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Rr. 123 — 1923 — 82. Jahrgang Sonnabend / Sonntag 20. / 21. Oktober ! EWeit Mer-Wer-Streskmun-Mt! lr es P. F- trsi kstsüvl schäft Müller, Generalleutnant. züglichsten Hochachtung nicht mehr aufruhalten. Dr. Vr. nd de . A . 4» tanlass vrla^ 48» LS Franzmann, iveißl du wirklich nicht, Wie vor hundert Jahren Dich ein Gottesstrafgerichl Treiben ließ zu Paaren? eise« k und stelle. 1« u ss iS r» ft « e ss r ft ss 6S Ä rs Somit Wird also die Reichsregierung vor schwere Ent scheidungen gestellt, da gleicherzcit von sozialdemokratischer Seite der sächsischen Regierung Unterstützung kommt. Das Zentralorgan, der Vorwärts, wendet sich direkt an die sozial demokratischen Reichsminister und schreibt u. a., das Reich habe nichts getan, um de «bedenklichen Charakter der Vor gänge in Bayern abzuschwächen; dagegen solle jetzt in Sachsen mit aller Schärfe vorgegangcn werden. Die Mög lichkeit einer Verständigung sei hier immer noch gegeben. Werde aber in der bisherigen Weise sortgcfahrcn, so erreiche man nur, daß sich mt jedem Tage die Zahl der Sozialdemo kraten vermehre, die sich fragen, wie lange noch eine mitver antwortliche Beteiligung ihrer Partei an der Leitung der Reichsgcschäste möglich set. Der Sozialdemokratischen Par tei dürfe nicht zugemutet werden, Dinge zu decken, die sie durchaus »icht decken könne. krieg'. In Deutschlands schmachvollster Zeit, da der Feind auf heimatlichem Boden steht, da wir alles dulden müssen, was fremde Gewalt uns diktiert, ist hemmungsloser Klassenkampf Wahnsinn und Verbrechen am werktätigen Volle. Notwendig ist uns in dieser schicksalsschweren Zeit eine starke Regierung, die ohne Rücksicht auf der Parteien Hast und Gunst all ihr Tun und Handeln schöpft aus der Liebe zum deutschen Vaterlande. Staats-Bejahung und Opfer für das Reich sind das Gebot der Stunde! Zu einer Negierung, die in diesem Geiste arbeitet, lverden wir stehen, was immer auch kommen mag. Mehr als unser eigenes Schicksal noch brennt das schmachvolle Schicksal unseres Volkes in unserer Seele. Wir stehen und fallen mit unserem Volke! Wir fordern in dieser ernsten Stunde von der Ncichsregierung rücksichtslosen Kampf gegen jeden organisierten Egoismus. Wir fordern als allererste Voraussetzung für Ruhe mrd Ordnung ein ehrliches Geld! Unsere Mitglieder fordern wir auf, treu zur Organisation zu stehen und nur deren Parole zu folgen. Im Zulammenschluk und gemeinschaftlichen Wollen lag das Geheimnis unseres Erfolges. Einheit des Wollens, treue Kameradschaft soll uns auch in dieser schweren Zeit unüberwind lich machen! Eine Mauserung des Reichspräsidenten? Reichspräsident Ebert, der es bisher vorzüglich verstanden hat, allen Parteien gegenüber größte Sachlichkeit zu bewahren, stellt sich, wie nachfolgende Meldung beweist, erstmals in einen direkten Widerspruch mit seiner, der sozialdemokratischen Partei. Der vorgestrige Beschluß des sozialdemokratischen Parteivor standes über die Aushebung des militärischen Belagerungszu standes ist durch den Abgeordneten Hermann Müller dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler mitgeteilt worden. Der Reichspräsident lehnte das Verlangen des Parteivor standes ab. Kleine Leitung kür eilige Leser. * Der französisch« Ministerpräsident Poincarö lehnte all« durch den deutschen Geschäftsträger übermittelten Berhand- lungsvorschläge der Reichsregierung ab. * Post- und Eiscnbahnbeamte im Ruhrgebiet haben in größerem Umfange die Arbeit wieder ausgenommen. * Der Streit zwischen Militär- und Zivilgewalt in Sachsen hat sich derart zugcspitzt, daß sich der Militärbefehlshader an die Ncichsregierung wandte. * Aus dem Militärgefängnis in Recklinghausen wurde» Neic Sbankdirektor Iurv und zwei ReichÄanklassierer entlassen, die seit dem 4. August in Hast waren. * An der Berliner Donnerstagbörse stiea der Dollar Wieder bis über 8 Milliarden Mark. Eier Ksnsiiki m Sachsen. Offener Bruch zwischen Militär- und Zivilgewalt. Tas im sächsischen Landtag verlesene und vom Minister präsidenten Dr. Zeigncr abgclehnte ultimative Verlangen des Generals Müller, gegen die Redewendungen des kommunistischen Finanzmmistcrs Böttcher war, wie nach träglich bekannt wurde, im Lirweruchmen mit den, Reichs präsidenten, Vein Reichskanzler und dem Neilhswehrministcr. erfolgt. Nach Mitteilung des Neichswehrkommaudos Hal Ministerpräsident Dr. Zeigner gemäß seiner Ankündigung im Landtage das Ultimatum Müllers nicht beantwortct. Daraus hat der Mililärbcsehlshaber an ihn folgendes Schreiben ge richtet: , „Gehr geehrter Herr Ministerpräsident! Da Sie cS fi'r gut befunden haben, mein Schreiben nicht Zu bcantwvrnn, teile ich Ihnen hierdurch ergebcust mit, das- ich die Ange legenheit zur weiteren Erledigung dem Herrn Reichswehr- Minister unterbreitet habe. Mit der Versicherung der vor Die Vorgänge in Dresden und Leipzig (Leipziger Rede des > Finanzministers Böttcher und Deckung Böttchers durch die säch- s fische Regierung) haben den Befehlshaber des Wehrkreises IV ! veranlaßt, weitere Instruktionen für sein Verhalten von Berlin s zu erbitten. Von zuständiger Seite erfahren die Dresdner Nach- : richten aus Bertin, daß der Schritt des Generals in vollem Ein- i vernehmen mit dem Reichspräsidenten, dem Reichskanzler und s dem Reichswehrminister erfolgte. Gestern nachmittag trat das - Reichskabinett zusammen, um zu den Vorgängen in Sachsen ; Stellung zu nehmen. Da der gestrige -Brief des Generalieut- > nants Müller an Dr. Zeigner im Einvernehmen mit der Reichs- s regierung erfolgte und Dr. Zeigner innerhalb der geforderten ' Frist diesen Dries nickt beantwortete, ist nunmehr für das Reicks- s kabinett der Augenblick gekommen, weitere Maßnahmen gegen die sächsische Regierung vorzubereiten. Um eine Verständigung zu erzielen, sind heute -die sozialdemokratischen Parteiführer Her mann Müller und Otto Wels auch vom Reichspräsidenten empfangen worden. Der „Vorwörts" vermittelt. In seiner gestrigen Ausgabe schreibt er: In Sachsen seien die Möglichkeiten einer Verständigung durchaus gegeben. Das Reich muffe jedoch zeigen, daß es die Verständigung wolle. Es dörse einem militärischen Befehlshaber nicht gestatten, alle Mög lichkeiten mit ihr zu verschütten. Mit einem Vorgehen gegen ' Sachsen erreiche man, daß sich mit jedem Tage die Zahl der i Sozialdemokraten vermehre, die sich fragten, wie lange noch eine i mitverantwortliche Beteiligung ihrer Partei an der Neichsregie- j rung möglich sein werde. Droht der Generolstreik? Das WTB. meldet aus Berlin: Die erweiterten Ortsver- wallungen sämtlicher freigewerkfchastlicken Arbeiter-, Angestell ten- und Beamtenorganisationen von Groß-Berlin beschäftigten sich gestern u. a. mit der Lage in Sachsen. Es wurde eine Ent schließung angenommen, die für den Fall eines bewaffneten Vor gehens gegen das sächsische und thüringische Proletariat die Pro klamierung des Generalstreiks in Aussicht stellt. Im Widerspruch mit dieser Meldung steht dagegen folgender Aufruf des Deutschen Gewer kschssts- bundes Der Deutsche Gewerkschciftsbund, Ortsausschuß Dresden, hat in seiner letzten Sitzung eine Entschließung gefaßt, in der es heißt: „In einem längeren Manifest rufen die Kommunisten die Arbeiter, Angestellten und Beamten aus, Kampftruppen sür ' den Bürgerkrieg zu bilden. Sie fordern weiter den politischen Generalstreik. Wenn wir auch der Ueberzeugung sind, daß das Geschrei der Kommunisten nicht überschätzt zu werden braucht, so glauben wir doch für Sachsen an ernste Ereignisse. Wir haben mit diesem Treiben nichts zu tun! Wir wollen keinen Bürger- Franzmann, Franzmann, nur gemach, Hochmut läßt sich brechen. Die uns angetane Schmach Wird sich einstmals rächen! W., 18. 10. 23. Zm Kreis der Vernichtung. Der Index ist eine grausame Zahl. Wenn man sich auch darüber klar sein muß, daß die Statistik, die alle die verschie denen Indizes bearbeitet, nur ein zusammensaffendes, ein Durchschnittsbild geben kann, das häufig genug von der Wirklichkeit sü-on überholt ist, so tznd doch schon die Zahlen, die er zeigt, grausige Wirklichkeit genug, um unseres Elends ganze Tiefe zu zeigen. Volkswirtschaftlich verhängnisvoll ist aber, daß, wie ver neueste Großhandlesindex zeigt, die Großhandelspreise schneller steigen als der Dollar. Vergleicht man den Goldstand der Großhandelsindcxziffer von 1913 mit der vorletzten Groß- handclsindexzifser, so betrug diese, wenn man die von 1913 mit 100 ansetzt, schon 107 und die letzte gar 112 A. Das ist das 1693millionenfache ckes Friedensstandes. Ebenso ist die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten, also für Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung gegenüber der Vorwoche auf das 692mittionen- fachc der Vorkriegszeit gestiegen, und zwar — das ist das Niederschmetternde — um 534 gegenüber Ser Vorwoche, während der Dollar in dieser Zeit sich nicht auf die fünffache Höhe erhob. So erklären sich die Ausbrüche der Verzweiflung, die Plünderungen der hungernden Massen, deren Einkommen in keiner Weise dieser furchtbaren Steigerung folgen, einer Stei gerung, deren Schnelligkeit und deren Ende in keiner Weise abzusehen sind. Wenn das Reich in diesem Augenblick aus die Koh len steuer verzichtet, so ist die dadurch erfolgte Preisermäßigung durch die Steigerung der Fracht ebenso wie durch die Steigerung der Lebensmittclprcise, namentlich des Brotes, mehr wie wettgemacht. Damit werden selbstverständlich auch neue Lohnforderungen mehr wie begründet erscheinen, die sich wieder als Steige rung der Produktionskosten äußern. Wir bewegen uns in einem Kreis, einem furchtbar verhängnisvollen Kreis, einem Kreis der Vernichtung, aus dem ein Herausbrechen unmög lich erscheint. Wie es aber doch möglich sein kann, darauf deutet jenes fast erschütternd klingende, aber doch wahre Wort: „Tas deutsche Volk verhungert bei vollen Scheuern." Mehr noch, das deutsche Volk kann sich nichts von den reichen Vorräten kaufen, die unsere Läden bergen; ängstlich versteckt der Kauf mann seine Ware. Nicht nur Steigerung der Pro duktion heißt das selbstverständliche Problem der Gegcn- wa es heißt auch: Überwindung der Vertci- l u -s k r i s e. Das Mittel der Verteilung aller produzierten Güter, das Instrument, mit dem diese an die Stellen des Bedarfes geführt werden, ist das Geld. Ein Geld selbstverständlich aber nur, das für diesen Zweck geeignet, dem, um das Wild iu Tode zu Hetzen, bei der Hinüberschasfung der Produktion nach jenen Stellen der Atem ausaebt. Die Dollarschatz- anweisungen, die Devisen, die Goldanleibe — alle diese Er satzmittel für das den Atem verlierende Papiergeld sind nur kleinen Kreisen zugänglich, können nur von den mit gro- ven Mengen arbeitenden Produzenten und Verteilern benutzt werden. Aber nicht von der großen Masse. In dem Plan der neuen Rentenbank ist die Papiermark, die als rauschmittel eben unbrauchbar ist, wieder zum gesetzlichen ZahlxugjmiM gemacht worden,,und He wird bleiben, was - 2 . Ä- 'ealiLe^ GebM Nültont« tarte. Lum 18. Oktober (Rückerinnerung.) Franzmann, der du siegesfroh Sitzest noch in Essen — Hast -du gänzlich Waterloo Und Sedan vergessen? 1 r.25. U Korte 6 eg- edisse KSMü-MMine in?s»»eni. Gelegentlich einer Sitzung im Stettiner Oberpräsidium, an > der Vertreter des Magistrats, der Berufsstände, des Befehls- ! Habers u. a. teilnahmen, führte der Direktor des Pommerschen ! Landbundes, von Demitz, aus: Ein brauchbares, wertbeständiges ! Zahlungsmittel wird von Berlin noch lange nicht kommen. Wenn die Provinz Pommern ein wertbeständiges Geld als Be- i Helf anbiete, so solle man es nicht aus Prinzip äblehnen. Das ! neugeschafsene Zahlungsmittel bestehe in Anweisungen auf tat- - sächlich vorhandene Produkte und lasse sich gegen Papiermark erwerben. Von feiten -der Industrie bekundete Dr. Gollnow, von feiten des Magistrats Oberbürgermeister Dr. Ackermann lebhafte Zustimmung zum Projekt der Äsoggcnanwcijungen. ) »7SS« L-r! ö« 7» 12« IS« 1S« 16« 18» ick ne in, ons Worr, oas man neulich ie>en tonnte, ist wahr: Das Geld der Armen, wie jene anderen Zahlungsmittel: oas Geld der Reichen sind. Wenn hier nicht ein schneidendste Maßnahmen getroffen werden, so wird diess tiefe Spalte sozialer Natur, der unser Volk zerklüftet, nur , noch tiefer und brciier werden. Es ist wirklich unerfindlich, j ja mehr noch, es ist verhängnisvoll, daß die Währungs- , reform nicht einschneidend genug ist, um die Eiterbeule der ? Papiermark vom Leibe der deutschen Volkswirtschaft zu be seitigen. Im Wirtschaftsleben, gleichgültig, ob es die Großen oder die Kleinen berührt, ist das wichtigste die Gleichsetzung von Leistung und Gegenleistung. Diese selbstver ständliche Forderung wird aber nicht erfüllt, wenn der Wert oer Gegenleistung nnter den Händen schwindet, «nd zwar unter den Händen der Kleinen. Jeder weiß, welch armes Volk wir geworden sind; aber wenn die sozialen Kämpfe der Gegenwart noch verschärft werden, dadurch, daß den sozial Schwächeren das Wenige, das sie haben, durch die betrüge rische Papiermark auch noch genommen wird, wäbrend die sozial und wirtschaftlich Stärkeren sich für die Erhaltung der Gegenleistung dieser Papicrmark nicht bedienen, so bedcutctu vas eine sittliche Gefahr für den Staat selbst. Denn der moderne Staat hat die Pflicht, gerade den sozial-wirtschaft lich Schwächeren nicht vor den Gefahren, vor der Schwere der'Gegenwart zu befreien, Wohl aber vor den Ungerechtig keiten. Tut er das nicht, so verliert er das Recht zn seiner Existenz. Darum ist es sittliche Pflicht des Staates, die Un gerechtigkeit, die sich in der Verteilungskrise äußert, mit ein schneidendsten Maßnahmen zu überwinden, die aufrejzen- oen Ungerechtigkeiten auszugleichen, weil er sich andernfalls sonst das eigene Grab gräbt. Vorläufig ist mit der Währungsreform nach dieser Richtung hin nur ein erster, reichlich zögernder Schritt getan. Hier muß energisch vorwärts marschiert werden, sonst ist das Kamps aller gegen alle und damit das Ende des Staates 'S'./ irrt S" drvft' 138^