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Wilsdruffer Tageblatt : 14.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192305144
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230514
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230514
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-14
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 14.05.1923
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Nreverwge der Wettzen Armee ram er 1821 tn die Schwerz, wo er eine Anstellung fand. Er ist der Sohn eines be kannten Petersburger Schokoladenfabrikanten, der unter bolschewistischer Herrschaft im Gefängrris vor Hunger ge storben sein soll. Beisetzung Worowskis in Petersburg. In Lausanne fand eine vorläufige Aufbahrung der Leiche Worowskis in der Kapelle eines am Ufer des Genfer Sees gelegenen Friedhofes statt. Für Sonntag war am Lausanner Bahnhof eine groß angelegte Trauer feier vorgesehen, worauf die sterblichen Überreste des Dele gierten nach Moskau übergeführt werden sollten. Der Schweizer Bundesrat hat beschlossen, einen hohen Beamten des politischen De partements nach Lausanne zu entsenden, um den Opfern des Attentats und ihren Angehörigen das Beileid auszu sprechen. Die Lausanner Polizei gab bekannt, daß sie auf der zweiten Konferenz nicht aufgefordert wurde, Maß nahmen zum Schutze der Russen zu ergreifen, die im übrigen als Privatpersonen gelten. Außerdem habe die Polizei keine Kenntnis von einem Komplott gegen Worowski gehabt. Gegen den russischen Pressechef Ahrens werden die Schweizer Behörden wegen seiner fortgesetzten Angriffe auf die Schweiz mit der A u s w e i- sung vorgehen. Von den in Lausanne anwesenden Dele gationen haben bisher nur die Türken den Russen ihr Bedauern über den tragischen Tod des Herrn Worowski ausgesprochen. Deutscher Reichstag. l35S. Sitzung.) 6L. Berlin, 12. Mak. Zuerst kamen kleinere Angelegenheiten. Das Leutsch-pok msche Abkommen über das Rechtsmitteln erfahren tn Oberschlesien wurde in allen drei Lesungen ohne Ausein- andersetzung angenommen. Abg. Beuermann (D. Volksp.) gab hierauf zu dem von einem Ausschüsse beratenen Antrag über die Neuordnung der Lehrerbildung im Namen aller Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, eine Erklärung ab, in -er eine schleunige gesetzliche Neuregelung der Lehrer« bildung verlangt wird. Staatssekretär Schulz bemerkte dazu, die Regierung wolle diesem Verlangen des Reichstages ent sprechen. Das Etatsgesetz für 1923 wurde ohne Auseinander setzung in allen drei Lesungen angenommen. Zu einer noch vom Haushalt des Reichsarbeitsministeriums vorliegenden Ent schließung über die Unterstützung notleidender Anstalten bean tragte Wbg. Dr. Schreiber sZentr.) die Bewilligung von 12 Mil liarden, von Lenen drei Viertel den Anstalten der Religions gemeinschaften überwiesen werden sollen. Nachdem aus Vor schlag der Regierung der Ausdruck „Anstalten der Religions gemeinschaften" in „kulturelle Einrichtungen gemeinnützigen Charakters" urngeändert worden ist, wird der Antrag ange nommen. Es folgte die 3. Beratung des Haushalts des ReichsmtnisteriumsdesJnnern in Verbindung mit der Interpellation der Dcutschnationalen,' die sich gegen die Auflösung der Dentschvölkischen Freiheitspartei und gegen das Verbot aller Selbstschutzorganisationen wendet. Abg. Graf Westarp ^Deutschn.) begründete die Inter pellationen, wobei er betonte, die Interpellationen entspringen nicht parteipolitischen Rücksichten. Wir wollen damit auch nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen, obwohl wir zum Staatsgerichtshof, der ein reines Parteigericht ist, kein Ver trauen haben. Der Staatsgerichtshof hat in einer vorläufigen Entscheidung das Verbot der Dentschvölkischen Freiheitspartei bestätigt. Er hat dabei seine Aufgabe als Verwaltungsgerichl nicht richtig verstanden. Wenn der Staatsgerichtshof erklärt, es fei ausgeschlossen -atz Minister Severing einseitig oder zu scharf vorgegangen sei, so ist das ein ganz unangebrachtes Wert urteil, dem wir uns nicht anschließen können. Wenn man ein zelne Vereine auflösen kann, so ist es mit Parteien doch etwas anderes. Mit dem Verbot trifft der Minister eine reine Ge- smmmgsgemeinschaft. Nach dem Wortlaut von Severings Er laß wäre sogar die deutschvölkische Fraktion verboten, ein Ver bot. das selbst Ler Staatsgerichtschof nicht für möglich hält. Mit Die 13 TM vW Esse« rufen: Wir starben für Euch, helft unseren Brüdern, gebt zum „Deutschen Volksopfer". oer Weimarer Verladung uns oem Etrundgedanlen des demo- kratvfch-parlamentarischen Systems steht das Verbot des Ministers in unlösbarem Widerspruch. Der Staatsgerichtshof hat den Begriff der „Beschimpfung" sehr verwischt. Er hat z. B. schon eine Beschinrpfung Ler Republik in der Bemerkung gesehen „In- der deutschen Republik genießen die Inden größere Rechte als andere Staatsbürger". Diese Rechtsprechung des Staatsgerichtshoses grenzt an Lächerlichkeit und mach: dieses Gericht zu einem einfachen politischen Machtinstrument, das ohne Rücksicht aus Recht und Gerechtigkeit arbeitet. (Bei fall rechts.) Das Recht der Notwehr und Ler gemeinsamen Ausübung dieser Notwehr werden jene Organisationen sich auch durch Len Minister Severing und durch den Terror der Straße nicht nehmen lasten. Wir verlangen auch die Aushebung der Mutschukbestimmungen des repriblikanischen SchutzgcfetzeS. Reichsminister des Innern Öser erklärte, di« Gründe für das Verbot der Deutschvölkischen Frei heitspartei sind vonl Staatsgerichtshof eingehend nachgeprüft worden, und ich darf annehmem daß damit die Interpellation in diesem Teile ihre Erledigung gefunden hat. (Große Un ruhe und Rufe rechts: „Das ist eine Verhöhnung.") „Nein." entgegnete >der Minister, „das ist eine einfache Feststellung. Mir liegt die Begründung der Entscheidung des Staatsgerich:shofeS vor. Darin wird ausgeführt, Lie DeutschvöMsche Freiheits- Partei sei als Partei anzuerkennen, aber nach -dem republika nischen Schutzgesetz sei auch das Verbot politischer Parteien durchaus möglich. Nur Fraktionen könnten nicht verboten werden. Der Staatsgerichtshof erklärt schließlich Klarheit über die Be rechtigung des Verbotes kann erst durch den Ausgang des Pro zesses Roßbach geschaffen werden. Zu der Interpellation er klären wir, es ist allein Aufgabe des Staates, die Freiheit der Versammlungen zu schützen. Dazu bietet das kürzlich verab schiedete Gesetz über den verschärften Versammlungsschutz neue Handhabe. Der Schutz gegen Gewalttaten ist Sack)« des Staates, nicht einzelner Staatsbürger oder einzelner Organisationen. Es entspricht deshalb durchaus den Ansichten der Rcichsrcgie- rung, wenn die preußische Staatsregierung solchen Saal- und Selbstschutzorganisationen von rechts und links energisch ent gegentritt. Der Minister schloß damit, daß er die Angriffe des Abg. Westarp gegen die Rechtsprechung des Staatsgerichts- hoses entschieden zurückwies. Abg. Scheidemann (Soz.): Wir bedauern, daß die Reichs» regierung dem gefährlichen Treiben der Reaktion in so taten loser Weise zugesehew hat wie bisher. Wir Sozialdemokraten wollen Freiheit der Presse, wir wollen sogar eine gewiss« Schimpffreiheil zulaffen, aber wie wollen nicht die Schieß- sreiheit zulassen. Die weiteren Ausführungen des Redner wandten sich gegen die Dentschvölkischen, wobei er bemerkte, bei dieser Partei handele es sich um eine Verschwörergesellschrst Gegen die Rechts- und Linksbolscheivisten ist tatsächlich mit zweierlei Maß gemessen worden, aber nicht zum Schaden del Nechtsbolschewisten. Die Erklärung des Grasen Westarp, La- Verbot einer Partei sei unzulässig, gab hierauf dem Redner Anlaß, in ausführlicher Weise aus das Sozialistengesetz einzu gehen. Unter großer Bewegung -es Hanfes verlas der Red ner Briefe des Abg. Wulle und anderer völkischer Führer und Unterführer. Die DeutschvöMsche Freiheitspartei sei eigent lich nur der Deckmantel, unter dem alle Organisationen unler schlüpfen könnten. Ferner beschäftigte sich der Nodner mit anti- republikanischen Kundgebungen in der Reichswehr. Nach wei teren Angriffen gegen die Dentschvölkischen, die wiederholt stürmische Austritte hervorriefen, schloß der Redner mit den Worten, die Arbeiter sind die Stütze der Regierung. In dem Werktätigen Volle, das die Republik geschaffen hat, liegen auch die Wurzeln ihrer Kraft. Abg. Marctzky (Deutsche Volksp.) verteidigte die Haltung seiner Partei im Preußischen Abaeordnetenhanse und wandte sich dann gegen verschiedene Ausführungen des Abg. S <yer o e- in a n n. Abg. Henning (Deutschvöll.), den Ler Abg. Scheide mann beschuldigt hatte, einem Manne, den er für den Mörder Erzbergers hielt, zur Flucht Verholfen zu haben, wies diese Be schuldigung energisch zurück. Dann vertagt« sich der Reichstag aus Montag. Französische Offenherzigkeiten. (Von einem Mitarbeiter ander Ruhr.)' Unserem Mitarbeiter, der das Ruhr gebiet bereist, ist es gelungen, direkte Be ziehungen zu Franzosen zu erlangen. WaS er sah und hörte, was sie ihm erzählten unv verrieten^ wird in nachstehendem Aufsatz be richtet. Mair möchte gern wissen, wie die Franzosen denken. Die deutschen Quartiergeber, denen zwangsweise franzö sische Offiziere zugeteilt sind, vermeiden Gespräche mit ihnen, obgleich die uniformierten Räuber es immer wieder versuchen, sich ihnen sozusagen gesellschaftlich zu nähern. Wenn das nicht geht, schütten sie Hausangestellten gegen über ihr Herz aus. Da ist einer, der beklagt sich im Hause des Rechtsanwalt Niemeyer in Essen gegenüber der Stütze, wie vereinsamt er sich hier fühle. „Es ist geradezu entsetzlich, daß man wie ein Aussätziger behandelt wird! Kein gebildeter Mensch spricht mit uns. Man hat auch nichts zu tun. Man sitzt immer wieder mit den Kameraden im Kasino, aber wir können einander nicht mehr riechen!" Ähnlich äußern sich mir gegenüber andere Offiziere. Erst tn den allerletzten Tagen meines Aufenthalts im Ruhrgebiet habe ich die Verbindung mit ihnen aufge nommen. Ursprünglich hatte ich nicht daran gedacht, aber nun erwacht der sportliche Eifer bei der Erkundung. Goethe sagt: soviel Sprachen man spricht, soviel mal ist man Mensch. Gut, ich ziehe also fiir eine Weile einen anderen Menschen an, sagen wir einmal, einen Spanier. Meine Frau, erzähle ich, ist eine Französin. „Oh, mon Kommandant, wir haben sogar einen Vetter im französi schen Offizierkorps gehabt, er müßte wohl Ihr Alters genosse sein, der George Etienne aus Nancy, haben Sie den nicht gekannt? Er ist leider schon vor dem Kriege ge storben." Nachdem ich an den einen den Anschluß gewonnen habe, ist der Anschluß! an weitere leicht. Ich frage, warum man eigentlich den Irrsinn begangen habe, am Ostersonn abend 13 Kruppsche Arbeiter zu erschießen, was doch die Deutschen ungeheuer aufregen müsse. „Die Sirenen, mein Herr, die Sirenen, das war ja ein tierisches Geheul in den Lüsten! Da kann man schon die Nerven verlieren. Was wollen Sie, unsere Leute hatten natürlich Angst! Und wenn der Soldat Ängst hat, dann schießt er eben." Ganz klar. u. Aber hinterdrein die offenbar im voraus be schlossene Verurteilung der Krupp-Direk toren, was Wolle man denn damit erreichen? „Das ist unser altes, bewährtes System auch aus anderen „Kolonien", mein Herr. Die Häuptlinge der Eingeborenen werden erschlagen oder weggesührt. Die führerlose Masse kuscht dann. Wir werden rücksichtslos bis zum Siege die Beamten, die Vcrkehrslciter, die Industrie kapitäne, ja die Gewerkschaftsführer entfernen. Mit dem Nest der Deutschen im besetzten Gebiet, mit der Masse, haben wir dann leichtes Spiel." Der Schlag gegen die Krupp-Werke gilt den Franzosen als Stoß direkt in das Herz des Feindes. Sie glauben nicht, daß dieses Königreich der deutschen Indu strie das politisch neutralste bei uns war, sie halten es für einen Herd des Nationalismus, sie sehen in dem zurück haltenden, immer noch den Diplomaten verratenden Herrn Krupp v. Bohlen und Halbach einen Eiferer der Re- Das HeiraisjaHr. Wn LustspiebRomsn tn zwölf Kapü^ Bou Fedor sSV. Forsseßung., (Nachdruck verboten.) „Wir wollen gut machen, was noch güt zu machen ist," be merkte Tübingen. „Es fragt sich nur: Bowle oder reinen Sekt?" Semper wehrte sich: er bäte um keinerlei Umstände. Aber Tübingen hieß ihn schweigen. „In diesem Falle haben Sie nicht mitzureden, Semper. Sie sind der Bekenner, wir die Richter. Ich bin für das mildeste Strafmaß: eine Bowle — und zwar deshalb, weil — wie mir meine liebe Frau soeben zuflüstert — frische Walderdbeeren im Hause sind. Wer einstimmt, der hebe die Hand empor." Alle taten es: die Jungen unter wildem Gejauchze. „Ich möchte mir noch einen Vorschlag erlauben," sagte Haar haus. „Wir haben Vollmond und die Luft ist wunderbar. Können wir nicht mit der Bowle in den Garten wandern? Dann scheint der Mond in die Goldflut des Weines hinein, ein Effekt, den ich schon mehrfach erprobt habe und als den Höhe punkt der Genüsse preisen kann." „Bravo!" rief Graf Teupen. „Das ist epikurisch: das ist äußerst vornehm. Eine Vereinigung des Aesthetischen mit dem Materiellen." Auch die jungen Damen, die diese Idee sehr poetisch sanden, zollten Beifall. Tübingen rief den alten Riedecke: „Bier Sillery mousseux, sechs Moselblümchen und eine Rauenthaler; das wird vorder hand genügen. Und dann Eis." Als Riedecke mit dem Wein zurückkam, hatte man beinahe abgespeist. Das war allen recht. Draußen lockte der Mond, und auch eine verspätete Nachtigall schlug noch im Flieder. Riedecke brachte die Bowle, ein riesiges Gefäß, das in einer noch riesigeren Bronzeschale stand, die mit Eisstückchen gefüllt wurde. Die Bowle war das Abschiedsgeschenk der Kameraden von der Garde an Tübingen, und jedesmal, wenn der dicke Baron sie sah, ward er wehmütig und begann in Erinnerungen zu schwelgen. „Kinder, was trank man damals zusammen," erzählte er, während er den Mosel einfüllte. „Ich kann mir nicht ver hehlen, es geht ein leichterer Zug durch die Welt. Dunnemals mußte alles schwer und kräftig sein: das nannte man gediegen. Auch die Bowlen. Die waren so ähnlich, wie die vom alten Kielniann. Wir nahmen immer ein paar Flaschen Portwein dazu. Man mußte die Gediegenheit auch spüren. . . Niedecke, nun mach' den Sekt auf!" Der Alte war unvorsichtig. Er ließ einen Pfropfen springen. Es gab einen Knall und dann flog der Pfropfen zuerst an die Decke und an das Ohr der Plafondnymphe, das Benedikte auf niederländische Art übermalt hatte, und sprang hierauf zurück und zwar mitten auf den Tisch. Die Jungen brüllten vor Uebermut, und der Mousseux schäumte lustig aus dem Flaschen hälse. Dabei fiel Benedikte etwas Besonderes ein.' „Papa," sagte sie, „kannst du mir nicht einmal ein Glas Champagner geben? — Ich habe mich nämlich neulich mit Trude gestritten. Trude meinte, da wäre Wunder was dabei, ein Elas Champagner in einem Zuge auszutrinken, so wie es Doktor Haarhaus und Semper immer machen. Ich glaube aber, das ist ganz leicht." Die Mama erklärte, Benedikte möchte diese Kunststücke doch lieber den Herren überlassen, wogegen Tübingen meinte, er fördere jeglichen Wissensdurst und von Riedecke ein paar Spitzgläser kommen ließ. Nun machten Haarhaus und Sem per erst die Sache vor. Dann kam Benedikte an die Reihe. „Ha," sagte sie, „das ist gar nichts!" Wer der prickelnde Duft des Mousseux stieg ihr in die Nase. Sie nieste und lachte, setzte an, verschlückette sich und goß sich den Champagner auf die Bluse. Jetzt wurden auch die Großen zu Kindern. Die Baronin protestierte zwar, aber Tübingen wollte sehen, ob er das auch noch könnte. Zu guter Letzt probierte unter allge meiner Heiterkeit selbst Graf Teupen den „Husarentrunk". Und er gelang ihm. „Seht ihr, es geht noch," sagte er lachend. „Ja, Kinder, die Zetten ändern sich. Ich war bei den Saxo-Dorvssen aktiv, und mein alter Heidelberger Magen hat lange genug vorge- halton. Aber die diplomatischen Diners ruinieren den Men schen." „Fertig!" rief Tübingen, als er die letzte Flasche Sekt in die schäumende Flut quirlen ließ. „Riedecke, ist der Tisch unter Len Kastanien gedeckt?" „Zu befehlen, Herr Baron; Stupps hat ihn gedeckt." Unter den Kastanien war es in der Tat herrlich. Die Luft lau und von Blütendust durchweht. Der Vollmond rückte ge rade über die Ahornbäume herauf, die den Park nach der Dorfseite abgrenzten und dort bewegungslos, gleich riesigen schwarzen Schildwachen, standen. Die Atmosphäre war wie mit Gold durchrieselt. Riedecke wollte eine Gattenlampe auf den Tisch setzen, aber man schickte ihn wieder zurück. Es war hell wie am Tage. Die Kieswege glänzten schneeweiß. Haar haus gab der Bowle ihren Platz, so daß tatsächlich der Mond in sie hinein schien. Alls bewunderten die Wirkung, erhoben jedoch lärmenden Widerspruch, als Graf Teupen scherzend sagte, das Bild sei zu schön — man solle die Bowle nicht austrinken, sondern sich nur an ihrem Anblick erfreuen. Max war bisher sehr still gewesen. Das fiel nicht auf; er hatte von seiner früheren Lebhaftigkeit viel eingebüßt, seit er in Afrika gewesen war. Die Eingeweihten wollten wissen, daß das noch der Nachhall seiner romantischen Liebesepisode mit Fräulein Warnow sei. Als die Gläser aber gefüllt auf dem Tische standen, räusperte er sich, stand auf und hielt zu aller Verwunderung eine hübsche, kleine Rede auf das Ge- burtstagskind. Nun wurde auch er vergnügt. Man pokulierte tapfer und plauderte dabei vom Hundertsten ins Tausendste. Selbst die Baronin war in guter Laune, aber als Benedikte ein drittes Glas trinken wollte, fand sie dies empörend. „Ach was," sagte Tübingen, „fei gemütlich, Eleonore! Von jeher waren aller guten Dinge drei — und Zimperlichkeit kann !ch nicht leiden. Herr Freese, schauen Sie nicht immer in den Mond und in dis Augen von Miß Nelly! Sprechen Sie auch einmal ein Wort! Hat Ihnen Ihr Freund Reinbold noch nicht geantwortet?" Der Kandidat errötete bei der Anspielung aus die Augen Nellys. „Ja, Herr Baron," antwortete er; „der Brief kam mit der Abendpoft, aber ich wollte nicht stören —" „Nun? Was schrieb er denn? Hat er sein Bild mitge schickt?" „Auch das, Herr Baron —" Und Freese griff in seine Vrusttasche, holte ein Kuvert her vor und entnahm diesem eine Photographie, die er Tübingen reichte. Der Baron stand auf und trat weiter in das Mondenlicht hinein. „Nanu?" sagte er; „hören Sie mal, Freese, haben Sie sich nicht etwa vergriffen? — Das ist ja ein Gymnasiast — mit 'ner Regennass . . - Eleonore, sich bloß! Das ist doch im Leben kein Pastor. Mit so einem vergnügten Gesicht!" Die Baronin nahm das Bild. Sie war entsetzt oder tat doch so. „Nein, das ist unmöglich, Eberhard. Das ist erstens einmal ein Kind, und zwettens sieht mir der junge Mensch zu lustig aus. Den würde niemand ernst nehmen". Das Bild ging im Kreise herum. Währenddessen öffneie Freese den Begleitbrief Reinbolds. „Ich bitte um Verzeihung, Frau Baronin," sagte er be scheiden, „wenn ich mir einen Einwurf erlaube. Als ich Rein bold kennen lernte, störte mich auch zunächst sein — ich möchte sagen — humoristisches Gesicht. Es schien mir durchaus nicht zu seinem Beruf zu passen. Und da hat er mir dann in der Folge sein Herz ausgeschüttet. Sein Vater, Großvater und Urgroßvater waren Geistliche. Er selbst neigt seinem innersten Wesen nach zum Ernsten und Beschaulichen, zu seelischer Re flexion. Er hat viel mehr von schwerem Geblüt als heiterer Natur. Aber das Unglück ist. daß ihm das keiner glaubt, weil er ein so unsagbar fideles Gesicht mit auf die Welt bekommen hat." «Fortsetzung fslgt.1
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