Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 27.10.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192310272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19231027
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19231027
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-10
- Tag 1923-10-27
-
Monat
1923-10
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.10.1923
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
die 19, .SB guls^ MW ,Eich> n.2,» w. sä lasch! kns brik Ä ro 2. ra ds 7 Glicht sch? R <orte 6 ex. ediere Sitzung des Bezirksausschusses der Amtshauptmannschaft Meißen Montag, den 22. Oktober. Tie Sitzung wurde geleitet vom neuen AmtshauptmaUr Schmidt, der zunächst als Einleitung seiner Tätigkeit im Be- zirksausschuß begrühende Worte an die Ausschuhmitgliedei richtete und der Hoffnung auf eine gedeihliche Zusammenarbeit zum Wohle des Bezirkes Ausdruck gab. 1. Tie Beiträge zum Verband der Bezirks- verbände im Freistaat Sachsen sind Hinfort wertbeständig nach »/io Goldmark monatlich für je 1000 Einwohner zu ent richten. Für 93 500 Einwohner des Bezirks sind 18,8 Gold mark zu entrichten. 2. Tie Verpflegsätze im Verpflegheim „Met tin st ist" in Coswig müssen infolge der Geldentwertung uni der dadurch entstandenen Wirtschaftsschwierigkeiten des Stifte wertbeständig gestaltet werden. Vorgeschlagen wird Vi dei Frie^enssätze mal Neichsrichtzahl. Ter Bezirk hat, um du Fmanzjchwierigkeiten zu beheben, schon erhebliche Vorschüsse ge leistet. Tie Gemeinden sollen angehalten werden, ebenfall vierteljährliche Vorschüsse zu leisten. 3. Ueber die weitere Ausgabe von Gutscheiner des Bezirksverbandes berichtete Rcg.-Rat Tr. Falck. Die Ver hältnisse hatten sich in letzter Zeit so zugespitzt, dah die Amts hauptmannschaft zur Herausgabe von Notgeld zwangsweise ver pflichtet war, nachdem sie alles unrechtmäßige Notgeld aus dem Verkehr gebannt hatte. Ter Bezirk hat beim Reichsfincmz- ministerium die Herausgabe von weiteren 5 0 Bi Ilion er in Gutscheinen nachgesucht und Genehmigung dazu erhalten Gegen die Ausgabe von Gutscheinen ist Herr Trepte, dei anführt, dah die Gutscheine auherhalb des Bezirks nicht n Zahlung genommen würden, man könne also Einkäufe damit nicht machen. Ter Arbeiterschaft erwüchsen daraus Schwie rigkeiten. Tie Industriellen möchten sich rechtzeitig Reichsgeli bei den Banken bestellen. Tah an Zahltagen ber der Jndustr« kein Reichsgeld vorhanden sei, liege nur daran, dah die In dustriellen die Zinsen für die Bestellzeit nicht bezahlen wollten Er sei dafür, Gutscheine für die Erwerbslosen und sonstiger Unterstühungsgclder zu schaffen. Im übrigen solle die In dustrie sich Reichsgeld beschaffen. Amtshauptmann Schmidt macht den Vorredner auf merksam. dah der Amtshauptmannschaft bezw. dem Bezirk au- der Ausgabe von Gutscheinen kein Nachteil, sondern im Gegen teil Vorteile erwachsen. Tie Industrie habe bisher die ganz, Herstellung der Gutscheine bezahlt. Auch sonst seien noch manch Vorteile zu nennen. Er halte es nicht für rötlich, dah man die Betriebe ohne Geld lasse. Selbstverständlich sei, dah mar Geld nicht ohne Deckung herausgebe. Reg.-Rat Dr. Falck betont, dah es den Industriellen trot früher Bestellungen bei den Banken nicht immer möglich sei die geforderten Beträge in Reichsgeld zu erhalten. Die For derungen der Industrie in und um Meißen seien zu groh. Ler Ausgabe der Gutscheine, wurde daraufhin, zugcjtimmt Besicherung der Brolversorgung im ^ssri^ chaftsjahre 1923/24. Reg.-Rat Dr. Falck teilte zu- rächst mit, dah der hiesige Bezirk von der Reiä^getreidestelle licht als Bedarfsbezirk anerkannt worden ist. Es bestehe je- >och die Möglichkeit, wenn Not am Mann sei, Reichsgetreide w kaufen. Soweit das Land in Frage komme, habe sich bis- >er ein allzu starker Mangel nicht herausgcstellt. Lin gewisser lloggenmangel zu dieser Zeit sei alle Jahre zu beobachten. Man verüe zu erreichen suchen, dah der Bezirk nachträglich als Zu- chuhgebiet anerkannt werde. Tie Stadt Meihcn sei jeden, älls von jetzt ab aus dem Lommunalverband und damit aus )em Sorgenbereich des Bezirks ausgeschieden. Eine Anfrage über Brotverbilligungfür Be dürftige wurde dahin beantwortet, dah Mittel für solche Zwecke noch nicht vorhanden seien, und dah eine endgültige steglung dieser Angelegenheit erst noch erfolgen müsse. Einst- veilen sei beabsichtigt, die Unterstützungen der Bedürftigen so iu bemessen, dah diese auch zur Deckung der Nahrungsunkosten rusreichten. . Eine einheitliche Reglung des Brotprepes innerhalb des Sezirks wurde vom Reg.-Rat Dr. Falck für unmöglich er- ichtet, da der zeitlich verschieden liegende Mehleinkaus der Bäcker molge der Mehlpreisunterschiede immer Differenzierungen im Lrotpreis zur Folge haben werde. Eine Einheitlichkeit lasse ich durch die Preisprüfungsstelle aber vielleicht mit Bezug auf sie Kalkulation schaffen durch Herausgabe von Richtlinien. Dadurch werde sich vielleicht ein einheitlicher Aufbau des Brot- ireises ermöglichen lassen. Die Amtshauptmannschaft werde versuchen, mit den Innungen und vielleicht amd mit der Stadt in diesem .Sinne, zu .handeln. AilsaruNer Tageblatt Nr. 12b — 2. Matt — 82. Jahrgang »onnabrna / Sonnlag 27 / 28. Oktodrr 1Y23 iem für »el W »ie en. Lve Avgg. rreil unv Trepte richten Angriffe gegen die reie Wirtschaft und treten für Wiedereinführung der Zwangs- virtschaft ein. Ferner geißeln sie das vereinzelte Zurück falten von Brot in Bäckereien bis zum Herauskommen »euer Preise, ferner das Hamstern vonBrot seitens kauj- rästiger Verbraucher und ebenso das Auslaufen von Ge- reibe durch die Arbeiterbevölkcrung, die dadurch nur die LrnührungM)wierigkeiten vermehre. Die Landwirtschaft solle Getreide im einzelnen nicht abgeben. Abg. Schreiber weist darauf hin, daß die Landwirtschaft Getreide an Einzelne nur verkaufe infolge des Terrors, dem »ie Landwirte heute ausgesetzt feien. Die Käufer kämen zu l bis 8 Mann und forderten einfach. Der schutzlose Landwirt Nüsse dem Terror folgen, wenn er sich nicht Gefahren aussetzen volle. Auch dem Landwirt sei es lieber, sein Brot an den Händler oder die Mühlen abliefern zu können. Vom Amtshauptmann wird darauf hingewiesen, daß gegen ,ie Zurückhaltung von Brot in den Bäckereien die Preis »rüfungsstelle angerufen werden möchte. 5. Auf die Verteilung der den Gemeinden nach § 28 des öetreideumlagegesetzes zustehenden Vergütung, 1 Prozent der krfassmrgsgebühr, wird verzichtet, da der zur Verfügung stehende Settag nicht einmal die Ueberweisung decken würde. 6. Für die Ausbringung der Kosten für die Verwaltung »es Arbeitsnachweises Freital und Umgegend wird »er vorgeschlagene Verteilungsschlüssel genehmigt. Der Bezirk st durch die Zugehörigkeit einiger Orte der Wilsdruffer Pflege -um Arbeitsnackstveis Freital an diesem interessiert. Abg. Schret-ber fragt, ob schon eine Entscheidung der )bcrbehörde ergangen sei über die Besetzung der Stelle des teiters der landwirtschaftlichen Fachabteilung beim Bezirks- lrbeitsnachweis Meißen Stadt und Land. Das wird vom lmtshauptmann verneint. (Fortsetzung folgt.) Nah unck fern. o Berliner Zwanzigmilliardenscheine. Ritt Genehmigung! der Reichs- und Staatsbehörden gibt die Stadt Berlin neue Zwanzigmilliardenscheine aus. Die Scheine tragen die Unterschrift des Oberbürgermeisters Böß und des Stadtkäm merers Dr. Karding. Die Rückseite ist unbedruckt. Die Note ist gesetzliches Zahlungsmittel, bei deren Ausgabe die Stadt Berlin Deckung bei der Neichskreditstelle zu hinter legen hat. O Zu einem Kampf zwischen Kartoffcldicven und Schutz polizei kam es auf einem Kartoffelfelde in, der Nähe von Berlin. Als die vier Polizisten, die den weit über 1000 Kartoffeldieben entgegentraten, sich bedroht glaubten, gaben sie in der Notwehr mehrere Schüsse aus die Angreifer ab. - Dadurch wurde ein 13jähriger Knabe getötet und ein 1WH- riges Mädchen schwer verletzt. O Folgenschwerer Zusammenstoß. Auf der Rückfahrt aus dem Algäu nach München ist bei Landsberg am Lech ein mit drei Herren, darunter einem Herrn von Bohlen und Halbach, einem Neffen Krupps von Bohlen, besetztes Motorfahrzeug in ein ihm entgegenkommendes Militärfuhrwerk hineinge rannt. Von den herausgeschleuderten Motorradfahrern ist von Bohlen und Halbach am schwersten verletzt. Das Be finden der Schwerverletzten ist sehr bedenklich. O Tödlicher Jagduusall. Kommerzienrat Julius Neu mann in Pößneck, als Mitinhaber der Schokoladenfabrik Robert Berger in den Kreisen der thüringischen Industri ellen weit bekannt, wurde im Stadtwald bei Pößneck mit einem Schuß im Kopfe tot aufgefundcn. Er ist das Opfer eines Jagdunfalls geworden; sein Gewehr hatte sich, als er ein Buschwerk durchschritt, entladen. O Eine Familie vergiftet. In Hannover ist eine Familie, bestehend aus Großmutter, Mutter und Kind, durch ent strömendes Gas vergiftet worden. Man fand alle drei Per sonen morgens tot in ihren Betten liegend vor. Das Un glück soll darauf zurückzuführen sein, daß in der Küche d"er Haupthahn zum Gaskocher nicht ordnungsmäßig verschlossen war. O Wiener Spende für Deutschland. Die Vereinigung der Wiener Banken hat beschlossen, zwei Milliarden öster reichische Kronen zur Linderung der Lebensmittelnot in Deutschland zur eVrfügung zu stellen. O Die Quäker wollen wieder helfen. In Newyork hat sich eine Vereinigung amerikanischer Männer und Frauen ge bildet, die sich eine Förderung der Ernährung deutscher Kinder zum Ziel gesetzt hat. Die Amerika nische Gesellschaft der Freunde (Quäker) hat sich ihr zur Ver- iüauna gestellt und ist bereit, ihre Tätiakeit wieder aufzu- Flammen L3> >tr. 25- 'nruf / ihlanl^ reise» ig unv Stelft- tober ' dal Die Grenzen ihres Wollens waren ihr ja schon abge steckt. Wie sie auch sann und sich den schmerzenden Kopf zer- wortertc, immer wieder stieß sie auf dasselbe unlösliche Rät sel, denselben Namen, der einem Felsblock gleich, jeden Aus- Weg sperrend, auf der Bahn ihres Denkens lag: Alsleben! Wie von einem Peitschenhiebe getroffen fuhr sie empor. Sie zitterte plötzlich wieder vor Frost und war doch > gleichsam wie versteinert im Herzen und am ganzen Körper. Niemals, das empfand sie mit vernichtender Deutlichkeit, gab es für sie Ruhe und Frieden, ja überhaupt nur die Mög lichkeit eines kleinsten, befreienden Entschlusses, solange Als leben mit einem einzigen Wort das kunstvolle Gewebe zer- zur b Roman von Hans Schul, . Was wußte sie denn überhaupt von ihr, was konnte sie ihr sagen von jenem Leben, das sie über alle Höhen und Tie fen der Leidenschaft geführt, bis sie endlich fast am Wege zu sammengebrochen war und vor dem letzten Versinken die Maske der Schwesterntracht ausgenommen hatte, um in dem stillen Witwenhcim der Mommsenstraße noch einmal Einfluß zu finden. Vom Hofe her klang Kinderlärm. Der tiefe Baß des Portiers schalt polternd dazwischen. Nebenan tickte die Küchenuhr mit einem einförmigen, durchdringenden Geräusch, das ihr noch von der Jugend her im Ohr lag. Mit einer tiefen Bewegung von Hilflosigkeit und Trotz hob sie die Arme. Sie wollte noch nicht untergehen in dem träge sickernden Rinnsal eines kleinen Lebens, das aus all diesen Stimmen der Alltäglichkeit zu ihr sprach. Niemand sollte ihr wehren, wenn sie noch ein letztes Mal die Hand nach dem Reif des Glückes ausstreckte, das ihr das Schicksal seit dem vergangenen Abend in so quälend-locken der Nähe zeigte. Und wieder begann sie die Zukunft in immer neuen Phantasien zu umspinnen, bis sich die Klarheit ihres sonst »ß so entschlossenen Geistes verwirrte und sie sich in jähem Er- UmW schauern tiefer in die Kissen schmiegte. Ls war ja doch alles vergebens. reißen konnte, mit dem sie das Geheimnis ihrer Persönlich keit so sicher verhüllt geglaubt hatte. Die furchtbare, herzlähmende Angst an jenem Abend ihres ersten Zusammentreffens in Pahlowitz, sie hatte sich also doch nicht getäuscht. Die Vergangenheit stand gegen sie auf. Der Mann, an dem sie einst am schwersten gefehlt, er nahm an ihr jetzt seine Rache, indem er ihr durch seine Exi stenz allein zu dem ersehnten Märchenlande eines neuen Glückes für alle Zeit den Zugang wehrte. Zwölftes Kapitel. Die Uhr zeigte bereits auf die achte Abendstunde, als Hella aus der stillen Leibnizstraße äuf den Kurfürstendam einbog. Schlank und rank und elegant mit einem lässig-vorneh men, leise wiegenden Schritt kam sie daher, daß unwillkürlich alle Köpfe nach ihr herumflogen. In der raschen Wandlungsfähigkeit ihrer elastischen Na tur hatte sie alle Dumpfheit und Unentschlossenheit des Nach mittags schon lange wieder von sich abgeschüttelt. Sie fühlte sich wieder ganz als das Kind der Stadt, deren gewaltige Melodie auch in ihrer Seele zitterte, deren stürmischer Rhythmus sie immer von neuem mit frisch quel lender Lebensenergie erfüllte. Kühl und gleichgültig glitt ihr Blick über das allvcr- traute Bild der stolzen Prachtstraße des Westens, auf der die Autos in endloser Kette zum Grunewald hinausschoben. Auf der Terrasse des Eumberland-Hotels eine dichtge drängte Menge plaudernder und lachender Menschen. Ein Modewalzer klagte und jauchzte durch das unab lässige Dröhnen der elektrischen Dahnen. Und über dem Ganzen die wunderbare Halbdämmerung des scheidenden Tages, all die verschnörkelten Giebel und Spitzen der himmelhohen Stuckpaläste zu zarten Duftgebilden verklärend. Durch das Elefantenportal des Zoologischen Gartens flutete es unablässig heraus und herein. Graf Eickstädt, der auf einer Bank am Eingänge gewartet hatte, begrüßte Hella mit förmlicher Verbeugung. Sie reichte ihm unbefangen die Hand und dankte für die kostbaren Blumen, die er ihr mitgebracht hatte. Dann wandten sie sich in der Menschenwoge der großen Promenade tiefer in den Garten hinein. nehmen und Lie Verteilung der Lebensmittelspenden 'zu übernehmen. An der Spitze des neuen Komitees steht Generalmajor Allen, der seinerzeit die amerikanischen Be satzungstruppen am Rhein kommandierte. O Brasilianische Hilfe für Cosima Wagner. Die brasi lianische Künstlerin Celina Roxo hat in Rio de Janeiro ein Konzert veranstaltet, Lessen Ertrag als Stiftung für Cosima Wagner bestimmt war. Der Witwe Richard Wagners, die sich in Not befindet, sind sechs Contos de Reis, etwa 120 Pfund Sterling, überwiesen worden. vermilchtes. — Die staatsgefährliche Gitarre. Die harmlose Gitarre hat es sich gewiß nicht träumen lassen, daß sie jemals als staatsgefährliches Instrument geächtet werden würde. Das ist heute in Rußland geschehen, wo sie als gefährliches Werkzeug zaristischer Verschwörer und Gegenrevolutionäre angesehen wird. Wie ein Moskauer Blatt mitteilt, sind die Gitarren als Lieblingsinstrumente der Bourgeoisie auf den Index der Bolschewisten gesetzt und werden im öffentlichen Verkehr nicht mehr geduldet. Erst kürzlich wurden einige Studenten der Universität Moskau, die sich in ihren Muße stunden mit Gitarrespielen vergnügt hatten, vor das Univer sitätsgericht geladen. Hier wurde ihnen bedeutet, daß die Gitarre kein Proletarierinstrument sei, sondern ausschließlich von der bürgerlichen Mittelklasse bevorzugt werde. Auf Grund dieser Feststellungen wurden die Gitarren beschlag nahmt, während Lie Studenten selbst mit einem Verweis da- oonkamen. Solche Beschlagnahmen von Gitarren gehören heute in Rußlaiw zur Tagesordnung; die eingezogenen In strumente werden der Musikabteilung des dem Kommissariat für öffentlichen Unterricht angegliederten Museums über wiesen, um dort als abschreckende Beispiele dem Publikum die „Verirrungen" einer überwundenen Zeit zu veranschau lichen. - Die Besteigung des Everest als Sportvergnügen. Im nächsten Sommer wollen bekanntlich drei Mitglieder der letzten Everest-Expedition einen neuen Versuch machen, Len höchsten Berg der Welt zu bezwingen. Die Führung wird wieder in den Händen des Brigadegenerals C. G. Bruce liegen. Die Teilnehmer, die außerdem für die Besteigung ausersehen sind, werden zurzeit in der Schweiz trainiert. Es laufen unausgesetzt neue Gesuche von Sportleuten ein, die die Expedition mitzumachen wünschen. Allein aus Deutschland liegen ungefähr 100 Anträge vor. - Auch die Haremswächter organisieren sich. Die poft- tische und soziale Neuordnung in der Türkei hat auch die Haremswächter in die Notwendigkeit versetzt, sich umzu stellen. Deshalb kann die Nachricht nicht weiter über raschen, daß sich die Eunuchen des Serails zu einem Ver band zusanimengeschlossen haben, der den Zweck verfolgt, die „Standesimeressen" zu schützen. Der neue Verband hat seine Statuten vorschriftsmäßig bei der Polizeidirek tion eingereicht. Es wäre interessant, etwas über Zweck und Ziel der Organisation zu erfahren. — Das Gespenstcrschiff. Einige Fischer, die kürzlich nicht weit vom Hafen von Oran (Algier) fuhren, erlebten dort ein mysteriöses Schauspiel. Auf den Wellen erhob sich plötzlich der Kiel eines großen Schiffes und gleich dar auf folgte sein Rumpf in majestätischer Erscheinung, um für einen Moment in normaler Stellung zu verharren. Bald darauf erfolgte eine heftige Explosion, die von ho hen Rauchwolken begleitet war und Tausende von Trüm- merstücken hoch in die Luft schleuderte. Dann versank das ganze Schiff von neuem ins Meer. Dieses Schiff, das zum Schrecken der Lebenden aus seinem Grabe stieg, war, wie sich herausstellte, das norwegisäje Schiff „Hivos", das im Jahre 1916 in jener Gegend sank. Das Schiff, bei dessen Untergang mehrere Menschen ums Leben kamen, trug in seinen vier Räumen 2000 Tonnen Getreide. Das Schauspiel selbst wird damit erklärt, daß die stärke Gärung des Getreides große Mengen von Gasen angesammelt hatte, deren ungeheurer Druck die ganze Masse aus sechzig Metern Tiefe, wo sie lag, an die Meeresoberfläche empor trieb. Bei der Berührung mit der Luft entzündeten sich die Gase und bewirkten die Explosion des Schiffes. Gleich zeitig füllte sich das Schiff von neuem mit Wasser und sank infolgedessen zurück in sein Grab. Das Naubtierhaus lag in schweigender Finsternis. Hinter den zolldicken Eisenstangen lagen ruhig die gewaltigen Katzen, im Halbschlummcr massig zusammenge- ballt, gleich riesigen gelben Flecken aus dem Düster ihrer Ge fängnisse leuchtend. Zuweilen klang ein fauchendes Knurren oder ein schwe rer Körper warf sich wuchtig auf dem Bretterboden des Käfigs heum. Und dann wenige Schritte hinter dem träumenden Wüstenidyll wie eine schmetternde Fanfare des Weltstadt lebens das Flammenmeer des Hauptrestaurants mit seinem sinnverwirrenden Gewühl, seinem schimmernden Toiletten prunk, seiner rauschenden Militärmusik im Zauber der tiefen, blauen Iuninacht. Graf Eickstädt hatte auf der Weinterrasse in der vorder sten Reihe einen Tisch gewählt und verhandelte mit einem der lautlos gleitenden Kellner. Dann säßen sie eine Zeitlang schweigend und schauten aus das unablässige Auf und Nieder der Lästerallee. Das matte Licht der hohen bronzenen Stehlampe, die Hella mit einer Orchideenranke geschmückt hatte, rann weich um die silbernen Schüsseln und die feinen Kelche mit dem blutroten Burgunder. Darüber gleißte hoch oben in dem Laubdach der Baum kronen der blaue Nebelglanz des elektrischen Lichts, und aus den Rundbauten des Musikpavillons strömte ein funkelnder Farbenrausch und übergoß die schwarzen Wasser des stillen Sees mit einem flimmernden Strahlenkranz. Hella nahm nur wenig von den aufgetragenen Köstlich keiten der Tafel und lehnte auch Champagner ab. Mit heißem zähen Willen wollte sie einen klaren Kopf und sich selbst vollständig in der Hand behalten, wenn der heutige Abend vielleicht schon eine entscheidende Aussprache bringen sollte. Und aus dieser Stimmung heraus schwang eine leise Befangenheit zwischen ihnen, daß das Gespräch immer wie der ins Stocken geriet, als ob sie es beide noch nicht an der Zeit glaubten, einander ihre geheimsten Gedanken preiszu geben. Hella erzählte aus ihrer Jugend mit vorsichtiger Auswahl und leichter dichterischer Verklärung von kompromittierenden Momenten. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)