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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. I Nr 29. 82. Jahrgang. Sonnabend / Sonntag den 10. /11. März 1923. Betrachtung für Sonntag Lätare. Pfarrer Große, Sora. Pf. 125, 1. Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben. Wie oft hast du gesungen: „Ach bleib mit deiner Treue bei uns, Herr unser Gott, Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not!" Aber ehe du dichs versiehst, entdeckst du, wie wankelmütig du bist in deinen Vorsätzen und Entschlüssen und erst recht in der Ausführung derselben. Da mußt du wieder mit dem Liede sagen: „Nur Eines ist, das mich empfindlich quälet: Beständig keit im Guten mir noch fehlet." Woher kommt's? Du stellst dich nicht ganz allein und fest auf den Herrn. Tag für Tag von neuem in Glauben und Hoffnung auf ihn gestellt, das macht dich fest. Du brauchst es für dein Leben. Unser Volk braucht es jetzt besonders. Wer gibr Kraft zum Durchhalten gegenüber dem „un- schlachtigen" und alles Recht verkehrenden, aller Zucht und Sitte hohn sprechenden Erbfeind? Nicht irgendein Bundesgenosse un ter den Völkern der Erde, Amerika oder England, nur der Bun desgenosse im Himmel, der lebendige Gott. Je nachdem, wie der in unserm Volk, ich sage noch gar nicht von der Mehrzahl, wie's natürlich am schönsten wäre, sondern nur von einer starken, festen, glaubensvollen Beterschar ergriffen wird, wird der Ausgang gün stig sein. Willst du nicht mit dazu helfen? Amen. Deutscher Reichstag. (313. Sitzung.) Berlin. 8. März. Das Hauptstück der heutigen Tagesordnung bildete die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steucrgcsctzcn. Die Vorlage bringt Änderungen in 1-1 Steuer- gesetzen. Der Berichterstatter des Ausschusses, Abg. Keinath (Dem.) erklärte, die Vorlage könne nur ein Notbehelf sein, indem sie die FAligkeitsfristen der Steuer vorverlegt und durch hohe Verzugszinsen und schleunigere Zahlung der Steuer er reichen will. Der Ausschutz hat die Befristung des Gesetzes aus die Steueriahre 1922 und 1923 beschlossen. Er ersucht aber in einer Entschließung die Negierung, die Einkom mensteuer auf eine neue gerechtete Grundlage zu stellen. Mg. Bernstein (Soz.) verlangte eine grundlegende Reform des Steuersystems mit einer nach dem Vorbilde der Lohnsteuer vereinfachten Erhebung, die das Reich gegen Kursverluste bei der Steuerzahlung schützt. Der Redner empfahl eine in diesem Sinne gehaltene von seiner Partei beantragte Entschlietzung. Eine gerechte Steuerpolitik sei freilich erst möglich, wenn der Umfang der Reparationsverpflichtungen Deutschlands end gültig festgestellt ist. Schliesslich wandte sich der Redner gegen di« Aufhebung des Depotzwanges und gegen die Wiederein führung des Bankgeheimnisses. Dafür beantragte er Offen legung der Steuerlisten. Wg. Dr. Helfferich (Deutschnat.) bedauerte die Wieder holung der im Ausschuß schon abgelehnten sozialdemokratischen Anträge. Dadurch werde die Verabschiedung der Vorlage und damit auch die Mgäbe der Steirererklärungen verzögert. Der ReichZiag sollte dem Beschluss des Ausschusses zustimmen, nach dem Wort: „Doppelt gibt, wer schnell gibt." Abg, Moldenhauer (D. Volksp.) lehnte die sozialdemokra tischen Anträge ab und erklärte sich für die Ausschussanträge. Deutschland stehe setzt vor der Entwicklung einer neuen Währung, die vorbereitet worden sei durch die vom Reich ausgcgebene Goldanleihe. Deshalb könne die Vorlage nur die Form eines Notgcsetzes haben. Das Gold solle wieder zum Wertmesser werden und die Mark lediglich als Zahlungsmittel dienen. Erst nach der Durchführung dieses neuen Wähnmgssystcms werde eine gerechtere Steuer erhebung möglich sein. politische Rundschau. Deutsches Reich. Auflös,rng des ReichSschahministcriums. Das Reichsschatzministerium soll am 1. April aufgelöst und dafür eine Gesellschaft gegründet werden, die in der Lauvtsacke dem Reicksfinanzministerium angealiederi wer» oen wird. Die neue Gesellschaft wird „Vereinigte In dustrie-Unternehmungen Akt.-Ges." firmieren und über ein Aktienkapital von 600 Millionen Mark verfügen. In ihr werden die im Besitze des Reiches befindlichen Unterneh mungen, namentlich die Vereinigten Aluminiumwerke in Lauta, die Reichskredit Akt.-Ges., die Elektrowerke, die Deutschen Werke Akt.-Ges. als Träger der sonstigen Be teiligungen gelten. Eine Beteiligung Privater an dem Kapital der Gesellschaft ist nicht vorgesehen. Die Anregung ist auf die Vorschläge des Sparkommissars Saemisch zu rückzuführen und unterliegt der Genehmigung des Reichs tages. Krupp baut keine Kanonen in Rußland. Die Firma F. Krupp kommt in einer öffentlichen Er klärung auf die verschiedenen Meldungen der Auslands presse zurück, wonach die Firma in Rußland Waffen fabriziere. Insbesondere ist berichtet worden, Krupp habe die Putiloff-Werke übernommen. Demgegenüber wird fest- gestellt, daß Krupp weder mittelbar noch unmittelbar in irgend einer Weise oder zu irgend einer Zeit nach dem Kriege mit der Herstellung von Kriegsmaterial in Rußland sich befaßt hatt. Keinerlei Verhandlungen darüber haben mit der Sowjetregierung, den Besitzern der Putiloff-Werke oder sonst jemand stattgefunden; die Behauptung von der Übernahme dieser Werke durch Krupp ist von Anfang bis Ende erfunden. Neue demsche Protestnote. Die deutschen Vertreter in Paris, London und Brüssel haben eine neue Protestnote gegen die neuen Strafverord nungen der Interalliierten Rheinlandkommission über geben. Diese Verordnungen enthielten u. a. bekanntlich die Bestimmung: Wer durch vorsätzliches Handeln oder Nichthandeln einen Eisenbahntransport gefährdet, wird mit dem Tode bestraft. Die deutsche Note stellt fest, daß die Verordnung durch Strafbestimmungen von unerhörter Grausamkeit die deutschen Eisenbahnbediensteten zwingen will, sich in Widerspruch mit ihrem Diensteid, ihrem vater ländischen Gefühl und ihrem Gewissen, aktiv an der rechts widrigen Aktion Frankreichs und Belgiens gegen Deutsch land zu beteiligen. Der Leistungswille der Industrie. Auf dem Empfangsabend auf der Leipziger Messe dankte Dr. Sorge vom Neichsverband der deutschen In dustrie der Leipziger Messe im Namen der deutschen In dustrie für die von ihr geleistete Arbeit. Er betonte, daß die Industrie bereitgewesensei undnochsei, bis zum äußersten weiter zu leisten, vorausgesetzt, daß die Möglichkeit dazu gegeben sei. Das Gerücht, daß die deutsche Industrie den Widerstand an der Ruhr sabotiere, bezeichnete er als eine Lüge. Markbesserung und Preisabbau. . halbamtlichen Veröffentlichung wird der in der Presse lautgewordenen Ansicht entgegengetreten, als °Regierung den einmal beschrittenen Weg durch Markbesserung zum Preisabbau verlassen könnte. Die be fürchtete Brotpreiserhöhung wird nicht ein» tret e n. Von der zunächst in Aussicht genommenen wei teren Erhöhung der Frachttarife auf den Reichsbahnen wird abgesehen. Untersuchungen sind im Gange, welche eine Verbilligung der wichtigsten industriellen Grundstoffe zum Ziele haben. Die bisherigen Ergebnisse lassen er kennen, daß eine weitere Erhöhung der Kohlen- p "i se nicht erfolgen wird. Die landwirtschaft lichen Düngemittel sind im Preise herabgesetzt worden, ebenso hat Senkung der Baustoffpreise stattgefunden. Vor werterer Entfesselung der Preiswelle durch Lohnforderun» gen wird gewarnt. Entdeckte Verschwörung in Bayern. An amtlicher Stelle ist hier Mitte Februar bekannt ge worden, daß eine Reihe von Persönlichkeiten, die außerhalb der politischen Welt stehen, den Beschluß gefaßt hatte, in allernächster Zeit eine gewaltsame Veränderung der bayeri schen Verfassung herbeiznführen. Bisher wurden 15 Ver haftungen vorgenommen und sieben Personen dem Nichter übcrgeben. Die übrigen wurden nach Fest stellung des Sachverhalts wieder aus der Haft entlassen. Die Hauptbeteiligten sind der Prof. Fuchs und der Kapellmeister Hugo Machhaus, beide aus München. In dieser Hochverratsasfäre wurde am 28.Februar auch der frühere Rechtsrat Dr. Kühles festgenommen, jedoch nach einigen Stunden wegen Mangels an Belastungsmaterial wieder entlassen. Dr. Kühles hat sich bald darauf in seiner Villa erschossen. Börse und Handel. 389 Milliarden neue Rerchsbanknoten. Zum letzten Monatsschluß war die Reichsbauk wieder starken Kreditforderungcn ausgesetzt. Wenn auch die In anspruchnahme nicht die Höhe der vergangenen Wochen erreichte, so mußten doch für die letzte Februarwoche für 389,2 Milliarden neue Noten ausgegeben werden. Der ge samte Banknotenumlauf stellte sich damit auf 3512,8 Mil liarden Mark. * * Roggen billiger als Umlagepreis. An Der Donnerstag- Produktenbörse in Berlin wurde Roggen mit 28500 bis 30 000 Mark je Zentner notiert, d. h. billiger als der Umlagepreis. Im Handel soll die Meinung vertreten sein, dass der Preis »och weiter gefallen wäre, wenn die Umlagenotierung ihn nicht gestützt hätte. * Handelsverkehr Bremen—Amerika. Der Dampfer „Eise nach" des Norddeutschen Llovd trat mit voller Ladung vom Bremer Freilosen seine erste Reise nach Philadelphia und Baltimore an und nahm damit die alte Verbindung r ven Bremen und den beiden wichtigen Häfen an der Ostküst« Nord amerikas auf. * Verringerung der Arbeitslosigkeit in England. Die Zahl der Arbeitslofen betrug am 26. Februar 1 328 000 d H 12 260 weniger als in der voraufgegangenen Woche und 157 878 weni ger als am 1. Januar d. I. „Dein Volk ist mein Volk." Be st rebungenzurÄnderungdes Eherechts. Im kommenden Monat Mai will die Allianz für Frauenstimmrecht einen Kongreß zu Rom abhaltcn, und zwar steht diesmal auf der Tagesordnung die schwer wiegende Frage, ob eine Frau, die einen Ausländer hei ratet, damit auch seine Nattonalität annehmen soll. Bisher ist das im allgemeinen so gewesen: eine Französin, die einen Deutschen heiratet, wird dadurch ohne weiteres Deutsche, sie hört auf, Französin zu sein, sie wechselt ihr Vaterl »nd ihre Staatszugehörigkeit, und zwar auto matisch, ohne )aß sie eine Erklärung abgibt oder auch nur gefragt wird. Das beruht auf der alten Vorstellung, duß, die Ehe nicht bloß ein Kontrakt sei, sondern ein engerer Zu sammenhang. Man stellte sich vor, daß Mann und Frau eine Familie bilden, und konnte sich nicht denken, daß zwei Menschen, die sich unter allen anderen am allernächsten stehen, verschiedener Natton sein könnten. Sie mutzten desselben Volkes Kinder sein oder werden, und da war natürlich die Nationalität des Mannes maßgebend, als des Hauptes dec Familie, des Versorgers und Erhalters. Früher nahm man auch an, daß Frau und Mann unbe dingt einer Religion sein müßten, und in manchem Gesetz findet mau noch Spuren dieser Anschauung. Die Neuzeit hat in dieses Verhältnis, das in der Regel auf ein Übergewicht des männlichen Teils hinauslief, einige Breschen geschossen. Die Frauen wählen zum Reichstag und Landtag, und es kann wohl vor kommen, daß die Frau rechts wählt, wenn der Mann seine Stimme für links abgibt. Die Frau soll nun nach den laut- Das Heiratsjahr. Ein Lustspiel-Roman in zwölf Kapiteln. Von Fedor v. Zobeltitz. (8. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Ja, sie war sozusagen hypnotisiert. Gattin eines zukünf tigen Majoratsbesitzers, Frau von Tübingen, vermögend, in glänzender, sozialer Stellung — das alles mag das arme Mäd chen gelockt haben. Trotzdem — sie Hal sich sehr vernünftig be nommen. Ich trage ihr keinen Groll nach." „Ich auch nicht — gewiß nicht. In Herzensdingen verzeihen wir Frauen manches. Wir können übrigens auch Max nach jagen, daß er sich taktfest und richtig aufgeführt hat. Er ist nicht mit dem Kopf durch die Wand gerannt, sondern hat sich schließ lich gefügt. Teupensches Blut! Die Ueberlegung siegte." Der Graf war stehengeblieben und kratzte mit den Nägeln an der Rinde eines Spalierpfirsichs. „Ein Wurm, ich möchte wetten", sagte er. „Man muß den Gärtner immer mit der Nase drausstoßen — der Gellrich sängt an, schlafmützig zu werden. Aber zur Sache! Ihr müßt nächster Zeit doch eine Gesellschaft geben — das Kalb schlachten zur Heimkehr des verlorenen Sohnes — da wird die Seesen natür lich auch geladen —" „Natürlich. Eberhard wird allerdings schimpfen. Er haßt die Gesellschaften. Aber es hilft ihm nichts. Besser wär's frei lich schon, man hätte die Marinka öfters einmal Und in klei nerem Kreise, vielleicht ganz en famMe, bei sich." „Das soll später kommen. Zuerst ist eine Beschnupperung notwendig, um mich waidmännisch auszudrücken. Selbstver ständlich halten wir Aelteren uns diplomatisch zurück. Aber wir arrangieren es so, daß Max und die Seesen zuweilen allein sind. Das laß mich nur machen; auf derlei Schiebungen verstehe ich mich. Also wir sind uns einig, Eleonore: zuerst die Gesellschaft, vielleicht schon in nächster Woche. Mach' das mit Eberhard ab! Ja — apropos — von unsern gelegentlichen Rücksprachen, Ideen und Kompinationen braucht Eberhard nichts zu wissen — nicht zu viel. Er hat eine zu feste Hand. Die Tübingens waren nie Diplomaten. Er würde da zerstören, wo wir auszubauen suchen Das ist^ kein Mißtrauensvotum, aber die Vorsicht ge bietet eine gewisse Diskretion. Nicht war, Eleonore?" „Jawohl, Papa. Die Teupens sind feinfühliger. Die Tü- i dingens haben auch ihre guten Seiten, aber sie find aus derberem . i Holze. Gerade bei heiklen Angelegenheiten merkt man das recht, s , Eine Liebessache ist ihnen wie ein Roggenhandel. Der zartere Sinn geht ihnen ab, ich kann mir nicht Helsen auch der feste s Glaube an unsere Eigenstellung in der Gesellschaft und an die j Weihe der Tradition. Max konnte sich einmal etwas vergeben, ! aber er kehrte doch reuevoll zur Familie zurück. Er hat Pietät- j gefühl und ist stolz auf seinen Namen; er ist eben ganz Teupenfch. ; Bernd und Dieter sind noch zu jung, aber siehst du die Dikte, ' die macht mir Kummer. Das ist das Tübingsche Holz. Du ! streitest dich öfters einmal mit Eberhard, weil er dir zu mittel- j parteilich ist und politisch zu wenig rückgratfest, und die Dikle ertappte ich sogar zuweilen auf förmlich demokratischen Nei gungen." „Aber, Eleonore, iH bitte dich — sie ist doch noch ein Kind!" „Mit achtzehn Jahren und ihrer Ausgewachsenheit und ihrem Hellen Kopfe! Nein, Papa, sie hat tausend unnütze Raupen hinter der Stirn und ist ein mutwilliges Ding — das täuscht uns. Aber sie ist doch schon ein ganz fester Charakter, und wenn sie über sogenannte Standesurteile lacht, so kommt das von innen. Ich habe die größte Angst, sie wird uns einmal ein Schnippchen schlagen und sich Hals über Kopf in einen verlieben, der uns gar nicht paßt." „So halten wir uns die fern, die uns nicht paffen! Das ist doch ganz einfach. Das ist ja das Angenehme auf dem Lande, daß man nicht vom Verkehr überschwemmt wird. Die paar Bürgerlichen, die dann und wann zu uns kommen, sprechen nicht mit. Wie denkst du denn über den Grafen Semper?" Die Baronin schüttelte den Kopf. „Nicht gut, Papa. Er ist ein wilder Mensch, dazu arm, hat nichts als feinen alten Namen. Es eist mir mit der Dikte auch nicht; sie kann getrost»noch ihre paar Jährchen warten. Aber ich muß in das Haus; die Wirtschafterin weiß nicht aus noch ein, sobald sie allein ist. Bleibst du noch im Parke?" „Ja, Eleonore. Ich muß meine Bäume einmal gründlich revidieren. Ich traue dem Gellrich nicht mehr. Wir sind uns ja klar. Allewege echt Teupenfch! Addis!" Er warf seiner Tochter ein Kußhändchen auf zwei Fingern nach und wandte sich sodann mit Eifer und Emsigkeit seinem Spalierobst zu. Drittes Kapitel. Die jungen Damen schienen es eilig zu haben, auf den Ge flügelhof zu kommen. Benedikts stürmte im Laufschritt voran, daß ihre Röcke flogen, und dann kam die Lust an der Wildheit auch über das wohlerzogene Trudchen. Sie faßte Miß Nelly unter den Arm und wirbelte mit ihr über den gelben Kies, der vor der Schloßausfahrt aufgeschüttet worden war, und Mohr- chen, der Pudel, folgte ihnen kläffend und in lustigen Sätzen nach. Das Drahtgeflecht des Geflügelhofes umspannte einen weiten Raum, einen förmlichen Park und jedenfalls keinen unüblen Aufenthalt für die schnatternden und gackernden Kreaturen. In der Mitte, zwischen alten Weiden und nachschießendem Jung wuchs versteckt, lag ein ausgebaggerter Tümpel sür die Enten welt, und in einer Ecke stand ein hölzerner Schuppen mit ver schiedenen Hühnerleitern, unter dem das Federvieh bei Regen Schutz suchen konnte. Die Görbitschen, die sogenannte „Putenfrau", stand in der Nähe der Weiden, hatte eine große Schwinge an einem Trag riemen um den Hals und warf Futter aus. Demzufolge hatte der ganze Geflügelhof sich um sie vereinigt und umgab sie wie ein großer Hofstaat die Königin. Es schnatterte, gackerte, gluckste und krähte. Enten und Gänse befehdeten sich stark. Besonders ein alter Gänserich schien von Natur aus böse geartet zu sein, denn wenn ein Entlein einmal in seine Nähe kam, zischte das Untier giftig und hackte mit seinem Schnabel auf die Ente los. Die Hähne benahmen sich dagegen wie immer galant und zu vorkommend, machten den Hennen bereitwilligst Platz und lockten sie sogar mit leisem Glucksruf herbei, wenn sie ihnen ein.Futter korn spenden wollten. Als die Görbitschen ihre Baronesse kommen sah, nickte sie und sagte: „Schönen guten Morgen, gnädiges Fräulein!" „Guten Morgen, Görbitschen", erwiderte Benedikte; „ist alles in Ordnung?" „Ach, du lieber Himmel, gnädiges Fräulein", jammerte die Alte los, „dat is allens nich so, wie es sein sollte! Von den kleenen, weißen Entchen ist wieder eens über Nächt' draufge gangen. Ich hab's heute früh tot gefunden — ich hätte weensn können!" „Aber wie kommt das bloß, Gröbitschen? Das ist nun das dritte" und sie waren doch ganz gesund, als sie zur Welt kamen!" /,Waren sie, gnädiges Fräulein. Aber der Pfau — der Pfau ist mein Ende! Der beißt sie immer. Ich weeß mir nich mehr zu helfen, gnädiges Fräulein. Er kommt und dann beißt er sie. Es ist ein zu wütendes Tier. Da sitzt er schon wieder und lauert bloß drauf, wie er eine kriegt!" (Fortsetzung folgt.)