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Deutscher Reichstag. OL. Berlln, 9. August. (379. Sitzung) Die heutige Sitzung war der Besprechung der gestrigen Erklärung des Reichskanzlers und des Finanzmi nisters gewidmet. Schon längere Zeit vor Beginn der Sitzung machte sich im Reichstage große Unruhe geltend. In den Gängen und' vor den Fraktionszimmern erschienen immer neue Abordnungen, die erregt auf die Sozialdemo kraten einsprachen. Es waren dies Betriebsratsmitglieder von Berliner Großbetrieben, die im Namen ihrer Beleg schaften den Rücktritt des Kabinetts Lu^io ver langten und zur Durchsetzung dieser Forderung Streik oder passive Resistenz androhten. bleiben. Der Redner trar mr «amenere Erledigung der Steuer- vorlagen ein. , Abg. Koenen (Komm.) beantragte darauf unter lautem Ge lächter der Rechten eine Unterbrechung der Debatte, damit Ver treter der zahlreich aus Berlin und dem Ruhrgebiet im Reichs tag erschienenen Arbeitervertretungen das Wo« nehmen können. Präsident Löbe erwiderte, es könnte höchstens eine Unter brechung der Sitzung in Frage kommen, denn während einer Sitzung dürfen nach der GesMstsordnung nur Abgeordnete und Negierungsbeaunragte sprechen. Abg. Hergt (Deutschnat.) wandte sich gegen die Quertreibe reien in der Presse, die dem Sturz des Kabinetts Cuno galten Dann beschäftigte er sich mit außenpolitischen Fragen, besonders Mit der Haltung Poineares und mit den Steuervorlagen. Neichsautzenminister v. Rosenberg setzte auseinander, daß wir an eibem Wendepunkt de- europäischen Geschichte stehen, und daß es in diese, Zeit unmöglich sei. über die politischen Verhandlungen Näherei zu sagen. Das Schweigen der Regierung in den letzten Wochcv war ausschließlich daraus zurückzuführen. Dann ging der Mi nister ausführlich aus den Einbruch der Franzosen ins Ruhr, revier ein, wobei er ausdrücklich betonte, daß Frankreich dal politische, wirtschaftliche nnd soziale Chaos in Deutschland bcrbeiführen wolle. Der Minister erwähnte auch, daß dasselbe Frankreich, das in dieser eigenmächtigen Weise in das Ruhr- revier eingedrungen ist, seinerzeit sich mit aller Entsch!-oenhcit gegen ein ähnliches Vorgehen Rumäniens ausgesprochen hattL VelkOtiW U dellll.SoiiulMachTMM. Luc. 15, 14: „Es ward eine große Teuerung durchs ganze Land und er fing an zu darben." Diese Stelle des Gleichnisses vom verlorenen Sohn berührt uns ganz besonders in unseren gegenwärtigen Zeitverhältnisfen. Die Teuerung ward dort der Anlaß, daß der Sohn in sich schlug und sich heimwandte ins Vaterhaus. Ihm ward der Hunger und das Darben des Leibes zum Hungern und Darben der Seele. Unter dem Mangel von Brot spürte er auch den Mangel vn Vaterliebe und Vaterhaus. Ihm ward der Mangel zum Ge winn. Er fand offene Baterarme und ein offenes Vaterherz. Nicht immer führt die Teuerung und der Mangel zu solchem Gewinn. Andere verlieren über ihren äußeren Besitz auch ihre inneren Werte. Unsere Zeit zeigt es uns in erschreckender Weise, wie viele an Gott verarmen und im allgemeinen Elend ver kommen. Wohl uns, wenn der Mangel, Not und Sorgen, uns dazu beitragen, daß unsere Seele hungert und dürstet nach Gott. Der Gott, der uns die Not schickte, der wacht auf uns mit «usgebreiteten Vaterarmen, daß wir als seine lieben Kinder heimkommen und ruhen am Vaterherzen. politische Rundscharr. Deutsches Keich. Die Krage der Arbciterrrgierung. Reichstagspräsident Löbe veröffentlichte einen Artikel über die Frage, ob im gegenwärtigen Augenblick eine Re« gierungsumblldung nolwendtg und günstig sei, und ob die Sozialdemokraten dem neuen Koalitionskabinett angehören ober eine rein sozialistische Regierung bilden sollen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß einmal eine durch Angehörige der bürgerlichen Parteien erweiterte Arbeiterregierung nicht diskutabel sei, da diese dann doch nicht die von der Arbeiterschaft verlangte Haltung in allen Fragen einnehmen iönne, und daß ferner eine sozialistische Regierung äugen« blick,ich auch die notwendige außenpolitische Entlastung nicht bringen kann. irLerrbestänhigkeit in der Sozialversicherung. Der Neichstagsausschuß für Sozialpolitik verhandelte über die Erhöhung der Zulagen in der Sozialversicherung. Vom Reichsarbeftemmisterium wurde ein Verordnungsent wurf über die weitere Erhöhung der Unterstützungen für Rentenempfänger der Invaliden- und An restellienversiche- rung vorgelegt. Grundsätzlich wurde beschlossen, iür die sozialen Unterstützungen ein Schlüsseloerfahren einzuführen, daß diese Bezüge der fortschreitenden Geldentwertung auto- w ab sch anpasse. Der Hauptausschub stimmte diesen Be» links.) Die schlechte Lebensmittelversorgung rp die ^orge »er völligen Freigabe des Lebensmittelmarkles. Alle Mahnungen der Regierung an die Landwirtschaft sind erfolglos geblieben. Die jetzige Not unseres Volkes ist nicht allein von Poincars verschuldet worden. Er hat Bundesgenossen aus der rechten Serre dieses Hauses. Selbst wenn der von engstirnigen Militärs beeinflußte Poincard seine Gewaltpläne auf Losreißung des Rheinlandes verwirklichen sollte, so würde es sich bitter rächen. Die rheinische Bevölkerung läßt sich nicht erftdeutschen. Der Redner betonte dann lebhaft, daß sich in Bayern ein Par- tikularismus breitmache, an dem die Franzosen ihre Helle Freude haben. Alsdann besprach der Redner das Verhältnis Sachsens zur Reichsregierung, wobei er bemerkte, „wir billigen die Haltung der sächsischen Regierung" (Lärm rechts.). Ferner erklärte der Redner, die Ruhrbevölkerung werde in ihrem Abwehrlampse aufs schwerste geschädigt durch die sinn losen Sabotageakte. Wir müssen ein zahlenmäßiges Reparationsangebot machen und vor allem unsere Währung stabilisieren. Dazu müssen Reichshypotheken aus die Landwirtschaft gelegt werden uuv Anteile der Industrie einer Reichstreuhandgesellschast überwiesen werden. Der Redner forderte, daß Deutschland aus praktischen Gründen jetzt die Zulassung zum Völkerbund beantrage. Zum Schlüsse kam der Redner aus die Steuer vorlagen zu sprechen. Ihre schleunige Erledigung ist not wendig. Sie müssen ergänzt werden durch eine Roggensteuer und durch eine Lohnsummensteuer von Industrie, Handel und Bankwesen. Daneben brauchen wir eine neue Stützung der Mark, die nicht wieder wie die letzte sabotiert werden darf. Da die Reichsbank bisher alle Währungsresormversuche sa botiert hat, müssen wir zu einer Änderung des Autonomie- gesctzes für die Reichsbank kommen. Endlich müssen wir auch zu einer Wertbeständigkeit der Entlohnung gelangen. Der Redner schloß mit den Worten: . Der Reichskanzler hat gestern im Zusammenhang mit dem Finanzprogramm der Negierung die Vertrauensfrage ge stellt. Wir sind nicht gegen dieses Finanzprogramm. Wir wollen eS durch unsere Finanzvorschtägc noch ergänzen. Wir werden zu jeder Regierung Vertrauen haben, die mit uns bereit ist, unser Finanzprogramm auszuführen. Das Volk aber will diese Maßnahmen schnell durchgesührt haben. Der Reichstag darf nicht auseinandergehen, ehe diese Gesetze verabschiedet sind. Abg. Marx (Zentr.) gab im Namen des Zentrums eine Erklärung ab, in der es hieß, daß die Lage nie ernster und gefahrdrohender gewesen sei als jetzt. Alle verfügbaren Kräfte müßten daher einheitlich zusammengcfaßt werden. Vor dem Eingriff in die Vermögenssubstanz dürfe nil-hi zurückgeschrcckt werden. Das Leben der Nation müsse über allem stehen. Abg. Dr. Stresemann (Deutsche Vvlksp.) betonte, daß es daraus ankomme, ob wir die Dinge zu meistern verstehen. Das könne aber nicht durch einen Kabinettswechsel erzielt werden. Es gehe um mehr. Es gehe um die Aufrechterhal tung des verfassungsmäßigen Zustandes >m Reich. In seinen weiteren Ausführungen machte der Redner geltend, daß, wenn Deutschland stirbt, Europa mit ihm stirbt. Die weiteren Aussührüngen kehrten sich gegen Frankreich und schlossen mit .rwiknuna. daß Rhein. Ruhr und Saar bei Deutschland Sitzungsbericht. Nachdem die Sitzung eröffnet worden war, erhielt der Mg. Müller-Franken (Soz.) das Wort. Die weiten Massen des deutschen Volkes, betonte er, sind heute in einer Not, wie sie selbst in der Kriegszeit kaum vorhanden war. Die tune Er regung. die durch unser Volk geht, ist nicht durch hetzernme Agitatoren erzeugt worden. Für die Scheine mit den vielen Nullen, die der VolksMunb H a v e n st e i n - R u b e l getauft har, ist kaum Ware zu haben. Außerdem fehlen jetzt die Zah- lungsminel, weil die Reichsbank auch hier wiederum die Vor aussicht hat vermissen lassen. (Sehr wahr bei den Sozialdemo kraten.) In dieser Zeit ist es ganz unangebracht, wenn der Reiäfskanzler predigt „weniger verbrauchen, mehr sparen und Mohr arbeiten". Durch die versetzte Politik der Reichsbank ist ja der Svartrieb ertötet worden. (Lebhafte Zustimmung Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Jahrgang' Sonnabend/Sonntag den 11/12. August 1923 5. Kleinschönderg (Schönenbergs): die v. Schönberg (Hans sen. und jun. sowie des ersteren Bruder Dietrich) 6 Mark". Die Urkunde, worin Kaiser Karl IV. dem Domkapitel zu Meißen 1350 dessen Liegenschaften verbrieft, kommt für unsere Gegend in ganz geringem Maße zur Anwendung. Es sind nur acht Orte, die hier domstiftisch waren, vier im Gau Daleminzi: 1. ganz Piskowitz (Piscopiz) bei Taubenheim, 2. ganz Sugenheim (s. v.), beide aneinanderstoßend, 3. ganz Pinkowitz (Penkuwicz) bei Constappel und 4. ganz Mohorn bei Tharandt'", vier im Gau Nisan: 5. Oberwartha mit einem Vorwerke von 2 Hufen, einem Gebüsch und dem Weinberg Liebenecke, 6. zu Zöllmen (Zculmyn) 2 Schock Gr. nebst je 20 Scheffeln Korn und Hafer, 7. zu Unkersdorf 3 Malter Korn und 8. zu Höhndorf (Honendorf) 5 Talente. lleber die Amtsgefälle im Jahre 1378 erfahren wir folgendes. Im Amte Meißen erscheinen u. a. die nachstehenden Orte unserer Gegend (mit 3 Rubriken): 1. Geschoß zu Walpurgis, 2. Geschoß zu Michaelis, 3. Abgabe an Korn und Hafer, von jedem in der Regel das gleiche Maß: . . Sch. Gr. Hellers Sch. <Sr. Scheffel 1. Burkhardtswaldc (Borghardiswalde) 18 9 37-/2 3 2. Munzig (Muntzk) 22-/- 4b 3'/- 8. Piskowitz (Piskrpitz) 19 9 40-/2 2-/- 4. Groitzsch (Groytzc) 1b 30 2 b. Constappel (Kuntupel) 4 8 — 6. Sora (Sar) 83 9 1 7-/2 4'/- 7. Grumbach (Grünenbach) 4t 1 22-/2 8. Röhrsdorf (Rudigersdorff) 1b 30 2 9. Neukirchen (Nuwenkwchen) 1 6 2 12 8 -ß 3 Viertel 10. Helbigsdorf (Hrlwigistorsf) 6 37 2-/- 11. Deutschenbora (Dutzschenbor) 33'/z 30 2 12. Lampersdorf (Lamprechstorf) 11 3 22-/2 I'/- 18. Limbach (Lympach) 19 37 2 Hafer noch 14. Taubenheim (Tubynheym) b6 3 1 52-/2 7'/- 15. Seeligstadt (Seliginstat) 22-/2 1 2-/2 3 -j- 3 Viertel 16. Tannebcrg (Tannenberg) 37'/- 1 15 5 17. Elgersdorf (Eyligirsiorff) 19 6 39 2-/- 18. Kobitzsch (Ouabs) 1S 30 2 19. Hirschfeld (Hersoelde) 30 1 4 20. Ullendorf (Alberndorf) 30 1 4 21. Lugenheim — 1 4 Die ersten vier Orte im Amte Meißen werden der Supanie Soppen zu- geteilt. Nur Piskowitz fehlt 1334/36; dafür vermissen wir hier Weitzschen und Rotschönberg. Die nächsten 17 Orte mit Ausnahme Neukirchens, das der Supanie Soppen, wie es scheint, irrig zugewiesen wird, gehören unter die „Weitsessen". 1334/36 fehlt Deutschenbora; dafür vermißen wir hier Blan kenstein. " Man konnte bei Schonenberg an Rotschönberg (Amt Meißen) denken, allein die obige Gleichsetzung scheint mir hier allein zuzutreffen. ° Die Meideburger, Buling und Kundige, waren angesehene und vermögende Dresdner Bürgcrfamilien. Nach den letzteren hieß ehedem die heutige Zahnsgasse. Zweimal wird es in der fraglichen Urkunde irrig aufgeführt. Mohorn bei Pulsnitz ist nicht damit gemeint. Zeitschrift für Heimatforschung und Heimatpflege Beilage zum «Wilsdruffer Tageblatt" Nummer 19 August 1923 12. Jahrgang Die politischen Verhältnisse der Wilsdruffer Pflege im Mittelalter. Von Lic. Dr. Bönhofi-DreSden. Um das Land zwischen Elbe und Freiberger Mulde, zwischen der Großen Triebisch (vom Knie beim Vorwerk Perne bis zur Vereinigung mit der Kleinen Triebisch) und dem Tharandter Walde handelt es sich hier. Wir möchten seine Beziehungen zu den führenden Gewalten des Deutschtums, zu Fürst und Adel, wo möglich in ihrer Entstehung, sicher aber in ihrer Entwicklung und Beharrung kennen lernen: Burggrafschasten, Aemter oder Vogteien (man könnte auch „Gerichte" sagen), Grund- oder Patrimonlalherrschasten, unter ihnen vor allem die Rittergüter, aber auch der Bischof, das Domstift, Klöster und Pfarreien, spielen hierbei eine Rolle. Zunächst ist das Stück Land, das wir geschichtlicher Beobachtung unter werfen, fast reines Kolonisationsgebiet, durch die Rodungen westdeutscher Bauern im Lause des 12. Jahrhunderts der Besiedelung eröffnet, jungfräulicher Acker boden, dem Grenzwalde abgewonnen, der die beiden slavischen Gaue Daleminzi (vor allem unteres und mittleres Tvlebischtal) und Nisani (Gelände des rechten Saubachufers) von einander schied. So gehörte also dieser Waldbezirk stets zur Mark Meißen, wie immer sie sich auch gebietlich gestalten mochte. Nur ein schmaler Landstreifen, der sich östlich, zwischen Saubach und Tannichtgrund am linken Elbufer anhebcnd und sich nach Süden zu bis nach Tharandt an die Meißerih erstreckend, an jenen Wald bezirk anlehnte, lag im Gau Nisani, der für eine Reihe von Jahren (1076 bez. 1086 — gegen 1142 mit einer Unterbrechung von 1112—18), also etwa ein halbes Jahrhundert zu Böhmen gehörte und bis auf die letzten drei bez. sieben Jahre sich im Besitze des mit der böhmischen Herzogsfamilie verschwägerten Grafest Wiprecht von Groitzsch, seines Sohnes Heinrich (s- 1135) und seiner Witwe Kunegunde (1139) befand.