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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Rr. 72. 82. Iihrggnz. S»»«»«»»/ de« 23. / 24. Iu«i 4823 BetrachlW U dkl 4. Sm«« mch Trioilülis Von Pfarrer Weber-Limbach. Der kommende Sonntag fällt diesmal mit der Feier des Johannistages zusammen. Dieser Tag, der ursprünglich, wie der Name besagt, Iohannes dem Täufer geweiht ist, hat neuerdings eine Wandlung seiner Bedeutung erfahren und ist in vielen Ge genden unseres Vaterlandes mehr und^mehr zu einem sommer lichen Totenfest geworden. Tausende und Abertausende pilgern an diesem Tage hinaus auf die stillen Friedhöfe und schmücken die Gräber ihrer Lieben mit dem bunten Flor der Blumen, wie ihn die nun beginnende Sommerzeit in reichster Fülle darbietet. Wir wollen nicht untersuchen, wie gerade der Johannistag zu dieser Bedeutung gekommen ist, sondern wollen uns dessen von Herzen freuen, daß er Vielen Gelegenheit gibt und Veranlassung wird, ihrer Toten in Liebe und Dankbarkeit zu gedenken und sie selbst daran zu erinnern, daß auch sie früher oder später den Weg alles Fleisches gehen müssen. Darin liegt ganz gewiss für unser raschlebiges Geschlecht, das so leicht über der Zeit die Ewigkeit vergißt, ein großer Segen. Aber der Segen dieses Tages würde doch nur halb sein, wenn wir uns durch ihn nur allein darauf Hinweisen ließen, daß das Grab und die Verwesung das sichtbare Ende aller mensch lichen Herrlichkeit ist.. Darin liegt wohl eine heilsame Erinne rung, ober kein Trost, kein Moment der Erhebung, sondern viel mehr nur der Demütigung. Der Segen wird erst vollständig, wenn wir uns von Iohannes dem Täufer noch heute den Dienst tun lassen, dazu er einst von Gatt gesandt war. Er war der Wegbereiter Christi,. er hat gezeugt von dem, der nach ihm kommen sollte und dem er nicht wert war, daß er ihm die Riemen seiner Schuhe auflöse. So laß auch du dich durch ihn auf Christi weisen, aus den, der unser aller Sünde getragen und den Tod überwunden hat und der gesagt und es durch seine eigene Auf erstehung erwiesen hat: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Dann gehst du an die Gräber deiner Lieben nicht wie die Heiden, die keine Hoffnung haben, sondern gönnst es ihnen von Herzen, daß sie zu dem großen, herrlichen Ziele der Erlösten Jesu Christi gekommen sind, wenn anders du weißt, daß sie im Glauben an ihn gelebt und gestorben sind, und dann siehst du auch deinem eigenen Sterbestündlein nicht mit Angst und Schrecken, sondern mit getroster Ruhe und Hoffnung entgegen und freust dich auf die Stunde, wo du einstmals mit deinem Herrn und mit allen, die in ihm Frieden gefunden haben, auf ewig vereint werden wirst, und so wird dir dieser Tag ein starker, neuer Ansporn, allen Fleiß zu tun, daß auch du einstmals eingehen kannst zu der seligen Ruhe der Kinder Gottes. Und stünde dein Leben hienieden, wie jetzt das Leben so Vieler, unter manchem schweren leiblichen und seelischen Druck, du sprichst getrost mit Paulus: Ich halte dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht » wert sei, die an uns soll geoffenbaret werden. Ja, selig, wer das Heil erwirbt und in dem Herrn, dem Mittler, stirbt. O selig, wer vom Laufe matt, die Gottesstadt, die droben ist, gesunden hat. Wohl dem, der, Herr, mit dir vertraut, schon hier sich ew'ge Hütten baut. Er sieht das Kleinod in der Fern' und kämpfet gern und harrt der Zukunft seines Herrn. Amen. Politische Run-schav. Deutsches Reich. Die zukünftige Brotversorgung. Der Reichstag beschäftigte sich nach der Rede des Er. nährungsministers Dr. Luther eingehend mit dem Kom- promitzantrag aller Parteien in der Frage der Brotversorgung. Danach wird u. a. bestimmt: Weicht der durchschnittliche amtliche Preis Mr märkischen u» oer -oernner Bor>e rn ver Zett vom 1. bis 15. Juli und vom 1. bis 15. Dezember von 120 000 Mark für den Zentner Roggen um mehr als 5 A nach oben oder unten ab, so erhöht oder verringert sich die darauf folgende Teilabgabe der Zwangsanleihe dementsprechend. Reichen die erzielten Mittel nicht aus, so ist die Aufbringung der weiteren Mittel aus einer Belastung des Besitzes durch Gesetz zu regeln. Dann wurde der Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung angenommen. Die nächste Sitzung findet am 2. Juli statt. Die neuen Post- und Bahnlarife. Eine neue Erhöhung der Postgebühren ist für den 1. August in Aussicht genommen. Bekanntlich tritt schon am 1. Juli eine bedeutende Erhöhung ein. Der Reichs« Verkehrsminister ist dem Beschluß des Staatseisenbahn« rates auf Erhöhung der Personenverkehrstarife beige« treten, hat aber in Anbetracht der Besserung des Mark« kurses der Gütertariferhöhung nur mit dem Betrage von 200 A zugeftlmmt. Nach dieser Erhöhung werden di« Gütertarife das 19 800fache der Vorkriegssätze betragen. Gegen die Rechtsbrüche im Rheinland Die Reichsregierung hat durch die deutschen Vertretun gen in Paris, London und Brüssel gegen die neuesten Ver trags- und rechtswidrigen Verordnungen der Interalliierten Rheinlandkommission und des Oberstkommandierenden der französischen Einbruchsarmee Verwahrung eingelegt. Be sonders in bezug aus die Verordnung, welche den Gemein den die Bahnbewachung zur Pflicht macht, weist das deutsche Memorandum darauf hin, daß die Bahnbewachung eine der wesentlichsten Ausgaben und Pflichten desjenigen ist, der die Bahn betreibt. Diese Anordnung bedeute das mit dem Völkerrecht unvereinbare Ansinnen einer Mit wirkung an einer gegen das eigene Vaterland gerichteten Gewaltaktton. Der Vollzug der Freiheitsstrafen. Die Regierungen der Länder haben unter Vermittlung des Reichsjustizministeriums eine weitgehende Ver einbarung über den Vollzug von Freiheitsstrafen abge schlossen, die an die Stelle der „Grundsätze über den Vollzug gerichtlich erkannter Freiheitsstrafen" vom 28. Oktober 1897 tritt. Die Vereinbarung, die einen wichtigen Schritt auf dem Wege zu einem Reichs st rafvollzugsgefetz dar stellt, wird demnächst im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wer den und in den Ländern alsbald zur Durchführung gelangen. Polen. X Wie Polen die Devisenspelulanten bekämpft. Die neue polnische Devisenordnung wird von den polnischen Behörden mit schärfsten Maßnahmen unterstützt. Der gesamte Privattelephonverkehr in Polen ist einge stellt worden. Auch Danzig und Oberschlesien sind in Mitleidenschaft gezogen. Den bisher im Devisenhandel zu- gelassenen 30 polnischen Banken ist die Erlaubnis entzogen waren; nur die polnische Staatsbank in Warschau be treibt den Devisenhandel. Mit der Devisenordnung ist eine Anmeldepflicht und eine Ablieferungspflicht für Devisen verbunden. Die Börsen in Warschau, Lodz und Posen haben die Devisennotierungen vorläufig eingestellt. Der Dollarkurs erreichte eine Höhe von 180 000 polnische Mark. Frankreich. X Die schleichende Kabinettskrise. Der Vollzugsausschuß der radikalen Partei nahm eine Resolution an, in der die der Partei angehörenden Minister, Kolonialminister Sar- raut, der Minister für soziale Fürsorge Strauß sowie der Unterstaatssekretär Paul Laffont aufgefordert wer den, „ihre Mitarbeit bei einem Kabinett nicht fortzusetzen, dem die traditionellen Gegner der Republik einmütig ihre Stimme gewährt haben". Sarrau yai demgegenuoer zeooa, erklärt, er halte es unter den augenblicklichen Verhältnissen für seine Pflicht, an der Seite des großen Patrioten Poin- carö zu stehen.. Türket. X Die Türken wollen Lausanne verlassen. Die Verhand lungen in Lausanne schleppen sich von einer Krisis zur andern. Jetzt handelt es sich um die Aufstellung eines end gültigen Textes bezüglich der von den Türken abzugebenden Erklärung über die otto manische Schuld, der den Türken in dringender vielleicht befristeter Form zur Annahme überreicht werden soll. In türkischen Kreisen der Konferenz läßt man durchblicken, daß die türkische De le g a t i o n im Falle eines ultimativen Schrittes der Alliier ten Lausanne verlassen werde Aus In« uno Ausland. Berlin. Der sozialdemokratische Parteiausschutz beschloß, in diesen: Jahre keinen Parteitag abzuhal n, sondern ihn auf den Anfang des nächsten Jahres zu verschieben. München. Kardinal Erzbischof Dr. v. Faulhaber ist nach zweimonatiger Abwesenheit aus Amerika zuruckgekehrt. Essen. Die Leichen der in Dortmund von den Franzosen erschossenen Deutschen sind inzwischen von ärztlichen Sachverständigen untersucht worden. Es wurde festgestellt, daß einer der Toten von der Seite, vier der Toten von hinten erschossen worden sind. London. Hier spricht man von einer offiziellen Reise der Führer der englischen Arbeiterpattei nach dem Ruhr gebiet. Diese beabsichtigen nach ihrer Rückkehr einen offiziellen Bericht über die Lage zu erstatten. Kopenhagen. Zwischen dem dänischen Außenminister und dem deutschen Geschäftsträger ist der Austausch der Ratifika tionsurkunden zum deutsch-dänischen Luftverkehrs ab kommen vollzogen worden Athen. Die Presse berichtet von einem Wiederaufflammen der bulgarischen Bandenbewegung seit der Auf richtung der neuen Regierung in Sofia und ipricht von ackt Fällen, in denen die Banden sich wieder bemerkbar gemacht hätten. Jerusalem. El Falastin berichtet, daß 9000 W ' 'bl- Krieger Karjet el Milh angegriffen und die Besa ag niedergemacht haben. Die Regierung habe den Beni Sacher-Stamm aufgefordett, die Wuhabi anzug--iien. Die Beni Sacher hätten sich jedoch geweigert, dies zu tun, wenn die Regierung sie nicht unterstütze. Wertbeständige Hypotheken. Roggen-, Weizen- oder Feingoldwert. Das nun auch im Reichstage angenommene Gesetz, das die Eintragung wertbeständiger Hypotheken ermög licht, bringt folgende Bestimmungen: Eine Hypothek kann in der Weise bestellt werden, daß die Höhe der aus dem Grundstück zu zahlenden Geld summe durch den amtlich festgesetzten Preis einer bestimm ten Menge von Roggen, Weizen oder Feingold bestimmt wird. Außer diesen Maßstäben kann die Reichs- regicrung mit Zustimmung des Neichsrats auch Kohle, Kali oder andere Waren und Leistungen zulassen. Vor ausgesetzt ist stets die Möglichkeit einer amtlichen Preis- seststellung. Die Vereinigung zweier Maßstäbe kann in der Weise festgelegt werden, daß, falls der als Maßstab gewählte Preis einer Ware oder Leistung den Preis einer anderen Ware oder Leistung nicht erreicht oder über schreitet, dieser letztere Preis maßgebend sein soll. Der freien Vereinbarung ist also ein weiter Spielraum ge währt. Die Eintragung ins Grundbuch hat in der Weise zu erfolgen, daß der Geldbetrag durch Art und Menge der Ware oder Leistung bezeichnet wird, deren Preis als Maß stab gewählt ist. Die Hypothekenbanken können auch Hvpothekenpfandbriefe dieser Art ausgeben. Das Heiratsjahr. Mt Lustspiel-Roman in zwölf Kapiteln. Dvn Fedor o. Zabeltitz. sÄ7Fortsetzung.) (Nachdruck verb.) Das Servieren der Hummern erregie selbstverständlich Auf sehen. Der Amtsrat wurde wild, als man Remouladensauce Herumreichle. „Fort damit!* schrie er. „Nur frische Butter! Gnädigste Frau, Vergebung, aber alles sträubt sich in mir! Stupps, setze mal die Remoulade auf das Büfett! Hummern müssen genossen werden, wie sie aus dem kochenden Wasser kommen — nackt! Ich selbst nehme nicht einmal Butter dazu- Im Aroma des Fleisches liegt zugleich der Geschmack." Sein Vortrag währte noch längere Zeit, indes die Baronin lächelnd den Befehl gab, die Remoulade durch frische Butter zu ersetzen und Tübingen sich ärgerte. Er stand gewöhnlich auf leichtem Kriegsfuß mit dem Amtsrat. „Was der Menfch immer zu mäkeln hat," brummte er vor sich hin. Dann hob «r sein Glas. „Prost, Kielmann!" rief er über den Tifch. „Solchen Rauenthaler können Sie sich suchen! Schon diese Blume — was?" Der Amtsrat griff nach seinem Römer und kräuselte die Nast, sog die Blume ein und wiegte den Kopf hin und her, schloß ein wenig die Augen und machte ein nachdenkliches Gesicht. „hören Sie mal, Tübingen," entgegnete er, „da mischt sich was Fremdes in die Blume! Da hat man ein bissel Parfüm zu gesetzt — trotzdem ein immerhin trinkbares Weinchen! Prost, Tübingen!" Der Hausherr ärgerte sich noch mehr; aber er wußte schon, wie er sich revanchieren konnte. Er war bereits darauf einge richtet. Er hatte ein Dutzend seiner Briefträger-Zigarren mit Lockbändern versehen und auch in eine Bockkiste gelegt. Die Kiste wollte er Kielmann vorsetzen. Die Zigarren waren groß, schwarz, sahen importmäßjg aus und konnten nur von kräftigen Leuten im Freien geraucht werden. Und Tübingen freute sich fchon jetzt auf das Gesicht des alten Kielmann, wenn dieser mit hohem Genuß die ersten Züge getan haben würde. „Warte man, min Jong," sagte er sich, „ich werde dir Helsen! Par- ^'imierte Weine — bei mir!" Frau von Seesen hatte ihre zusammengerollten Handschuhe in ihr Rheinweinglas geschoben. , „Soll das bedeuten, daß Sie als Abstinenzlerin betrackstet zu werden wünschen, Gnädigste?" fragte Haarhaus. „Ja, mein Herr; ich nehme nur ein Glas Sekt. Ich will einen klaren Kopf behalten und lediglich eine kleine Anregung haben." „Ah so; ich verstehe. Alle meine Sünden fallen mir ein Ich fürchte, die Feier des Tages wird tragisch ausklingen. Soll ich wirklich die Baronin auf mich nehmen?" „Lieber Herr Doktor, das ist abgemacht. Seien Tie kein Spielverderber! Sie haben es am leichtesten. Appellieren Sie einfach an das Herz der Mutter und Großmutter! Erzählen Sie der Baronin recht viel von dem kleinen Eberhard. Nun, lassen wir das Thema fallen; Frau von Lohusen horcht auf. Sie ist mir so wie so nicht grün. Sie hat mir nie verziehen, daß ich um meinen verstorbenen Mann nur ein halbes Jahr Trauer ge tragen habe. Und selbst damit erfüllte ich seinen letzten Willen nicht völlig." „Wünschte er keine Trauer?" „Nein. Sie werden von ihm gehört haben. Er war ein eigentümlicher Mensch, von großen Gaben, aber wir verstanden uns nicht. Das soll öfters vorkommen in modernen Ehen, und deshalb habe ich auch nie Klage über ihn geführt. Nun also — ml« gesagt, er wollte nicht, daß ich durch äußere Zeichen um ihn trauerte; er philosophierte gern und betrachtete den Tod nicht als Würger, sondern als einen holden Genius, der uns in neue Lebenssphären führt. Die Lehre von der Seelenwanderung hatte immer etwas besonders Bestechendes für ihn." „Ah — er glaubte an ein Wiederaufleben der Seele in neuer Hülle?" „Ja — und er hatte sich sogar ein vollkommenes theosophi sches System entworfen. Bei ihm wechselte ein stürmischer Le bensdrang mit der Neigung zu tiefsinniger Grübelei. So wünschte er unter anderem auch, daß ich mich wieder verheirate, um seine wandernde Psyche dem Einfluß der meinen zu ent ziehen; denn obwohl wir uns, wie ich schon erwähnte, recht wenig verstanden, war er doch der Ucberzeugung, daß zwischen Seelen, die sich im körperlichen Leben sozusagen aneinander ge- wöhnt hatten, eine Verbindung auch nach dem Tode noch be stehen bliebe." Haarhaus schüttelte den Kopf. „Eigentümlich! Ich kann mir schon denken, gnädige Frau, daß Sie . . ." Er brach ab, nippte an seinem Giase und sagte dann mit ernstem Gesicht: „Ich würde diesen letzten Willen aber doch respektieren." Ein leichtes Lächeln flog über das Gesicht der jungen Witwe. „Ich kann es nicht mehr. Der, für den er mich bestimmte, ist schon versorgt." „Wollte er, daß Sie Max —" „Ja — er hatte sich in einer spiritistischen Sitzung mit dem Geist des verstorbenen Karl August von Tübingen dahin ge einigt. Durch Karl August, der eine Seesen als Stieftochter be saß, war nämlich Langenpfuhl den Tübingens verloren ge gangen. So, wie ich' Ihnen all das erzähle, klingt es mehr närrisch als ernsthaft. Und doch kann ich Sie versichern, daß ich mir Mühe geben muhte, über das heimliche Grauen fortzu kommen, das mich derzeitig lange, lange gefangen hielt. Ich sah Gespenster im Sonnenschein — und sie flogen erst auf und da von, als ich Max glücklich unter der Haude hatte. Begreifen Sie nun, warum ich mir so ernsthafte Mühe gab, diesen Ehe- bund zu fördern? — Ich wollte mich gleichsam von dem dämo nischen Einfluß einer Seele freimachen, deren Walten ich noch immer um mich zu spüren meinte." Die beiderr hatten so unauffällig leise miteinander geplaudert, daß man ihre Unterhaltung im Auf- und Niederschwirren der allgemeinen Konversation gar nicht beachtete. Nun richtete Graf Teupen eine Frage an Frau von Seesen, und diese wandte sich von Haarhaus ab. Der Doktor war in merkwürdiger Stim mung. Er grübelte darüber nach, was ihm an Frau von Seesen so interessant erschien. Vielleicht berauschte ihn nur die Eigen art ihrer Erscheinung. Das grünliche Flimmern ihrer Augen barg gewissermaßen hundert unbeantwortete Fragen. Es machte den Eindruck, als sei das Ruhige und Abgeklärte ihres Wesens nur Schein; als sei im Grunde ihrer Seele noch viel zu lösen« zu lautern und abzudämpfen . . - Einen roten Kopf hatte der kleine Brada. Er hatte sich vov- genommen, heute mit Benedikte ins Reine zu kommen- Bisher wußte nur Max von seiner Neigung, und der hatte ihn aufge- muntert, ihm aber auch zu verstehen gegeben, daß es mit der Zusage der Eltern wahrscheinlich nicht zu rasch gehen würde. Brada war arm; schon die Notwendigkeit, sich eine neue Attila oder einen neuen Gaul anzuschaffen, machte ihm Kopfzerbrechen« Und es war fraglich, ob Benedikte sich würde einschränken kön nen. Sie war freilich in keineswegs luxuriösen Angewöhnungen erzogen worden, aber immerhin lebte man in Hohen-Kraatz aus voller Hand. Brada nahm sein Sektglas und nickte seiner Nachbarin zu. „Auf unser Wohl, Fräulein Benedikte," sagte er. „Ich bin egoistisch; ich sage nickst: auf Ihr Wohl, sondern zirkle das meine mit ein. Geht es Ihnen übrigens gut, fühle ich mich auch wohl. Nun erklären Sie mir einmal, weshalb Sie vorhin so stürmisch den Hühnerhof verließen?" (Fortsetzung folgt.)