Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 01.11.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192311010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19231101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19231101
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-11
- Tag 1923-11-01
-
Monat
1923-11
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 01.11.1923
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Eisenbahn-Personenverkehr 6000000000 Grundzahl für 1 Kilometer- 1. Kl. 19,8, 2. Kl. 9,9, 3. Kl. 3,5, 4. Kl. 2,2 Eisenbahn-Güterverkehr 12000000000 Gegenwert des Goldsranke» bei Auslandspostsendungen usw 14000000000 Fernsprechschlüssel . . . 15000000000 Buchdruckerschlüssel , . . . 800000000 76 417 Billionen neue Noten. Bei der unausgesetzt im Oktober sich forisehenden Markentwertung hat die Inanspruchnahme der Reichs« bank riesenhaftes Ausmaß angenommen. In der jetzt vor- liegenden zweiten Oktoberwoche, schließend am 15. Oktober, erhöhte sich die Banknotenausgabe um 76 416,8 ans 123 349,8 Billionen Mark Gesamtumlauf. In tausend Mar! Was kosten fremde Werte? Fn tausend Mart Börsenplätze 2S. 10. S7. IV. gesucht angeb. gesucht angev. Solland 1 Guld Dänemark 1 Kr Schweden 1 Kr Norwegen 1 Kr. Amerika 1 Doll. England 1Psd. Schweiz 1 Fr. Frankreich 1 Fr. Belgien 1 Fr. Italien 1 Lira Tschechien 1 Kr. Ssterr. 10M Kr. Ungarn 1000 Kr. 290725006 25 137 000'25 263 00C 11 172 000 11228 OOl 24 538 500 24 661 50» lO 972 500 11 027 50!» 16 558 500 16 641 50» 9 675 750 9 724 250 64 837500 65 162 50» 28428750028571250» 11 27175M1 328 250 11 571 000 3 771 000 3 232 000 2 913 000 1 895 000 908 000 3 491 000 11 629 000 3 789 000 3 248 000 2 927 000 1 905 000 912 000 3 509 000 3 689 20» 3 147 85» 2 807 00» 1 884 70» 902 25» 3 508 75» 3 670 800 3132 150 2 793 000 1 875 300 897 750 3 491 250 16 957 50047 043 OOl 9 975 000 10 025 00 64 838 000 65162 000 289275000 2""" Eins Goldmark --- 15514 Milliarden Papiermark, demna b 1 Milliarde Papiermark etwa 6 V-Goldpfennige. * Produktenmarkt. Berlin, 29. Oktober. Amtlich fest gesetzte Preise an der Produktenbörse zu Berlin, für Getreide and Slsaatcn pro 1000 Kilogramm, sonst für 100 Kilogramm. Preise in Goldmark. (4,20 Goldmark gleich 1 Dollar Gold anleihe): Weizen märkischer 155—157. Befestigt. Roggen mär kischer 141—142,75. Befestigt. Gerste, Sommergerste 136—138,50. Stetig. Hafer märkischer 107—109. Befestigt. Weizenmehl pro 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marlen aber Notiz) 22,50—25. Stetig. Noggenmehl Pro 100 Kilo gramm frei Berlin brutto inkl. Sack L2M—25. Stetig. Weizen- ileie frei Bertin 5,20—5,40. Ruhig. Roggenkleie frei Berlin >,20—5,40. Ruhig. Raps 215—218. Fest. Leinsaat 320—350. Fest. Viktoriaerbsen 35—40, kleine Speiseerbsen 33—36, Raps kuchen 8,90—9,10. Ra uh futter. Bericht der Preisuotierungskommiffion für Rauhfutter (nichtamtlich). Großhandelspreise pro 50 Kilo- zramm ab märkischer Station für den Berliner Markt (in Mil lionen Mark): drahtgepr. Roggen- und Weizenstroh 1100O bis 13000, desgl. Haferstroh 10 000—12000, desgl. Gerstenstroh -000—11000, Roggenlangstroh 9000—10 000, bindsadengepr. Roggen- und Weizenstroh 8560—9500, loses Krummstroh 7000 bis 8000, Häcksel 18 000-19 000, handelsübl. Heu 6000 -9000, gutes Heu 9000—13 000. 4c Dollarschatzanweisuugen und Goldanlethe. An der Ber liner Montagbörse stellten sich Dollarschatzanweisungen zu 1 Dollar auf 79 Milliarden Papiermark, Goldanleihe zu 1 Dollar auf 65 Milliarden Papiermark. — Die Dollarschatz anweisungen werden bereits am 15. April 1926, die Goldan leihe erst am 2. September 1935 eingelöst. 4- Moskauer Devisenkurse. Am 27. Oktober wurde das englische Pfund in Moskau mit 602)4 Milliarden Rubel, der Dollar mit 132 Milliarden Rubel (Ausgabe vor 1922-23) be wertet. Da der Rubel vor 1914 etwa gleich 2,10 Mark deutscher Währung galt, ist die Ansicht ungerechtfertigt, die deutsche Mark sei noch hinter den russischen Rubel in der Entwertung zurückgefallen. Sie hat zurzeit etwa den vierfachen Wert. Llom LLbensmMeimspkt. * In der Berliner Zentralmarkthalle wurden am 29. Oktober folgende Pfund Preise (in Millionen Mark) verlangt: Rindfleisch 20 000—30 000, Kalbfleisch 14000—30 000, Hammel fleisch 30 000—35 OM, Schweinefleisch 30 000—35 000, geräucher ter Inlandspeck 38 000—42000, Hasen 12000, Gänse 12000 bis 18 OM, Enten 15 000, Hühner 14 000—18 OM, Schellfisch 5000 bis 10 000, Kabeljau 14 OM, Heringe 5000—6500, Bücklinge 8000—12 000, Apfel 2000-70M, Birnen 1000—8000, Kartoffeln 520—525, Weißkohl 450-700, Rotkohl 1015—12M, Spinat 900, Kürbis 700, Mohrrüben 3M—500, Tomaten 2200—3000, Zwie beln 1015—12M, Erbsen 5000—5600, Weiße Bohnen 4200 bis 5400, Butter 22 000—30MO, Margarine 9400—14 000, Schmalz' r 14 MO—15 OM, Harzer Käse 76M, ein Ei 1700, Kunsthonig 64M, Pflaumenmus 4000—8000, Malzkasfee 2700—3600, Zucker 5200 bis 5800, Weizenmehl 3000—3400, Salz 1000, Streichhölzer (die Schachtel) 500. Volksküche. Von Gew.-Oberl. Meyer. Volksküche — Notzeit! Zum zweiten Male inner halb eines Jahrzehnts zwingt vielerorts im Armen deutschen Vaterlande hie Not zur Errichtung von Volksküchen, so auch in unserer Stadt Wilsdruff. Volksküchenbetrieb ist immer ge boren aus Notzeit heraus, wohl noch nie aber zuvor aus so tiefer Bolksnot als diesmal. 'Erzwang im Kriege hie Ab wesenheit der Familienväter, ihre Entziehung aus dem produk tiven Schaffen, in Verbindung mit 'der Nahrungsmittelratw- nierung infolge Knappheit aller Bedarssmittel die Volksküche, so sind jetzt die durch eine ungeahnte Dollarhausse hervorge rufene w g h n w i tz i g e Teuerung zusammen mit der den selben Quellen entstammenden- Erwerbslosigkeit, die erschreckenden Umfang annimmt, die treibenden Motive. Gerade der kommende Winter wird auch denjenigen, die noch immer einen Luxus oder ein „S t e ck e np f e r d ch e n" gewisser Kreise in einer Volksküche erblicken, die Augen darüber öffnen, was siewirkli ch i st und daß sie unbe h ingt se i n muß. Es wird noch mancher zu ihr flüchten müssen, der es heute noch nicht ahnt. W as. ist die Volksküche? Wir schauen sie von zwei Seiten. Die Volksküche ist ihrem Wesen nach zunächst eine bedeut same Maßnahme der öffentlichen und privaten Sozialpolitik zur Bewahrung breiter Volksschichten vor Hunger, vielleicht Verhungern, und allem, was an Volks elend damit zu sammenhängt. Unter diesem Gesichtspunkte hat sie jeder nicht nur zu betrachten, sondern auch von vornherein zu wür dige n. Sie erfordert große Opfer von den verschiedensten- Seiten, 'die fast durchweg hart empfunden werden, weil unser Volk in seiner Gesamtheit, ausgenommen ein geringer Prozent satz, wirtschaftlich schwer ringt. Nicht nur die Stadt, sondern alle, deren Finanzlage noch nicht ganz trostlos ist, mögen sie nun Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe, Handel, Beamten schaft oder freien Berufen- zugehören, müssen opfern. Nicht minder tun es diejenigen, hie den umfangreichen Not hilssbetrieb einer Volksküche praktisch leiten und da durch erst seine segensreiche Auswirkung ermöglichen. Wahr- lich ein gut Stück verantwortungsreicher sozialer Hilfsarbeit j j trotz vieler mithelsender Hände!' Wer das nicht rückhaltlos an- j erkennt, der kennt eben- hen Betrieb nicht oder will nicht sehen. - ! Wer von vornherein mäkelt, kabelt, kritisiert oder gar zu ! § „munkeln" und verdächtigen wagt, -der ist für jeden Sozial- > denkenden von selbst erledigt. Notzeit bringt außergewöhnliche ! Erscheinungen, 'außergewöhnliche Erscheinungen bedingen be sondere Maßnahmen. Die Not unserer Erwerbslosen aus Industrie, Gewerbe, Handel und die unserer Sozial- und Kleinrentner wie Kriegs- witwen wächst angesichts des Milliardsnbrotes in erschüttern dem Ausmaße und damit die der Tausenden von Familien angehörigen dieser Aermsten-, nicht zuletzt -die unserer Kinder und Jugendlichen, denen Unterernährung Lebenslust und Ar beitskraft von vornherein hemmen. Die Volksküche ist aber weiter eine höchst ökonomische Maßnahme, die den Haushallauswand wie den Gesamt konsum verringern hilft. Es ist klar, daß- der Massenkoch- betrieb sparsamer und deshalb billiger ist als die Einzelküchenhaltung. Demzufolge kann bei gleichem Aufwande seitens einer Familie wesentlich nahrhafteres Essen aus der Volksküche beschafft werden, als es daheim möglich ist. Es sollen aber auch tatsächlich nur diejenigen unsere Volksküche benützen, die von -der Wirtschafisnok -dazu gezwungen sind. Tun es andere mit, so nehmen sie Bedürftigeren und damit zu meist Dankbareren das verbilligte MitLagsbrot. Unsere Volksküche ist verbunden mit der Lehrküche unserer V e rb a nd s b e r u f s s ch u l e. Auch eine zeit- geborene Notwendigkeit, mit der Wilsdruff wegweisend sür manche Gemeinde und manchen Schulbezirk.werben wird. Hierin liegt ein gut Teil Verbilligung des Aufwandes und ein ebenso gut Teil Jugenderziehung zu sozialer Mitarbeit. Unter der Leitung der Lehrerin wird hier von unseren flinken, sauberen Iungmädchen im Dienste der Allgemeinheit gekocht werden. Sie werden es noch freudiger und stolzer tun, als sie schon jetzt wochenlang für unsere Hortkinder sorgten. Volksküche — aus der Not geboren — wird die Not in unserer Stadt lindern und das Hungergefpenst bannen helfen. Spiel. Sport, Lumen. Schlagballspiel Wilsdruff—Kötzschenbroda Bei denkbar günstigstem Herbstweiter wurde gestern auf dem neuen Sportplatz das Schlagballspiel Wilsdru-ff—Kötz schenbroda ausgetragen. Nach der turnerischen Begrüßung entschied das Los Wils druff Fangpartie und Kötzschenbroda Schl-agpartie. Kötzschenbroda tritt ins Schlagmal. Ungezählte Zuschauer haben sich Ungesunden und verfolgen mit Interesse das Spiel. Es beginnt. 1., 2., 3., und 4. Schlag sind Versager, 5 schlägt gut, der Ball reicht nicht aus, die Läufer können bas Schlag mal nicht verlassen. 6., 7., 8. wieder Versager, der 9. Schlag gelingt, 8 Läufer versuchen das Fangmal zu erreichen —zu spät — Wilsdruff fängt den Ball rechtzeitig ab und mit ziel sicherer Hand erreicht der Ball einen Kötzsch-Läuser. "Zwölf Stimmen ertönen, — Wechselspiel und im Nu wendet sich die Wilsdruffer Mannschaft dem Schlagmal zu. Wilsdruff schlägt 1. bis 4. Versager, beim 5., 6. und 7. verlohnt es sich nicht, daß die Läufer deswegen das Feld passieren. 8 schlägt, es gelingt, ein hundertstimmiges „Ah", der Ball steigt zum Himmel, Kötzschenbroda stutzt, und weit, weit hinter dem Fangmal endet der Ball. 8 Wilsdruffer Läuser haben in zwischen das Fangmal passiert und erreichen unbelästigt das Schlagmal. 9, 10, 11 schlägt, 12 abermals ein guter Schlag, und wieder kommen 4 Wilsdruffer Läufer ins Schlagmal zurück. 7 Läufer warten ungeduldig, 8 legt wieder an, es glückt, der Ball verschwindet im blauen Aether, Kötzschen- br-oda wird unruhig und abermals erreichen 8 Wilsdruffer Läuser das Schlagmal. Nr. 1 schlägt, ein ausgezeichneter Steilschlag, 8 Leute jagen gazellengleich übers Feld. Der Ball reicht nicht aus für die Rückkehr ins Schlagmal. Wilsdruff wird abgeschlagen. Kötzschenbroda versucht bas Schlagmal zu erreichen, abermals zu spät — Wilsdruff hat den Ball wieder und schon saust er seinem Opfer auf den Rücken — ein Bravo aus hundert Kehlen. — Halbzeit 62:38 für Wilsdruff. Das Spiel wird fortgesetzt. Wilsdruff schlägt wieder aus gezeichnet, hat aber Pech und wird abgeschlagen. Kötzschen broda betritt das Schlagmal und schlägt sehr gut, wird sicher und kann eine ganze Anzahl Läufe einheimsen. Kurz vor Spielende noch ein interessanter, spannender Augenblick, der jeden, Sportfreund oder nicht, mit sortreißt. Wilsdruff schlägt, läuft übers Feld, Läufer 8 wird eingekreist, geht sorsch auf den Dallsänger los. Der letztere wird unsicher, gibt den Ball an einen anderen guten Fänger ab, er wirft mit ausgezeichneter Berechnung. Wilsdruff 8 bückt sich, der Ball verfehlt sein Ziel und jauchzend begleitet von der Freude der Zuschauer wird er von seinen Kameraden im Schlagmal ausgefangen. Der Schiedsrichter pfeift Schluß: 75:68 für Wilsdruff. Ein technisch vollkommen und einwandfrei von beiden Seiten geliefertes Spiel war es, was man da sah. Beide Mannschaften, gut diszipliniert während des ganzen Spiels, reagierten auf jeden Pfiff der Schiedsrichter, was ebenfalls einen sehr guten Eindruck machte. Es wäre nur zu wünschen, daß es der Wilsdruffer Mannschaft gelingt, recht lange zu sammen zu bleiben, dann wird sie sich zu einem ganz gefährlichen Gegner äusbilden. Vielleicht ist es möglich, daß wir in Wils druff, bevor es Schnee gibt, noch ein solches Spiel zu sehen bekommen. Empfehlenswerte Zeitschriften „Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau." Erscheint monat lich dreimal. Bestellungen -durch alle Buchhandlungen und Post ämter. Verlag: Trowitzsch u. Sohn, Frankfurt a. d. O. .Deutsche Moden-Zeitung", zweimal monatlich erscheinende Moden- und Hausfrauen-Zeitung. Verlag: Otto Beyer in Leipzig, Rathausring 13. .Meggendorser-Blätter". Wochenzeitschrift für Humor und Satire. Der Bezug kann jederzeit beginnen. Bestellungen nehmen alle Postanstalten und Buchhandlungen und der Verlag in München, Residenzstraße 10, entgegen. .Fliegende Blätter", München. Verlag von Braun u. Schnei- der in München. Einzelpreis 20 Pfg. X Buchhandclsschlüssel. « Flamme». Roman von Hans Schulze. „Schon als ganz junger Leutnant hab ich die leichten Liebeständeleien meiner Kameraden nie so recht be griffen, weil mir mein Elternhaus vor Augen stand und die Liebe etwas Hohes und Heiliges für mich war. Bis ich dann in meiner eigenen Ehe den Dämon in ihr kennen lernte, den Dämon der Leidenschaft, die nur zerstören, vernichten kann und nicht eher ruht, als bis sie sich selbst vernichtet hat!" Von neuem hielt er aufatmend inne und peitschte mit der Reitgerte nervös den feuchten Ufersand. Drüben in Pahlowitz glomm hier und da bereits ein Licht auf; ein Wasservogel schrie im Rohr und die ersten Fleder mäuse glitten in lautlos schwankendem Fluge vorüber. „Mit Jubel fing es an!" sagte er endlich, sich mit einem energischen Ruck wieder emporrichtend, „und nach einem hal ben Jahre war alles vorbei! Wie soll ich Ihnen meine junge Frau beschreiben in ihrer ersten holden siebzehnjährigen Jugend! Wie ein Maimorgen war sie, so sonnig, so frisch, so voll kindlicher Anmut. Jeder Tag, den ich mit ihr verleben durfte, war mir wie ein Geschenk und noch scheint mir die Zeit meines kurzen Glückes zuweilen wie ein einziger schöner Traum. Und dann kam die Katastrophe, plötzlich, ohne jede Vor bereitung, mit einem furchtbaren Schlage mein Leben ver nichtend. Ich war eines Tages in einer dringenden wirtschaftlichen Angelegenheit auf mein Gut in der Uckermark gefahren. Es war die erste Trennung in unserer jungen Ehe und ich ahnte damals nicht, daß es eine Trennung für alle Zeiten sein würde. Ich hatte meine Abwesenheit ursprünglich auf eine halbe Woche berechnet, allein die Dinge wickelten sich so glatt und günstig ab, daß ich schon am Abend des ersten Tages meine Rückreise antreten konnte. Spät in der Nacht kam ich wieder in meiner Garnison an, so recht frohen Herzens, meine junge Frau zu überraschen. Da es keinen Wagen mehr am Bahnhof gab, mußte ich zu Fuß nach Hause gehen. Es war eine Helle Mondnacht, und ich hatte einen ziem lich weiten Weg, denn die Villa, die wir gemietet hatten, lag ganz am anderen Ende der Stadt. Als ich den kleinen Vorgarten durchschritt, hörte ich im Erdgeschoß auf einmal gedämpftes Sprechen. Das Herz stand mir plötzlich still. Vorsichtig schlich ich mich bis dicht ans Haus und lauschte. Jetzt unterschied ich in der nächtlichen Stille ganz deutlich die Stimme meiner Frau und eine Männerstimme. Mit beiden Händen krampfte ich mich in das Weinspalier und zog mich langsam daran in die Höhe. Und dann sah ich durch den nur angelehnten Fenster laden des Eßzimmers meine Frau, meine angebetete Frau, für die ich jeden Augenblick mein Leben hingegeben hätte, in den Armen meines jüngsten Leutnants. Erlassen Sie mir bitte weitere Einzelheiten. Die Dinge nahmen ihren selbstverständlichen Verlauf. Bierundzwanzrg Stunden später standen wir uns mit der Pistole in der Hand gegenüber. Ich erhielt einen Schuß in die linke Schulter, der mich lange Monate auf das Krankenbett warf. Als ich endlich nach einem halben Jahre die Klinik wie der verlassen konnte, hörte ich, daß meine Frau mit jenem Manne ins Ausland geflüchtet sei. Da litt es mich nicht mehr in Deutschland. Ich reichte meinen Abschied ein, verkaufte mein Gut und ging nach Süd amerika, wo ein Vetter von mir große Ländereien besitzt. Das ist die Geschichte meiner Liebe. Die einfache, alltägliche Geschichte des betrogenen Man nes, wie sie sich hundertfach ereignet und von der Welt über zumeist noch im stillen belächelt 'wird. Ich aber kann von mir nur sagen, daß es mich damals ins Herz getroffen hat, denn ich habe meine Frau über alles geliebt!" „Und Sie haben nie wieder von ihr gehört?" „Doch, vor zwei Jahren traf ich in Brasilien einen alten Freund, der mir aus der Heimat Grüße brachte, und mir auch von meiner Frau berichtete. Sie sei verdorben, ge storben. Nach einem Leben in Saus und Braus. Wer weiß wo?" — Ein Schweigen entstand. Feucht und kühl wehte es vom See herauf. Die Baronin erhob sich. „Wir müssen heim!" sagte sie leise'. Still ritten sie wieder durch den langsam dunkelnden Wald, llber den verlassenen Wiesen brauten die ersten milchigen Nebel. Aus einem Rapsfeld äugte ein Reh, das große, sanfte Auge ohne Scheu- Eine letzte leise Erinnerung rann noch einmal In . Manne an jene Frau, die einst 'mit seinem Glück und Leben gespielt hatte. Süß, schwer und brennend. Dann war es vorbei. Für immer. Als sie auf den Schloßhof einritten, schlug es bereits neun Uhr. „Kommen Sie nach dem Abendbrot herein?" fragte die Baronin mit unsicherer Stimme. Alsleben schüttelte den Kopf. „Ich danke Ihnen, gnädige Frau! Aber ich möchte doch schon lieber jetzt um Urlaub bitten! Ich passe heute nicht mehr unter Menschen, gerade heute nicht! Gute Nacht!" — Vierzehntes Kapitel. Als Alsleben den kleinen Vorsaal seiner Wohnung be trat, überreichte ihm der Junge des Schloßgärtners, der ihm zu seiner persönlichen Bedienung zugewiesen worden war, einen Brief. Auf den ersten Blick erkannte er Hellas Hand. Hella! Mit beiden Füßen stand er plötzlich wieder in der Wirk lichkeit, war der Traum dieses Abends zu Ende, reckte das Schicksal nach ihm seine unerbittliche Hand. Dann saß er lange an seinem Schreibtisch und starrte auf den schmalen, dünnen Briefumschlag, von dem ein feiner Duft von Peau d'Esspagne zu ihm aufstieg. Sollte er den Brief öffnen oder ihn ungelesen zuruck schicken, den schmalen, dünnen Briefumschlag, von dem ein feiner Duft ausströmte? Mit einem abweisenden Blick sah er über die hohen Glasschränke hinweg mit ihren blinkenden Kristall- unv Muschelwundern, die der Sammlcrfleiß des Sonderlings, der vor ihm hier gewohnt, im Laufe eines langen Lebens zusam mengetragen hatte. . Durch das weitoffene Fenster schaute die silberne Sichel des Mondes herein. „ Verschlafenes Hundegebell klang in gedämpften ^oncn von Pahlowitz herüber. , Dann wieder Stille. . , So toteneinsam war die Nacht, so friedvoll-ruhig, und/wm für ihn ein Chaos bang-geheimnisvoller, quälendes Rät"' fragen. , , jj (Fortsetzung
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite