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MsdmfferTageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜs Wlssdruss UN- ^MgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. «Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i» Wilsdruff. 82. Jahrgang. Nr. 42. Donnerstag / Freitag 12 /13. April 1923. Amtlicher Teil RWriisW der GMandelsgenkhnliMgen. daß nach der Verordnung dsS Reichsministers iüc Ernährung und Landwirtschaft über den Handel mit Ledent- und Futtermitteln vom 10. Februar 1923 HandelSerlaubnirscheine jetzt nur dann Gültigkeit haben, wenn sie mit dem Lichtbilds deS Inhabers versehen sind. Die Inhaber derartiger Scheine werden deshalb erneut aufgefordert, die Ausstellung neuer Scheine unter Beifügung eine« Lichtbildes bei der AmtShauptmannschaft zu beantragen. Der Anirag ist nunmehr spätestens bis zum 18. April durch die Gemeindebehörde einzureichen. Die Ortsbehörden haben sich bei der Weitergabe der Anträge an dir Amtshauptwann« schäft auSzusprechen, ob der Antragsteller als hinreichend sachverständig anzusehen ist »der ob Gründe vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Antragstellers in bezug auf die Geschäftsführung annrhmen lassen, oder ob der Erteilung sonstige Bedenken Volkswirt« schaftlicher Art entgegenstehen, z. B Mangel eines Bedürfnisses. Die Amtshauptmann« schäft hat die Anträge in dieser Beziehung einer genauen P üfung zu unterziehen und gegebenenfalls die bisher erteilten Handelsgenehmigungen zurückzuziehen. Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung vom 10. Februar 1923 werden mit Ge- fängniS oder Geldstrafe oder mit beidem bestraft. Nr. 357 VII. Meißen, am 9. April 1928. i«»7 Die AmtShauptmavNschaft. Freiteig und 8oon«de«h, den 18. und 14. April 1928 bleiben die Geschäfts« räume bei der Amtshauptmannschaft wegen Reinigung geschlosst«. An beiden Tagen werde« nur dringliche Sachen erledigt. re» Meißen, am S. April 1923. I 228 Die Amtshauptmannschaft. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Reichspräsident und der Reichsverkehrsminister haben tn einem Aufruf den Dank des Volke« an die Eisenbahner im besetzten Gebiet ausgesprochen. * Im Reichstage hielt der Kanzler eine politische Trauerrede aus die Essener Todesopfer. * An Essen wurden Lie elf Todesopfer deS Karsamstags unter Teilnahme von etwa einer halben Million Menschen bei- gesetzt. * Die Franzosen haben den Staatssekretär Hamm, die frühe« cen Minister GieSberts und Stegerwald, ferner Herrn Hugo StinncS und drei andere Abgeordnete an der Grenz« der vesatzungSzone vorübergehend in Haft genommen. * Der rheinische Separatist Dr. Dorten berichtete in Paris allerlei Lügen über daS besetzte Rheinland, wird jedoch von amtlichen französischen Stellen ignoriert. Gefahr fürs Rheinland! AuS eingeweihten politischen Kreisen wird umS auff Berlin zur augenblicklichen Lage in der für uns bren« nendsten Frage dv Ruhrbesetzung geschrieben: Es spukt in Berlin von „Derhandlungsgerüchten". Alle möglichen halb und ganz inoffiziellen Persönlichkeiten bieten ihre mehr, meist aber minder guten Dienste an; vor allem aber erzählen die am meisten, die am wenigsten wissen. Die Reis« Loucheurs nach London hat nur daS zum Ausdruck gebracht, was der politisch Feinfühlige weniger seststellen, als verspüren konnte: die Franzosen haben sich in einer Sackgasse verrannt und suchen nun irgendwie mit Anstand aus ihr herauszukommen. Das Ge« fühl und diesen Wunsch haben namentlich jene beiden, di« von vornherein die ganze Ruhrpolitik Poincarös und der Generäle höchst ungern mitgemacht haben, Präsiden: Millerand und der frühere französische Aufbau minister Loucheur, der in der letzten Zeit besonders nachdrücklich als kommender Mann, als Nachfolger Poin- caros in der MinisterpräsideMschast, genannt wird. Ziem« lich spöttisch hat er vor vierzehn Tagen in Grenoble erklärt, da nun einmal die französische Fahne an der Ruhr entrollt sei, müßten sich alle Franzosen, gleichgültig ob sie diese Politik billigten oder nicht, um diese Fahne scharen. Und j nun sitzt man gerade drei Monate im Ruhrgebiet, sah > weder einen Erfolg nochein Ende des deut schen Widerstandes, sah sich selbst vielmehr voll ständig isoliert. Es wird behauptet, daß Loucheur in London den Ver such gemacht hat, England zu einem aktiven, aber „freund schaftlichen" Eingreifen Deutschland gegenüber zu veran lassen, den Premierminister Bonar Law zu überreden, daß er Deutschland zu irgend einem Vorschlag bewegt. Es handelt sich jetzt — und daraus fp itzt sich zurzeit das ganz« deutsch-französische Verhältnis zu — eigentlich nur noch um die Frage der sogenannten SicherungenFrankreichsamRhein. Das istder Punkt, über den Loucheur in London verhandelt hat, die Internationalisierung oder Neutralisierung des Rheinlandes, die naturgemäß lediglich vom Stand punkt deS französischen „Prestiges" aufzusassen ist. Im englischen Unterhause hat es nun sofort eine ganze Reihe von Anfragen gegeben, die von der Opposition an Bonar Law gerichtet wurden. Darunter ist die wichtigste zweifellos die, ob Loucheur Vorschläge über eine Internationalisierung des Nheinlandes und die übernahm« einer englischen Bürgschaft für eine Anleihe gemacht habe, die von Deutschland ausgenommen werden sollte zwecks sofortiger Zahlung von Reparationen an Frankreich. Bonar Law hat auf den nun folgenden Satz: ob er es Loucheur klargelegt habe, daß England keinen dieser Vorschläge annehmen kann — nicht präzis geant wortet, sondern sich mit der allgemeinen Phrase begnügt, daß Loucheurs Besuch vollkommen inoffiziell ge wesen sei und daß nur eine allgemeine Unterredung statt« gefunden habe. Das ist bezeichnend. Und allen Redens arten gegenüber scheint uns doch die Ansicht richtiger zu sein, daß Loucheurs Reise nichtganzerfolglos war. Dem widerspricht in keiner Weise, daß Bonar Law die Anfrage, ob er etwa seine Zustimmung zur franzö sischen Ruhraktion gegeben habe, ausdrücklich verneint hat und erklärte, daß diese Frage niemals erwogen worden sei. Und ebenso richtig ist, daß Loucheur sicherlich nicht mit einer Zustimmung der englischen Regierung zu der französischen Ruhrpolitik nach Paris zurückgekehrt ist. Aber das Problem der französischen Rheinpolitik ist jetzt das Entscheidende geworden. Und diesen französischen Plänen steht England durchaus nicht so ableh- nend gegenüber wie den französischen Ruhrplänen. Man darf in der Politik niemals „die Dinge an sich yerankommen lassen", sondern muß siegestalten. Unsere Position ist sehr stark, und der Gegner weiß, wie stark wir sind. Wir können aushalten, müssen aber den Versuch Loucheurs, England — und damit vielleicht auch Ame rika, das womöglich noch zurückhaltender ist als der britische Vetter — vor seinen Wagen zu spannen, durch eine Aktion zu verhindern suchen. Rein wirtschaftlich ge nommen stehen wir zu den Gedankengängen des amerika nischen Staatssekretärs Hughes', und es muß sich eine Form finden — vielleicht eine deutlich sichtbarere Form als im Dezember 1922, den „Sichcrungs"gelüsten Frankreichs die Spitz« abzubiegen. Alles andere ist Gerücht und eilt — vielleicht — den Entwicklungen voraus, ahnend das Richtige, weil wir eben eine Regierimg haben, die bewiesen hat und beweisen wird, daß sie aktiv ist, daß sie Deutschlands Schicksal nicht den Händen der Gegner überläßt, sondern entscheidend mitgestalten will. Siaaissekretär Hamm verhaftet. Auch GieSberts und Stegerwald. Die Franzosen haben sich nicht gescheut, einen der höchsten Beamten des Deutschen Reiches vorübergehend sestzunchmen. Staatssekretär Hamm, der Ches der Reichskanzlei, der von der Reichsregierung zur Teilnahme an der BeisetzrmgSfeierlichkeit nach Essen entsandt worden war, ist auf dem Bahnhof Scharnhorst von den Franzosen verhaftet worden. Auch die beiden Abgeordneten Gies« berts nnd Stegerwald wurden verhaftet. Während die beiden letzteren bald wieder freigelasscn worden sind, wurde Staatssekretär Hamm zunächst in Haft behalten. Er soll, wie verlautet, erst später wieder frei- gelassen worden sein. Sünnes verhaftet und wieder sretzelassen Auf einer Reise von Berlin nach Dortmund wurde Hugo Stinnes auf dem Bahnhof Scharnhorst von fran zösischen Soldaten mit seiner Gatlin aus dem Zuge herausgeholt. Beide wurden, während die Fran zosen ihreKoffer durchsuchten, ineinenGüterwagen gesperrt. Nach einer weiteren Nachricht konnte Herr Stinnes später seine Fahrt nach Dortmund fortsetzcu. Drei weitere Abgeordnete in Hast. Der kommunistische Abgeordnete Remmels hat den Reichspräsidenten telegraphisch davon benachrichtigt, daß drei Abgeordnete, die zur Beerdigung der Essener Arbeiter nach Essen fahren wollten, inHammver has tet und nach Castrop gebracht worden sind. Die Beisetzung in Essen. „Die Opfer für Recht und Freiheit." Am Dienstag vormittag vereinigte eine Stunde der tiefsten Trauer die Stadt Essen mit dem ganzen Deutschen Reiche in dem Gefühl, zugleich dem ehrenden Andenken an die elf Todesovier der Kariamstaaskatasirovbe und der Avee ver vaterländischen Abwehr feindlicher Friedens störer zu dienen. Während in Essen die Beisetzung der elf erschossenen Arbeiter erfolgte, fand im Reichstage in Berlin eine ernste Feier statt, und zugleich läuteten im gan- zen Reiclje die Kirchenglocken. In Essen ruhte die Arbeit vollkommen und alle Geschäfte waren geschlossen, während sich ungezählte Tausende zu den Sammelplätzen zum Trauerzuge begabem Dieser hatte sich schon um 9 Uhr formiert, und unter den Klängen einer Kapelle setzte sich die Spitze in Bewegung. Von allen Seiten des Industr ie- bezirks waren Abordnungen und Werksvertre tungen erschienen. Ihr Zug allein war mehrere Kilo meter lang. Ein großer Teil Vieser Deputationen war in Bergmannstracht erschienen. Währenddessen fand im g.-o- ßen Lichthof des Hauptverwaltungsgebäudes der Friedr. Krupp A. G. die Trauerfeier statt. Alle Särge trugen reichen Blumenschmuck. In der Mitte lag ein Riesenlorbeerkranz der Neichsregierung, den diese „den Opfern für Recht und Freiheit" gewidmet batte. Während der Trauerfeier hielt Dr. Krupp v. Bohlen und Halbach ein« Ansprache, in der er sagte: „Möge diese gemeinsame Trauer dazu dienen, Laß wir eng zusammenstehen um die schwere Gegenwart zu tragen und zu überwinden. Ehre dem Andenken der Gelallenen; auch sie starben für deutsche Freiheit, für deutsche Würde und für deut scher Arbeit Verantwortung. Ihr Leben und Sterben bleibe ein Baustein zu Deutschlands Zukunft. Das walte Gott." Nach dieser Rede wurden die einzelnen Särge aufge hoben und unter den Klängen eines Scheidegrußes trugen Kruppsche Arbeiter die Särge auf drei große schwarz aus geschlagene Leichenwagen. Rund 6V VOS Mann schritten den Leichenwagen voraus, als diese das Fabriktor verlassen hatten. Die Spitze bildete rin« Fahnengruppe mit vielen Hunderten von Fahnen. Hinter den Leichenwagen schritten die Familienangehöri gen. Dann folgten der Detriebsausschutz, der Betriebsrat, der Aufsichtsrat und das Direktorium, ferner die Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden und der Verbände. Mehrere Hunderttausend Personen hatten sich bereits am frühen Morgen in den Straßen versammelt, die der Lrauerzug berührte. Als die Spitze des Trauerzuges den Ehrenfriedhof erreicht hatte, teilten sich die Sechserreihen der den Särgen voranschreitenden Belegschaft und die Leichenwagen fuhren an den Arbeitskameraden, die Spalier gebildet hatten, vorbei. Am Grab« sprach u. a. der Schlosser Paul Brehme für den Betriebsrat. Er wies dabei nochmals darauf hin, daß die Kruppsche Arbeiter, schäft stets die Ansicht vertreten hat, nicht unter Bajonetten zu arbeiten. Danach erfolgte im Beisein der Familien angehörigen die Beisetzung der zwölf Toten in drei Grübern und die Einsegnung am Grabe, die von Trauerliedern des Mannerchors der christlichen Gewerkschaft eingeleitet und beschlossen wurde. Die Trauerversammlung auf dem Ehrenfriedhof schritt dann noch einmal an den offenen Gräbern vorüber. Um die Mittagsstunde war die ge- wollige und erhebende Trauerfeier beendet. * Oer Nachruf -es Kanzlers. Die Trauerfeier im Reichstage. Berlin, 10. ApriL Die ganze Tragik unserer Zeit tritt uns vor Angen, wenn man bedenkt, wie ost der große Sitzungssaal deS Reichstages mit schwarzen Flortüchern ausgekleidct wer- den mußte, und wie kaum einmal eine erhebende Feier Anlaß zu froherem Schmuck gegeben hat. So lag auch heute düsteres Halbdunkel über dem Riesenranm. An den Wänden, den Balustraden und von den Bogenlampen hingen Fichtengewind« und lange schwarze Tücher herab. Auf den vier Ecktürmen wehte die Reichsflagge, halbmast gehißt, und die Wand hinter dem PräsideMentisch schmückte der Reichsadler. Der Tisch selbst war mit der schwarz