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Wilsdruffer Tageblatt : 24.05.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192305246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230524
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230524
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-05
- Tag 1923-05-24
-
Monat
1923-05
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.05.1923
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— Die Bahnhöfe Siegburg, Hennef, Sayn und Lim burg wurden besetzt und die Stationskaffen ausgeplündert. — In der badischen Anilin- und Sodafabrik sind die von den Franzosen eingestellten Arbeiter in verschiedenen Schichten damit beschäftigt, die beschlagnahmten Farb stoffe abzufiihren. Die drei am Besetzungstage als Geiseln festgenommenen Direktoren werden immer noch im Hauptgebäude der Firma festgehalten. — Die Besatzungsbehörden verhängten über Stadt- nnd Landkreis Krefeld und den Kreis Kempen die Ver- kchrssperre für vorläufig 14 Tage. — Wegen eines angeblichen Anschlags gegen einen französischen Korporal war der Stadt Recklinghausen eine Strafe von 50 Millionen auferlegt worden. Da diese nach der abgelaufenen Frist nicht bezahlt worden war, wurde der Leiter der städtischen Verwaltung, Stadlbaurat Gronanz, verhaftet. Er soll ohne Urteil zwei Monate in Hast behalten werden; außerdem wollen sich die Fran zosen an städtischem Eigentum schadlos balten. Politische Runäschau. Deutsches Reich. Die amerikanische» Forderungen. Eine amerikanische Aufstellung der aus dem Kriege hcr- rübrenden Verbindlichkeiten Deutschlands gegen Amerika gibt den G e s a m tb et r a g auf annähernd 1)4 Mil liarden Dollars an. Die Forderungen der amerika nischen Regierung betragen 366 Millionen Dollars. Der kleinste Betrag der insgesamt 12 416 Anspruchsamneldungen stellt sich auf einen Dollar. Unter den privaten Ansprüchen stehen die Forderungen im Zusammenhang mit dem Unter gang der „Lusitania" an der Spitze der Liste; sie betragen über 22 Millionen Dollars. Revision der Saar-Notverordnung. Aus Saarbrücken wird von französischer Seite offiziös gemeldet, daß die Regierungskommission die Einführung des französischen Frank als gesetzlicher Währung im Saar land mit Wirkung vom 1. Juni 1923 ab beschlossen habe. In einer weiteren Meldung wird angekündigt, daß die Re- gierungskommisfion, nachdem jetzt der Streik eingestellt sei, und um beruhigend zu wirken, eine gründliche Revision der Notverordnung zu erwägen geneigt sei. Bei Schluß der Aussprache des Landesrates habe der Re- gierungsvertreter die Erklärung abgegeben, daß die Not verordnung „gegebenenfalls in naher Zukunft abgeändert" würde. Doppelte Eisenbahnsahrpreise ad 1. Zum. Erhöhung der Gütertarife um 50 A. Die bereits angekündigte Erhöhung der Eisenbahn- tarife tritt nunmehr am 1. Juni in Kraft. Sie beträgt für den Personcnverkehrrund 100 2L. Die Güter- und Tiertarife werden um 50 A erhöht. Nach der Erhöhung kostet der Kilometer vierter Klasse 33 Mark, dritter Klasse 50 Mark, zweiter Klaffe 100 Mark, erster Klasse 200 Mark. (Bisher 16, 24, 43, 96 Mark.) Die Fahrpreise werden bis zu 10 000 Mark auf volle 100 Mark, bis zu 20 000 Mark auf volle 500 Mark, über 20 000 Mark auf volle 1000 Mark nach oben abge rundet. Die Schnellzugszuschläge in der ersten Zone betragen 1000, 2000, 4000, in der zweiten Zone 2000, 4000, 8000, in der dritten Zone 3000, 6000, 12 000 Mark dritter, zweiter, erster Klasse. Die Schlafwagen- gebühren steigen um 45 Verdoppelung des Vrolpreises. Vom 4. Juni ab. In einer längeren amtlichen Erklärung wird eine Er höhung der Abgabepreise der Reichsgetreidestclle vom 4. Juni ab angekündigt. Zur Begründung wird ange führt, daß die jetzige Preisfestsetzung durch die Entwicklung längst überholt sei. Der Preis für das Auslandsgetreide beim Roggen be trage jetzt rund 1^l Millionen Mark, und auch der Preis für die zweite Hälfte des Umlagegetreides sei inzwischen auf durchschnittlich 600 000 Mark festgesetzt. Dadurch seien im Laufe der Zeit derartige Verluste bei der Reichsgetreide stelle entstanden, daß die Reichsregierung trotz ihres Be strebens, auf die gesamte Preisgestaltung mäßigend einzu wirken, eine Fortsetzung des bisherigen Vorschußsystems bei der Reichsgetreidestelle nicht mehr für tragbar erachten könne, da der Mehlpreis nur zu V» den Brotpreis bestimme und der Rest für übrige Unkosten (Transport, Vermahlung, Verpackung usw.) in Betracht komme, seien die Brotpreise sowieso schon verschiedentlich erhöht worden. Die jetzt be schlossene Erhöhung des Abgabepreises von 200 000 auf 800 000 werde sich nicht in einer Vervierfachung, sondern je nach den örtlichen Verhältnissen „nurineiner reichlichen Verdoppelung" des Brotpreises aus- wirken. Die Hinausschiebung des Termins bis zum 4. Juni werde die Möglichkeit geben, daß die öffentlichen Verbände und das Wirtschaftsleben sich mit den Gehältern, Löhnen, Unterstützungen usw. auf den neuen Brotpreis einlichten. Internationaler sozialistischer Kongreß. v. Hamburg, 22. Mai. Zu dem am zweiten Feiertag eröffneten Kongreß waren zahlreiche Delegierte aus den verschiedensten Ländern, darunter Wels, Hermann Müller und Crispien aus Deutschland, Friedrich Adler und Seitz aus Österreich, Tom Shaw, Henderson und Buxton aus England, Bracke, Grumbach und Longuet aus Frankreich, Huysmans und Vandervelde aus Belgien, Greulich und Grimm aus der Schweiz, Branting (Schweden), Troelstra (Holland), Stauning (Dänemark), Abramowitsch (Rußland) und viele andere erschienen. In der Eröffnungsansprache betonte Leuetritz-Ham burg die Hoffnung, daß das Einigungswerk gut gelingen möge. Nachdem durch den Versailler Vertrag der Welt der ersehnte Friede nicht geworden sei, sei es jetzt sogar dahin gekommen, daß man in unbestritten deutschem Gebiet Arbeiter mit Bajo netten zur Arbeit zwingen wolle. Er hoffe aber, daß der Kongreß helfen werde, das unbestrittene deutsche Recht zu wahren. Namens der Hauch urgischen Regierung begrüßte Bürger meister Stollen dte Konferenz, wobei er unter lebhafter Zu stimmung betonte, es müsse auf diesem internationalen Kongreß ausgesprochen werden, daß das deutsche Volk nicht mehr Schuld am Kriege habe als die anderen Völler auch. Es sei nicht nur Wahnsinn, sondern auch ungerecht, wenn man das deutsche Volk zwingen wolle, neben seinen eigenen Lasten auch noch alle Lasten der anderen zu tragen. Soweit wir zur Wiedergutmachung imstande seien, seien wir bereit dazu, aber zu Leistungen über unser eigenes Können hinaus seien wir nicht verpflichtet. In Deutschland nrüsse man zurzeit den Ein druck haben, als ob das Weltgewifsen vollständig einge schlafen sei. Nach verschiedene« Begrüßungsansprachen hob Bracke- Frankreich hervor, seine Partei habe in Frankreich stets gegen die Friedensverträge protestiert. Man müsse sich fragen, ob sie nicht dazu dienten, den Krieg zu verewigen. Der Redner sprach seine Bewunderung für die Arbeiterschaft des Ruhr gebiets aus und ermahnte sie, im Kampfe auszuharren, die Internationale werde jetzt neu erstehen. Die Hamburger sozialistische Arbeiterschaft veranstaltete aus der Moorweide eine Massenkundgebung, wobei von zehn Tri bünen aus 40 Führer der sozialistischen Arbeiterbewegung des In- und Auslandes Ansprachen hielten. Von kommunisti scher Seite wurden Gegendemonstrationen unternommen. Neue internationale Organisation. Das Hauptergebnis der Tagung ist zweifellos die An nahme einer Resolution Adler durch die internationale Arbeits gemeinschaft sozialistischer Parteien (Wiener sog. 2^-Internatio nale). Die mit 99 gegen 6 Stimmen angenommene, von Adler- Wien befürwortete und von Ledebour- Berlin be- kämpste Resolution sagt, daß, falls die Gründung einer sozia listischen Arbeiterinternationale zustandekomme, und die Zweite Internationale gleichfalls ihre Auflösung ausspreche, die Funktion der Wiener Internationale für beendet und ihre Organisation für aufgelöst erklärt wird. Die 214 Wiener Internationale war die Folge der sozia listischen Spaltung während des Krieges, durch die „Unab- l irngige" und Kriegskredite bewilligende Mehrheitsfozialisten i Deutschland und anderen Ländern auseinandergeführt wurden. Jetzt soll Liese Trennung wieder beseitigt werden. iss wird demnächst nur noch die 2. Internationale geben, die auf dem alten sozialdemokratischen Boden steht und die 3. kom munistische Internationale. Im Schlußwort führte Ad ler - Wien aus, was die Mehr heit von Ledebour und seinen Anhängern trenne, sei eine ver schiedene geschichtliche Auffassung der gegenwärtigen Situation, eine verschiedene Auffassung der Entwicklungstendenzen. Die Geschichte wird darüber entscheiden. Es kommt darauf nicht an, nur zu reden von internationalen Aktionen, sondern die Voraussetzungen für internationale Mionen zu schaffen. Die erkältete Sonne. Drei bis vier Prozentweniger Wärmestrahlung Das abnorme Wetter, das uns nun schon im zweiten Jahre beglückt und diesen Mai zu einem vielversprechen den gemacht hat, da er sich „kühl und naß" benimmt, hat natürlich auch den Gelehrten Anlaß gegeben, die Frage nach den Ursachen aufzuwerfen. Der Prof. C. G. Abbot von dem berühmten amerikanischen Smithsonian-Jnstitut hielt kürzlich vor einem Kongreß von Gelehrten einen Vortrag darüber, der geradezu wie eine Sensation wirkte. Er behauptet, daß die Sonne in eine seltsame Periode ihrer Tätigkeit eingetreten sei: sic strahle einfach zurzeit 3 bis 4 A weniger Wärme aus als vor anderthalb Jahren! Während vorher die Sonnenwärme übernormal war — denn das Jahr 1921 ivar das wärmste seit fünfzig Jahren — trat im November, 1921 eine plötzliche Ab kühlung ein, ein Sturz der Temperatur, wie er bisher noch nicht beobachtet worden ist. Natürlich konnte diese Abkühlung bei der durch Wüsten, Ozeane, Wolkcnschleier usw. komplizierten Erdoberfläche sich nicht gleich überall in gleicher Weise bemerkbar machen. In Amerika gab es starke Kontraste zwischen den Nordstaaten und Südstaaten n. dgl. m. Jedenfalls aber hat die Kälte bis jetzt getreulich angehalten, und bis Ende des vorigen Jahres 1922 sind auch alle die verzwickten statistischen Berechnungen schon fertiggestellt. Diese konstatieren aber bloß die Tatsache, ohne einen Schluß auf die Gründe zuzulaffen. Auch auf See hat sich die Erscheinung bemerkbar ge macht. Die See ist äußerst stürmisch, und der nördliche Teil des Atlantischen Ozeans ist voller Eisberge, so daß in diesem Jahre die Fahrtlinie der Ozeandampfer be deutend südlicher gelegt werden mußte als sonst. Wir stehen einfach vor der Tatsache einer allge meinen Abkühlung. Daraus ergibt sich, daß die Ursachen keinesfalls ans der Erde gesucht werden können. Sie müssen in der Sonne liegen oder in deren nächster Umgebung. Aber Professor Abbot hat sich nicht dazu ber- beigelaffen, eine Erklärung des seltsamen Phänomens zu geben, noch will er eine Prophezeiung wagen, wie lange die Abkühlung der Sonne wohl dauern könne. Nichts hat in den letztvergangenen Jahren darauf hingedeutet, daß ein Nachlassen der Sonnenwärme bevorstände. Das Smithsonian-Jnstitut hat im Hinblick auf diese bedrohlichen Erscheinungen an zwei Punkten Sonnen warten eingerichtet, um alle Vorgänge auf der Mutter Sonne genau zu registrieren. Der eine dieser Punkte ist der Mount Hargna in Arizona, etwa 2000 Meter hoch, der andere der Mount Montezuma in Chile, 3000 Meter. Beide liegen in trockenem, wolkenlosem Lande, der chile nische Berg sogar inmitten einer Wüste, die seit 20 Jahren keinen Tropfen Wasser gesehen hat. Die Beobachtung wird also an beiden Punkten die denkbar beste Vorbedingungen haben. Einstweilen haben die amerikanischen Gelehrten sich auf eine Beobachtungszeit eingerichtet, die bis Juli 1925 dauern soll; vielleicht hat sich bis dahin wieder einiges geändert. kl. Neueste Meldungen. Neues Ultimatum Englands an Rußland. Hamburg, 22. Mai. Aus dem Sozialistenkongreh nahm der Engländer Henderson als Mitglied der engli schen Delegatton und als Vorsitzender des Kongresses das Wort. Die Ereignisse, so führte er aus, diezwischen Eng land und Rußland eingetreten sind, machen es notwendig, hierzu einige Worte zu sagen. Die englische Delegatton habe die Bestätigung erhalten, daß die englische Regierung ein Ultimatum an die russische Regierung gerichtet habe und « morge dem i diplou D und b men t auf eil D Dort« entstar schadei S Regie: ab 1-! eingef P in den enden Ein S Reihe wurde sehen eine si batte. L richt, ! nopel hätten Sosni führln geänß aggres Konve samnn jetruß mutun <; 1. wir! 16. M Schub Kenntn schufses verein Korrid- zimmer erteilt, vom 1 mit all Die vc wird x willigt, ein Sc für ger den Ar trage z Aender Leich-» Beerdig von § Das Heiratsjahr. Ejn Lustspiel-Roman in zwölf Kapiteln. Von Fodor ». Zabeltitz. Z6. Fortsetzung. (Nachdruck verboten!) Unter den Kastanien empfing die Baronin ihr Töchterchen scheltend. „Dikte, es hat alles seine Grenzen. Warten wir morgen ab. Beim ersten Niesen giht es Stubenarrest und Fliedertee. Und nun zu Dette!" Trude hatte wie immer noch lange zu erzählen, ehe sie das Licht auslöschte und Gute Nacht sagte. Aber sie nahm heute keine Mandelkleie und verschmähte auch die Papilloten. Bene- dikte schien es gar nicht zu bemerken. Sie war einsilbig und schützte große Müdigkeit vor. Aber sie log. Sie konnte nicht emschlafen. Ähr Gesicht glühte and ihre Pulse flogen. Wilde Schreie durchtobten ihr Herz. Und ihre Lippen brannten noch von dem Männerkusse, in dem ihre Kindheit erstorben war. Um Mitternacht wachte Trude auf und hob de« Kopf ein venig. Sie horchte. Dann richtete sie sich auf und beugte sich sacht über Benedikts, deren Bett dicht neben dem ihren stand. „Aber Ditte, du weinst ja?" Benedikts fuhr mit blassem Gesicht jäh in die Höhe. „Ich habe Zahnschmerzen!" Trude stieg aus dem Bett und kramte auf ihrem Toiletten- lisch umher. „Nimm ein bißchen Watte mit Eau de Cologne und stecke Sir das in den Zahn," sagte sie. „Warte, ich mache es dir zu recht. Es ist doch ein hohler?" „Nein, Trudchen — ich habe gar keinen hohlen." „Ja, liebe Ditte, dann ist es Reißen. Du wirst dich erkältet haben. Weshalb läufst du denn noch so spät auf die feuchte Insel! Es ist ein wahres Glück, daß ich Provenceröl hier habe. Ich werde dir die Backe einreiben." „Ach, Trudchen, es wird schon so vergehen. Es ist schon ein bißchen besser." „Das kommt wieder, Dikte. Reißen geht manchmal fort und kommt immer wieder." . . . Als Apothekerstöchterchen hatte sie tets einen ganzen Medizinkasten zur Hand. Sie goß ein paar broofen Brovenceröl in einen zinnernen Löffel und hielt die- > sen über das Licht. Dann setzte sie sich, den Löffel in der Hand, auf das Bett Benedittes. „Die rechte oder die linke Backe, Dikte?" „Ach, liebes Trudchen — du bist zu gut — aber laß es doch lieber. Ich weiß gor nicht, welche Backe. Es zieht immer so 'rum." „Dann reibe ich beide ein. Und nun halt still, Ditte!" Es half nichts. Benedikte mußte es sich gefallen lassen, daß Trude ihre Wangen mit dem warmen Oel bearbeitete. Aber das kühlte ihr Herz nicht ab; das Herz tat ihr immer noch weh. Nur sagte sie es nicht. Zehntes Kapitel. Benedikte war in all ihrem Herzensweh, mit feuchten Augen und öligen Bäckchen, endlich glücklich entschlummert. Doch sie wachte zu früher Stunde wieder auf. Die Uhr auf ihrem Nacht tisch zeigte erst auf Fünf. Unter dem Fenster zwitscherten Schwalben und Sperlinge; die Natur draußen jauchzte dem Tage entgegen. Beneditte schaute sich nach Trude um, die mit offenem Mäul chen noch selig schlief. Aber heute dcshte Benedikte an keinen Unfug. Sie streckte sich wieder im Bette aus und wollte über legen. Sie fühlte, daß sie ganz ruhig geworden war. Also zunächst: Haarhaus hatte ihr einen Kuß gegeben. Benedikte wurde unwillkürlich rot bei diesem Gedanken — aber es ließ sich daran nun einmal nickst rütteln. Es war Tatsache. Was mußten die Folgen sein? Ganz einfach: Haarhaus würde um sie anhalten! Natürlich war das einfach, doch Benedikte wurde trotzdem plötzlich ungewöhnlich warm im Bett. Sie richtete sich auf und grübelte im Sitzen weiter. Die Eltern! Was würden die sagen? Das war eine ängst liche Geschichte — fast so wie Maxens Liebesepisode — nur umgekehrt. Haarhaus war nicht von Adel. Der Papa dachte ja sehr vernünftig in dergleichen, aber die Mama — und der Großpapa! Allerdings war Doktor Haarhaus ein berühmter Mann. Dar fiel in die Wogschale. Das war vielleicht auch be ruhigend für Mama und Großpapa. „Frau Doktor Haarhaus" und ein leichtes, sinnendes Lächeln zuckte um den Mund des jungen Mädchens. Es gab ja schönere Namen. Wer die Berühmtheit! Plötzlich warf sich Beneditte wieder in das Bett zurück. Un sinn! — Haarhaus hatte ihr ja noch keine ordentliche Liebes erklärung gemacht. Zuerst mußte dock) die Liebeserklärung kommen. Gestern abend war das unmöglich gewesen- Un möglich in Gegenwart Trudes und Sempers; da hatte man sici cvrx . verfielst, hatte man einfach Komödie gespielt. Also die Liebes erklärung mußte abgewartet werden; dann kam das Anhaltei an die Reihe. Oder kam erst das Anhalten? Benedikte wußte nicht recht Bescheid. Ihr wurde schon wie der warm, und ein gewisses ängstliches Gefühl pochte an ihre! haß p Kehle. Sie versuchte ihr Herz zu sondieren. Es war zu merk ^nwa würdig: sie hätte doch „unsäglich glücklich" sein müssen, wie st wvhnu erst neulich wieder in einem Roman gelesen hatte — und st paß m hatte eigentlich nur Angst. Und wovor denn Angst? Sie le »uergi griff das nicht. Vielleicht war das immer so. Oder — Konto Ein entsetzlicher Gedanke durchbebte sie. Liebte sie Ham „ Haus nicht? Sie dachte den Gedanken nicht aus, dachte nich test, V weiter — fast ohne zu wissen, was sie tat, war sie mit einen gewuß Satz aus dem Bette und stürzte cm die Waschtoilette und be ruhige gann mit Schwamm und Seisenläppchen ihren hübschen, frische: S Mund zu bearbeiten, als wolle sie t^n Kuß von gestern oben! wieder abwaschen. w Dann fiel ihr Blick in den Spiegel über der Toilette. O pfui , wie sah sie aus! Bleich, übernächtig und die Wangen glänzeni ' von dem Provenceröl Trudes. Das war im Leben nicht da Gesicht einer glücklichen Braut. Sie wusch sich nochmals. Als sie in ihr Bett zurückgekehrt war, begann sie von neuen Ivb , zu überlegen. Heimlich lachte sie sich selbst aus. Es war s te^ se selbstverständlich, daß sie Haarhaus liebte. Dies eigentümlich t Empfinden, das sie durchbebt hatte, als er sie gestern nur eil , paar Schritte wett in seinen Armen getragen — das war docs freien die Liebe! Oder nicht? Aber wie gab sich denn sonst die Lieb Es is kund? Sie hätte gern Trude gefragt. Trude hatte ihren Er , zählungen nach schon häufig geliebt; den Zeichenlehrer m ihrs Pension, den Provisor in der Apotheke ihres Vaters und eine: und s- Unbekannten, den sie bei einem Besuch in Berlin am Leipzig« Platz hatte in eine Pferdebahn steigen sehen, und der ein bild wenig schöner Mann gewesen war. Also Trude mußte es wissen erleuä Aber Beneditte wollte sie nicht befragen. Trude war indiskret Und Benedikte grübelte weiter. Sie sagte sich, daß Haar und d Haus vom ersten Augenblick an, da sie ihn kennen gelernt, Ein Nober druck auf sie gemacht hatte. Er war viel mehr Held als Max, noch man wußte sofort, daß er ein großer Mann war. Er imponiert, <; ihr — sie fürchtete ihn sogar ein bißchen. Ja, sie fürchtete ih> Es w — sie wiederholte sich das. Und ärgerlich schlug sie mit de ten, flachen Hand auf die Deckbetts und ries laut: „Donnerwetter Himm das ist doch aber nock» keine Liebel" (FmUetuina iolctt.1 beide:
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