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MdrufferÄMatt Fernsprecher Wilsdruff 7-r. 6 Wochenblatt fÜl Wilsdruff UNd ^MgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Srfchetnl b>« auf w«!kr«< nur Moniagö, MI«woS>« u. Frrl'ng« naLmittag« ä Uhr für den felgenden Lag. Bezugspreis bet Selbstabholung monailich TM., durch unsere Austräger zugeiragen in der «ladt monatlich Ml., auf dem Land« Md, durch die Post bezogen Vierteisährlich Ml. mit Zustellungsgebühr. Alle Postanstalten und Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Zm Aaste häherer Gewalt, Krieg oder sonstiger BetriebsstSrungen Hai der Bezieher »einen Anspruch auf Lieferung der Zeitung »der Kürzung des Bezugspreises. Erscheint seit Znserttonspreis Ml. für die « gespalten- Korpuszelle oder deren Raum, R-Namen, die r spaltlge Korpuszell« M,. Bel Wiederholung und Zahresauftrag entsprechender Pretsnachlaß. Belanntmachungen lm amtlichen Teil snur von Behörden) die r gespaltene Korpuszelle Mk. Nachwelsungs-Gebühr Pfg. Anzeigenannahme bis vormittags 10 Uhr. Für die RIchiigkett der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir »eine Garantie. Zeder Rabatt, anspruch «ritscht, wrnn d«r Betrag durch Klage eingezogen werden MU» »der der Auftraggeber in Konkurs gerät. dem Fahre 4S41 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. B-rleaer und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Herman« Lässig, für de« InserateuteU: Arthur Zschnnte, beide t» Wilsdruff. 82. Jahrgaug. Nr. 56. Dienstag / Mittwoch 14. /15. Mai 1923. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Franzosen haben bei Karlsruhe einen neuen Vorstotz durchgefühN. * Die Paßverordnung ist von General Degoutte auch ans das rechtsrheinische besetzte Gebiet ausgedehnt worden. * Vom 1. Juni ab werden Lie Abzüge tum der Lohnsteuer wesentlich erhöht. * Wegen fortgesetzter Angriffe auf die Schweiz werden die Bundesbehörden gegen den russischen Delegierten Ahrens mit der Ausweisung vorgehen. * Der in Newyort eingetroffene amerikanische Botschafter in Berlin Hougthon erklärte, Deutschland habe alle Hoffnung auf Erzielung auswärtiger HM bei der Regelung des Repara- tionsproblmiS aufgegebe». England und Rußland. Vierzig Jahre alt war der jetzige englische Außen» Minister und stellvertretende Ministerpräsident, Lord Cur zon, erster Carl von Kedlestone, als er Vizekönig von Indien wurde, ihm zur Seite als Vizekönigin eine millionenschwere Amerikanerin; 1899 bis 1905 beneidete er dieses Amt, eines der allerwichtigsten, das England zu ver geben hat. Und er hat sich immer noch als Vizekönig von Indien gefühlt. Viel war er in Asien herumgereist und schon der Dreißigjährige Hatte ein Buch über „Rußland und Zentralasien" geschrieben. „Rußland und Zentralasien" — das wurde stärker und immer stärker das vorderasiatische, wurde überhaupt das englische Problem. Unaufhaltsam schob Rußland von Sibirien und dem Wolgabecken aus die Fühler, die Expeditionen, die Truppen nach Süden zu, nach Persien, das Pamirhochland, Tibet hinein. Immer stärker spitzte sich der englisch-russische Gegensatz zu, immer bedrohlicher zogen die Wolken von Norden her heran gegen die Grund pfeiler der englischen Weltmacht, Indien, wo Lord Curzon thronte. Da schaffte ihm die Nacht des 6. Februar 1904 Lust, als in Port Arthur die japanischen Torpedoboote über die russi schen Schiffe herfielen. Und ein paar Wochen später hielt Lord Curzon seine so berühmt gewordene Rede über die Glactstheorie, die zur Richtschnur der englischen Politik wurde, bis ihr 1918 die reifen Früchte in den Schoß fielen: Indien hatte sein Glacis nach Norden mit Tibet, nach Westen herüber bis zum Nil. Und der Gegner von einst, den die Staatskunst Eduards VU. zum Freund gemacht hatte, so sehr, daß der englische Gesandte Buchanan in Rußland vielleicht mächtiger war als der Zar, ward zer schmettert durch Krieg und Revolution. Doch seit einiger Zeit beginnt das Sowjetrußland außenpolitische Aktivität zu zeigen. Vergeblich waren die englisch-französischen Versuche gewesen, den Bolschewismus zu vernichten mit Hilfe der „weißen" Armeen, das mißlang. Und die erste außenpolitische Tat der Sowjets war das Bündnis mit der um ihr Dasein ringenden Türkei; am Widerstand beider scheiterte der englische Versuch, in Vorderasien reinen Tisch zu machen. Nun ist Lord Curzon der offizielle Leiter der englischen Politik und für ihn gibt es eigentlich immer nur noch das Problem: I nd i en-V o rd e r a si e n. Der uralte Gegensatz zwischen England und Rußland klaffte seit dem Augenblick wieder auf, als der england-freundliche Kerenski am 7. November 1917 von Lenin gestürzt wurde — seitdem kant man nach jahrelangem Krieg über ein kühles Ver hältnis nicht hinaus. Wmn die Botschafterkonferenz vor kurzem Polen gewaltige Gebiete Weißrußlands zusprach, so gab der eng lische Vertreter seine Zustimmung, weil mit dieser Ent scheidung Rußland aufs tiefste getroffen wurde. Aus Gegensatz gegen Rußland ist England polen- freundlich; aus Gegensatz gegen Rußland begrüßt Eng land die Kleine Entente, stützt es Rumänien, das Rußland Beßarabien entriß. Niemals hat England offiziell die Sowjetregierung anerkannt, weil auch diese eines Tages außenpolitische Aktivität beweisen mußte, überall, in Genf wie jetzt in Lausanne, sucht es die Vertrete, der Sowjets fernzuhallen; jetzt sendet es ein Kanonen boot an die Murmanküste, angeblich um die dortige eng lische Fischereiflotte gegen russische Übergriffe zu schützen. In Moskau spricht man schon von Krieg, und der be kannte Karl Radek, der zurzeit zusammen mit dem Berliner russischen Botschafter gerade in Berlin einge- troffen ist, richtete heftige Angriffe gegen den von alters her russenfeindlichen Lord Curzon. Bei dem ganzen Streit handelt es sich um eine Lappalie: England verlangt von Rußland, eine Dreimeilengrenze der Territonalgewässer anzuerkennen, die aber England als Meer betrachtet. Ruß land sieht darin einen englischen Eingriff in die Souverä nität der Moskauer Regierung oder vielmehr einen Aus druck der englischen Feindschaft. Neben machtpolitischen Gründen, aber natürlich in ge ringerem Maße, spielen in der englisch-russischen Gegner schaft noch andere Momente mit, die man am besten schlag- wortarttg mit: dort Kapitalismus — hie Kommunismus. ! kennzeichnet. Das schwingt aber durcheinander, weil der allmählich immer kapitalistischer werdende Kommunismus sich gegen eine wirtschaftliche Überwältigung durch den englischen Kapitalismus und damit englischen Macht- Willens aufs heftigste sträubt. Rußland, das ja wirtschaft lich aufs schwerste notleidet, sehr starke wirtschaftliche Be dürfnisse hat, will sich aber nicht einfach zum englischen Ausbeutungsobjekt machen lassen. Moskau hat Krassin, seinen erfahrensten Wirt schaftspolitiker, nach London entsandt, um mit Curzon zu verhandeln; sollte man zu keiner Einigung kommen, so soll die Londoner russische Handelsdelegation aufgelöst und damit der letzte offiziöse Faden zwischen beiden Län dern zerrissen werden. Dann ist der alte Gegensatz wieder da, den Lenin am 8. November 1917 in die Worte kleidete, die er vor der ersten Sowjetversammlung sprach: Niemals ist Deutschland ein Feind Rußlands gewesen; der wahre, ewige Feind Rußlands heißt -^England. Mhmz der deuWn AtMtiWsmnie. Die englische Antwortnote auf das deutsche Angebot ist dem deutschen Botschafter in London überreicht worden und erweckt fürs erste keinen jo üblen Eindruck, wie es die übliche Hetzkampagne der Scharfmacher vom Quai d'Orsay hätte ver muten lassen. Sie ist höflich gehalten, aber im Kerne ihres Inhalts bedeutet sie doch nichts anderes als eine Ablehnung des deutschen Angebots. Abgelehnt wird vor allein die von Berlin gebotene Reparationssumme, abgelehnt wird der Passus der Garantien im deutschen Anerbieten, der natürlich mit vollem Recht vorerst nicht bestimmter gehalten sein konnte, da jede Garantie selbstverständlich von der Ausnahme der angebotenen Gesamtsumme bei den Alliierten abhängt, deren Charakter wir von vornherein nicht kennen konnten. Und als abgelehnt müssen schließlich die Stellen des deutschen Angebots betrachtet werden, die sich Downingstreet nicht erst die Mühe nimmt, zu beant worten, also die Regelung der gesamten Reparationssrage durch ein Gremium von Wellsachverständigen und die Schaffung von Sicherheiten an der deutschen Westgrenze, die Deutschlands In teressen mindestens ebenso schützen sollen, wie die französischen. Wenn trotzdem die britische Note einen Schimmer des Tröst lichen für uns enthält, so liegt das daran, daß sie in aller Form Englands Bereitschaft bekundet, die Lösung der Neparations frage tunlichst zu fördern und daß sich die britische Regierung in ihrem Schreiben nicht, wie man anfangs erwartete, Frank reich mit Haut und Haaren verschrieben hat. Aber auch die italienische Note ist überreicht worden und > entspricht der englischen in vollkommener Weise. Wir finden die gleiche höflich-kühle Form und die Anwendung ganz ähnlicher Ausdrücke, wie sie Lord Curzon für gut befunden hat. Die Ziele, auf die Mussolini hinsteuert, sind im wesentlichen die gleichen, die die englische Note uns anempfiehlt, hauptsächlich die Wiederholung des deutschen Angebots auf erweiteter Grundlage. Französischer Vorstoß bei Karlsruhe. Truppenverstärkungen im Ruhrgebiet. Die Franzosen, die sich bisher begnügt hatten, den Karlsruher Hafen zu besetzen, sind am Sonnabend einen Kilometer vorgerückt, haben das Bahngleis überschritten und an der Lerchenstraße einen Posten stationiert. Nach der Erklärung des französischen Offiziers soll das besetzte Gebiet sich jetzt bis zur Straße Mühlburg—Knielingen ausdehnen. Der Bahnhof Mühlburg ist noch nicht besetzt. — Aus dem Amtsbezirk Recklinghausen werden starke Truppenverschiebungen zum Zwecke der Truppenverstär- lung gemeldet. * Neue Eisenbahnsprengrmg. Auf der Strecke Bottrop—Osterfeld, etwa 800 Meter nördlich des Rhein-Herne-Kanals, ereignete sich eine außerordentlich umfangreiche Sprengung. Die Detonation war so gewaltig, daß teilweise in Essen, das etwa 6 Kilometer von der Sprengstelle liegt, die Fensterscheiben erzitterten. Durch die Sprengung ist di« nördliche Verbindung Wanne—Duisburg—Meiderich unterbrochen. Es bleibt den Franzosen jetzt vorläufig nur noch die Verbindung über Kettwig—Werden Ein Todesurteil! DaS geheime französische Kriegsgericht. Das Düsseldorfer französische Kriegsgericht verhan delte gegen den Kaufmann Albert Leo Schlageter- Berlin, Kaufmann Hans S ad o w skh-Essen und fünf andere Deutsche. Die Anklage wirft ihnen vor, im Ruhr gebiet Nachrichten gesammelt, Berichte und Schriftstücke an deutsche Behörden übermittelt, Anschläge gegen Per sonen der Besatzungstruppen, Beamte der Alliierten oder von ihnen abhängige Personen verübt, ferner an der Bahn Huger—Epen und Werden—Kettwig vorsätzlich Bahn- körper durch Sprengstoffe zerstört, beschädigt oder zu be schädigen versucht zu haben. Die Angellagten stellten die ihnen zur Last gelegten Taten in der Verhandlung ent schieden in Abrede. Trotzdem wurden verurteilt: Schlageter wegen an geblicher Spionage und Sabotage zumTode, Sadowsky zu lebenslänglicher Zwangsarbeit. Die andern erhielten Strafen von 5 Jahren Gefäng nis bis zu 20 Jahren Zwangsarbeit. Neue Maffsnausweisungen. Durch Spahis vertrieben. Die Franzosen haben in Konz und Karthaus Wetters furchtbare Maßnahmen ergriffen. Rund hundert Eisenb ah n e rsam ilien mutzten in kürzester Frist ihre Wohnungen verlassen, ohne daß ihnen ge stattet wurde, das geringste mitzunehmen. Ganze Viertel waren durch Spahis abgesperrt. Die Fcmnlien wurden auf den Bahnhof gebracht und sofort abtranspor tiert. Um sich die Möbel der Eisenbahner zu sichern, haben die Franzosen in beiden Orten von 9 Uhr abends brs 5 Uhr morgens eine vollständige Verkehrs» sperre verhängt. Im ReichsbahnLireftionsbezirk Ludwigshafen wurden 29 Eisenbahnbedienstete mit Frauen und Kindern ausgewiesen. Ein Teil der Aus gewiesenen erhielt unter Androhung von Strafe den Befehl, den Haushalt mit Ausnahme von Kleidungsstücken und dergl. im jetzigen Zustande zu belassen. Die Verurteilten. Seit dem Tage des Einbruchs in hessisches Gebiet sind von französischen Kriegsgerichten Hessische Staatsange hörige zu insgesamt 123 Jahren und zwei Monaten Ge fängnis und 35 Millionen Mark Geldstrafe verurtettt worden. Rechnet man noch die vom Kriegsgericht Mainz verurteilten anderen nichthessischen deutschen Staatsange hörigen hinzu, so erhöht sich die Gesamtzahl auf 200 Jahre Gefängnis, 72 Millionen Mark und 311000 Frank Geldstrafen. , . Krupp von Bohlen und Halbach und die anderen mit ihm in Werden verurteilten Herren wurden nach dem Gefängnis in Derendorf gebracht, wo sie vorläufig bis zur Entscheidung über die Revision verbleiben werden - Die Verteidiger des vom Kriegsgericht des Brückenkopfes Düsseldorf zum Tode verurteilten Schlageter und des zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilten Sa dowsky legten gegen das Urteil Revision em. Das tote Essen. Der Proteststreik gegen das Krupp-Urteil. Uber das Bild, welches die Stadt Essen während des fünfstündigen Proteststreiks bot, wird berichtet. Schon lange vor 11 Uhr, dem Zeitpunkt, an dem der Proteststreik gegen das Werdener Urteil beginnen soll, haben die Geschäfte und Hotels geschlossen. Die Fenster werden verhängt, sämtliche Gymnasien, Lyzeen und Volks schulen entlassen um 10)4 Uhr die Schüler. Um 11 Uh, beginnen die Sirenen der Fabriken zu heulen. Kurz dar auf öffnen sich die Tore der großindustriellen Werke, und die Flut der Arbeiter und Angestellten ergießt sich in die Straßen. Alles strömt eilig nach Hause. Unangenehm und fast wie eine Herausforderung wird es empfunden, daß gerade in diesen, Augenblick ein französisches Auto mit zwei höheren Offizieren sich den Weg durch die mit Kruppschen Arbeitern dicht gefüllte Altendorfer Straße bahnt. Ihren Höhepunkt erreicht die Kundgebung, als Punkt 12 Uhr in den menschenleeren Straßen auch die elektrischen Straßenbahnen für eine Viertelstunde stehen bleiben und alles Leben erloschen scheint. Die Kundgebung der gesamten Essener Bevölkerung, mit der sich das ganze Ruhrgebiet solidarisch fühlt, nahm einen wahrhaft er hebenden Verlauf und, zeigte den einheitlichen, unbeug samen Willen einer Bevölkerung, die sich ihres Deutsch tums bewußt ist. Erst von 3 Uhr an setzte der Verkehr langsam wieder ein. Um 4 Uhr riefen die Sirenen zu neuem Schaffen, Die tlnlersmhmis des Gefandtenmoroes Die Ursachen des Attentats in Lausanne. In Lausanne wurde der Mörder Conradi vom Untersuchungsrichter verhört. Er wiederholte, daß er seine in Rußland gemarterte Familie rächen wollte. Auf die Frage, welchen Organisationen er an gehöre, verweigerte er die Auskunft. Eine Spur der Polizei scheint nach Genf zu führen, von wo der Mörder einen Geldbrief erhalten haben soll. Conradi hat nach der russischen Revolution unter den Generalen Kornilow und Wrangel gegen die Bolschewisten gekämpft. Nach der