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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Nr. 63. 82. Jahrgang. Sonnabend / Sonntag den 2. / 3. Juni 1923. Staat und Wirtschaft. Das Garant! eangebot der Industrie bildet zurzeit natürlich den Gegenstand vielfältiger Besprechungen^ Verhandlungen und vor allem eines ausgedehnten Presse feldzuges, in deren Rahmen die verschiedenen Wirtschafts tendenzen heutiger Zeit begreiflicherweise hart auseinander» prallen. In den Vordergrund tritt dabei auf der Linken die Neigung, von einer „Nebenregierung der Industrie- Herzöge" zu sprechen. Die Sozialdemokratie als Partei hat z. B. in Berlin Volksversammlungen einberufen, in denen Protest gegen die Bedingungen erhoben wer den soll, die der Reichsverband der Deutschen Industrie trt seiner Denkschrift an die Regierung aufgestellt hat. Ganz allgemein wird die Gefahr hervorgehoben, die der Volksgesamtheit aus der seit dem Kriegsende in die Er scheinung getretenen gewaltigen Vertrustung auf industriellem Gebiete erwachsen müßte. Man braucht nur einzelne Namen zu nennen, um eine Vorstellung von der Größe dieser Zusammenschlutztendenzen zu schaffen. Die Klagen sind noch in Erinnerung, die im Anschluß an die großen Aktienkäufe des Auslandes an der Berliner Börse immer wieder aufgetaucht sind. Während man sich aber verhältnismäßig leicht damit abfand, daß die deutschen Aktien in ganzen Paketen in gegnerische Hände übergingen und dadurch die deutsche Abwehr aufs äußerste beeinträchtigt wurde, verurteilte man in steigendem Matze die Konzenrrationsbewegung innerhalb der deutschen Jn- Dustrie, wenn diese auch, wie man zugeben muß, zunächst im Rahmen einer Entwicklung in der ganzen Welt stand. Dann wird auch die Verstärkung der Abwehr an der Ruhr für diese Konzentration ins Feld geführt. Ein Groß industrieller kauft Wälder- weil er Zellstoffabriken besitzt, gliedert sich Qlwerke an, weil er Schiffe fahren läßt, die Feuerung brauchen. Industriell und geschäftstechnisch ge sehen, liegt diesem Ausdehnungsverfahren auch ein Zwang zugrunde, denn in den heutign unübersichtlichen und ungünstigen wirtschaftlichen und oalutarischen Verhält nissen fällt es in das Interesse Deutschlands und des deut schen Volkes, wenn die deutsche Industrie auf eine möglichst große Vereinfachung und vor allem aus eine syste matische Verbilligung des Verfahrens vom Rohstoff zum Fertigprodukt hinstrebt. Damit wird eine Stärkung der inneren Widerstandskraft der deutschen Wirt schaft herbeigeführt. Das ist heute natürlich von allergrößter Bedeutung, wo die deutsche Wirtschaftskraft, im Direktions- bureau wie an der Maschine, eine der wenigen Aktiven dar- steüt, die uns noch verblieben sind. Aber natürlich spielt auch hier, wie überall, das Menschlich-Allzumenschliche eine Rolle, und oft genug mag das persönliche Auftreten der einen oder anderen führenden Persönlichkeit die Grundlage für die abfällige Beurteilung der nun einmal unausweichlichen Gesamttendenz geboten haben. Der Urgrund aller dieser und anderer Erschei nungen ist tatsächlich nämlich auch der, daß die Kapitalmacht anstatt, gemäß sozialistischer Ankündigung, zu sterben, nach dem Weltkriege nur noch stärker geworden ist als vorher. Kein Wunder aber, daß von ihm deshalb eine Atmo sphäre übermächtigen Einfluß willens auszugehen scheint. Und daher dürsten sich nicht zuletzt die angeführten Be schwerden über die industrielle „Nebenregierung" herschrei- bcn. Die Entscheidung ist offen, ob eine Einstellung tatsäch lich begründet ist. Es hat auch Zeiten gegeben, wo man von einer Nebenregierung der Gewerkschaften sprach, und das beweist zum mindesten soviel, daß auch auf feiten der Arbeit nehmerschaft die Konzentrierung und die Erweiterung der Machtftihäre beobachtet worden ist. 'He große Frage aber, die sich zur Stunde aus diesem Widerstreit der Interessen und Kräfte sUr uns ergibt, geyr dahin, ob der Staat als solcher und ob die Regierung als die Verkörperung der Staatsautorität nicht in Gefahr kommt, zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen zu werden. Auch diese Befürchtung ist in der letzten Zeit tn steigendem Maße geäußert worden. Man hat direkt von einer Abdankung der Politiker und Staats männer zugunsten der Führer im Wirtschaftskampfe ge sprochen. Es ist deshalb nicht ohne Interesse, festzustellen, daß wir gerade jetzt vor einer bedeutsamen Entscheidung über diese Frage stehen. Das Angebot der Industrie hat eine bestimmte Verteilung der Garantielasten aus die In dustrie selbst, aus die deutsche Landwirtschaft, die Finanzen und den Besitz vorgeschlagen. Hinter jedem dieser Kreise stehen starke Mächte. Andererseits ist auch auf feiten der Gewerkschaften alles in lebhafter Abwehrtätigkeit. Trotzdem steht über diesen gegensätzlichen Willenskomplexen vorläufig noch der Staat als die Zusammenfassung der Interessen aller und die Regierung als die von der Volks mehrheit berufene alleinige Sachwalterin der Rechte der Volksgesamtheit. Nicht umsonst hat darum das Kabinett Cuno auch die letzte Entscheidung für sich selber in An spruch genommen. Man erwartet sie auch von thm. Und deshalb darf man erwarten und gewiß sein, daß es bezüg lich des Weges nicht im ungewissen sein wird. Die große Tatsache läßt sich aber nicht leugnen, daß nach dem Kriege ganz neue Wirtschaftsformen sich heraus gebildet haben, und die Aufgabe besteht darin, sich auf sie rechtzeitig und mit Zielbewußtheit einzustellen. Lt. Chronik der Gewalttaten. — Von den Besatzungstruppen wurden bei der Spar kasse in Kupferdreh ungefähr 25V 060 Mark beschlag nahmt und der Kassenbeamte Möllmann verhaftet. I« Überruhr wurde der Kassenbeamte Hermann verhaftet. — Unter der Maske verschiedener Anschuldigungen haben die Franzosen der Stadt Düsseldorf 35 Millionen Mark Geldstrafe aufcrlegt. Auf vielen Straßenbahnlinien ist der Verkehr stillgelegt. . — Die Franzosen haben den Betrieb auf den Bahn- Höfen von Montabaur bis Wallmerod stillgelegt. — Geheimer Regierungsrat Dr. Beckerath, Landrat des Kreises Düsseldorf, ist von den Franzosen verhaftet worden. Dr. Beckerach ist in ein Militärgefängnis übergeführt worden. , . — Von dem Militärpolizeigericht wurde der aufsicht führende Richter des Amtsgerichts Witten, Amtsgerichts- rat Wiegand, wegen Gehorsamsverweigerung zu einem Jahr Gefängnis und zwei Millionen Mark Geldstrafe verurteilt. . , — Die französischen Befatzungsbehorden vertrieben aus dem Bereich des Direkiionsbezirks Mainz 203 Eisenbahner mit ihren Familien und beschlagnahmten den größten Teil der Möbel. _ „ — Generaldirektor Kesten von der Zeche Dahlbusch sollte von den Franzosen verhaftet werden. Da er dienst lich im unbesetzten Gebiet weilt, verhafteten die Franzosen den Prokuristen Lebsanft. Nach einem von diesem zurück gelassenen Zettel soll die Verhaftung wegen Verweigerung von Kohlenlieferungen erfolgt sein. — Das Kriegsgericht in Landau verurteilte den Bahn schlosser Philipp Krämer in Kaiserslautern zu zwei Jahren Gefängnis und einer Million Mark Geldstrafe, weil er einem bei den Franzosen arbeitenden deutschen Eiseichahner Vorhaltungen gemacht hatte. — Bis einschließlich 7. Juni ist von den Franzosen jeder Verkehr über die Rheinbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen unv die Altripper Fähre gesperrt. — In Höchst sind 14 leitende Persönlichkeiten, Direk toren und Prokuristen der Höchster Farbwerke, von den Franzosen ausgewiesen worden. Infolge dieser Aus weisung sind die Farbwerke in eine sehr schwierige Lage geraten, und die Fortführung des Betriebes ist in Frage gestellt. FaH und Fern. O Eine vierzchnköpfige Diebesbande sestgenommen. Eine zehnköpfige Bande von jungen Burschen und Mäd chen, die Massendiebstähle an Leitungsdraht verübten, ist zusammen mit vier Hehlern in Berlin hinter Schloß und Riegel gebracht worden. Die Jungen und Mädchen hatten sich als Wandervögel maskiert und veranstalteten mit Rucksäcken und Mandolinen „harmlose" Ausflüge in die Umgebung Berlins. Die Ausflüge galten aber in Wirk lichkeit der Auskundschaftung von Gegenden, an denen Leitungsdraht am leichtesten abzuschneiden war. Einen Sonntag später schritten die Diebe dann gemeinsam zur Tat; ein großer Teil wurde in die Rucksäcke verpackt, den Rest versteckte man im Walde. Bei Chorinchen hatte die Bande bereits drei Zentner Draht vergraben, als sie ge stört wurde. O Haftentlassung der Frau Spanier. Die berüchtiate Frau Spanier, die wegen zahlreicher Erpressungsaffären und wegen ihrer Beteiligung an der Ermordung des Teppichhändlers Neißer zu langjähriger Zuchthausstrafe verurteilt wurde, ist, wie aus Berlin gemeldet wird, jetzt wegen Krankheit gegen Stellung einer Kaution von einer halben Million Mark aus der Haft entlassen worden. O Neue Kalilager in Hannover. Wie aus Hannover ge meldet wird, hat man in der Nähe von Dannenberg in der Provinz Hannover bei Bohrungen nach Petroleum ein mehrere hundert Meter mächtiges Kalilager entdeckt, mlt dessen Abbau in kürzester Frist begonnen werden soll. Das Lager ist so bedeutend, daß man von dieser Entdeckung be sonders wertvolle Ausbeute erwartet. Unter der Kalischicht vermutet man Petroleumquellen, nach denen weitere Bohrungen vorgenommen werden. O Deutsche Not. In einem Hause am Michelsberg in Wiesbaden hat ein 59jähriger städtischer Brunnenarbeiter namens Schuster sich selbst, seine bei ihm wohnende Tochter und deren 11jährigen Sohn aus Verzweiflung wegen Krankheit und Nahrungssorgen durch Leuchtgas vergiftet. O Zwei Franzosenzüge entgleist. Auf dem militarisierten Eisenbahnnetz der Pfalz sind wieder zwei Franzosenzüge ? entgleist, einer auf der Strecke Landau—Weißenburg, der andere auf der Strecke Neustadt—Kaiserslautern. Ob Per sonen verletzt worden sind, ist noch nicht bekannt. Auch über die Höhe des Materialschadens und darüber, ob die Strecken durch die Entgleisungen gesperrt sind, liegen noch keine Nach richten vor, desgleichen nicht über die Ursache. O Eine Werfthalle nicdergcbrannt. In dem von den Franzosen besetzten Mannheimer Hafen brach in der Be triebshalle der Mannheimer Dampfschiffahrtsgesellschaft ein Großfeuer aus. Die Feuerwehr mußte sich auf den Schutz der Nachbargebäude beschränken. Die Werfthalle, die eine wertvolle Ausrüstung in Werkzeugmaschinen enthielt, brannte bis auf den Grund nieder. Der Schaden ist sehr bedeutend. O Eisenbahnunglück in der Schweiz. In Locarno (Schweiz) stieß bei einem Bahnübergang die Lokomotive eines Güterzuges mit einem Militärlastauto zusammen. (Nachdruck verboten.) (SV. Fortsetzung.) Mit einem Ruck blieb Max stehen. „Na, da hört doch alles aus," schimpfte er, halb ernst, halb etwas leichthin; „bist du ganz des Deibels, Adolf? Man küßt doch nicht gleich jedes junge Mädchen, wenn man ein Glas Bowle getrunken hat! Was sagte denn die Dikte dazu? Sie hat sich's doch hoffentlich nicht gefallen lassen? Hat sie dir nicht Und Max machte eine nicht mißzuverstehende Bewegung mit der Hand. Doch der Doktor schüttelte wehmütig den Kopf. „Hätte sie es nur getan," antwortete er; „dann wären wir wenigstens quitt gewesen. Aber sie war wohl auch so ein klein wenig alkoholisiert — in allen Ehren gesagt. Und da schrie sie denn nur ganz leise auf, und da kamen uns auch schon Brada und Fräulein Palm in die Quere. Aber ich habe die halbe Nacht wach gelegen. Die Geschichte ist mir doch sehr durch den Kops gegangen. Und wie ich mich deiner Schwester gegenüber ver halten soll, weiß ich gar nicht." „Ja, lieber Freund, das mache gefälligst allein mit dir und mit ihr ab. Gott sei Dank ist sie noch ein halbes Kind — es wird ihr also wohl nicht allzusehr zu Herzen gegangen sein. Ich freue mich wenigstens, daß du dir deiner Niedrigkeit bewußt bist und daß du dich zu schämen scheinst." „Aeußerlich nicht, aber innerlich sehr. Ich habe mich sogar schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, Benedikte zu hei raten, wenn sie den Kuß vielleicht emsthast aufgesaßt heben Me." , „Und was denn sonst noch alles! Du bist überhaupt mcht für die Ehe geboren." „Das will ich nicht sagen. Aber ich fürchte, deine Schwester und ich — wir passen herzlich wenig zusammen." „ . „Gar nicht, mein Sohn. Außerdem — hallo, jetzt weist ich, was du zu tun hast! Du erzählst Brada die Geschichte; der fordert dich, schießt dich über den Haufen und läßt sich über deiner Leiche mit Benedikts trauen!" „Sei so gut! Zunächst bin ich auch ein ziemlich treffsicherer Schütze —" „Im Ernst, Adolf. Ich weiß aus mancherlei steinen Aeuße- rungen daß Brada Absichten auf die Dikte hat. Bitte sie bei Gelegenheit um Entschuldigung, schmähe dich selbst, Nage dich m und bringe die Sache wieder in Ordnung, ehe jemand an- de»s etwas davon erfährt. Vor allem Bvada nicht. Im Grunde „Beruhe dich, Schwächling. Man wird dir ein Frühstück vor setzen. Und du willst Afrika erobern helfen!" „Da läuft man nicht so wahnsinnig. Man reitet oder läßt sich tragen. Allons — marschieren wir weiter! Eine Ruhe pause ermüdet nur noch mehr. Ucbrigens scheust mir ein Ge witter in der Lust zu liegen. Ich glaube nick, daß wir heute überhaupt noch nach Hause zurückkehren werden. Es kommt alles auf deine Kappe, mein Sohn. Ich lüge nicht mehr." Max antwortete gar nicht. Er war schon wieder empor gesprungen und kletterte nun die Schlucht hinab. Das war ein beschwerlicher Weg zwischen den umhergestreuten Felssplittern. Haarhaus schimpfte und fluchte. Aber jenseits des Steinbruchs öffnete sich eine Schneise im Walde, di« bequem zu passieren nrar — und in zehn Minuten sah man wirklich den Erlenbruch vor sich siegen: den blauen See mit seiner grünen Umfassung und das von Blumen umbuschte Jägerhäuschen. Die „Friedensfahne" flatterte Max bereits entgegen. Zwei Damen standen am Zaun und ließen ihre Taschentücher wehen. Max versuchte zu jodeln, und ein schöner, Heller Jodler tonte zurück. „Das ist die Seesen, Adolf. Sie jodelt wie eine Sennerin. Singt auch, malt, reitet wie eine Amazone, jagt, macht Ge dichte und ist eine vorzügliche Hausfrau. Diese Frau kann alles." Die Damen näherten sich den Herren. Max flog Elise ent gegen pnd umarmte sie stürmisch, während Frau von Seesen Haarhaus die Hand reichte. „Doktor Haarhaus — nicht wahr?" sagte sie. „Ich konnte es mir denken. Ich hätte Sie zwischen hundert anderen er kannt. Nicht an Ihrem tropischen Aeußeren, das sich hallen läßt, aber als Mitbeteiligter an den verschiedenen Berbrecl-en Max Tübingens. Sie machen durchaus den Eindruck eines Bundesgenossen." Haarhaus antwortete in ähnlich scherzhafter Weise und küßte Frau von Seesen die Hand. Während man dem Hause zu schritt, fand er Zeit, sie mit einem raschen Seitenblick zu mustern. Eine famose Frau, sagte er sich. Sie irrig ein tauben graues Reitkleid, das ihre schlanke und biegsame Figur zu vor teilhafter Geltung brachte. An dem fest geschlossenen Kragen blitzte eine einfache goldene Brosche: zwei ineinander ver schlungene Ringe. Das Gesicht war mehr interessant als hübsch, aber vornehm in den Linien und auch pikant im Ausdruck: ein schmales, etwas längliches Oval mit sehr kräftigem Kinn und köstlich feiner Nase, über der sich die dunklen Brauen fast be rührten. Dazu graue Augen mit grünlichen Reflexen, ein licht brünetter Teint und ein paar Sommersprossen auf den Wangen; das Haar kastanienbraun und schlicht koiffürt. Die ganze Er- scheinung elegant, geschmeidig und eine gewisse herzerquickliche i Frische aussttahlend. (Fortsetzung folgt.) Das OeiratszaHr. > Ein, Luftspiel-Roman tn zwölf Kapiteln» l Von Fedor v. ZoL eltitz. genommen ist es eine fatalere Geschichte, als ich anfangs glaubte. Ja, lieber Adolf, ich kann dir sogar nicht verschweigen, daß ich so etwas nicht von dir erwartet hätte! Wenn Dikte sich nun bei ihrer Mama beklagt? Wenn Papa Rechenschaft von dir fordert? Oder ich als Bruder des unglücklichen Mädchens?" Haarhaus w-sckte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. „Höre mir bloß auf, Max!" rief er. „Jeder Mensch kann sich einmal vergaloppieren. Ich Habs eine Dummheit gemacht — schön — ich werde sie auch wieder gut zu machen suchen. Schaffe mir am Nachmittag oder am Abend Gelegenheit, ein Viertelstündchen mit deiner Schwester allein sein zu können — das ist vorläufig alles, um was ich dich bitte. Nicht viel im Vergleich zu dem, was ich für dich getan habe. Aber du bist ein undankbarer Mensch. Du selbst häufst Sünde auf Sünde, und wenn ich einmal in der Weinlaune einen kleinen Schwup- per mache, dann bauschst du ihn zu einem Verbrechen auf. Pfui über dich!" Der Ton der Unterhaltung wurde allmählich scherzhafter und unbefangener. In Wahrheit regte das Geständnis Haarhaus seinen Freund Max nicht im mindesten auf. In feinen Augen war Benedikte noch ein vollkommenes Kind. Es war keine Ge- fährlichkeit, ihr einen Kuß zu rauben. Mcht in der Ordnung — selbstverständlich — aber war es einmal geschehen, so war es schon am besten, man wischte sich den Mund und schwieg. Daß ein einziger Kuß zuweilen auch verhängnisvoll werden könne — daran dachte Max nicht. Er kannte ja auch Haarhaus Mr Genüge. Die Sache war nicht der Rede wert . . . In den Buchenwald schob sich nun ein breiter Keil Tannen forstung hinein. Max schien hier Weg und Steg zu kennen. Er blieb nicht auf der breiten Landstraße, die in ziemlich gerader Richtung das Dunkel des Tannenwaldes durchquerte, sondern schlug schmale Fußpfade ein, die sich in zahllosen Windungen über das Moosgrün schlängelten. Geraume Weile führte der Weg cm dem Drahtgitter eines Wildparks entlang; ein Baum garten schloß sich an, in dem junge Eichenheister ihr erstes Grün entfalteten. Dann kam lichtflimmernder Virkenbestand und dann wieder Buchenwald mit seinem metallisch leuchtenden, lauen Düster. Endlich machte Max vor einer sich plötzlich inmitten dem Forst weit öffnenden Schlucht Halt; sie war mit Felstrümmern gefüllt, und an dem treppenartigen Aufbau auf der einen Seite sah man, daß sie als Steinbruch benutzt wurde. „So," sagte Max und ließ sich erschöpft nieder; „nun fünf Minuten Pause. In einer Viertelstunde sind wir im Erlen- bruck." „Gottlob," erwiderte Haarhaus; „deine Spaziergänge sind von unangenehmer Weitläufigkeit. Außerdem verdurste ich bei nahe, spüre auch Appetit. Hoffentlich gibt es im Erlenbruch etwas zu essen und zu trinken."