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NMmfferÄMaü Fernruf Wilsdruff 6 / Postscheck Dresden 2640 Früher: Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend des Amtsgerichts u. Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nassem Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, Anzeigenpreis: die s gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die z gespaltene Zeile der amtlichen Bekannimachungen 40 Gold- Pfennig, die z gefallene Rellamezeile im textlichen Teile der Zeitung 50 Goldpfennig. Rachweisungsgebühr ro Goldpfennig. Borgefchriebene Grscheinungstage u. Platzvorschristen werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Anzeigenannahme bi« vormittags 10 Upr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir tcine Garantie. Zeder Rabatt anspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der. Auftraggeber in Konkurs gerät. Orsibeint bis auf weitere« nur Montags, Mittwochs u. Freitags nachmittags ck Uhr für den folgenden Tag. 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Es lag etwas in der Lust, überall, auf den Straßen, in den Trambahnen, an den Stammtischen, wurde heftig politisiert und manche derbe Faust sauste krachend auf den Biertisch herab. „Der Hitler macht's." „Nein, der P ö h - ner, der Kahr oder — Ludendorff." Es geht näm lich bei uns in München halt eben ein bißchen durcheinander, die Rivalitäten der verschiedenen Verbände, die Rivalitäten vor allem der Führer haben bisher eine gemeinsames Arbei ten unmöglich gemacht. Der Knilling, also der Ministerpräsident, — dem traute keiner viel zu. Es ist halt so ein Lauer, der nicht warm ist und nicht kalt, der eigentlich mit allen Parteien ein bißchen liebäugelt und sie alle einseist, und dabei aber immer auf ein gutes Verhältnis mit Berlin Gewicht legte. So hieß es. Nun, er ist ja schon seit Wochen, seitdem der Be lagerungszustand eingeführt wurde, abgesetzt und hat nicht mehr viel zu sagen. Zu sagen hatte eigentlich nur -er Kahr. Und der ist, wie man hier sagt, „ein ganz Gescheetter", also ein ganz Schlauer. Und das hat er nun auch bewiesen, als er nun wieder von dem Hitler an die Wand gedrückt werden sollte. Eigentlich war bei uns in München alles ruhig, mit Ausnahme des Hitlerschen Mundwerks. Der Kahr verfolgte Mit Lossow zusammen eine ganz gerade Linie zu seiner Politik und hatte dabei die Hälfte der Kampfverbände, näm lich vor allem die alten Einwohnerwehrleute und die nicht ganz Radikalen hinter sich. Nun kam die Geschichte im Löwenbräukeller. Da saßen sie alle friedlich oben auf dem Podium an der einen Längsseite des Saales, der für viele Tausende Naum hat, und der Kahr redete ein bißchen leise, ein bißchen vorsichtig, aber doch recht deutlich gegen den Marxismus in Berlin und l dem Reich. Und mitten in seiner Rede kam denn die Miin- l chener Eintagsrevolution, die ja nach 24 Stunden Hitlerscher Negierung zu Ende ist. Die ganze Hetz' war übrigens nicht etwa blau-weiß, sondern schwarz-weiß-rot angestrichen, was besonders von dem stärksten Mann in der neuen „Regierung", Luden dorff, in seiner Rede sofort betont wurde. Man wußte, daß der Mann dort oben auf der Rednertribüne, diese große Massige Gestalt, seinen Schwancngesang sprach. Denn in Bayern gilt ja doch nur blauweiß, und das weiß-blaue, das ist der Kahr, hinter ihm der Kronprinz Rupprecht. Man hat ihm ja ebenso wie dem General v. Lossow in dem Zim mer hinter der Rednertribüne buchstäblich die Pistole auf die Brust gefetzt, um sie zur Annahme ihrer Ämter zu zwingen; sobald sie aus dem Löwenbräukeller heraus waren, gingen sie gegen Hitler vor. Daß der Hitler entkommen ist, darüber wird hier in München kaum gesprochen; hier ist nur ein Name in aller Mund, der Freunde wie der Gegner: Ludendorff. Jetzt bleibt für ihn, den Gefangenen, nur noch eins übrig: daß er den Mut nun auch beweisen soll, vor dem Gericht, das über ihn den Spruch fällen wird. Es ist eine furchtbare Tragik — das fühlt jeder, gleich- Mtig welcher Partei er angehört, gleichgültig ob er Luden dorff liebt oder haßt, daß dieser Mann, der vier Jahre hin durch von Millionen Deutscher als Führer umjubelt wurde, bun der gerichtlichen Verurteilung entgegensieht. Man spürt hier deutlich, daß man einen gewaltigen Unterschied macht Zwischen Hitler und Ludendorff: dort der ehrgeizige Volks tribun, der Demagoge^.der machthungrige, ehrgeizige Volks- derführer und auf der"anderen Seite ein Mann, der eine so starke Persönlichkeit ist, daß er in seinem vulkanischen Drange "ach Macht fünf Jahre der Zurückgezogenheit nur mühsam : Ertrug. Er wollte Wohl Macht nicht an sich, nicht für sich selbst, sondern weil er dem Vaterlande zu dienen hoffte. Lautloses Schweigen ließ seine Rede im Löwenbräukeller tkotz der nicht lauten, gequetscht klingenden „preußischen" stille den ganzen Saal beherrschen. Was er tat, das hat er freiwillig getan, nicht gezwungen. Und auch seine Freunde, bc wünschen nur das Eine, daß dieser Mann die Folgen seines Tuns mit derselben Kraft auf sich nimmt, vor Gericht denselben Mut zeigt, den er damals hewies, als er mit dem Degen in der Faust an der Spitze einer Brigade Lüttich stürmte, und sich das Eiserne Kreuz als einer der ersten holte. Kahr ist jetzt der Stärkere, wie er immer der Stärkere ^ar. Ruhe herrscht in München, und auch Hitlers Mund ist verstummt. Kahr kann zufrieden sein, da er die Eintags- revolution ganz rasch und ohne etwa auf linksstehende Or ganisationen zurückzugreifen, niedergeschlagen hat. Nun 'eht man hier in München der demnächstigen Auseinander- Mmg mit der Berliner Negierung entgegen und hat den Men Wunsch, daß man irgendwie zu einer Einigung kommt. r. 6. 6ne KanLlerreae in SMie a. S. In Begleitung des neuen Reichsministers des Innern Dr. Iarras und des Staatssekretärs Kempke begab sich Reichs kanzler Dr. Stresemann am gestrigen Sonntag nach Halle. Dort tagte der Landesparteitag der Deutschen Volkspartei. Dr. Stresemann, der es anscheinend seinem Kollegen von jen seits der Vogesen in den Sonntagsreden nachtut, ergriff das Wort und sagte, häufig von begeistertem Beifall unterbrochen, etwa folgendes: Die tiefe äußere und innere Not, der dem Zusammenbruch nahe Zustand in Deutschland in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung und als Folge davon die Verwirrung der politischen Leidenschaften seien verursacht worden durch die außenpolitische Bedrückung. Frankreich hätte die Möglichkeit, die deutschen innenpolitischen Verhältnisse wesentlich zu ändern, wenn die französische Politik so wäre, -atz sie uns leben ließe und so dem Radikalismus in Deutschland entgegenwirkte. Auf die separatistischen Machenschaften an Rhein und Ruhr eingehend, sagte der Kanzler: Wenn man nur den Rheinländern selbst die Möglichkeiten gäbe, sich gegen dieses Gesindel zu wehren, jo wäre das ganze Gesindel in 24 Stunden erledigt. Statt dessen sei die Schupo entwaffnet worden. Die Haltung Belgiens in dieser Frage sei neuerdings erfreulich und auch England habe erklärt, datz ein Rheinstaat unabhängig von Deutschland eine Verletzung des Versailler Vertrages sei, die England nicht anerkennen werde. Aus der Verstümmelung unseres Landbesitzes, -er Fvrtnahme unserer ausländischen Ver mögen, unserer Kolonien und der Urgebiete der Produktion müsse wirtschaftlicher, sozialer und finanzieller Zusammenbruch kommen. Die Erhaltung der gegenwärtig zwei Millionen Arbeits loser und -er zwei Millionen Kurzarbeiter allein im Ruhrgebiet gehe über Deutschlands Leistungsvermögen. Die Ausgabe wert beständigen Geldes muffe Hand in Hand gehen mit einer rigoros durchgeführten Etatbalancierung, so schmerzlich -er Beamten abbau auch sei. Auf die Hungersnot, die uns bevorstehe, seien die charitativen Organisationen der ganzen Welt bereits mit der Bitte um Hilfe hingewiesen. Zur Rückkehr des ehemaligen Kronprinzen nach Deutschland nahm der Kanzler in dem Sinne Stellung, datz dem Kronprinzen, der nicht der schlechteste Deut sche sei, die Rückkehr in seine deutsche Heimat nicht verwehrt werden dürfe, und Hatz die Entscheidung hierüber eine durchaus innerpolitische Angelegenheit sei, die das deutsche Volk sich nicht vorwegnehmen lasten könne. Weiter rechtfertigte der Kanzler die Haltung der Reichsregierung in der Angelegenheit des Er mächtigungsgesetzes. Den Schaden, den . die Ausrufung des Herrn Hitler in München zum neuen Leiter der Reichsgeschicke angerichtet hätte, würden wir noch lange zu tragen haben. Das Verhalle» Ludendorffs in dieser Angelegenheit sei höchst bedauerlich. Die Reichswehr sei in den schwersten Gewistcnskonslilt gebracht. s Der Kanzler würde den Augenblick begrüßen, in dem das Streckbett zwischen Bayern und dem Reiche begraben würde. Was den Marxismus angehe, meinte er, jener paffe sür eine Zeit nationaler Vollkraft, nicht für eine Zett des Niederganges, wie die jetzige. Marx selbst würde auf eine Zeit wie die jetzige seine Ideen nicht anwenden wollen. Die Ausgabe des wertbe- j ständigen Geldes werde durch den Buchdruckerstreik in Berlin i gefährdet oder doch verzögert werden. Dis Regierung werde deshalb mit äußerster Entschiedenheit vorgehen und jeden ent- lassen, der bis morgen seine Arbeit nicht wieder ausgenommen i habe. Immer noch Hitler-Spuck irr München . München, 11. Nov. Am gestrigen Abend verstärkten sich die ! Demonstrationszüge, die aus den Fenstern vieler Häuser mit j Heilrufen und Tücherfchwenken begrüßt wurden. In den späten Abendstunden sperrte die Reichswehr, die am Odeonsplatz ein bewaffnetes Lager bezogen hatte, Straßen und Plätze der inneren Stadt im breiten Umfang durch spanische Rester und i Postenpetten. Ein größerer Demonstrationszug, der nationale Lieder sang, Hochrufe auf Hitler und Ludendorff und Nieder rufe gegen Kahr ousbrachte, kam trotzdem auf den Max-Io- seph-Platz. Als die Reichswehr sich anfchickte, den Platz zu ! säubern und Maschinengewehre in Stellung brachte, stob die s Menge auseinander. Gegen 10 Uhr abends beruhigte sich das > Stadtbild. Die Nacht ist ruhig verlaufen. Heute mittag fand ' auf dem Königsplatz eine größere Kundgebung der Siu-cnten- fchaft statt, in der wiederum gegen Kahr und für Hitler Stellung ! genommen wurde. Verschiedentlich kam es wieder zu größeren ! Ansammlungen. Als auf dem Karls-Platz Reichswehr mit ! Gummiknüppeln gegen die Menge vorging, bemächtigte sich dieser ! eine große Erregung, die sich durch gellende Pfifft und Pfuirufe i Lust machte. Da aus dem Chiemgau beunruhigende Nachrichten i vorliegen, ist eine feldmarschmäßig ausgerüstete Abteilung Reichs- - wehr dorthin abgegangen. Die Zahl der Todesopfer des Put- ! sches war bereits am Sonnabend auf 18 gestiegen. Der frühere deutsche Kronprinz in der Heimat. Berlin, 10. Nov. Der frühere deutsche Kronprinz traf am Sonnabend aus Holland auf Bahnhof Friedrichsstraße ein und fuhr sofort nach Oels weiter, wo er auf seinem Gute leben wird. Amerika will nicht verhandeln. Nicht unter Poincarös „Beschränkungen". Wie aus Washington gcnreldct wurde, hat die Regierung der Vereinigten Staaten endgültig beschlossen, an einer Sach- verständigenkonfereuz zur Prüfung der deutschen Zahlungs fähigkeit nicht teilzuuchmen. Präsident Coolidges Wortführer im Weißen Hause teilte mit, der Präsident sei der Ansicht, daß eine Untersuchung, die in Übereinstimmung mit dem französischen Vorschlag auf die ReparationssähigkeitDeutschlandsfür einen begrenzten Zeitraum beschränkt sei, „zwecklos und ver geblich" sein würde. Der Wortführer fügte hinzu, datz die Vereinigten Staaten keinem nützlichen Zwecke dienen könn ten, wenn sie an einer derartigen Untersuchung teilnehmen würden. Aus diesem Grunde sei die Washingtoner Negie rung nicht geneigt, bei der Einberusung internationaler Sach verständiger mitzuwirken, wenn sie nicht in der Lage sein werden, einen weitreichenden und umfassenden finanziellen Plan zu unterbreiten. Baldwm über Europas Zerfall. Dem Abgrunde zu. Der englische Premierminister sprach in der Londoner Guildhall über die Lage in Mitteleuropa und sagte, der jetzige Zustand in Mitteleuropa, in Deutschland flößte große Besorgnis ein. Die Regierung hatte das Zeichen er neuter Bereitwilligkeit auf feiten der Vereinigten Staaten, mit Europa zusammenzuwirken, mit besonderer Genugtuung begrüßt. Nach Ansicht der Regierung bedeutet dies keinen Versuch, Amerika in die europäischen Verwicklungen hinein zuziehen oder es zum Schiedsrichter über Europas Geschicke zu machen. Aber Amerikas Interesse an einer wirtschaft lichen Erholung Europas, bei der es unverweidlich eine be deutende Rolle spielen muß, bedeutet nichts'weniger als eine Kontrolle, und die Vereinigten Staaten sind infolge ibres Abfcitsstehens in der Lage, Urteile zu fällen und Ratschläge zu geben, die von allen anerkannt und angenommen werden müssen. Ob die Anstrengungen, eine Konferenz zustande zu bringen, zum Erfolg führen werden, das zu sagen ist noch zu früh, aber es ist undenkbar, datz man Europa in den Abgrundtreibenläßt und daß die Mächie dem mit gefalteten Händen zuschen sollten. Das ganze Gewicht der britischen Autorität wird zugunsten eines Zusammenwirkens mii Amerika in die Wagschale geworfen werden. IMsartt! uns SeutsHnationale. Um den Reichskanzler. Der Vorsitzende der Neichstagsfraktion der Deut schen Volkspartei, Abg. Dr. Scholz, erklärte gegen über die unrichtigen in dis Öffentlichkeit gedrungenen Angaben über die letzten Parteiverhandlungen zur Stellung der Reichsregierung und des Reichskanzlers: „Der Wunsch der großen Mehrheit der Fraktion ging da hin, den Vorsitzenden zu beauftragen, mit dem Herrn Reichs kanzler in dem..Sinne zu verhandeln, daß der Herr Reichs kanzler die Fraktionen der Dcutschnationalen und der Baye rischen Volkspattei auffordcrn möchte, angesichts der Not der Zeit sich der Mitwirkung in einem von allen bürger lichen Parteien gebildeten Kabinett nicht zu versagen. Die selbstverständliche Voraussetzung für die große Mehrheit der Fraktion war dabei das Verbleibendes Reichs kanzlers Dr. Stresemann in seinem Amte. Nach dem die deutschnationale Fraktion eine Erklärung verbreiten läßt, wonach ihre Stellung unverändert dahin ginge, daß der Rücktritt des Reichskanzlers Dr. Stresemann als unbedingt erforderlich angesehen würde und die Verhält nisse einen Aufschub nicht gestatteten, entfällt sür die Fraktion der Deutschen Volkspartei die Voraussetzung, unter der der Beschluß gefaßt war, fo daß er sich dadurch erledigt." Wenn somit die erneuten Bemühungen der Deutschen Volkspartei, alle bürgerlichen Kräfte zu gemeinsamer Arbeit in der Regie rung zusammenzufassen, erneut erfolglos geblieben sind, so trägt hierfür die deutschnationale Fraktion die alleinige Ver antwortung.