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Wilsdruffer Tageblatt : 15.09.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192309153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230915
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-09
- Tag 1923-09-15
-
Monat
1923-09
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.09.1923
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mlation zutreibe. Die letzte Kanzlerrede hat erneut er wiesen, daß niemand in der Regierung daran denkt. Man bat ferner die Frage der P r v'd u k t i o n s ste i g e r u n g parteipolitisch umkämpft. Was der Kanzler aber über die notwendige Erhöhung der Arbeitsleistung des einzelnen wie der Gesamtheit gesagt hat, wird niemand als unbe rechtigt abweisen können und dürfen. Und daß er schließ lich vor der Auffassung warnte, als könnte die Gold- rechnung von heute auf morgen als leichtherziges Experiment einfach „verordnet" werden, war ebenfalls un widerleglich. Vor allem aber muß man den Hinweis unter streichen, daß die Mark auch in papierner Form Zah lungsmittel bleiben muß. Aber auch diese Tinge stehen ja in völliger Abhängig keit zu dem großen Außenproblem, und darum ist der Kehrreim auch jetzt wieder: die Entscheidung liegt in Paris. Wir sehen der Antwort von dort entgegen. Ms dem Wortlaut der Kanzlmedr. Der Kanzler wandte sich nach kurzen VegrüßnngSworten zunächst der gespannten Lage im Innern zu und sagte: Unsere Finanzen sind in einer schlimmen Verfassung. Die Wirtschast spürt die Folgen der Abschneidung von der Ruhr, und sie spürt die Folgen einer überstürzten Preis- nnd Lohnpolitik. Die Preise liegen teilweise schon über den Weltmarktpreisen, dis Lehne liegen vielfach über den F r i e d c n s l ö h u e n. Ohne Opfer sind diese Fragen nicht zu lösen, (ein Opser für das Reich waren die Sienern, die unter der Negierung meines Amisvo.güngels vom Reichs tag beinahe einmütig Lewnligt worden sind. Die Erhebung dieser Stenern fällt in schwierige Zeiten und bringt gewiß manche Nnzuträg- lichkeilen mit sich. Die Bäuerische Staatsregierung hat an die Ncichsregierung den Wunsch gerichtet, baß in eine Prüfung über Erleichterungen, die auf diesem Gebiete zu gewähren seien, eingetreten werde. Diesem Wunsche werden wir willfahren. An die Finanzämter sind bereits Anordnungen ergangen, nicht erträgliche Härten zu beseitigen, Stun dung und evtl. Erlaß namentlich für Leute kleiner Vcrmögens- und Einkommensverhältnisse zu schaffen. Aber wir müssen deni Staate geben, was des Staates ist. Gewiß muß, wenn ' auf diesem Gebiete stark eingegrisfcn wird, und bei der Re gelung der außenpolitischen Fragen wird noch weit stärker in den Besitz und die Wirtschast eingegrifsen werden müssen, dann auch gefordert werden, daß die Arbeitsleistung gesteigert wird. Das betrifft sowohl die Frage der Arbeitsintensität, wie auch die Frage der Arbeitszeit. Das Kabinett wird sich in den nächsten Tagen zunächst mit der Frage beschäftigen, wie eine Erhöhung der bergbaulichen Produk tion im nichtbesetzten Deutschland zu ermöglichen ist. Es ist nicht zu ertragen, wenn in 17 Schächten des Steinkohlenöc'g- baus im unbesetzten Gebiet die Förderung eminent zurückgehr, anstatt der Mehrsördcrnng, die wir brauchen. Ich hoffe, das! innerhalb der nächsten beiden Wochen die Frage des wertbeständigen Geldes gelüst sein wird, damit wir in der Lage sind, namentlich der Landwirt schaft gegenüber die Fortbewegung, die Ausnahme, die Liefe rung der Ernährung sicherzustellen. Wir hoffen auch, daß durch die Einrichtung von Gold- kontcn bei der Reichsbank, wertbeständige Kredite, auch dem Wunsche und dem Bedürfnis weiter Wirtschastskreise nach Sicherheit ihrer Anlagen Rechnung getragen werden kann. Aber ganz falsch wäre es, diese Maßnahmen so auszusassen, als wenn die Reichsrcgierung nun die Mark als solche ausgegeben hätte. Die Mark muß Zahlungsmittel bleiben. Ohne Lösung des außenpolitiselzen Konfliktes ist die Finanz- srage nicht in Ordnung zu bringen, der Verfall der Mart nicht auszuhalten, eine wirtschaftliche Gesundung nicht herbeizusüh- reu. Die Regierung hat sich vom ersten Tage ihres Amts antritts an d!e Lösung des Nuhrkonflikts zur Aufgabe gestellt. Es war klar, daß diese Lösung nicht allein durch die Fortsetzung des passiven Widerstandes erfolgen konnte. Auch der ehemalige Reichs kanzler, Dr. Cuno, hat niemals davon gesprochen, daß Ver handlungen über die Neparationsfrage erst nach Räumung des Ruhvgcbietes erfolgen sollten. Das Ziel des passiven Wider standes tonnte nur sein, das Ruhrgebiet zu befreien. Die Re gierung würde es sich als das größte Verdienst anrechnen, wenn sie den Ruhrkonflikt soweit als möglich abkürzen könnte. Aber die bisherige Fühlungnahme zeigt zugleich die bestehenden Schwierigkeiten. Für uns ist entscheidend dieFragc derS o u ve rän i tä t ü b e rd a s R h.e i n l a n d und die Wisdergowinnung der Freihcitdcs Ruhrgcbiero. ohne Preisgabe deutscher Hoheztsrechte, ohne Preisgabe eines Fußbreits deutschen Bodens! Dafür sind wir bereit, reale Karg»tien zu geben. Der französische Ministerprösi Dollar: 13. Sept. :M 169000-92 631000 Mk. Dollar: 14. Sept.: 90 174 000-90 626 000 Mk. yar rurzttch rn emer Rose ausgcstchrt, er zöge die popULen Sicherheiten, die Frankreich in der Hand habe, den schönten theoretischen Rechten vor. Er beabsichtige nicht, Psänder gegen allgemeine Garantien auszutauschen. Nach dem Versailler Ver trag hastet für die Verbindlichkeiten Deutschlands das Ver mögen des Reiches und der Länder. Was ich in meinen Dar legungen vorgeschlagen habe, betraf die unmittelbare Heranziehung des privaten Besitzes und geht des halb in diesem Punkte über den Versailler Vertrag hinaus. Ebenso ist aber diese Heranziehung des privaten Besitzes ein realisierbares Pfand, während die Sicherheiten des Versailler Vertrages dies derzeit nicht sind. Der neue Zahlungsvorschlag. Wenn auf Reichsbesitz und Privatbrsitz der Wirtschast alS Pfandrecht an erster Stelle Hypotheken zugunsten des Reiches eingetragen werden, und zwar in Höhr eines bestimm ten Prozentsatzes dieses Besitzes, so könnten diese Hypotheken als ein reales und mobiles Wertöbjekt in eine Treuhand gesellschaft eingebracht werden, an deren Verwaltung die Reparationsgläubiger beteiligt werden könnten. Die Zin sen aus deu Hypotheken würden der Trcuhandgcsellschaft zu- , fließen. Diese wäre in der Lage, auf Grund der Hypotheken und der Zinsenerträgnisse durch Ausgabe von Obligationen Anleihen aufzu nehmen. Dadurch wäre die Möglich keit gegeben, auch Frankreich sofort in den Besitz größerer Zah lungen zu setzen, ebenso wie die Ainscnzahlungen in ange messener Zeit fließend zu machen wären. Eine derartige Leistung bedingt zu ihrer Verwirklichung die Wiederversügung Deutschlands über das Ruhrgebiet und der Wiederherstellung seiner Souveränität über das Rheinland. Sie ist geeignet, die Frage despassiven Widerstandes zu erledigen, wenn man uns die Sicherheit dafür gibt, daß auf Grund einer solchen Verein barung -das Ruhrgebiet geräumt wird, und im Rheinland die alten .Rechte wiederhsrgestellt werden. Gibt man uns Me Vicyeryen, vag zeoer, ver Ryein uns Ruhr >eme Heimat n-»n, frei der Heimat wiedergegeben wird, so besteht kein Grund mehr dagegen, dieses große, einst blühende Wirtschafts gebiet seiner alten Arbeitssreudigkeit wieder zurückzugehen. Ich hoffe aus die Möglichkeit einer solchen Regelung. In einer Rede des Kronprinzen Rupprecht in München findet sich der gute Satz: „Es handelt sich jetzt nicht um dynastische Fragen, cs handelt sich um die Existenz von Reich und Land." Es handelt sich darüber hinaus auch nicht um die Fragen der ParteipoMk, um Einzelinteressen von Berufsständen, sondern um das Leben und Sterben des deutschen Volkes. Der fran zösische Ministerpräsident hat in seiner letzten Rede hingewiesen auf die Art und Weise, in der einst nach dem Kriege 1870/71 die Verhältnisse zwischen Frankreich und Deutschland geregelt wurden. Der Kanzler wies nun an Hand historischer Urkunden nach, daß cs damals von Frankreich hoch anerkannt wurde, wie ehrlich die deutsche Neichsregierung damals den wirklichen Frieden herbeizusühren bemüht war. Wenn heute, so sagte er zum Schluß, unter anderen Verhältnissen Deutschland, das bereit ist, die Folgerungen aus einem verlorenen Kriege auf sich zu nehmen, dem Frankreich der Gegenwart gegenübersteht, so möchte ich wünschen, daß auch diejenigen Persönlichkeiten, von deren Entschlüssen die Ruhe und die Befriedung Euro pas abhängt, sich von dem Gesichtspunkt leiten lassen mögen, daß es jetzt gilt, den Frieden zu wollen, den Frieden zu erhalten durch eine Politik der Gerechtigkeit, die geeignet ist, nationale Leidenschaften zu beschwichtigen und damit die Ga- Zantic für einen wirklichen Frieden zu geben. ! Gefährliche Zuspitzung des Fiumelronflikts. Militärische Vorbereitungen. London, 13. Sept. Zu dem südslawischen Problem schreibt der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph": In diplomatischen Kreisen habe gestern die Ansicht vorgeherrscht, das; die Lage in SLdostruropa von Stunde zu Stunde ernster werde. — „Daily Expreß" schreibt, das italienische Ultimatum an Südsiawien lause am nächsten Sonnabend ab. Es würden bereits aus den nördlich von Fiume liegenden Ländern Trupprn- zujammenziehungen gemeldet. Wenn Italien seine Forderung nach unverzüglicher Regelung des Streites nicht abändere, so scheine ein Krieg unmittelbar bevorzustehen. London, 13. Sept. In maßgebenden englischen Kreisen ist man außerordentlich beunruhigt über die Nachrichten von der italienisch-jugoslawischen Grenze. Beide Mächte sollen erhebliche Truppenmengen in Kriegsbereitschaft in nächster Nähe der Gren ¬ zen angesammeli haben. — Der Delegierte für Südafrika im Völkerbund telegraphierte nach London, daß, wenn der Konflikt in Fiume nicht in letzter Stunde vor den Völkerbund gebracht werde, bereits am 18. September kriegerische Verwicklungen auf dem Balkan eintreten würden, an denen Griechenland, Italien, Bulgarien, Ungarß und Jugoslawien unmittelbar beteiligt sein würden. Die militärischen Pläne der Balkanstaaten seien voll ständig fertig, und die Ausführung dieser Pläne könne nicht aus unbestimmte Zeit hmausgesthoben werden. Mcuttreien unter der MhrbesWW. Herne, 13. Sept. Ein Teil der auf Zeche „Iulia" m Baukan untergebrachten Mannschaften des 17. französische» Iägerbataillons meuterte. Sie warsen die Schilderhäuser um, zerschnitten Sicherheitsdrahtvcrhaue und warfen die Gewehre fort. Erfolglose Kohtengräber. Die Anstrengungen der Franzosen. Die Franzosen machen im Ruhrgebiet sehr starke An strengungen, um die K o k e r e i e n in Betrieb zu bringen. Bei vier der von ihnen in eigene Regie genommenen acht Kokereien ist der Versuch völlig mißlungen. Die Koksproduktion beträgt überdies höchstens ein Drittel der normalen Produktion, und nach übereinstimmender Aussage von Sachverständigen ist der von den Franzosen hergestellte Koks überhaupt nicht zur Verhüttung, sondern höchstens als Hausbrand verwendbar. Auf der Zeche „Blumenthal" stellten die Franzosen den Kokereibetrieb ebenfalls wieder ein. Auch mit derSelbstförderung von Kohlen haben die Franzosen wenig Erfolg. Auf den Zechen „Viktor" und „Ickern" haben sie unter Leitung französischer Ingenieure mit 400 polnischen Arbei tern versucht, die Förderung in eigene Negi? zu übernek- men; aber das Fördcrungsergebnis ist kläglich. * Der tägliche Mord. Nach einer Meldung aus Düsseldorf ist in der Nähe von Rauxel am 10. September ein Deutscher von einer Schildwache getötet worden. Der am 8. September vom Kriegsgericht in Düssel dorf zum Tode verurteilte Richard Raabe hat gegen das Urteil beim Revisionsgericht der Rheinarmee Revision eingelegt. Die Milliardenröuber. Bei der Stadtverwaltung in Düsseldorf sind von den Franzosen 350 Milliarden Mark weggcnommen worden. — Nach einer „Temps"-Meldung sind in Duisburg 150 Milliarden, die für Fabriken bestimmt waren, weggenom- mcn worden; in Witten 110 Milliarden in Schecks, BarU- notcn und Notgeld. Zunahme der Teuerung. Der zweite September-Index. Die Reichsindexzisfer in der zweiten Septemberwoche für die Lebenshaltungskosten (Ernährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung uns Bekleidung) beläuft sich nach den Feststellungen des Statistischen Reichsamts für den 10. September auf 5 051 046. Die Steigerung gegenüber der Ziffer für die Vorwoche (1845 261) beträpl somit 173,7 -ö. * Der Großhandelsindex. Unter dem Einfluß der fortschreitenden Markverschlech terung hat sich dk:s Niveau der Großhandelspreise nach den Berechnungen des Statistisclwn Reichsamts in der Woche vom 4. bis 11. September u m 286 98 auf das 11513 231 fachedesFriedens st andes gehoben. In der gleichen Zeit stieg der Dollar von 13 Millionen Mark auf 66,2 Millionen Mart oder um 409 98. Dieser Bewegung sind die Einfuhr, aren mit einer Steige rung um 441 98 auf das 20 71-: 53fache unmittelbar ge folgt, wogegen die Inlandswaren mit einer Auf wärtsbewegung um 244 A aus das 9 659 886fache zurück blieben. Die Lebensmittel (im Großhandel) sind in der gleichen Zeit um 309 A auf das 8 184 090fache und die Industrierohstoffe um 269 98 aus das 17 737 276- fache des Friedensstandes gestiegen. O A verweg der Zk Die Zk den M unterg' der ge! leiteten arcifba o I in Lon maß d in Toi samtza der G« nieder^ schen, verein Gemei schritte die St »Sr Hollan Dänen Schwe Norwk Schwe Anieri Eugla Frank Bclgic Italic Lt.-O Ungai Lschrö ') ( e Landt wenn einen nochm getrei einen kauj düng Schci der C Tilg, über wert Land zable verwi einge gegen gefah Zahl: nur s temb bcstä mit Müh All! < 29. r klasse . Flammen. Roman von Hans Schulze. Erstes Kapitel. Ein wolkenloser Iuninachmittag lachte über der kleinen märkischen Bahnstation Haselfelde. Die Sonne lag breit und ruhig auf dem glattgestampf ten Vorplatz des einsamen Bahnsteiges. Zuweilen kam ein abgerissener Klingellaut oder das klopfende Ticken eines Morseapparates aus den weit offe- nen Fenstern des Telegraphenzimmers. In dem engen, dumpfigen Wartesaal hantierte der Zap fer bedächtig am Büfett herum und bepackte eine Biertonne mit schmutzigen Eisklumpen. Daneben schlief das Servierfräulein, die weiße Schürze Aber den Kopf geschlagen, zum Schutze gegen die zahllosen Fliegen, die den bunten Aufbau des Schenltisches in schwar zen, summenden Scharen unablässig umschwärmten. — Jetzt klang ein dumpfes Brausen und Rollen in die behäbige Nachmittagsstille. Die elektrischen Glocken schlugen an. Das Büfettfräulein schreckte aus seinem Schlummer auf Und fuhr mit dem Wischtuch mechanisch über die bestaubten Käseglocken. Die rote Mütze des Stationsvorstehers tauchte vor dem Fenster des Wartesaals auf. In der nächsten Minute fuhr der kleine Wagenpark des Wartenberger Lokalzuges auf dem vordersten Gleis in den Bahnhof ein. — Der Reiseverkehr war wie immer am Spätnachmittag nur sehr spärlich. Außer einigen Bauersfrauen, die vom Wochenmarkt in Wartenberg herkamen, entstieg dem einzigen Abteil zweiter Klasse nur ein einzelner Herr. Ein schlanker, hochgwachsener Mann in der Mitte der dreißiger Jahre, dessen sonnengebräuntes Gesicht und ener gischstraffe Haltung auf den ersten Blick den früheren Offi zier erkennen ließen. Er hielt aus scharfen, stahlblauen Augen einen Moment lang kurz Umschau und trat dann mit einem leichten Lüften des Hutes auf den Stationsvorsteher zu. »Ist der Pahlowitzer Wagen vielleicht zur Stelle?" Der ehemalige Wachtmeister, dessen altes Soldatenblut z sich regte, fuhr unwillkürlich mit der Hand an den Mützen- z rand: „Zu Befehl, Herr. . „von Alsleben", vollendete der Fremde leichthin. „Ich I bin der neue Administrator der Löhnaschen Güter." „Die Frau Baronin haben den Iagdwagen zur Bahn ) geschickt," war die diensteifrige Entgegnung. „Gr hält gleich hinter dem Stationsgebäude. Darf ich bitten, mir zu fol gen?" — Fünf Minuten darauf rollte der hochrädrige Löhnasche Break auf weichem Landwege durch die weite, ebene Mark. Die blauen Augen des Fremden, die kurz zuvor noch so kühl und durchdringend geschaut hatten, glitten jetzt mit einem ganz veränderten, fast liebkosenden Ausdruck über die welligen Kornfelder, die sich rechts und links, ein gold gelbes, kaum übersehbares Meer, bis fern zum Horizont hin überdehnten. Unwillkürlich gingen seine Gedanken in jene Zeit zurück, da er zum letzten Male an einem stillen Sommerabend als ein lar acker Flüchtling durch die märkische Heide gefah ren war. Vier lange Jahre lagen schon zwischen dem Heute und diesen dunkelsten Stunden seines Lebens, Jahre der Unrast, eines wild bewegten Abenteurerdaseins in den Pampas der neuen Welt. Bis eines Tages dann die Heimatssehnsucht in ihm auf einmal wieder so übermächtig geworden war, daß er wie im Fieber aus dem tiefsten Innern Argentiniens zur Küste ge eilt und mit dem nächsten Postdampfer nach Europa zurück gelehrt war. Und nun grüßte ihn wieder der Dust der heimatlichen Scholle; rotgoldenes Sonncngeglitzer zitterte auf grünem Bruch und Luch, und stille Föhren dunkelten so heimlich auf weißem Sande. Ein heißes Gefübl der Beschämung beschlich den Einsa men, daß er es über sich vermocht hatte, sich fast für ein hal bes Jahrzehnt von diesem Boden loszureißen, mit dem sein alteingesessenes Geschlecht durch zwei Jahrhunderte ruhm voller Geschichte so fest verbunden war, der ihm selber einst das Beste gegeben hatte, was er sein eigen nannte. — Jetzt wandte sich der schweigsame alte Kutscher auf sei nem steilen Bocksitz halb zurück und wies mit dem Peitschen stiel auf einen unkrautüberwuchcrtcn Grabenrain „Dort drüben geht unsere Grenze," sagte er. „Das ge hört alles zur Herrschaft Löhna: 7000 Morgen unterm Pflug ohne den Wald und die Vorwerke." Der Fremde richtete sich höher empor; sein landwirt schaftliches Interesse regte sich. Hier also begann sein neues Reich. „Dominium Pahlowitz, Kreis Wartenberg" las er halb laut an einer verwitterten Grenztafel. Vor drei Tagen noch hatte er nichts geahnt von diesem entlegenen märkischen Winkel, der ihm nach einer Weltwan derung nun eine zweite Heimat werden sollte. Es war ja alles so überstürzt gegangen, seit er in der Mitte der Woche in Hamburg gelandet und dann mit den' nächsten Zuge nach Berlin gefahren war. Der Zufall hatte ihn Unter den Linden mit einem alten Regimentskameraden zusammengeführt, der einst gleich ihm die schmucke Ulanka der Bornstedter Ulanen getragen hatte und sich jetzt schlecht und recht als Agent der Landbanl durchs Leben brachte. Der hatte ihm, als sie in der Habelschen Weinstube bc> der dritten Flasche 1911er saßen, halb im Scherz den Vor schlag gemacht, die Verwaltung der Löbnaschen Güter i» übernehmen, für die die sungverwitwetc Baronin schon scll einiger Zeit einen zuverlässigen Administrator suche. Und Alsleben hatte nach kurzem Ueberlcgen einge' willigt. Die Verhandlung war noch an demselben Nachmittag auf telephonischem Wege erledigt worden, und 24 Stunde» später hatte er bereits einen Brief der Baronin in Hände», der ihn zunächst auf die Dauer eines Jahres in eine leitend Stellung nach Pahlowitz berief. — Der Weg stieg lanasam an. Auch der schmale Waldstreifen, der bei der Abfahrt vo»' Babnhof kaum sichtbar wie ein schwarzer Strick über des» welligen Lande gelegen hatte, wuchs allmählich höher in dst Rotglut des Abcndhimmels. Ein freundliches Dorf ward im Fluae durchmessen: ei» paar Köter fuhren mit heiserem Gekläff an den Räder» empor. Dann senkte sich die Straße wieder zu Tal und tauan im nächsten Augenblick in den Schattenkrcis eines Waldes ei»> (Fortsetzung folgt.) hast denv spre. Klas vom der 36. 18 dien träx sichc im dien klaf Di aus Sc! tün Se Gc bei 21. fol (S
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