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Wilsdruffer Tageblatt : 03.03.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192303038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19230303
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19230303
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-03
- Tag 1923-03-03
-
Monat
1923-03
-
Jahr
1923
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 03.03.1923
- Autor
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In Maassluis landete ein französischer Dampfer zwölf Seeleute vom englischen Dampfer „Echo", der auf der Höhe von Terschelling einen Zusammenstoß mit einem anderen Schiffe hatte. 16 Mann des „Echo" werden noch vermißt. Es dürste sich um den aus Hamburg gemeldeten Zusammenstoß mit dem portugiesischer Dampfer „Coim bra" handeln. O Wegen Beihilfe zum Scheidemann-Attentat wurde in München der Kaufmann Günther aus Elberfeld verhaftet. Er hat sich seit einigen Wochen in München unter dem Namen Hellmann aufgehalten. O Ein französisches Werbebureau. In dem unbesetzten Hagen hat die Kriminalpolizei ein französisches Werbe bureau aufgehoben. Vier Werber, Deutsche, wurden ver haftet; sie find jedoch auf Verlangen der kommunistischen Bstriebsratszentrale wieder freigelassen worden. Eine Liste mit 40 Angeworbenen wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. O Zusammenstoß nach einer „TeL"-Aufführung. Nach Schluß einer „Tell"-Aufführung kam es in Kassel in der Nähe des Theaters zwischen Theaterbesuchern und einer Abteilung der kommunistischen Arbeiterjugend, did vor oem Theater Aufstellung genommen und die Internationale ge sungen hatte, zu einem Zusammenstoß. Das Handgemenge nabm einen so bedrohlichen Charakter an, daß die Polizei eingreifen und Verstärkungen heranführen mußte. Die Be amten trieben schließlich die Menge mit blanker Waffe aus einander. O Gasvergiftung eines Landtagsabgcordneten. Der preußische Landtagsaügeordnete Gustav Menzel aus Halle wurde in Berlin das Opfer einer Gasvergiftung. Straßen. Passanten fiel der starke Gasgeruch auf, der aus dem Zim mer des Abgeordneten kam. Man drang in das von innen abgeriegelte Zimmer ein und fand Menzel unter starken Gasvergiftungserscheinungen. Der Gashahn der Zimmer lampe stand offen. Mit Hilfe von Sauerstoffapparaten wurde der Abgeordnete wieder zum Bewußtsein gebracht und in ein Krankenhaus eingeliefert. Ob ein Unglücksfall oder ein Selbstmordversuch vorliegt, konnte bisher nicht festgestellt werden. O Hinrichtung dreier Mörder. Der Schuhmacher Krämer, der Tagelöhner Strobel und der Fabrikarbeiter Dauner hatten im Jahre 1920 den Landwirtssohn Bösch aus Vöhringen ermordet und die Leiche in einen Bach ge worfen, da sie fürchteten, daß Bösch, der von ihren zahl- reichen Einbrüchen Kenntnis hatte, sie verraten würde. Die Mordtat kam erst nach zwei Jahren durch die Un einigkeit der Mörder heraus. Diese wurden Pom Volks gericht Memmingen zum Tode verurteilt. Der bayerische Ministerrat hatte ein Begnadigungsgesuch abgelehnt. Die drei Mörder wurden jetzt im Gefängnishof des Land gerichts Memmingen durch Erschießen Hingerichtei. O Doch noch ein deutscher Gefangener in Frankreich. In Frankreich befindet sich noch ein deutscher Kriegs gefangener, Otto Hoppe aus Merseburg. Er hat einen Landwirt, bei dem er arbeitete, und dessen Frau ermordet, wurde zum Tode verurteilt und später zu lebenslänglicher Zwangsarbeit begnadigt. Im Hinblick auf die Schwere des Verbrechens hat die deutsche Regierung von weiteren Schritten zu seiner Befreiung Abstand genommen. Q Ein lmzurechnungsfähiger Attentäter. Dem Zentral strafgericht in London wurde ein gewisser Tatam vorge führt, der beschuldigt wird, den Giftmord auf den Lon doner Polizeidirektor, der seinerzeit so großes Aufsehen erregte, unternommen zu haben. Die Ärzte erklärten den Mann für unzurechnungsfähig und ordneten seine Über führung in eine Irrenanstalt an. G Deutsche Kinder nach der Tschechoslowakei. Der tschechische Innenminister hat deutschen Abgeordneten die Zustimmung gegeben, daß vorläufig 4500 erholungsbe dürftige reichsdeutsche Kinder auf 6 Wochen in verschiede nen Bezirken der tschecho-slowakischen Republik bei deut- lchen Familien untergebracht werden dürfen. Die Amett- nahme der deutschen Bevölkerung in der Tschechoslowakei au dieser Hilfsaktion ist außerordentlich groß. Der Bezirk Haida allein bringt 507, der Bezirk Gablonz über 400 Kinder unter. Vermischtes. 2c Wiener Blut. Mit Deutschösterreich geht es vorwärts — mit Riesenschritten schreitet es fort auf dem Wege zur wirtschaftlichen Gesundung. Während bei uns der ganze Fasching abgesagt werden- mußte, haben die Österreicher in diesem Jahre einen Rekordfasching oder einen Faschings- rekovd gehabt. Wenn man Österreicher sagt, meint man natürlich Wiener, denn es gibt überhaupt keinen Öster reicher, der nicht aus Wien wäre. Also die Wiener stellen fest, daß in diesem Jahre bei ihnen 4000 „Redouten" — das ist eine Wiener Spezialität genau wie der Gugelhupf, das Schnitzel und der Straußwalzer —, Bälle und Maskenbälle stattgesnnden haben, gegen „nur" 2579 im Vorjahre. Und Wien freut sich darüber, denn die Lustbar. keitssteuer bringt diesmal über 1 Milliarde Kronen gegen 42 Millionen Kronen im Vorjahre. Ja, ja: „'s gibt nur. a Wien!" 2c Wie Milliarden transportiert werde». Der Raub der 12 Milliarden der Reichsbank durch die Franzosen läßt die Frage, wie derartige riesige Geldsendungen befördert wer den. aktuell erscheinen. Die Reichsbehörden haben die An weisung. „ähnliche Geldtransporte innerhalb eines Ortes durch uniformierte Beamte sichern zu lassen. Anders wird die Beförderung großer Beträge gehandhabt, so zum Beispiel, wenn die Reichsdruckerei große Summen neuer Banknoten an die Reichsbank zu senden hat. Dies geschieht in großen eisernen Wagen, die jedoch nur bis zu einem kleinen Teil gefüllt sind, so daß den Räubern stets nur ein verhältnismäßig geringer Betrag in die Hände fallen könnte. Die Reichsbank verwendet bei großen Geldsen- dw" --ach anderen Orten eiserne Koffer. Dies scheint auch bei r von den Franzosen geraubten Sendung der Fall gewesen, zu sein. Wenn die Reichsbank dabei den Transport nur unter Bedeckung von zwei Beamten in einem Abteil dritter Klasse vornahm, so geschah dies wahr scheinlich aus dem Grunde, weil diese Art der Beförderung am unauffälligsten ist. Denn man muß sich vergegenwärti gen, daß die Summe von 12 Milliarden in Tausendmark- scheinen ein Gewicht von etwa 24000 Kilogramm hat. Nimmt man an, daß die 12 Milliarden in Fünfzigtaufend- markscheinen transportiert wurden, so würde ihr Gewicht noch immer 480 Kilogramm betragen. Eine solche Sendung mit großem Begleitpersonal würde naturgemäß von An fang an Aufsehen erregen. Da der Transport also unter unauffälligen Umständen erfolgte, kann nach der Ansicht maßgebender Kreis« kaum etwas anderes als Verrat in Frage kommen. 2c Die Zigarette nach der Mode. Die neueste Mode tn Amerika verlangt, daß Damen nur Zigaretten rauchen, deren Farbe der Toilette der Raucherin angepaßt ist. Bet einer Modeschau fiel es auf, daß eine der Anprobierdamen sich zu einem blauen Kostüm eine blaue Zigarette ansteckte. In dem Umkleideraum befanden sich Schachteln mit Zi garetten, deren Farben allen gezeigten Kostümen angepaßt waren. Die Mode hat, so heißt es weiter, bei den „Damen der Gesellschaft" allgemeinen Anklang gesunden. Was für eine „Gesellschaft" gemeint ist, wird nicht gesagt, aber es ist unschwer zu erraten. Kirchennachrichte«. — Oculi. Predigttext: Joh. 11, 1—16. Wilsdrusf. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. — 10,30 Uhr Kinder- gvttesdienst. — Abends 6 Uhr Iungmännerverein (Jugendheim). Mittwoch den 7. März, nachm. 5 Uhr Beichte und heil. Abendmahl. — Abends 6 Uhr Iungmännerverein (Jugendheim). Donnerstag den 8. März, abends 7,30 Uhr Bibelstunde (Pfarrhaus). Grumbach. Besuch der Gemeinde durch den Direktor der Leipziger Evange lisch-lutherischen Heidenmission, Herrn D. Paul. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst (D. Paul). — 10,30 Uhr Kindergottesdienst (derselbe). — Nachm. 2 Uhr in der Kirche Missionsstunde (D. Paul). — Abends 8 Uhr in der Pfarre Versammlung der Missionssreunde mit Bibelstunde. Dienstag abend 8 Uhr 3. Passionsvesper des Posaunen chores in der Kirche. — Donnerstag nachm. 4 Uhr 3. Passivus- kommunion. Kesselsdors. Vorm. 8,30 Uhr Beichte (Pf. Heber). — 9 Uhr Predigt gottesdienst (Pf. Zacharias). — 10,30 Uhr Kindergottesdienst (derselbe). — Nachm. 2 Uhr Taufen. Freitag den 2. März, abends 8 Uhr Bibelstunde von Pf- Zeißig, Dresden. — Sonnabend 8—10 Iungmännerverein. — Mittwoch den 7. März, abends 8 Uhr Bibelstunde in Ober hermsdorf. — Freitag den 9. März, abends 8 Uhr Bibelstunde. Sora. Vorm. 9 Uhr Hauptgottesdienst. — 10,15 Uhr Uhr.Kinder- gollesdienst Klasse 2. Röhrsdorf. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. — 10,30 Uhr Kinder gottesdienst. — Abends 7 Uhr Iungmännerverein. Dienstag abends 8 Uhr Iungfrauenverein. Limbach. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst, darnach Kindergottes- dienst. Blankenstein. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. — 10,30 Uhr Kinder gottesdienst. i Katholischer Gottesdienst in Wilsdruff (Schlvßkapelle) vorm. 11,30 Uhr. Dresdner Schlachtviehmarkt am 1 März Austrieb: 1. Rinder: H 7 Ochsen, b) 5 Bullen, c) 4 Kalbe" und Kühe, 2, 28K Kälber, 8. 3 Schafe, 478 Schweine. Preist in Mark für Lebend- und Schlachtgewicht: ») Ochsen 1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlachtwertcs bis z" 6 Jahren 210000-230 000 (400 600), 2. junge, fleischige, nich> ausgcmästete, ältere auSgemästete 170000 b. 180000 (336 50Ä 3. mäßig genährte junge, gut genährte ältere 120000 bis 140M (276600), 4. gering genährte jeden Alters 80000 b. 100000 (225000) b) Bullen: I. oollfleischige. ausgewachsene höchsten Schlacht' wertes 200000 bis 220000 (362100), 2. vollfleischige jüngere 17000« bis 180000,(318200), 3. mäßig genährte jüngere und gut genährt ältere 120000 b. 140000 (250000), 4. gering genährte 80000 b. 10000« (200000), c) Kalben und Kühe: 1. vollfleischige, W gemäst. Kalben höchsten Schlachtwertes 210000-230000 (400000f 2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten Schlachtwerte! bis zu 7 Jahren 180000 bis 190000 (355800), 3. ältere auS- gemastete Kühe u- gut entwickelte jüngere Kühe u. Kalben 14000 bis 160000 (333 300), 4. gut genährte Kühe und mW genährte Kalben 110000 bis 130000 (800000,-, 5. mäßig u. gerim genährte Kühe und Kalben 70000 bis 90000 (235 300), Kälber 1. Doppellender —, 2. beste Mast- und gute Saugkälber 2300t" bis 240000 (379600), 8. mittlere Mast- u. gute Saugkälbe 210000 b.220000 (358 300), geringe Kälber 180000 b. 190000 (33640« Schafe: 1. Mastlämmer und jüngere Masthamme 200000 bis 220000 (420000), 2. ältere Masthammel 150000 b. 18000 (366700), 3. mäßig genährte Hammel u. Schafe (Merzschad 80000 bis 110000 (250000). Schweine: 1. vollfleischige dk feineren Rassen und deren Kreuzungen im Alter bis 1'/? Ja? 280000-290000 (365400), 2. Fettschweine 360000 bis 3200» (387 500), 3. fleischige 250000—260000 (340000), 4. geri« entwickelte 210000—230000 (314300), 5. Sauen u. Eber 180«» bis 280000 (305700). Ausnahmcpreise über Notiz. Die Prew sind Marktpreise für nüchternes Gewicht der Tiere und schließ, sämtliche Spesen des Handels ab Stall, Frachten, Markt- u": Verkaufskosten, Umsatzsteuer, sowie den natürlichen Gcwichtsoerb ein, erheben sich also wesentlich über die Stallpreise. Uebe> stand: 41 Rinder, — Kälber, 4 Schweine. Tendenz d' Marktes: Kälber mittel, Schweine schlecht. Das Heiratsjahr. Tin.Lustspiel-Roman in zwölf Kapiteln. Von F.edor v. Zabeltitz. (8. Fortsetzung) . (Nachdruck verboten.) „Ja, ja, DM," sagte der alte Herr, „schäme dich nur, das schadet gar nichts! Du bist nun bald achtzehn Jahre, und tn diesem Aster sind andere deines gleichen schon Hofdamen. Nun bitte ich dich, was würde dein« Herrin sagen, wenn man sich bei Hofe erzählen wollte, du hättest einer schlummernden Jung.- frau heimlich eine große und dicke Erdbeere m de» Mund ge steckt! Glaubst du denn, das würde dein Ansehen erhöht haben,? Nein, lieb« Ditte, man mutz immer die Dehors zu wahren wissen. Was man ansonst als mutwilligen Streich ausfasfen könnte, gewinnt ein anderes Ansehen, wenn es sich uim eine junge Dame von Welt handelt. Und eine solche willst du doch sein? Wenigstens solltest du dir Mühe geben, eine solche zu werden- Ich bin überzeugt, Mitz Milton ist sehr böse Über diese Unart gewesen, denn in England gibt es derlei Vorfälle gar nicht. Nicht wahr, liebe Miß Milton?" Miß Mitton errötete nun ebenfalls und begnügte sich, mit dem Kopfe zu nicken. Zum guten Glück trafen jetzt auch die Wern ein. sonst hätte Graf Teupen seins Rede wahrscheinlich wieder ausgenommen. So aber lenkte das Interesse, das Herr und Frau vott Tübingen der Schmückung der Veranda zu- Wandten, auch die Gedanken des Großvaters ab, der mit den andern auf die Freitreppe hinaustrat. Auf der Veranda waren Stupps und zwei Dienstmädchen damit beschäftigt, die großen, weißen Säulen mit Girlanden zu umwinden. „Sehr hübsch," sagt« Tübingen und nickte befriedigt. „Mehr ist gar nicht nötig. Ich höre, daß die Sänger im Dorfe dem jungen Herrn Baron bei seiner Ankunst ein Ständchen bringen wollen. Das will ick nicht, Riedecke; sage es den Leuten, natür lich so, daß sie sich sür ihren guten Willen nicht noch gekränkt fühlen. Ich möchte nur kein unnötiges Aufsehen l)aben; das kann ich nicht leiden. Die Guirlanden genügen- Ist die Post- tasche noch nicht da?" „Sie muß jeden Augenblick kommen, Herr Baron," erwiderte Riedecke. „Na schön — da wollen wir in Ruhe frühstücken! Bernd und Dieter, wenn ihr hübsch artig seid, könnt ihr euern Bruder von der Station abholen." f Beide Jugen erhoben ein Jubelgeschreft „Papa," sagte Dietrich, „ob mir der Max wohl eine Löwen haut mitbringt? Versprochen hat er es mir." „Und mir einen Elefantenzahn," fügte B.-rnd hinzu. „Aber ich glaube nicht, daß er Wort hält Großpapa meint, die Afrika- reisenden schnurrten alle." „Schnurren habe ich keinesfalls gesagt, mein Junge," er widerte Graf Teupen, während man allseitig am Frühstückstische Platz nahm. „Aber allerdings, die Afrikareisenden übertreiben gern, und nicht nur diese, sondern überhaupt alle Reisenden. Das siegt so in ihrer Natur." „Gsrstäcker auch?" fragte Dieter. „Ja, Großpapa?" „Ein bißchen — ja, ein bißchsn wird er wohl auch über treiben." „Großpapa, in dem Buche von Gerstäcker," begann Bernd wieder, „das du uns zum Lesen gegeben hast, kommt eine pracht volle Geschichte vor von einem Indianer, der auf einer Reihe lebendiger Krokodile über den Fluß gegangen ist — aus ihren Rücken, ohne daß sie ihn gebissen haben. Ich möchte gerne wissen, ob das wahr ist. Glaubst du das?" „Cs war«n vielleicht zahme Krokodile," warf Tübingen ein- „Nein, ganz wilde," entgegnete Bernd. „Der Indianer wurde verfolgt, aber den andern haben sie totgebissen! Großpapa, das ist doch merkwürdig, daß sie gerade den Indianer nicht gebissen haben!" Der Großpapa versuchte, die Seltsamkeit dieser Tatsache durch einen glücklichen Zufall zu erklären. Er galt in den Augen der Jungen für allwissend; für ihn konnte die Welt keine Geheim nisse haben. Das heftige Aufklärungsbedürsnis der Zwillinge brachte ihn häufig m Verlegenheit. Sie forschten und fragten ihn aus, bis er schließlich keine Antwort mehr geben konnte. Eines Abends wollte Bernd wissen, was die Sterne wären. „Weltkörper, mein-Kind, wie unsere Erde." „Aber wie hängen sie denn da oben am Himmel?" „Sie bewegen sich im leeren ! Raume." „Was ist das: der leere Raum?" „Die Unendlichkeit, i mein Junge " „Aber, Großpapa, ich bitte dich, es muß doch " alles einmal ein Ende haben, sonst hört es ja nie auf, und das I gibt es doch gar nicht!" „Die Unendlichkeit hört eben nie auf, I lieber Bernd." . . . Bernd dachte nach und erwiderte dann in unbestimmtem Tone: „Nein, Großpapa, das kann ich nicht glau ben. Ein Ende muß da sein.. . " Seit Max sich der Expedition des Doktor Haarhaus nach Ufagara angeschlossen hatte, bevorzugte Graf Teupen die Ko- lonialpolitik. Ein besonderes Steckenpferd mußte er immer haben. Eins Zeitlaug hatte er sich zur Beruhigung feines immer reg samen Geistes einer lebhaften Sammlertätigkeit zu wohltätigen Zwecken hingegebcn. Mit wahrhaftem Feuereifer sammelte er so ziemlich alles, was irgendwie nur Verwendung finden konnte: Briefmarken und Eisenbahnbilletts und Korkpsropfen, die Sta- niolhüllen der Weinflaschen, alte Zeitungen, Zigarrenabschnitte und Knöpfe — kurz hunderterlei wertloses Zeug, das er in seinem Zimmer in einem riesenhaften, noch aus dem vorigen Jahrhunderte stammenden Schranke sorgfältig geordnet ausbe- wahrte und nach Ablauf eines Jahres an die Zentralstelle dss j Roten Kreuzes schickte. Da er nun neugierig war, welches klingende Resultat seine Bemühungen um die Wohltätigkeit eil» gebracht, so bat er um fveunAiclze Abschätzung des eingesandte» Materials. Und er erhielt umgehend mit einem längeren Dank' briefe die Nachricht, daß seine schätzenswerten Gaben dem u»' gefahren Betrage von sieben Mark und fünfzig Pfennigen gleich' kämen Daftir konnte man einem armen Waisenknoben alle» dings nur einen Arm oder höchstens beide Beine bekleiden, ab» nicht mehr — und das ärgerte den Grafen, der noch fünf IM und zwanzig Pfennige für die Fracht bezahlt hatte, so sehr, daß er das Sammeln aufgab. Die Kolonialpolitik interessierte ihn mächtig. Das war sein Fall: ein Kreuzzug gegen Sklaverei und Heidentum und Z»' gleich eine Mehrung des Reichs. Er schnitt aus der „Kreu^ Zeitung" alle Rolfzen und Artikel, die koloniale Fragen betraft» hercms und hob sie auf und studierte außerdem sämtliche Aftik« behandelnden Bücher, die er in der Hausbibliothek vorfand. M zuviel waren es nicht und auch nicht die neuesten. Aber de"' Grafen genügte zunächst das Vorharckene. Hin und wieder v«? schrieb er sich übrigens auch ein neueres Reisewerk. um bei seiner Rückkehr durch seine Kenntnisse zu überraschen. machte ihm Spatz und lullte seine freie Zeit aus, die er U ebermaß befaß. Im Grunde genommen grollte er der gierung bitter, daß sie ihm „im besten Mannesalter" den La») paß gegeben hatte, denn daß er niemals ein hervorragend« Vertreter der Diplomatie, sondern eigentlich immer nur ein wandter Repräsentant gewesen war, wollte er selbswerstänE nicht wahr wissen. Wie er in allen seinen Neigungen für A moderne Zeit wenig übrig hotte, fo wurzelte er auch in sei»«!, staatsmännischen Anschauungen ganz jm Vergangenen A Ucberlebten, gewissermaßen im Hoston der Allonge. Das et» liche Maklertum dünkte ihn ziemlich brutal, dei politische Jntrtzl» siche Maklertum dünkte ihn ziemlich brutal, die politische Jntrig» die derzeitig der Grund für seine Verabschiedung gewesen iE hatte er auch mit in den Ruhestand übernommen. Er inw girierte noch heute ein bißchen — „für den Hausgebrauch", sein Schwiegersohn meinte — glatt lächelnd, händereibend, ft bensrvürdig und Phrasen ausstveuend, wie eine Scribesche Lm' spielfigur. Die Ankunft der Posttafche unterbrach die Frühstücksar^ Das war immer ein Moniert von einer gewissen Feierlich^ Man hörte draußen auf der Veranda den schweren StapsiE" des alten Inspektors Bruhse, der die Mappe brachte. Der Wag»» der jeden Morgen mit den plombierten Milchkannen nach «ft Station fuhr, holte die Mappe auf der Post ab- Dann wurde ft Bruhse überliefett, wenn er zum Morgenrapport antrat, w Bruhse überreichte sie wieder, auf der Veranda wartend, A alten Riedecke, der sie mit seinem feinen Lächeln Teupeusaier stammung und kurzer Verneigung Tübingen präsentierte. (Nortl-tmi" wl»«
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