Volltext Seite (XML)
Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Nr 20. 82. Jahrgang. Sonnabend / Sonntag den 17. /18. Februar 1923. Chronik der Gewalttaten. — Bon den Franzosen erschossen wurde der Lokomo- 'wputzer Franz Eltgen vom Betriebswerk Jünkerath, und «war beim überschreiten des Bahnkörpers, zu dessen bei- »en Setten er Eigentum hat. — In Köln erschien ein französischer Polizeidampfer wit französischer Flagge. Die Franzosen verlangten M'erkohlen für den Dampfer und bemächtigten sich Mreßlich einer größeren Menge. Die herbeigerufene ^S"sche Strom Polizei erschien alsbald am ,7„ve. so daß die weitere Entnahme von Kohle einge stellt werden mußte. BMDW W dkl SM«g Von Pfarrer Zacharias, Kesseisdorf. Matth. 16, 23: „Hebe dich, Satan, von mir, du bist mir ärgerlich, denn du meinest nicht, was göttlich, sondern was mensch lich ist." Mit dem Sonntag Invocavit treten wir in die Zeit ein, die uns reden heißt von Jesu Leiden in Jerusalem und seinem Sterben auf Golgatha. Jesus selbst hat längere Zeit vorher zu feinen Jüngern darüber gesprochen. Doch das war nicht nach deren Sinn. „Herr, schone deiner selbst," sprach Petrus, als er davon hörte, „das widerfahre dir nur nicht!" — Hatte es der Jünger damit nicht gut gemeint? Ganz gewiß. Und doch fileudert ihm der Meister auf diese seine Rede das harte Wort ins Gesicht: „Hebe dich, Satan, von mir " Weshalb sprach Jesus so? Sicherlich — es war ein hartes Wort. Aber zu hart war es nicht. Handelte es sich doch für -ichs darum, den Versucher ein für alle Mal von sich abzu- '- eisen, andererseits aber auch dem Jünger die Augen zu öffnen ''btt das, was göttlich ist. Nicht das ist der Wille Gottes, bah wir allen Schwierigkeiten und Hindernissen des Lebens aus dem Wege gehen, sondern daß wir Hindernisse und Schwie- s'Äeiten entschloßen überwinden, um durch solche Ueberwindung stark zu werden und Sieger zu bleiben. Nicht das ist der Wilke Lottes, daß wir unsern Kindern jeden Willen laßen, um ihnen sa nicht nicht weh zu tun, daß wir sie verweichlichen, indem wir ahnen jede Verantwortung, jede größere Aufgabe abnehmen, sondern daß wir ihren Eigensinn brechen, ihr Verantworlungs- Whl stärken, ihre Leistungsfähigkeit erhöhen. Denn das Christen Bestimmung ist, Träger des Kreuzes zu sein in der Nachfolge Christi. Wenn dir, lieber Leser, Leiden bevvrstehen, dann achte nicht auf die Stimmen derer, die dir die Leiden ersparen wollen. Sie meinen nicht, was göttlich ist, weil sie vergessen, daß Golt beides gibt: Liebes und Leides. Wenn dir Leiden bevorstehen, dann nimm sie geduldig und entschloßen auf dich und bedenke: ohne Kreuz keine Krone; ohne Leiden keine Herrlichkeit. — Von den in Gelsenkirchen verhafteten Polizei- beamten sind 31 Mann ins Gefängnis geworfen worden. Der Oberbürgermeister, der Bürgermeister, der Polizei präsident, der Reichsbankdirektor und der Polizeimajor wurden in einer gemein-samen Zelle unterge bracht. Sie mutzten auf dem Klotzen Futzboden schlafen. Einige der Polizeibeamten wurdm aus dem Transport verwundet. Einem großen Teil der Beamten wurden weder die Schuhe noch die Strümpfe gelassen. — In Essen haben die Franzosen wieder eine Zeitung stillgplegt. Eine Abteilung von etwa 30 Soldaten besetzte den Haupteingang des großen Verlagshauses Girardet und ließ niemanden hinein. Der gesamte Betrieb mußte in einer halben Stunde geräumt sein. — Der 62jährige aufsichtführende Amtsrichter von Kreuznach, Geheimer Justizrat Theis, ist von den Fran zosen festgenommen, in seinem eigenen Gerichtsgefängnis eingeschlossen und dann nach Mainz abgeschoben worden, weil er sich geweigert hat, deutsche Beamte, die von den Franzosen in das Gerichtsgefängnis eingeliefert wurden, als Gefangene zu behandeln. Mitchzufuhr für das Ruhrgebiei. Verbilligung mit Neichsmitteln. Das Reichsministerium für Ernährung und Land wirtschaft hat zur Hebung der im widerrechtlich besetzten Gebiet durch den Einfall entstandenen Milchnot die Ein fuhr von täglich 50 000 Litern Milch aus Holland in die Wege geleitet. Die Regierung hat die Beträge zur Verfügung gestellt, die zur Verbilligung der Milch aus den Inlandspreis erforderlich sind. Neben der Einfuhr von holländischer Frischmilch ist auch durch Zuweisung von Kondensmilch und Milchpulver versucht worden, der dringendsten Milchnot abzuhelfen. Die Milchzuweisung beschränkt sich nicht auf das Ruhrgebiet, sondern umfaßt auch Städte des altbesetzten Gebietes, soweit ihre Milchversorgungslage ein Eingreifen des Reiches not wendig macht. Deutscher Reichstag. (301. Sitzung.) 6L. Berlin, 16. Februar. Die 2. Beratung des Haushalts deS Reichsmini ster i ums des Innern wurde heute fortgesetzt. Abg. Dr. Barth (Deutschnatl.) beschäftigte sich mit einer Reihe von Vorgängen inSachse n. Er verurteilte die sächsi schen Regterungsverfügungen, sie auf Beschränkung der Feier einiger christlicher Feiertage Hinzielen. Der alte preußische Staat sei viel duldsamer gewesen. Die Entziehung der nnanriellen Grundlage der Kirche in Sachsen sei ein Ver stoß gegen die Neichsversaffung. Weiter veruneMe er die Personolpolitik des sächsischen Justizministers Dr. Zcigner, der seine Beamten durch „Druck auf den Magen" zu Republi kanern erziehen wolle. Die Gesinnungsschnüffelei und das Denunziantentum seien in Deutschland nie so verbreitet ge wesen wie jetzt. Die persönliche Freiheit stehe heute auf sehr schwachen Füßen. Ein Chemnitzer Rechtsanwalt sei einer Haussuchung unterworfen worden, weil sein Lächeln am Tage des Nathenaumordes von einem anonymen Denunzianten als Verdachtsqrund angegeben worden war. Der sächsische Minister Lipinski trat den Angriffen deS Vorredners auf die sächsische Regierung entgegen. ES seien lediglich zwei Bußtage ausgehoben worden. Die sächsische Re gierung habe gegen diejenigen Beamten einschreitcn müssen, die zur Mißachtung dieser Regierungsverordnung aufforder ten. Die meisten sächsischen Beamten hätten sich aus den Boden der Republik gestellt. Einzelne freilich hätten die Regierung durch Aktenvermerke geschmäht und seien dafür bestraft worden. Es sei nicht wahr, daß Hunderte von Beamten wegen ihrer politischen Gesinnung entlassen worden sind. Die sächsi sche Polizei sei entsprechend dem Verlangen der Reichs- regierung und der interalliierten Kontrollkommission umgestellt worden. Die weiteren Ausführungen des Redners über di« Vortrefflichkeit der sächsischen Polizei wurden auf der Rechten mit Gelächter ausgenommen. Für Ruhe und Sicherheit in Sachsen, so schloß der Minister, übernimmt die sächsische Re gierung die Gewähr, ohne Einmischung der Reichsregierung. Gegen den Streit um die Staatsform. Mg. Dr. Maretzky (D. Volksp.) erklärte, die deutschen Monarchisten seien nicht Gegner des heutigen Staates. DaS werde schon widerlegt durch den Opfermut, den di« in der Mehrzahl monarchistischen Beamten im Ruhrgebiet im Kampf« für den heutigen Staat bewiesen haben. Die Volkspartei be halte sich aber vor, zu gegebener Zeit auf verfassungsmäßigem Wege eine Änderung der Staatssorm zu erstreben. Deswegen sei sie genau so wenig staatsfeindlich wie oie Sozialdemokra ten, die ja ebenfalls eine andere, wenn auch sozialistische Staatsform erstreben. In der gegenwärtigen Lage werde von den Monarchisten der Streit um die StaatS form zurückgestellt. Die Mehrheit der höheren Beamtenschaft ist monarchistisch. Durch eine Zurücksetzung der Monarchisten Würde daher die Verwaltung des Reiches erschüttert. Abg. Delius (Dem.) sprach der Ruhrbevölkerung Dank und Anerkennung aus. In dieser schweren Zeit sei es di« Auf gabe aller öffentlichen Organe, den schamlosen Wucherern das Handwerk zu legen, die aus der Not deS Volkes ihren Profil ziehen wollen. Das Notgesetz müsse schleunigst verabschiede« »verden Nah und Fern. O Die Leipziger Frühjahrsmesse. Die Ruhrbesetzung hat die Vorbereitungen zur Leipziger Frühjahrsmesse, die vom 4. bis 10. März stattfindet, in keiner Weise stören können. Die deutsche Industrie hat sich sogar mit ganz besonderer Sorgfalt auf diese Messe eingestellt, da von ihrem Verlauf die Beschäftigung der deutschen Industrie in der nächsten Zeit stark beeinflußt werden dürfte. Jagd zu huldigen. Steinerne Säulen bezeichneten den Weg, und er selbst mag leidlich unterhalten worden sein. Weshalb sich das Iagdschlößchen nölig gemacht hatte? Jagte der Kurfürst in der Gegend Wilsdruff—Neukirchen, blieb er in den dortigen Herrenhäufern zur Nacht. Noch bis 1730 zeigte man im Rittergut Neu kirchen die Zimmer mit den drei Betten, die Kurfürst Joh. Georg ill. mit den beiden Prinzen floh. Georg IV. und Friedrich August gelegentlich zu benutzen pflegte"". Im Tharandter Forst aber fehlten die Nachtquartiere, daher das Jagdschloß. Am 21. August 1635 erlegte die kurfürstliche Jagdgesellschaft am Landberge 61 Stück (27 Hirsche, 8 Wildkälber, 1 Hafen, 20 Stückwild, 4 Rehböcke, 1 Fuchs). Am 24. August 1642 erbeutet man bei Spechtshaufen 36 Stück (13 Hirsche, ? Slückwild, 1 Wildkatze, 1 Rehbock, 3 Rehe, 1 Haw. Schwein, 5 Bachen, 2 Keyler undj 3 Hafen). Am 8. September 1654 findet am Tharandter Walde zwischen Spechtshausen und dem „Bretenwege" im Beisein sämtlicher Kur- und Kurfürst- lichör Personen große Hofjagd statt. Man erbeutet 251 Stück (41 Hirsche, 61 Slückwild, 34 Wildkatzen, 16 Rehböcke, 23 Rehe, 6 Nehkälber, 3 Haw. Schweine, 8 angehende Schweine, 2 Keyler, 15 Bachen, 31 Frischlinge, 4 Hasen Und 7 Füchse)"'. Im Jahre 1689 sand eine große Wildfchweinjagd auf Spechts- Hauser Regier statt. Am 7. Dezember traf der ganze kurfürstliche Hofstaat in Fördergersdorf ein. S. Durch!, der Kurfürst Georg III. nahm Wohnung in Spechts Haus, Ihre Durchl. die Kurfürstin nebst Geschwistern auf dem Jagdschloß zu Erillenburg, der Kurprinz Georg IV. im Pfarrhause zu Fördergersdorf, Kurprinz August nachmals August der Starke, nebst dem Landjägermeister auf der Ober- försterei Hintergersdorf, der Forstmeister bei Martin Wustlich, Fördergersdors. Die Jagdhunde waren in Porsdorf untergebracht. Die ganze Jagd dauerte bis zum 27. Dezember. Außer Hirschen, Rehen und Hajen wurden 61 Säue und 1 Wolf erlegt, letzterer vom Kurfürsten selbst. Am 7. Januar 1691 wurde eine Wild fchweinjagd auf Grillenburger Revier abgehalten. Außer dem Hochwild wurden 27 Wildschweine erlegt. — Im Jagdschloß befindet sich ein rotbrauner, gehenkelter Topf, auf dem weiß eingebrannt zu lesen ist: Kurfürst Joh. Georg I. Grillenburgifch Pirsch-, Hatz- und Iagdfreud 1640. Alle Thiere des Waldes und wilde Thiere der Wüste, Vögel der Luft und Fische sind in deiner Macht." Darunter sieht man reliefartig Jäger, Hunde, Hirsche, Bäume 55. Eine weitere Bedeutung hatte dieser Weg als Hvlzstraße: Die Elbtalanwohner holten sich auf diesem Wege Holz aus dem Grillenburger Forste, daher ja auch der Name (Waldweg Pohrsdorf—Grumbach, Keßelsdorf—Unkersdorf). Bleibt des nördlichen Weges zu gedenken. Karten des 18. Jahrhunderts nennen ihn den „Poststeig" oder „die Landstraße". 1556 verlegte der Kurfürst diq Münze nach Dresden. Nun war man genötigt, das Metall von Freiberg, Annaberg, Schneeberg ufw. nach Dresden zu fahren. Die schweren Wagen mögen dem Wege nicht dienlich gewesen sein. 1559 pfänden die Grumbacher Bauern einen Annaberger Fuhrmann, der aus der Münze zu Dresden mehrere tausend Gulden heimwärts fuhr. Als sie am 27. Juni 1561 sogar die kurfürstlichen Vieh treiber anfallen, da nimmt der Kurfürst in aufwallendem Zorn den Zoll von Grum bach kurzerhand wieder weg, verlegt ihn nach Feiberg und verfügt über den Ritter n Merkel, Erdbeschreibung 1806. b« Jagdchronik des Kurfürsten Joh. Georg I. u. II. b« Lehm a. a. O. S. 6. trugen eigene Namen, so in Grumbach „Der wilde Mann". Dir Bauern selbst wurden zu Fuhrleuten. So liest man in Naundorf bei Freiberg auf einem Grab- stein eines 1558 gestorbenen Bauern: Im Leben hatte ich am fahren mei Vergnügen Und fuhr an diesem bald an jenem Ort, Im Tode spannt ich aus, ließ alles fahren liegen, Und fuhr andern Ssklen nach in sichern Himmelshvrt". Bös waren die Flußübergänge. Doch wußte man durch Ablaßerteilung für Brückenbau Gelder zu gewinnen, fo zur Muldenbrücke bei Konradsdorf"'. Zur Hebung des Verkehrs aus dieser Straße diente auch das Fündigwerben von Schneeberg 1470 und von Schreckenberg-Annaberg 1492, und sicherlich flutete im 15. Jahrhundert ein ansehnlicher Verkehr auf dieser Straße durch unsre Heimat. Freiberg wurde 1505 selbst zur Residenz, und die beiden Höse zu Dresden und Freiberg brauchten sicherlich oft diesen unseren Weg. Die Kirchengalerie von 1837 weiß zu berichten, daß Heinrich der Fromme liebte, im Grumbacher Tännigt (Halbwegs Dresden) zu frühstücken. „Den 23. Sept. Montags nach Mauritii ist die durchlauchtige Fürstin und Fraw Barbara Hertzog Georgen zu Sachsen Ge- . mahlin etc. von Schellenberg aus zu Frybergk einkommen, da denn aus sürstl. Befehl 100 wohlgerüste Bürger sie folgenden Tages die Dreßnische Str. biß nach Grumbach begleiten müssen"'". „Den 25. Okt. 1555 ist ein junger Frybergischer Bürger ausf dem Wege nach Dreßden, als er hlnder Kesfelsdorfs, da der Tritt über den Zaun ist, hinübersteigen wollen, in sein« eigene Wehre, die ihn ohngefehr außgeschossen, gefallen, und alsobald tod blieben"'". 1593 durchreist ein junger pommerscher Edelmann, Lupold v. Wedel auf Kremzow, unsre Gegend zu Pferd. Am 29. Mai trifft er in Freiberg ein. „Den 30. bin ich auf Dresen 4 Meilen, gezogen . . . gelich, hernacher sich (Weg!) aber die folgenden 2 Meilen bis gen Dresen sein geebnet haben und ist an etzligen Örteren der Acker so gut gewesen, daß man Weizen gefeget hat"". Alle diese Angaben widerlegen Schurtzs An nahme einer Straße Dresden—Tharandt—-Freiberg und stützen Trautmanns Ansicht von einer Verbindung Mohorn—Kesselsdors. Der „Fürstenweg" wurde zum „Leichenweg". Am 18. August 1541 wird Herzog Heinrichs Leichnam von Dresden nach Freiberg übergesührt. Am 12. April 1546 folgt Herzog Albrecht, der Sohn des Kurfürsten Moritz. Dann di« Kinder des Kurfürsten August: Magnus 6. November 1557, Joachim 21. November 1558, Hektor 4. April 1560, Amalia 2. Juli 1565, Alexander 8. Oktober 1565, Maria 6. Januar 1566, Augustus 12. Februar 1570, Adolph 12. Mär- 1572. Montag, den 1. November 1585 ist die Leiche der Mutter Anna, der Gemahlin des Kur fürsten August, „vor der Kreutzkirche frühe auf einen Wagen erhoben und mit starckem Proceß für das Wilsdorffer Thor begleitet (außer den Fürst!. Persohnen, welche der Pest halber so aufm Lande in unterschiedenen Dörffern grassierte mit zu reisen bedenken gehabt) auch selbigen Tages biß gen Noßen und Dienstags hernach vollends auf Fryberg zur Beysetzung gebracht"'", lieber das Leichen begängnis des Kurfürsten August erfahren wir, daß er am 13. März 1586 „vor das Wilsd. Thor auf die Straße nach Freyberg gebracht und von den Chur- und " Mitt. für Volkskunde 1920, 5. Heft S- 77. " Trautmann a. a. O. S. 86. " Moller, Zonales ^reiberZensis. " Mitt. des Freiberger NltertumsvcreinS, Heft 35. S. 115. Wecks Chronik von Dresden.