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Wilsdruffer Tageblatt : 16.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192306164
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230616
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230616
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-16
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 16.06.1923
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Chronik der Gewalttaten. — Bei dem Weichensteller Nießen in Frenz bei Esch weiler erschienen zwei Belgier und forderten die Räumung seiner Wohnung. Nießen zeigte ihnen im Nebenzimmer seinen vor einigen Stunden verstorbenen Enlel und bat, ihm Aufschub bis nach der Beerdigung zu geben. Er er hielt jedoch den Bescheid, daß die Räumungsfrist einge- balten werden müsse. Er war daher gezwungen, mit der Leiche seines Enkels auf die Straße zu wandern. — Auf der Landstraße Elberfeld—Neviges wurden die Familien der Eisenbahner, die in den letzten Tagen aus den besetzten Gebieten ausgewiesen waren, ausgesetzt. Es waren im ganzen 71 Personen, darunter 29 Frauen, 2t kleine Kinder, 2 Säuglinge sowie 16 größere Kinder. Sie waren nur mit dem allernötigsten Gepäck versehen und wurden schonungslos auf offener Straße ausgesetzt. Dar unter eine Frau mit sieben kleinen Kindern, die im letzten Stadium der Schwangerschaft steht. — Die Zahl der in Katernberg ausgewiesenen Eisen bahner beträgt 68. Unter diesen befindet sich auch ein Vater mit drei Söhnen, von denen der eine im Kriege beide Beine verloren hat. — Der französische Ortskommandant in Esten hat dre Veröffentlichung der Rede des preußischen Ministerpräsi denten Braun über die rheinische Frage '? —-w. Gewaltige Kohtenpreiserhöhung. Rund 52 Prozent. Wie zu erwarten war, haben die Organe der Kohlen- Wirtschaft die erneute Steigerung der Kohlenpreise nunmehr vorgenommen. Die Erhöhungen betragen für Nuhrfett- fürderkohle 82 074 Mark, Oberschlesien durchschnittlich 74 991 Mark, Niederschlesien durchschnittlich 87 358 Mark, Sachsen durchschnitlich 106176 Mark, Nieder- Se.chsen-Jbbenbüren durchschnittlich 81288 Mark, Nieder- sachsen-Borsinghansen durchschnittlich 89 109 Mark, Aachen- Eschweiler durchschnittlich 95 830 Mark, Aachen-Nordstern durchschnittlich 109 061 Mark, Rheinische Braunkohle (Roh kohle) durchschnittlich 14 380 Mark, Rheinische Briketts durchschnittlich 50 531 M., Mitteldeutsche Braunkohle (Roh kohle) durchschnitl. 15 843 M., Mitteldeutsche Briketts 51752 Mark. Diese Erhöhungen steigern sich um die üblichen Steuersätze usw. und nm 900 Mark je Tonne abgesetzter Steinkohle für den Bau von Bergarbeiterheimstätten. Die Beschlüsse erfolgten gegen eine Stimme eines Arbeit nehmers der verbrauchenden Industrie; die neuen Preise gelten ab 15. Iun i. Der Preis für Nuhrfettsörderkohle wird sich diesen Beschlüssen gemäß von jetzigen 221200 Mark je Tonne auf 335 200 Mark erhöhen. Ein Zentner Briketts wird sich zirka auf 16 000 Mark, das einzelne Brikett also auf ungefähr 2000 Mark stellen. Nah und Kern. O Raubüberfall auf eine Reichsbankstelle. In die Neichs- bankstelle in Mettmann drangen drei maskierte Räuber ein und zwangen unter Drohungen den Reichsbankdirektor zur Öffnung des Geldschranks. Den Räubern fielen 42 Millionen Mark in die Hände. Sie konnten unbehelligt entkommen, da seit Monaten jeder Telephonverkehr abge schnitten und in letzter Zeit infolge Gasmangels keine Straßenbeleuchtung vorhanden ist, so daß eine Verfolgung vergeblich gewesen wäre. O Deutscher Gastwirtstag. Unter dem Vorsitz seines Präsidenten Emil Köster-Altona und unter Beteiligung von mehr als 1000 Vertretern des deutschen Wirtsgewerbes aus allen Teilen des Reiches, besonders auch aus den be setzten Gebieten, trat der Deutsche Gastwirtsverband E. V. zu seiner 48. Hauptversammlung in Eisenach zusammen. Wie Verbandsdirektor Haugg-Berlin in dem Bericht oes geschäftsfübrenden Ausschusses bervorbob. ist jetzt die Das Heiratsjahr. Mr Lustspiel^toman tn zwölf Kapiteln. Pa» S«dor ». Zstzeltitz. (46. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten ) Oben auf dem yerrschaftlichen Thor fayen Tübingen, die Ba ronin und Graf Tenpen in der ersten Reihe, dahinter Mar, Haarhaus, die drei Mädchen und Freese mit Bernd und Dieter. Auch hier fehlte niemand. Aber statt Ler Andacht sah man all überall nur neugierige Gesichter. Reinbold hatte nunmehr die Kanzel bestiegen und begann seine Predigt. Sein Organ klang voll, wyrm und schön, und es sprach Seele aus dem Ton seiner Stimme. Der Sonntag war der vierte nach Trinitatis und das Evangelium des Tages han delte von dem Balken und Splitter im Auge. Reinbold zog auch noch die Fortsetzung in das Bereich seiner Betrachtungen: dis Worte vom guten Baum und seinen Früchten und versuchte seiner Gemeinde aus der Praxis des täglichen Lebens heraus den tiefen Sinn jener Weisheit klar zu machen. Und es war seltsam: aus den Gesichtern der Zuhörer verschwand allmählich der Ausdruck der Neugierde und sinnender Ernst und gespannte Aufmerksamkeit traten an seine Stelle. Aller Augen richteten sich noch immer auf den jungen Geistlichen, aber die übermütige Nase, die eine satirische Laune der Natur dem nach Tiefinner stem Strebenden als Patengefchenk in die Wiege gelegt batte, sah niemand mehr, denn alles Aeußsrliche trat zurück, da Rein bold sprach. Er wurde zur Verkörperung des heiligen Wortes, das er lehrte und deutete. Selbst die Baronin schien zufrieden zu sein. Ihr Antlitz wurde weich. Nur einmal schüttelte sie unwillig den Kopf, als Tübingen, der während der Predigt häufig vor sich hin nickte, ihr zuflüsterte: „Na, Eleonore? Kann der Mann etwas? Das ist ein Juwel, sage ich dir. Ich sage dir, der Mann bleibt." Die Baronin wollte in ihrer Andacht nicht gestört sein. Nach beendetem Gottesdienst ging Tübingen in die Sakristei, um Reinbold zu beglückwünschen. Er reichte ihm die Hand. „Haben Sie Dank für Ihre Predigt, Herr Reinbold," sagte er. „Sie hat mir vortrefflich gefallen. Sehen Sie, das ist das Rechte: einfach und schlicht, ohne Schönrederei und auch ohne lyrisch-elegische Sentimentalitäten. Also, es ist abgemacht: Sie bleiben bei uns! Ich werde gleich den Superintendenten be nachrichtigen, dann kann in vierzehn Tagen die Ordination er folgen. Morgen abend sind Sie mein Gast. Kleiner Kreis, Frack ist nicht nötig." Und dann drückte er Reinbold noch einmal kräftig die Hand und ging rasch davon, ehe der überselige und tiefbewegte junge Geistliche noch eine Entgegnung der Dankes stammeln konnte. Einigung des gesagten deutschen Wirtegewerbes erfolgt. Im übrigen beschäftigte sich der Bericht in ausführlichster Weise mit der Not des Gastwirtegewerbes. O Bier Todesopfer eines Bauunglücks. In Bottrop stürzte infolge mangelhafter Versteifung ein Gerüst ein und begrub fünf Leute unter sich. Vier Arbeiter konnten aus den Trümmern nur noch als Leichen geborgen werden, während ein fünfter schwer verletzt dem Krankenhause zu geführt werden mußte. Ein belgisches Kommando und die Rettungsabteilung einer Zeche halfen bei den Nettungs- arbeiten. Der leitende Bauunternehmer wurde verhaftet. Neueste Meldungen. Garantiedcnkschrift der Bauernvereine. Berlin, 15. Juni. Die deutschen Bauernvereine haben dem Reichskanzler eine Denkschrift über die Garanttefrage und die Stellungnahme des in der Vereinigung der Deutschen Bauernvereine zusammengeschlossenen deutschen Bauernstandes überreicht. Die Denkschrift bringt zum Ausdruck, daß die Landwirtschaft bereit ist, von den der Entente angebotenen 500 Millionen Goldmark Jahres leistung der deutschen Wirtschaft entweder nzittelbar im Rahmen einer allgemeinen Steuer oder neben Men leistungsfähigen Wirtschaftszweigen unmittelbar ihren Anteil zu tragen. Ferner ist die Landwirtschaft bereit, ibren Anteil an der Garantie sicherzustellen durch Über nahme von erststelligen ablösbaren Hypotheken. Wertbeständige Hypotheken. Berlin, 14. Juni. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß des vorläufigen Reichswirtschaftsrats stimmte mit vierzehn gegen sieben Stimmen dem Entwurf eines Gesetzes, über wertbeständige Hypotheken zu. Der Vertreter des Neichs- justizministeriums führte zur Begründung u. a. aus, daß für diese Hypotheken der internationale Wertmesser, also Fein gold, geeignet sei; ferner müßten andere Maßstäbe zugelassen werden, weil namentlich der kleinbäuerliche Besitz an die Goldwertrechnung nicht gewöhnt, Wohl aber in der Lage sei, seine Leistungsfähigkeit in Bodenerzeugnissen abzuschätzen. Der „Reichswehrblock" in Magdeburg. Berlin, 15. Juni. Nach einer halbamtlichen Erklä rung ist der in Haft befindliche Roßbach kurz vor feiner Verhaftung in Magdeburg gewesen und hat dort ver sucht, mit Neichswehrangehörigen in Verbindung zu treten. Er kam mit einem jungen Menschen zusammen, dessen Be mühungen aber ziemlich ohne Erfolg blieben. Es haben sich keine Anzeichen ergeben, daß die Organisation über Magdeburg hinausgriff. In Haft befindet sich noch ein Oberfähnrich, die übrigen Reichswehrangehörigen sind entlassen worden. Haussuchungen bei Abgeordneten zulässig. Berlin, 15. Juni. Der Geschäftsordnungsausschuß des Reichstages kam zu der Entscheidung, daß Haus suchungen bei Abgeordneten an sich zulässig seien, da die Wohnungen durch die-Immunität nicht geschützt seien, daß aber von der Beschlagnahme von Schriftstücken, auch von solchen, die den Abgeordneten von Dritten übergeben worden seien. Abstand genommen werden müsse, wenn der Abgeordnete erkläre, daß er die Schriftstücke als ver traulich behandelt wissen wolle. Ein Denkmal für Schlageter? Berlin, 14. Juni. General Ludendorff hat den Offiziersverbänden, dem Nationalverband Deutscher Offi ziere, dem Deutschen Offizier-Bund, dem Marine-Offizier- verein und dem Reichsoffizier-Bund, eine Kundgebung zupichen lassen, in der er für die Errichtung eines Schla- geter-Denkmals eintritt. Ein französischer Posten erschossen. Dortmund, 14. Juni. An der Bahnunterführung —Banken ist ein französischer Posten erschossen wor- Am folgenden Tage ging cs von früh ab im Herrenhause noch erheblich lebhafter zu als sonst. Die Gesellschaft am MenL erforderte ihre Vorbereitungen. In der Backstube wurden Plätzchen, Kringel, Rosetten und Sterne gebacken — zum Tee. Dabei Holsen die drei jungen Mädchen. Die Mamsell als Obsrhosmeisterin war zwar der Ansicht, daß die Mädchen nur störend seien, denn es verstand keine von ihnen so recht etwas von der edlen Kunst des Teig mischens und der Bäckerei: aber die Mamsell war an die dreißig Jahre im Hause und wußte sich zu fügen, wenn es dann und wann auch ein wenig wild zuging. Zum Beispiel, als Miß Nelly ihren neuen und blitzblanken Verlobungsring beim Kne ten des Teigs verloren hatte, was allgemein als böses Omen aufgefaßt wurde; sechs Hände, doch es waren weiße und höchst saubere, kleine Pfötchen, wühlten gleichzeitig im Teig umher, um den Ring zu suchen, und es dauerte lange, bis man ihn fand. Er hatte sich tief verkrochen, und Lab ei hatte sich auch noch eine dicke Rosine in den schmalen Goldreif scstgeklemmt, was Trude wieKerumGelegsnhett zu allerhand symbolischenDeu- tungen gab. Usber die Form der Teekuchen entspann sich ein längerer Streit. Vorgesehen waren nur Plätzchen, Kringel, Rosetten und Sterne, aber Trude wünschte auch Herzen, und nun mußte die Mamsell erst nach der geeigneten Form suchen. Dafür buk Trude auch die gesamten Herzen allein und setzte auf jedes noch drei kleine Rosinen. Ein paar Herzchen erhiel ten sogar fünf Rosinen. Dabei erklärte Trude: „Das ist für Doktor Haarhaus, das ist für Graf Brada, das ist sür Varon Max, und das ist für unsern neuen Pastor." Dies letztere er hielt aber sechs Rosinen. „Trude, was gibst du nur an!" rief Benedikte. „Die Kuchen kommen doch alle durcheinander auf die Teller; wie sollen denn die Herren ahnen, welche Herzen du extra für sie gebacken hast!" „Die Sympathie wird ihnen schon die Hände führen, ent gegnete Trude; „das ist nämlich der Zug von Herzen zu Herzen." Etwas später gab es nach recht schmerzliche Augenblicke. Es sollten acht junge Hähnchen geschlachtet werden, und jedes ein zelne war Benedikte an Las Herz gewachsen. Um diese Zeit fand sich auch Gras Brada ein. Er hatte am Nachmittag wieder ein mal keinen Dienst und kam schon so früh, um den Tisch decken zu helfen, wie er erklärte. Das mache ihm immer ein beson deres Vergnügen und, wie Benedikte wisse, habe er speziell im Arrangement des Blumenschmuckes für die Tafel eine sehr glück liche Hand. „Jawohl, Herr Graf," entgegnete Benedikte lachend, „das weiß ich. An Ihrem Geburtstag Haben Sie fo viel Grünzeug über den Tisch gestreut, daß es aussah, als feiere König Nebu- kadnezar sein Hochzeitsmahl. Indessen, die Blumen haben noch den. Als angeblicher Täter ist ein Bergmann Stellmann von d u Franzosen verhaftet worden. Nähere Einzelheiten sind roch nicht bekannt. 50 Milliarden Mark von den Franzosen geraubt. Dortmund, 14. Juni. Während der Nacht „beschlag nahmten" die Franzosen auf der Reichsbank 50 Milliarden Mark. — In Wanne sind 30 bis 35 Eisenbahner ausge wiesen worden. Die Familien sind aufgefordert worden, binnen 24 Stunden das besetzte Gebiet zu verlassen. Hollein aus Frankreich ausgewiesen. Paris, 14. Juni. Nach Schluß des Ministerrais hat der Minister des Innern die Ausweisung des deutschen kommum wischen Abgeordneten Höllein verfügt. Aus Stadt und Land. ANnnvniocn wr dMt StudUK llkhmcn »tr Krimer S-riLd« errt^oeir. Wilsdruff, am 15. Juni 1923. — Das Wetter will sich in diesem Jahre durchaus nicht „einrenken". Kaum daß man nach dem Barometerstand glaubt, daß es nun endlich einmal anders und zur Beständigkeit werden wird, konzentriert sich der Zeiger wieder rückwärts und bleibt aus Unbeständigkeit oder Wind und Regen stehen. So geht es nun Tag sür Tag. Frühmorgens um 5 oder 6 Uhr, wenn man die Augen austut, begrüßt uns der schönste Sonnen schein, dann trübt sich der Himmel gegen 7 Uhr ein und es fängt langsam, aber sicher an zu regnen. Unter solchen Ver hältnissen ist nun die Hälfte des Rosenmonats entschwunden, in 14 Tagen haben wir des Jahres Höhe erreicht und die Sonne wendet sich zur Umkehr. Was wir dann noch von dem Sommer zu erwarten haben, sind vielleicht einige Hitzewochen oder Tage, wenn solche überhaupt kommen; aber die schönste Zeit des Jahres ist unwiderbringlich dahin. Es scheint, als wenn in jeder Beziehung ein ungünstiges Geschick über Deutsch land schwebte. — Voraussichtliche Witterung. Zeitweise Bewölkungsab nahme, Niederschläge in Schauern, zu kühl, mäßige, böige nord westliche Winde. — Sächsischer Landtag. In der Donnerstagsitzung des Landtages wurde eine Reihe kleinerer Gesetzesvorlagen verab schiedet. Der Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung über das Steuerrecht der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, der den Wegfall der Höchstgrenze des Kirchensteuergesetzes vorsieht, wurde in sofortiger Schlußberatung gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen. Ein Gesetzentwurf, der sich mit der freiwilligen Zusatzversicherung bei der Gebäudeabteilung der Landesbrandversicherungsanstalt beschäftigte, wurde an den Nechtsausschuß überwiesen. Ebenso einige kleinere Gesetze, die die Vereinfachung des gerichtlichen Bekanntmachungswesens, die Erhöhung der Gerichtskosten und andere juristische Kleinarbeit betreffen. Ferner wurde in erster Beratung der 6 Millionen Mark betragende Staatsbeitrag für die Iahresschau Deutscher Arbeit Dresden gegen die Stimmen der Kommunisten an genommen. Ebenso fanden Annahme in Schlußberatung der Entwurf eines Gesetzes über die Hengstkörung, eines Schlacht viehversicherungsgesetzes und eines Gesetzes zur Aenderung des Schädlingsgesetzes. Schluß der Sitzung gegen si-3 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag den 19. Juni, vormittags 11 Uhr. Tages ordnung: Abstimmung über die 25 politischen Anfragen- und ver schiedene andere kleinere Beraiungsgegenstände. — Der öffentliche Vortrag, den Herr Oberpoftschaffner Runar gestern abend im „Löwen" hielt, hatte eine recht zahl reiche Gemeinde gefunden. „Gibt es eine Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben?" beantwortete der Vortragende aus innerster Ueberzeugung in einem Satze zusammengedrängt dahin, daß es eine Auferstehung des Fleisches nicht gäbe, wohl aber ein ewiges Leben für die, welche das große Gebot der göttlichen Liebe befolgen. In der Debatte wurde nicht weniger als fünfmal das Wort begehrt, und aus allen Worten heraus klang mehr oder weniger die Sehnsucht nach allseitiger Be- solgung des Gebots: Liebe deinen Nächsten als Lich selbst! Für die Umsetzung in die Tat ist in besonderm^Maße in der Zeit. Zuvörderst handelt es sich darum, acht junge Hähnchen zur Tötung auszusuchen. Ich bin tief unglücklich. Warum ist bloß der Mensch ein Fleischfresser!" Darauf wußte Semper keine Antwort, oder aber er ver schwieg sie. Doch folgte er Benedikte willig auf den Hühnerhof. wo die alte Putenfrau fchon aus der Jagd nach den Opfern des Abends war. Trude, Nelly und Stupps wurden zur Hilfe herbeigeholt. Nun begann ein wildes Haschen und Greifen, an dem sich auch Brada beteiligen wollte, Lie Jagd aber wieder aufgab, da er unter dem umherflatternden Hühnervolk für seine gute Attila fürchtete. So hatte man schließlich mit Aufwendung vieler Mühe sieben Hähnchen zusammengebracht und in einen Weidenkorb gesperrt; aber das achte wollte sich nicht greifen lassen. Und gerade auf einen besonderen Liebling Venediktes hatte es Lie Görbitschen abgesehen. „Lassen wir es doch am Leben," bat Benedikte; „sieben sind ja genug." „Nee, gnä'ges Fräulein," antwortete die Görbitschen, „wm mir befohlen wird, dat thu ick ook. Und wenns glei' Lat ganze Geflügelt gilt. . ." Und sie raste wieder mit ihrer Schürze hin ter dem Schwarzweißen her. „Ist es nicht schrecklich" wandte sich Benedikte an Brada. „Sie haben wohl gar kein Mitgefühl mit der Kreatur, Graf Semper?" „Ein Krieger muß an Blut gewöhnt sein, Benedikte. UrÄ wenn Sie einmal eine wackere Soldatenfrau werden wollen müssen Sie auch noch ein bißchen Hütter werden." Benedikts zuckte mit der Oberlippe. „Wer sagt Ihnen denn, daß ich eine Soldatenfrau werden will — he? Kann ich nicht ebensogut einen Landwirt oder einen Oberlehrer heiraten, wenn es schon einmal sein muß?" Brada lachte lustig auf. „Streiten wir nicht darüber. Sie werden doch eine Offiziers frau. Schon weil Sie so viel auf Kameradschaft halten, und weil Sie selber so ein famoser Kerl sind . . . Weil Sie über- Haupt so ein prachtvolles Mädel sind, Benedikte . . . Weit Sie gewissermaßen Lie geborene Leutnantsfrau vorstellen — von der leichten Kavallerie. Ach, Benedikte!" Bei diesem letzten Seufzer fchaute Benedikte bettoffen auf. „Herr Gott, Semper," sagte sie, „Sie werden mir doch nicht hier mitten auf dem Hühnerhofe eine Erklärung machen wollen?!" Etwas in seinem hübschen Gesicht und im Ausdruck seiner Augen machte sie stutzig. Sie wandte sich rasch um und lief mit wildem Lachen davon' Worüber sie lachte, wußte sie selbst nicht. Aber ein andres wußte sie nun ganz genau: Semper war nicht mehr der alte getreue Kamerad! Es schrie fortwäh rend in ihr: Semper ist verliebt in dich! Semper will dich zur Frau haben! . . ttvortseüuna folgt.)
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