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«, Flammen. Roman von Hans Sch ul^e.^ Das Köpfchen der Frau Pastor wippte verzweifelt auf den Schultern hin und her, und der milde Bariton ihres Gat ten erklärte in elegischem Tonfall, daß man sich gerade heute auf einen längeren Besuch eingerichtet und zum mindesten eine kleine „Schleppe" von belegten Brötchen und selbstge keltertem Johannisbeerwein vorgesehen habe; auch eine Erd beerbowle sei eigenhändig von ihm angesetzt worden und stehe bereits seit Stunden im Keller auf Eis. Allein Hella blieb allen diesen lockenden Genüssen gegen über standhaft; Fräulein Herta sei nicht wohl, erklärte sie mit ruhiger Bestimmtheit, und sie habe daher der Baronin versprochen, zum Abendbrot wieder im Schloß zu sein; sie bedauere es ja selbst am meisten, die reizende Gesellschaft so früh schon wieder verlassen zu müssen, aber sie habe Pflich ten gegen das Haus Löhna und sei leider nicht unumschränkte Herrin ihrer Entschlüsse. So gab ihr denn Herr Pastor Hagedorn in sichtlicher Enttäuschung endlich den Weg frei; der Kandidat stolperte bei seinem etwas verunglückten Abschiedsbückling fast die Laubentreppe hinunter und nur das breite Gesicht der glück lichen Braut glänzte in unverhohlener Genugtuung, daß der unbequeme Störenfried dem noch immer ganz hypnotisierten Verlobten durch seinen plötzlichen Ausbruch so schnell wieder in ihre liebenden Arnie zurückführte. Die Pfarrersfrau geleitete Hella bis zur Dorfstraße hinab und stand mit ihr dann noch ein Weilchen an der Gartentür. „Ich hätte Ihnyn heute gern noch ein wenig aus meinem neuesten Manuskript vorgelesen," sagte sie. „Ich habe seit einiger Zeit eine kleine Novelle unter der Feder. Mit Herrn von Alsleben als Helden. Oh, ich finde ihn ja ja so roman tisch mit seiner amerikanischen Vergangenheit. Ich schilderte ihn getreu nach dem Leben, wie er nach Pahlowitz verschlagen wird und sich dort zwischen zwei schöne Frauen gestellt sieht, die beide einen tiefen Eindruck auf ihn machen. Ich habe mir da erlaubt. Eie selbst, mein liebes Fräulein Hansen, und '.mierc Iran Daronin als Modelle zu benutzen. Das ganze M selbuverslaudlich nur eine dichterische Phantasie!" fügte Fernsprechschlüffel Es kostet ein Gespräch im Ortsverkehr « "" Vororts- und Bezirksvcrkchr Pofttaris: Ortsbrief Ortspostkarte Fernbrief .......... Fernpostkarte ' . . 75000000060 . 7500000000 . 15000000000 . 500000000 . 206000000 . 1 Milliarde 500 Millionen * o-MMEnM,. Was kosten fremde Werts? In Mim-nen Mk Börsenplätze 9. 11. 8. gesucht 11. angcv. gesucht angeb. Holland 1 Guld. 243 390 244610 243 390 244 610 Dänemark 1 Kr. 107 730 108 270 107 730 108 270 Schweden 1 Kr. 165 585 166 415 165 585 166 415 Norwegen 1 Kr. 93 765 94 236 92 765 94 235 r-> innland Mark 16 957 17 034 16 959 17 034 Amerika 1 Doll. 628 425 631 575 628 425 631575 England 1Pfd. 2 793 000 2 807000 2 793000 2807000 Schweiz 1 Fr. 111 720 112 280 111 729 112 280 Frankreich 1Fr. 35 910 36 090 35 910 36 090 Belgien 1 Fr. 30 923 31077 30 923 31 077 Italien 1 Lira 27 930 28 070 27 930 28 970 Tschechien 1 Kr. 18 354 18 446 18 354 18 446 Osterr. 1000 Kr. 8 977 9 023 8 977 9 023 Ungarn 1000 Kr. 33 915 34 085 33 915 34 085 Deutsche Werte am 9. November. Dollarschatzanweisungen . . (keine Notierung) Goldanleihe l1 Dollar) amtlich . 630 Miüiard. Papierm. Ein Goldpfennig 1,5 „ Fünf „ 7,8 „ Lehn „ 15 „ Ein» Goldmark 150 Eine Goldmark, umgerechnet über den amtlichen Berliner Briefkurs für Auszahlung Newyork (1 Dollar 631575 Millionen) gleich 150375 Millionen. 4 Produltcnmarkt. Berlin, 9. November. Amtlich fest gesetzte Preise an der Produktenbörse. Getreide und Olsaaten pro 1060 Kilogramm, sonst pro 100 Kilogramm in Goldmark (4,20 Goldmark gleich 1 Dollar Goldanleihe.): Weizen märki scher 166—168. Schwach. Roggen märkischer 158—160. Schwach. Sommergerste 150—151. Matt. Hafer märkischer 140—143. Schwach. Weizenmehl Pro 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz) 29,50—31,50. Schwächer. Noggenmchl pro 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack 29,50—31,50. Ruhig. Viktoriaerbsen 43—52, kleine Spcisc- erbsen 33—36, Rapskuchen 13—14. Rauh futter. Bericht der Preisnotierungskommission für Rauhfutter. (Nichtamtlich.) Großhandelspreise Pro 50 Kilogramm ab märkischer Station für den Berliner Markt (in Goldmark): drahtgepr. Roggen- und Weizenstroh 0,80—1,00, dcsgl. Hafcrstroh 0,70—0,90, desgl. Gerstenstroh 0,70-0,90, bindfadengepr. Roggen- und Weizenstroh 0,60-0,78» Häcksel 1,90, haudelsübl. Heu 0,80—0,90, gutes Heu 1,10—1,20. 4t Kartasselnoticrungen am 9. November. (Amtlich.) Pro U Kilogramm Erzeugerpreis ab märkischen Dollbahnstationen: Speisekartofseln, Weiße und rote, 2 Goldmark. Erleichterung der Deviseubestimlnung. Die neue Ver ordnung über Änderung der Devisengesetzgebung enthält eine leiste von wesentlichen Erleichterungen im Vergleich zu dem »rüheren Gesetzesstand. Das Verbot der Preisstellnng in aus- ländisck-er Währung ist auch für den Kleinhandel besei tigt; die Bezahlung von Waren in ausländischen Zahlungs mitteln ist zugelassen, die Forderung der Bezahlung in aus ländischen Zahlungsmitteln ist jedoch verboten. Die Bestim mung, wonach Waren in ausländischer Währung bezahlt Wer den dürfen, gilt nur bis zum 30. November d. I. LrvrnsmMelmsrki. * In der Berliner Zentralmarkthalle wurden am 9. Novem ber folgende Pfundpreise (in Milliarden Mark) verlangt: Rind fleisch 240—360, Gefrierfleisch 160—180, Kalbfleisch 280 biS 360, Hammelfleisch 180—400, Schweinefleisch 460—440, ge räucherter Inlandspeck 300—500, Lebcrwurst 200—400, Hasen ;g0—170, Gans 300-400, Ente 280—300, Huhn 160—280, Kabeljau 150—160, Schellfisch 70—100, lebender Hecht 165, Geringe 65—80, Bücklinge 100, Räucherflundern 60—120, Salz fettheringe 18—26, Äpfel 50—126, Birnen 46—126, Kartoffeln 5' Llcißkohl 9-10, Rotkohl 18—20, Spinat 15—20, Mohrrüben 7—10, Tomaten 30—50, Zwiebeln 40, Erbsen 75 bis 88, weiße Bohnen 55—60, Butter 320—350, Margarine jZst—180, Tilsiter Käse 180—250, ein Ei 50, Kunsthonig 96, Pflaumenmus 60—82, Malzkaffee 42, Zucker 55—67, Weizen mehl 46—50, Streichhölzer 4. Nah una kern. O Dee frühere Staatssekretär Lisco gestorben. Dr. Her mann Lisco, der frühere Staatssekretär des Rcichsjustiz- amtes, ist in Berlin gestorben. Er war, bevor er in das Reichsjustizamt einirat, Präsident des Kammergerichts. Im Jahre 1917 schied er aus dem Dienst. O Die Bezugspreise der Berliner Zeitungen sind, der Geldentwertung entsprechend, wieder stark hinaufgesetzt wor den. Es -kostet z. B. das Berliner Tageblatt in der Woche vom 11. bis 17. November 500 Milliarden Mark. O Zusammenstöße mit Erwerbslosen. Erwerbslosen unruhen wurden aus Wanne gemeldet. Die Erwerbslosen zogen nach den Zechen „Pluto", „Königsgrube" und „Kosoli- dation", mißhandelten den 82jährigen Direktor der „Königs grube" und zwangen die Beamtenschaft, den Zügen voranzu gehen. Vor der Zeche „Konsolitdation" kam es zu Zusam menstößen mit der Polizei, die von Hieb- und Schußwaffen Gebrauch machen mußte. Es wurden zwei Tote und fünf Schwerverletzte gemeldet. Die Unruhen dauern an. O Briketts als „kleine Preises im Theater. Eine Theatergesellschast, die in der thüringischen Stadt Loben- stein spielt, gibt bekannt, daß sie auch Naturalien und Lebensmittel in Zahlung nehme. Bei Vorstellungen zu „kleinen Preisen" könnten die Eintrittspreise in Gestalt von — Briketts entrichtet werden. O 15 000 Zentner Zucker verbräunt. In dem Ort Kurt- wig bei Strehlen brannte eine Zuckerfabrik vollkommen nie der. Es wurden ddbei 15 000 Zentner Zucker und viele tau send Zentner Rübenschnitzel vernichtet. Man nimmt an, daß Brandstiftung vorliegt; der Schaden ist nicht abzuschätzen. Die für den Winter bereits angeworbenen Arbeiter sind durch das Großseuer arbeitslos geworden. O Wie Wien seine Dichter ehrt. Die Stadt Wien be schloß, an Hedwig Petzold, die Witwe des verstorbenen Arbeiterdichters Alfons Petzold, vom 1. Januar 1924 ab eine monatliche Ehrenpension von 500000 Kronen zu be zahlen; außerdem wurde der Witwe eine einmalige Zu wendung von zwei Millionen Kronen gewährt. O Deutsche Markschcine als Reklamezettel. In den letzten Tagen wurde in Wien wiederholt die Wahrneh mung gemacht, daß von Händlern und Hausierern deutsche Markscheine zu Reklamezwecken verteilt werden. Die Wiener Polizeidirektion macht aufmerksam, daß dieser Un fug unzulässig ist, und daß die Polizeikommissariate ange wiesen wurden, dagegen strengstens einzuschreiten. O Versteuerte Vornamen. In der belgischen Gemeinde Aerseele (Westflandern) will man, um die städtischen Ein nahmen zu erhöhen, die Vornamen, die ein Kind erhält, ver steuern. Es kostet 25 Frank, wenn man einem Kind drei Vornamen gibt; Mr vier Vornamen werden 40 Frank ge zahlt usw. Die Anwendung möglichst vieler Vornamen ist in Flandern eine alte Tradition. UermffMes. Künstliches Petroleum. EMS französische Zeitschrift bringt einen Artikel des Toulouser Professors Matthe, in dem der auch im Ausland bekannte Gelehrte sich über die Möglichkeit verbreitet, Petroleum künstlich zu erzeugen. Mau braucht zu diesem Zweck nur verschiedene vegetabi lische Ole, rein oder miteinander vermischt, unter gewissem Verhältnis mit Chlorzmk zu erwärmen. Dabei erhält man ein vorzüglich verwendbares Produkt. Angesichts des Namens des Professors Mailhe ist ein Zweifel an der Lösung der Aufgabe kaum gestattet. Mailhe versichert, daß er bei seinen Versuchen nicht nur Petroleum zu Leucht- zwecken erzeugte, sondern auch Nebenprodukte. - Das neue Hartgeld. Die staatlichen Münzen sind jetzt Tag und Nacht mit der Prägung der Münzpfen nige beschäftigt, die als Wechselgeld der neuen Währung eine hervorragende Nolle spielen werden. Es werden, wie beim früheren Hartgeld, StüSevoneins,zwei, fünf, zehn und fünfzig Pfennigen hergestellt. Die Ein- und Zweipfennigstücke bestehen aus Kupfer und ähneln den früheren Stücken. Die Fünf-, Zehn- und Fünfzigpfennigstücke sind aus Aluminiumbronze und sehen hellgelb aus. Die Fünfzigpfennigstücke sind t-lwas aräßer als der Fünfziger der alten Währung. Tie Berliner Münze stellt in einer Woche vierzehn Millionen Stücke der verschiedenen Gattungen her. Außerdem arbei ten die vier übrigen Münzen im Reiche mit Hochdruck. — Der Hexenmeister im Obstgarten. In Amerika verfolgt man mit gespannter Aufmerksamkeit die ans Wunderbare grenzenden Ergebnisse der Züchtungsversuche, die der Far mer Burbank bei seinen Versuchen der Obstzüchtung erzielte. Vor Jahren hatte Burbank in Kalifornien eine Baumschule angelegt und hier in aller Heimlichkeit seine auf die Schaf fung neuer Arten gerichteten Versuche ausgeführt. Aber trotz aller Mühe blieben ihm die Erfolge versagt, bis ihm der Zu fall zu Hilfe kam. Ein Obstzüchter wünschte 20 000 Schöß linge von Pflaumenbäumen, die in zehn Monaten geliefert werden sollten. Burbank erklärte sich zur Lieferung bereit. Es war ihm der Gedanke gekommen, die Pflaumenbäumchcn aus Samen der Mandelbäume zu züchten. Er pflanzete also 20 OVO Stecklinge von Mandeln in feuchten Sand, den er mit einer dichten Planleinwand bedeckte. Die Keime gingen auf; als die Schößlinge eine gewisse Höhe erreicht hatten, über pflanzte er auf sie die Augen von Pflaumenbäumen und er reichte es dadurch, daß er dem Auftraggeber in weniger als sechs Monaten die Pflaumenbäumchcn liefern konnte. Seit her ist sein Name in aller Munde, und seine Methoden wer den zum Vorteil der Landwirtschaft überall angewandt. Hat doch nach den Berechnungen des amerikanischen Ackerbau amts durch die Einführung einer von Burbank durch Zucht wahl erzeugten Kartoffelsorte die Kartoffelerzeugung der Vereinigten Staaten eine Wertsteigerung von 17 Millionen Dollar erfahren. Hus asm «erlchlssasl. s Der Einürechcrkönig Kirsch vor Gericht. Vor der Ham- buraer Strafkammer hatten sich der berüchtigte Geldichrank- knackcr Kirsch und mehrere andere Einbrecher zu verantworten. Kirsch hat sich in der Geschichte der Geldschrankeinbrnche einen Namen gemacht: er hat den Sauerstofsschneideapparat erfun den In Camburg stand er unter der Anklage, im r-rnhiahi 1922 mit seinen Helfern in eine Großhandlung eingebrochen zu sein, und mit Hilfe seiner Apparate den hundert Zentner schweren Geldschrank der Firma geöffnet und seines Inhalts beraubt zu haben. Die Strafkammer erkannte gegen Kmchs Helfer nur auf Gefängnisstrafen von 6 bis 10 Monaten, wah rend Kirsch eine Zuchthauszusatzstrafe von zwei Jahren er- hielt. Weitere 26 Geldschrauteinbrüche in Bremen, Hannover, und Hamburg, sowie große Ladendiebstähle des Kirsch Harren noch der Murteilung. krieikaften. Zwei Verliebte in B.: Die Bezeichnung „platonische Liebe" ist auf Plato, den griechischen Gelehrten, zurückzuführen, obwohl er durch aus nicht etwa ein Fürsprecher dieser übersinnlichen, rein geistigen Liebe gewesen ist. Werner Et., W.-B.: Qm früheren Königreich Hannover hieß der Beamte, der etwa dem preußischen Landrat entsprach, Landdrost (Landdrostei). Hannover wurde 1866 preußische Provinz. Die Land drosteien blieben bis zum Jahre 1881. Epikureer, Steinstraße: Auf welcher Seite der Mensch schlafen soll? Hören Sie: Alle Speise geht in den Magen und verläßt ihn auf der rechten Seite. Schläft man nun auf der linken Seite, wie viele tun, so wird der Magen zu vermehrter Tätigkeit während des Schtases, zu einer Art Pumpopcration gezwungen, also die Ver dauung erschwert, was sich morgens durch schlechten Geschmack lm Munde und Appetitlosigkeit erkennbar macht; auch wird beim Schlafen auf der linken Seite die Lunge ungebührlich zusammengepreßt und die Tätigkeit des Herzens erschwert. Die beste Lage ist aus dem Rücken, da aber viele sich an diese nicht gewöhnen können, so ist es wenigstens ratsam, sich auf die rechte Seite zum Schlafen zu legen. „Leidige Politik": Die Girondisten waren gemäßigte Republi kaner der ersten französischen Revolution. Das französische Departe ment der Gironde entsandte die meisten gemäßigten Republikaner ins Parlament, daher wurden sie kurzweg Girondisten genannt. „Zähmung der Widerspenstigen": Gegen nervösen Kopfschmerz, der gewöhnlich nwrgens austritt, wenn man sich am Abend vorher in rauchigen Zimmern bei Abendunterhaltungen usw. aufgehalten hat oder eine unruhige Nacht hatte, empfiehlt sich die Abwaschung der unteren Rückenpartien mit frischem Master und nachherigem, starkem Frottieren mit einem groben Handtuch. Dies wird in einer halben Stunde wiederholt. Streitsache in Gr.-O.: Die Ratifizierung des Versailler Friedens vertrags durch die Franzosen erfolgte am 24. Oktober 1919. Wilhelm Gr.: „Solitude" ist ein französisches Wort und heißt aus deutsch „Einsamkeit". Ein Lustschloß bei Stuttgart heißt „Solitude". „Und wie entwickeln Sie dies interessante Doppelverhält nis weiter?" Die Dichterin lächelte geheimnisvoll. „Das möchte ich Ihnen noch nicht gern verraten, um Ihnen nicht den Reiz der Spannung zu nehmen. Aber ich plane, mein Werk nach mannigfachen Seelenkämpfen des Helden in seiner Heirat mit der Baronin zu einem glücklichen Ausgang zu bringen." Ein boshafter Zug trat in Hellas Gesicht. „Ich glaube, Sie greifen da den Ereignissen doch ein wenig vor," sagte sie. „Aber man kann ja nicht wissen, was die Zukunft vielleicht noch bringt. Das Leben ist ja bekannt lich oft romantischer als der schönste Romani" Sechzehntes Kapitel. Mit raschen Schritten kam Hella die abendliche Dorf straße entlang, über die die erste zarte Schönheit der Däm merung leise hereinsank. Alsleben und die Baronin. So also malte sich im Kopfe dieser Dichterin die Welt im Schloß. Ein grimmiges Lächeln verzerrte Hellas schönen Mund. Sie hatte ja ganz zu fragen vergessen, welches Schicksal denn ihr selbst in jener geistreichen Novelle zugedacht gewesen sei. Am Ausgange des Dorfes bog Hella von der Land straße auf einen Seitenweg ab, überquerte einen Wiesengrund und wandte sich dann durch den stillen Buchenwald zum Schloß hinüber. Und immer schritt im Geiste ein Wandergefährte neben ihr, der Mann, von dem sie einfach nicht begreifen konnte, warum er in seinem verblendeten Edelmut nicht jenem Vor schlag beigetreten war, den er doch selbst als die einzig mög liche Lösung des ganzen verschlungenen Knotens empfinden mußte. Wie glatt und ohne Geräusch wäre mit einer Scheidung jede Schwierigkeit behoben und ihnen beiden der Weg zu einem neuen Leben geebnet gewesen. Und nun der Starrsinn dieser letzten Drohung, die sie auf einmal wie eine Kettenlast auf ihren Gliedern fühlte, die sie seit der vergangenen Nacht gleichsam in einem engen Gefängnis hielt, daß alle ihre Gedanken in einem qualvollen, unausweichlichen Zwange immer wieder an den starken Wän den ihres Kerkers endeten. Jetzt lichtete es stcb >m Unterholz. Zwischen den grausilbernen Stämmen der Buchen blitzt» es blan herüber. Der We-> sank eine kleine Schlucht hinab in eine grüne Wildnis von Farrenkraut und Königskerzen. Dann öffnete sich der Wald. Und groß und schweigend dehnte sich die schimmernde Weite des Pahlowitzer Sees, geheimnisvoll, einem Stummen gleich, den es zu sprechen drängt. — Unwillkürlich war Hella stehen geblieben und lauschte auf die leise Rätselmusik der Einsamkeit, die wie ein einziger langgehaltener, ferner Ton über den stillen Wassern schwang. Eine brütende Rohrdrossel stieß ab und zu sorgende Rufe auf, daun wieder sprang ein Fisch im See und von den Uferdörfcrn klang fernes Hundegebell. Im zarten Duft verdämmerte die Ferne. Der Wind hatte sich ganz gelegt. Das Laub der Bäume stand wie versteinert im letzten Sonnenschein. Auf einmal raschelte es hinter Hella im Unterholze, eir Ast brach mit hartem Knack. In leisem Erschrecken wandte sie den Kopf. Die schmale Gestalt eines schlanken Mannes zeigte sich über dem Steilhang der Buchenschlucht wie ein scharfer Schat tenriß- in den klaren Abendhimmel. Und dann war der Schatten dicht an ihrer Seite. „Hella!" klang es in unterdrücktem Jubel. Axel von Lessow stand vor ihr. Sekundenlang verharrten sie in beklommenem Schweigen. Er hatte ihre Hände gepackt, sein schönes, erregtes Ge sicht war ganz nahe dem ihren. In einem Anfall wehrloser Schwäche sank sie ihm ent gegen. Alles, was an Angst und Not in ihrer Seele gebrannt hatte, es auf einmal untergegangen, in den: Bewußtsein ihrer beider Zusammengehörigkeit. Waren sie nicht zwei Entgleiste des Glückes, die schon zweimal eine Strecke ihres Lebens miteinander gewandert waren, die sich immer wieder zusammenfinden mußten, kraft- des geheimen Zauberbannes der Liebe, der über Meer um Lande wirkt. (Fortsetzung folqt >