Boden liegendes Borkenstück. „Ich habe heute keinen rechten Schneid mehr zu baden, aber ich will gern auf dich warten!" Trude hatte sich in ihrer lebhaften Art bereits ihre Taille aufgehakt. „Also los!" rief sie durch die Tür des Badehäuschens zu rück. „In zwei Minuten bin ich ausgezogenl" Dann stand sie in ihrem seidenen Badetrikot schlank und braun wie eine zierliche Bronzefigur in dem weichen Sand des Ufersaumes und ließ sich den leise vorschwcllenden Gischt streifen des Wassers um die schmalen Füße spielen. „Ich rudere erst noch ein Stück auf den See!" sagte sie, Sitzungsbericht. Präsident Löbe eröffnete Vie Sitzung, indem «r zunSH,. dem Haufe im einzelnen mitteilte welche Maß nahmen gegen den Abg. Remmele ergriffen worden waren, und ferner darauf hinwies, in welcher Weise er weitere Ruhestörungen verhin dern würde. Unmittelbar danach konnte der Reichskanzler Dr. Stresemann die Rednertribüne betreten. Er wurde von den Kommunisten mit dem Zurufe: „Der Reichszertrümmerer, der Kanzler der Separatisten", empfangen, ohne daß er sich weiter daran gekehrt hätte. Der Kanzler wies zunächst die Meinung zurück, daß die Regierung, wie die beiden Redner des Dienstag geglaubt hat ten, die Absicht gehabt habe, sich der Vertrauensfrage zu entziehen. Im Gegenteil, so erklärte er, die Regierung wünsche möglichst bald diese Entscheidung in voller Klarheit. Dann wandte er sich in erster Linie den Fragen der Außenpolitik zu und erklärte, der jetzige Träger der französischen Politik, PoincarS, hat es fertig gebracht, in fortgesetzter Konsequenz die Grundlage für die gesamte politische und soziale Zertrüm merung Deutschlands zu schaffen. Da ist es erklärlich, wenn die Entwicklung in Deutschland den Extremen zustrebt. Der Kommunismus zieht seine beste Unterstützung aus dem Elend des Volkes, und der Rechtsradikolismus aus der Politik der fortgesetzten nationalen Demütigung. Wenn man der Auffassung ist, daß das konstitutionelle Leben Deutschlands in -der Auflösung begriffen sei, so ist das gerade die Wirkung dieser Politik. Wir sehen keine Hoffnung, die trostlose Lage unseres Volkes zu bessern. Der Wg. Hergt hat uns daraus einen Vorwurf gemacht, daß wir Verhandlungen mit Frank reich versuchten-. Wer Rhein und Ruhr sind uns viel zu wert voll, als daß wir nicht alle Verhandlungsmöglichkeiten er schöpfen mußten; ehe wir andere Konsequenzen ziehen. Der Versuch, die Sachwerte zur Reparation heranzuziehen, ist gescheitert an dem Widerstande der französischen Politik. VicllÄcht ist der Versuch noch einmal möglich, wenn es zu einer internationalen Sachverständigcnkonferenz über die Repara tionsfrage kommt. Die Erhöhung der Kaufkraft der deutschen Bevölkerung ist nicht nur eine deutsche Sorge, sondern eine Angelegenheit der Aufrechterhaltung normaler Beziehungen der Weltwirtschaft. lZurufe der Kommunisten: „Stinues!".) Mit Herrn Stinnes, so antwortete der Kanzler darauf, müssen Sie sich schon persön lich unterhalten. «Kommunistische Zurufe: „Sie treiben doch seine Politik!".) Der Kanzler erwiderte, die Deutsche Allge meine Zeitung des Herrn Stinnes scheint darüber anderer An sicht zu sein. Wir wollen der Welt nicht das deutsche Elend verschleiern. Wir haben die Hilfe des Auslandes angerufen, und wir sprechen den Helfern den wärmsten Dank aus, vor allem den Deutschamerikanern und den Brüdern in Österreich. Das Versprechen, 24 Stunden nach Abbruch des passiven Widerstandes mit uns zu verhandeln, ist gebrochen worden. Es hat sich der weltgeschichtliche Skandal ereignet, daß Frank reich die Verhandlungen mit der verantwortlichen deutsche» Re gierung ablehnte, so daß wir einzelne Kreise der Bevölkerung mit den Verhandlungen beauftragen mußten, über alle Einzel heiten dieser Verhandlungen mit den Industriellen werden wir dem Reichstage gern Mitteilung machen. Wir haben gesehen, was sich in der Weltgeschichte ergeben hat aus dem Schuld bekenntnis von Versailles. Sollen wir daher durch irgendeine Erklärung auch noch den Ruüreinbrucb leaali- 11eren ? Wenn ich anerkenne, daß die Kohlenliefe run- gen angerechnet werden sollen nicht auf die Reparationen, son dern auf die Bezahlung Les Ruhreinbruchs, dann würde ich den Ruhreiubruch legalisieren, und das ist ausgeschlossen, das wäre auch eine Illoyalität gegenüber unseren anderen Gläu bigern. Es geht jetzt darum, die Grundsätze für eine ganze Zukunft festzulogen. Wir sind am Ende unserer Kraft und können die Mittel für die Crwcrbslosenfürsorge nicht länger aufbringen. Die Politik ist in einem so geschwächten Lande wie Deutsch land von der Wirtschaft und von der Währung abhängig. Der Vorsta- > der Renten bank hat seine Wünsche der Re gierung ebenso vorgetragen wie andere Wirtschastsgruppen. Ich bin der Meinung, daß eine Gesundung der Wirtschaft ohne eine baldige Lösung der Arbeitszeitfrage nicht möglich ist. Es ist falsch, wenn man glaubt, daß die Verlängerung der Arbeitszeit die Arbeitslosigkeit vermehre. Wenn der Ver sailler Vertrag zerrissen ist, so geschieht das von den Mächten, die uns nicht einmal die wenigen Rechte zu» billigen, welche dieser Vertrag gewährt. Wir wollen keine Lostrvnnung der Rheinlande, aber, wenn wir mit schwerem Herzen von einem Teile der Reichsgewalt im Rheinland Abschied nehmen müßten, so gesästeht es in der Erwägung, daß wir unmöglich in dem Augenblick, wo Wir die Leistungen für unser hungerndes Volk einstellen müssen, weiter an den Geaner mitten sollen Die Politik, di« n«r zu meiner größten Entrüstung im Vorwärts als Förderung separatistischer Bestrebungen aus gelegt wurde, hat die volle Unterstützung deS preußisch«« Staatsministeriums unter Führung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten gefunden. In dem Augenblick, wo die durchaus im Sinne unserer Instruktionen erfolgenden Verhaus luirgen im Rheinlands einen Abschluß finden, der dort wieder die Arbeitsmöglichkeit schasst, in dem Augenblick wird auch wie der die völlig gleiche Behandlung der Erwerbslosen im ganzen Reick)« eintreten. Im besetzten Gebiet muß mehr gearbeitet wer den als bisher, sonst lohnt die Produktion die Kosten nicht. (Unruhe bei den Kommunisten, Rufe: „Stinnes!".) Was geht mich denn Herr Stinnes an, er ist nicht der Parteiführer, son dern ich. Wenn wir von den Verhandlungen im Rheinland« ausgefchaltet sind, dann ist cs besser, wenn diese Verhandlungen dort gefübrt werden durch Körperschaften, in denen alle Wirb schastskrcise und Parteien vertreten sind. Dieses vorüber gehende Abscheiden von der Ausübung eines Teiles der Reichs» gowalt würde auch der Welt den Beweis liefern, daß dort ein Okkupationsgebiet durch Frankreich geschaffen ist, welches nicht einmal die Rechte eines OKupationsgebietes hat. Oer militärische -Ausnahmezustand. Der Kanzler wandte sich dann der innerpolitifchen Lage zu und erklärte, der Wunsch nach Ersetzung des militäri schen Ausnahmezustandes Lurch den zivilen kann erst dann er füllt werden, wenn Ruche und Ordnung im ganzen Reiche eiu- getrcten ist. Bisher konnte aber nur eine teilwene Aufhebung in Frage kommen, nicht aber eine allgemeine. Die Ereignisse vom 8. und 9. November in München müssen jeder Regier l rung eine Warnmrg sein, die Dinge soweit kommen zu lassen, daß die Regierungsgewalt in Abhängigkeit von unverantwort lichen Organisationen gerät. Für unsere Haltung gegenüber Bayern nehm« ich die volle Verantwortung auf mich. Wir mußten die verfassungsmäßige Landesregierung unterstützen; ganz gleich, ob st« nns politisch feindlich gegenübersteht oder nicht. Im be setzten Rheinlands hat es die im Kampf« stehende Bevölkerung bewnders schiver empfunden, daß gerade in diesem Augenblick durch Putsche und Ausrufe in München der Gedanke des einige» Deutschlands kaputt geschlagen wurde. (Abg. Lodebour: „Sie siud Ler Hauptschuldige!".) Für die Rückkehr des Kronprinzen übernehme ich die volle Verantwortung. Dabei handelt es sich nm eine Frage der Menschlichkeit, und Ufte für den letzten Ge fangenen von Avignon müssen wir auch dem Kronprinzen sein Staatsbürgerrecht verschaffen. Ohne die Beschlüsse der Reichs- regierung vom Abend des 9. November wären vielleicht die Vorgänge in München nicht auf diesen Ort beschränkt geblieben. Das Instrument der Reichswehr würde zerbrechen,, wenn die Autorität der Befehlsgewalt sich nicht durchsetzen kann, sondern wenn die Reichswehr zu politischen Zwecken mißbraucht wird. Bei den bevorstehenden Verhandlungen zwischen Bayern und dem Reich« wird die Grundlage für die Reichsregie rung die Rückkehr zum verfassungsmäßigen Zustande in bezug aus die Reichswehr sein. Innerhalb 'der Reichsrcgierung habe» Verhandlungen stattgefundsn, inwieweit Änderungen der jetzigen Verfassung gegenüber den Ländern möglich sind. Es handelt sich dabei nicht nur um Badern. Dann verteidigte der Kanzler unter großer Unruhe der Kommunisten die Reichsexekutive gegen Sachsen und Thür! ngen. Es sei notwendig gewesen, den dort vor gekommenen Terrorakten zu begegnen. Er betonte danndie Notwendigkeit ausländischer Finanzhilfe für das Reich und er klärte Lazu: bisher ist nur ein Angebot von ausländischen Finanzlouten vo mVorfitzenden des Reichsgrundbesitzerverban- des eingegangen für einen Währungskredit von 1 Goldmilliarde. ES ist nicht meine Schuld, daß dieses Angebot die Klausel ent hält, der Kredit würde nur der gegenwärtigen Retchs- regicrung gewährt werden. Daun widmete der Kanzler Lem verstorbenen RcichsbankpräsideM Havenstein einen ehren den Nachruf und sagte weiter: Wir sind jetzt eigentlich in die Liquidation des verlorenen Krieges und Friedens eingetreten. Dutschland erliegt dem Druck seiner Gegner. Die einzige Waffe ist die Solidarität des Vol kes. Es dürfe keine künstliche Scheidung zwisclM sogenannten nationalen und nichtnationalen Parteien gemacht werden. Ich sage offen, daß ich den Zusammenbruch der große« Koalition bedauere. Zu der Kritik, di« der Abg. Hergt an der Regierung ge übt hat, kann ich nur sagen, daß ich das Programm einer neuen Negierung noch immer vermiss«. Das neu« Kabinett des Ver trauens ist ja noch gar nicht da. Wir wünschen die schleu nige Entscheidung «der Vertrauensfrage, und wir haben die Überzeugung, daß wir gewissenhaft unsere Pflicht getanh oben. Die Rede des Kanzlers wurde in der Mitte des Haufes mit lebhaftem Beifall ausgenommen. die runden Arme wohlig reckend. „Hier in der Bucht wird man ja von den Mücken rein aufgefreffeni" „Aber Trude, das Gewitter!" „Ach was, das kommt vor dem späten Abend doch nicht herauf!" war die geringschätzige Antwort. „Und bis dahin sind wir längst wieder zurück. Du willst heiraten und bist noch immer so eine entsetzliche Bangbüx!" Herta hatte die Hände in den Nacken gekreuzt, ihr Blick glitt sehnsüchtig über das ruhelose Gleißen und Glitzern zu ihren Füßen. In die Strömung hinein, sortgerissen zu werden — im mer weiter — bis ins Mittelmeer, in die blaue Unendlichkeit, das war es, wonach es sie gerade verlangte. Vor ihren Augen flimmerte es plötzlich, wie von nnge- weinten Tränen. „Ich fahre mit, Trude", sagte sie, sich einen Ruck gebend. „Komm, wir wollen das Boot losmachen!" Dann trieben sie aus der Bucht des Badestrandes ge mächlich auf die Höhe des Sees. Das Wasser sang und rauschte um den Kiel, und die Bilder der waldigen Ufer standen dunkel in der klaren Flut. Herta hatte ihren Strohhut neben sich auf die Steuer bank gelegt und schaute verträumt zu der durchsichtigen Kuppel des Himmels empor, in der sich ein Fischreiher all mählich immer höher und höher schraubte. Es war eine Stunde so voll tiefen Sommerzaubers, so friedvoll-ruhig, daß auch in ihrem Herzen wieder eine erste, leise Hoffnungsstimmung emporzukeimen begann. „Weißt du übrigens, daß die Hansen Anfang nächster Woche Pahlowitz verläßt?" fragte sie auf einmal ganz un vermittelt. Trude ließ überrascht die Ruder sinken. , „Da hat es ooch sicher einen Krach gegeben!" > „Wahrscheinlich ist meine Schwester irgendwie auch hin ter die Sache mit Alslebert gekommen. Und macht nun kur zen Prozeß und schickt die Dame nach Berlin auf ein Konser vatorium!" „Und Alsleben?" Herta zuckte die Achseln. „Da weiß ich noch gar nichts! Meiner Ansicht nach ist seine Stellung aber ebenfalls unhaltbar geworden, wenn Hella wirklich seinetwegen gehen sollte!" — Eine Zeitlang schwiegen Herta und Trude, eine jeoe m.. ihren Gedanken beschäftigt. Eine Familie von Haubentauchern trieb in der Ferne vorbei wie eine Flottille von kleinen Schiffchen und ver schwand dann plötzlich,* nur einen Kreis langsam verschwim- mcnder Ringe zuructiassend. Das Boot lag jetzt ganz still auf der spiegelglatten Flut. Kein Lufthauch regte sich. Nur Wasser ringsum und Mau und Sonne. „Da siehst du nun, Herta; wie unnütz deine ganze Sorge um Heinz Zocken gewesen ist!" nahm Trude endlich wieder das Wort und schlug die schlanken, sanft gewellten Beine bedächtig übereinander. Wer denkt in acht Tagen noch an die Hansen! Sie liebt halt alle der Reihe nach durch und nun ist Herr von Alsleben anscheinend Favorit!" Herta richtete sich höher emvor. „Glaubst du das wirklich, Trude? Ganz wirklich und aufrichtig? Oder redest du nur so, nm mich zu beruhigen?" „Aber Herta!" „Sei mir nicht böse, doch ich bin in letzter Zeit so unsicher und mißtrauisch geworden! Es ist zwar nicht sehr christlich gedacht, aber ich habe heute nur den einen Wunsch, daß Fräu lein Hansens Herzschmerzen sich bis morgen noch nicht ge bessert haben möchten!„ „Damit wirst du ja nun wohl kaum Glück haben, den» wie ich die schöne Hella kenne, steht sie wieder aus dem Grabe auf, wenn sie sich einem hohen Adel noch einmal in ihrer ganzen Glorie präsentieren kann!" „Ach, Trude, mir liegt ja doch nur an Heinz Jochen, daß sie nie, nie wieder mit ihm zusammenkommt!" Mit einer ärgerlichen Bewegung warf Trude den Kopf zurück. „Nun sind wir glücklich wieder auf dem alten Stand punkt. Wie oft hab ich dir eigentlich schon auseinander- gesctzt, daß sich Graf Eickstüdt seit seinem letzten Besuch in Pahlowitz um die Hansen überhaupt nicht mehr gekümmert hat. Er hat ihr einmal Blumen geschickt — das gebe ich dir zu — aber seitdem nie wieder auch nur den entferntesten Versuch einer neuen Annäherung gemacht. Hella wird von uns doch ständig ganz scharf beobachtet. Kein Brief von ihr geht ein oder aus, den mir ihre kleine Frieda nicht vorlcgt. Und nie ist auch nur das geringste Verdächtige zumal am- Greifenhagen unter ihrer Post gewesen!" (Forts, folgt.)
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