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ViMMrDMaii Fernsprecher Wilsdruff Rr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 dem Iahre 4S41 Erscheint seit Srfihtln« bl« auf Weiler-« nur Montag«, MlNwvch« «. A»Uag« nachmlftaq« ; Uhr für den f,I,enden Taz. »ezug«prel« bei s«lbstabho!ung monatlich MI„ durch unsere Austräger tugetragen in der Stadt monatlich MI., auf dem Lande DI»., durch die Post bezogen viert-llährllch Mt. mlt Austeklung«gebühr. «Ne Postanstalten und Postboten sowie «nsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit S-ffeNung-n entgegen. Im Faste -Sherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Beftiebsstärungen ha« der Sepeher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung »der Kürzung des L-zugspr-tsc«, Znserttonspreis MI. für di« « gespalten« Korpus,«Ne oder deren Raum, R-Namen, di, r spaltig« Korpus,«»« Ml. Sei Wiederholung und Zahresauftrag enisprechender Preisnachlaß. Lelanntmachungen lm amtlichen TeU snur »ou Lehärden) die r gespaltene Korpuszelle Ml. Nachwelsungs-Gedühr pfg. Anzelgrnannahme bis oormlftags 1« Uhr. Für dl« Rlchftgwt der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir leine Garantie. Feder Rabatt- anspruch erlischt, wenn der Setrag durch Klage elngezogen werd«, mu» »d«r d«r Auftraggeber in Konkurs ^rtt. Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. «»rleqer »nd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Berantwortlichcr Schriftleiter: Hermann Lässig, sür de« Inseratente«: Arth«, Asch««»e, »eide i« Wilsdruff. 82. Jahrgang. Nr. 69. Sonnabend / Sonntag 14. /15. Juni 1923. Amtlicher Teil. Infolge der erneuten Kohlenpreiserhöhung sieht sich der Kom- munalverband Meißen-Stadt und -Land mit Ermächtigung des Ernährungsausschuffes genötigt, für das aus Umlagegetreide hergestellte Schwarz brot mit Wirkung vom 18. Juni d. I. ab folgende Preise festzusetzen: 974 Mk. für das KZ und 1850 MK. sür das 1900-A-Brot. Die Mehl- und Semmelpreise bleiben wie bisher. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Bekanntmachung werden nach dem Reichsgesetz über dis Regelung des Verkehrs mit Getreide vom 4. Juli 1922 bezw. auf Grund des Höchstpreisgesetzes bestraft. Gleichzeitig werden die Bäcker hiermit ermächtigt, ab heute bei Herstellung des Schwarzbrotes bis zu 10»/«, Weizenmehl zu verwenden. 2«r, Meißen, am 14. Juni 1923. Der Kommunalverband Meißen-Stadt und -Land (Amtshauptmannschaft). Kleine Zeitung für eilige Leser. * In einer Versammlung an der Grenze des Ruhrgebiets wurde von Vertretern aller Parteien erklärt, daß von ihnen Wde Erörterung über etwaige Aufgabe des passiven Wider- skmdes abgelehnt wird. * Die Kohlenpreise sind vom 15. Juni ab durchgehend um 82 H erhöht worden. * Zur Verbilligung der Brotverforaung für Minderbemit telte soll der sechsfache Betrag der Zwangsanleihe erhoben werden. * Das französische Kriegsgericht in Mainz hat den deutschen Ingenieur Görges wegen angeblicher Sabotage zum Tode verurteilt. * Die Erschießung der beiden französischen Feldwebel in Dorimund ist als die Folge eines persönlichen Streites mit einem deutschen Oberwachtmeister aufgeklärt worden. * Masche Regierung lehnt es ab, die deutsche Regierung aus die Notwendigkeit hmzuweisen, den passiven Widerstand an der Ruhr zu beendigen. Späte Erkenntnis. Die ganze Welt verfolgt mit Spannung den politischen Kampf, den England zur Stunde mit Frankreich führt, um PoincarS dazu zu bringen, daß er umkehrt oder — nachgibt. Denn das ist der geheime Sinn des jetzt im Gange befindlichen Meinungsaustausches zwischen London und Paris. Man hatte an der Themse vorausgesehen, daß Frankreich auch jetzt wieder den deutschen Vor schlägen ein starres Nein entgegensetzen und Belgien zur Nachfolge zwingen werde, und man hat deshalb Herrn VoincarS einen Fragebogen vorgelegt, damit man auf Grund seiner Antworten gegebenenfalls der öffentlichen Mei nung der ganzen Welt sagen könnte: Hier, seht Ihr, Poin- care erklärt ganz unverhüllt, daß es ihm nicht auf Bezahlung sondern aus Annexion ankommt. Die englische Rechnung ist dabei vollkommen überzeu gend und einfach. Lie läuft nach dem Urteil guter Kenner der großen europäischen Politik darauf hinaus, den breiten Massen des französischen Volkes zu beweisen, daß es von Deutschland Geld und von England militärischen Schutz haben könnte, daß aber Poincard es statt dessen in eine Periode ständiger Kriegsbereitschaft und weltwirtschaft licher Bestrebungen Hineinreißen will, die schon einmal unter dem viel größeren ersten Napoleon das Land in tausend faches Unglück und in den wirtschaftlichen Zusammenbruch gestürzt haben. Wie das jetzige Ringen ausgeht, steht dahin, und wir in Deutschland selber sind ja nur Gegenstand und nicht selbständig mithandelnde Partei. Aber, wie die Dinge heute liegen, brauchen wir nicht einmal in dem bishergen Maße zu fürchten, daß die Entscheidung ausschließlich auf unsere Kosten erfolgt. Denn einmal ist anzunchmen, daß Frankreich den offenen Bruch mit England nicht wagt (weil das eben nur um die Preisgabe seiner geheimsten Er würgungspläne möglich wäre), und zum zweiten werden wir, wie immer sich Paris mit London einigt, eben doch Nichtmehrzahlen können, alswirhaben und als wir in unserem Memorandum anboten. Nach den neuesten Nachrichten soll übrigens Poincars auch bereits nicht mehr mit der anfänglichen Unzugänglich keit die Forderung nach der bedingungslosen Einstellung des deutschen Widerstandes unter Ablehnung aller Verhand lungen aufrechterhalten. Ferner mag angeführt werdm, daß es heißt, die jetzt wesentlich entschiedenere Haltung der englischen Negierung habe ihren Grund in seiner weitgehen de» Verständigung mit Amerika. Jedenfalls sind das zwei Anzeichen dafür, daß England, zunächst wenig stens,^nicht ohne Ersolg fickt. Wie wett die Überzeugung schon in England durchge drungen ist, daß die Sache Deutschlands indirekt zu einer Sache Englands geworden ist, geht z. B. daraus hervor, daß man gegen Llowd George in steigendem Maße wegen seiner Mitschuld an dem Versailler Frieden schwere An griffe richtet. Man hat heute in England erkannt, wie schwer der „Premierminister des Krieges" sich gegen den ersten Grundsatz englischer politischer Tradition vergangen hat. Das Vorherrschende in oen Beziehungen zwischen England und Frankreich war nämlich die Jahrhunderte hindurch immer der Kampf, ein dauernder innerer Geaeniab. oer burch Episoden einer mehr oder minder deutlichen „Lowats esrclmw" unterbrochen wurde (im 16., 17., 18. unv besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts), der aber immer wieder hervorbrach. Die Eptente war an der Tagesord nung, wenn Frankreich schwach war. Aber Frankreich ist immer wieder stark geworden, und wir sehen seinen selbst süchtigen Ehrgeiz, seinen zähen Lebenswillen durch die Jahr- bunderte treiben, und wir erleben besonders in unseren Lagen seine maßlose Gewalttätigkeit, seine Bedenkenlosig keit im Handeln und vor allem seine Kunst, das alles mit rednerischem Schwung als Vortämpfertum sür die Mensch heit auszugeben. Und England? Auch seine Entwicklung ist sich stets treu geblieben. Der Trieb zur Selbsterhaltung sollte in den Großmächten der Gegenwart erstorben sein? Ist das französische Kohlen- und Erzmonopol für England gleich gültig? Ein Übermaß von der Gewalt, über die das Frankreich von morgen verfügen wird, wenn man ihm nicht ein Halt! zurust, würde auch nicht davor zurück- schrecken, die Axt an die Grundfesten des englischen Weltreiches zu legen. Die Sicherheit Englands ist es, die dem Ministerpräsidenten Baldwin vorschwebt. Jene Sicherheit, die nur dann gewährleistet ist, wenn sie sich nicht nur auf die kanonenstarrende Küste des Kanals und der Nordsee, sondern auf eine positive Mitwirkung inner halb der Festlandspolilik stützt. Am Anfang und Ende der psychologischen Entwicklung, die wir in England bis zum heutigen Tage verfolgen, steht Lloyd George. Aber der Lloyd George von 1923 verleugnet den von 1919, den man als den Hauptschuldigen in der heutigen schwierigen Lage Englands betrachtet. Und schließlich Deutschland? Umklammert, ver elendet, zerstückelt hat es gerade in seiner Umklammerung, Verelendung und Zerstückelung einen neuen inneren Willen zur Nation bewiesen. Stärker denn je in seiner Geschichte lebt in ihm heute das Bewußtsein der Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen. Und den Weg in die nächste Zlckunft weist ihm das Ruhrdeutschtum, das sich, wie alle Nachrichten Tag um Tag lehren, mit leidenschaftlicher, heißer Empörung dagegen auflehnt, daß man auch nur für eines Gedankens Dauer die frecken For derungen eines Poincars in Erwägung ziehen kömue. Sechsfache Zwangsanseihe. Zur Brotverbilligung für Minderbemittelte. Im Volkswirtschaftlichen Ausschuß des Reichstages erfolgte die Abstimmung über die Anträge bezüglich der Aufbringung der Mittel für die Brotverbilligung der Be dürftigen. Abgelehnt wurde der Antrag der Demokraten, der die Abgabe in drei Terminen: 1. August 1923, 1. Januar 1924, 1. April 1924 erheben wollte. Für den ersten Zeitabschnitt sollte das Dreifache der Zwangs anleihe erhoben werden. Ebenfalls wurde abgelehnt der Antrag der Deutschnationalen und der Deutschen Volks- Partei, der auch das Dreifache, allerdings erst am 1. Sep tember 1923, vorsah. Gegen die Stimmen der Linke« wurde abgelehnt, daß die Abgabe das Zehnfache der Zwangsanleihe betragen soll und statt des 1. August der 1. Juli als Zahlungstermin gelten soll. Mit den Stimmen des Zentrums und der Sozial demokratie wurde dann ein von diesen Parteien gemein sam eingebrachter Antrag angenommen, der als Abgabe das Sechsfache der Zwangsanleihe erheben will. Die Ab gabe ist am 1. August zu zahlen, für spätere Zahlungen wird ein Zuschlag erhoben, der der Erhöhung des Gold zollaufgeldes vom 1. August ab entspricht. An der Annahme dieses Antrages im Reichstage selbst ist bei der Zusammenwirkung der antragstellenden Parteien schwerlich zu zweifeln. Die Sozialdemokratie beabsichtigt, bei noch fortschreitender Markentwertung die Abgabe füi Brotverbilligung so zu gestalten, daß die Verbilligung für Minderbemittelte, Sozial- und Kleinrentner unter allen .Umständen sichergestellt wird. Ein zweites Todesurteil. Die Folter als Beweismittel. Wie von französischer Sette mitgeteilt und von deut scher Saite amtlich beftätiat wird, «t der Jmrenieur der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Görges, vom fran zösischen Kriegsgericht in Mainz wegen angeblicher Sabo tage zum Tode verurteilt worden. Zu dieser Wiederholung des Falles Schlageter wird einem Mannheimer Blatt berichtet: In der Nacht, in der die Eisenbahnunfälle in der Malz sich ereigneten, wurde Görges, der in Mannheim wohnte, beim Paffieren der Rheinbrückc von den Franzosen angehalten und wegen des Besitzes einer Pistole verhaftet. In dem sich anschließen den achtstündigen Verhör, während dessen Görges mit Reitpeitschen, Fußtritten usw. schwer miß handelt wurde, soll er unter den Folterqualen eingestanden haben, bei Sabotageakten beteiligt ge wesen zu sein. Er wurde dann in das Militärgefängnis Mainz eingeliefert und unternahm dann in schweren seeli schen Depressionen, die durch weitere maßlose Quälereien hervorgerufen worden waren, mehrere Selbstmordversuche, welche aber mißglückten. Das furchtbare französische Kriegsgerichtsurteil hat also als einzige Stütze ein durch mittelalterliche Folterqualen erpreßtes Geständnis. Der Verurteilte ist geboren 1898 in Hundisburg (Kreis Neuhaldensleben). Sein Vater war Landwirt. Er war seit Februar 1922 Landwirtschaftslehrer in der Versuchsstation der Badischen Anilin- und Sodafabrik. Er war als Mann von ruhigem und zurückhaltendem Charak ter bekannt, so daß schon aus diesem Grunde die Behaup tung der Franzosen, daß er sich mit Sabotageakten ge rühmt Habe, jeder Glaubwürdigkeit entbehrt. Selbstver ständlich werden von der deutschen Regierung alle Mittel in Bewegung gesetzt, um eine Vollstreckung dieses zweiten Todesurteils mit besserem Erfolg als bei dem un glücklichen Schlageter zu verhindern. Aufklärung der Dortmunder Morde. Im Streite wegen einer Frau. Die Untersuchung der für Dortmund so überaus folgen schweren Erschießung der beiden französischen Feldwebel hat bisher ergeben, daß die beiden Feldwebel von dem Polizei- obcrwachtmristcr Bolduan erschossen worden sind. Bol duan selbst ist in einer der letzten Nächte von einer Patrouille erschossen worden, weil er sich in den Sperrstunden auf der Straße befand. Von vornherein muß festgestellt werden, daß die Tal keinerlei politischen Hintergrund hat, daß es sich vielmehr lediglich um einen persönlichen Streit zwischen Bolduan und den beiden Franzosen handeln soll. Ein Gastwirt hat unter Eid ausgesagt, daß Bolduan ihn nach dem Vorfall erklärt habe, daß er mit den zwei französi schen Korporälen schon früher in Streit geraten sei, und daß er diese am Sonnabend nacht wieder getroffen habe. Der eine von ihnen hätte ihn auf dem Bürgersteig absichtlich an gestoßen. Es kam zu einem Wortwechsel, wobei die Franzosen zur Waffe griffen. Dann habe er die bei den erschossen. Er habe in Notwehr gehandelt. Die Frau Bolduans soll mit einem der Feldwebel ein Verhält nis gehabt haben, und dies sei der Grund des Streites zwischen diesem und Bolduan gewesen. Die Franzosen er.« klären nach wie vor, daß wenigstens zwei Täter in Frage kämen, und sie lehnen trotz erneuter Vorstellung eine Besichtigung der Leichen beider Feldwebel durch deutsche Arzte nach wie vor ab. Nach einem andern Bericht ist die Frau Bolduans eins übel beleumdete Person, mit der er in Scheidung lebte. An dem betreffenden Abend soll Bolduan von den Franzosen vom Bürgersteig gestoßen worden sein. Nach einem heftigen Wort wechsel hat Bolduan, der sehr erregt war, auf die beiden Fran zosen geschossen. Er flüchtete dann und hielt sich versteckt. Er wurde am Montag abend von den Franzosen, die seine Spur veriolgt halten, in einem Kornfeld erreicht, und als er ans Anruf nicht stehen blieb, auf der Flucht erschossen. Es heißt, daß der Belagerungszustand nach drei Tagen wieder ausgehoben werden soll. Während der Beerdigung der ums Leben gekommenen Deutschen werden alle Geschäfte in der Zeit von 3 bis 5 Uhr geschloffen. In den Betrieben findet eine viertelstündige Arbeitspause statt, und alles, was sich um 4 Uhr i nachmittags aus der Straße befindet, wird drei Minuten stehen f bleiben.