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die d'«n Betrieb sofort stillgelegt hatte. Me Belegschaft begann vaterländische Lieder zu singen, woraus »ie Belgier unter Hurrarufen der versammelten Bc legschaft abzogen, ohne ihren Zweck erreicht zu haben. Chronik der GewMsien. — über die Mißhandlungen in Essen wird gemeldet, daß Zivilisten ans der Siraße von französischen Offizieren blindlings mit der Reitpeitsche bearbeitet werden. An einem Tage liefen allein 22 Anzeigen über solche Mißhand lungen ein. — In Recklinghausen wurde einem Gemüsehändler durch einen Kolbenschlag der Schädel eingeschlagen, so daß der Tod sofort eintrat. — Infolge der Beschlagnahme der Schulen in Reck linghausen wurden von den 4800 Schülern allein zwei Drittel heimatlos. — In Essen wurde die Rheinisch Westfalische Zeitung für vierzehn Tage verboten und außerdem eine Wache im Hause untergebracht. — Die nach Frankreich führenden Straßen werden durch französische Posten bewacht. Schlagbäume sind er richtet. Fahrzeuge werden kontrolliert und in das besetzte Gebiet hinein, aber nicht mehr hinausgelassen. — In Mainz provozieren die Besatzungstruppen die Bevölkeruirg. Die Stadt bietet das Bild einer Festung. Erhöhte Abzüge von der Lohnsteuer. Ab 1. März 1923. Im Reichsrat wurde eine Verordnung angenommen, durch die die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes über die Steuerermäßigungen bei der Lohnsteuer neu ge regelt werden. Die Ermäßigungen für die Steuerpflichtigen, für die Ehefrau und die minderjährigen Kinder werden vom 1. März ab gegenüber der Dezembersestsetzung verdrei facht. Auch bei den Werbungskosten wird eine Erhöhung Z aus das Dreifache vorgeschlagen. Der Abzug von 10 A des Arbeitslohnes ermäßigt sich demnach für den Steuer pflichtigen und seine Ehefrau bei monatlicher Lohnzahlung um je 600 Mark monatlich, für jedes minderjährige Kind um 3000 Mark monatlich, zur Abgeltung der Werbungs kosten um 3000 Mark monatlich. Eine Neufestsetzung bereits vom 1. Februar ab ist nach Ansicht des Finanzministers aus technischen Gründen nicht durchführbar. Es sollen aber mit Rücksicht darauf, daß sich sonst Härten ergeben würden, die letzten sechs vollenArbeitstageimMonatFebruarvom Steuerabzug freigelassen werden. Diese Ver günstigung soll nur denjenigen Lohnsteuerpflichtigen zu gute kommen, deren gesamtes steuerbares Einkommen die Grenze nicht übersteigt, bis zu der bet der Veranlagung für 1923 ein Satz von 10 A erhoben wird. Deutscher Reichstag. (2S9. Sitzung.) 6S. Berlin, 13. Februar. Da» HauS setzte die 2. Beratung des Haushalts -es Reichst u ft izmintsteriums fort. Von der sozialdemo kratischen Fraktion ist eine Entschließung eingcganaen, die von der Reichsvegierung verlangt, sie solle auf die Begnadi gung der wegen politischer Straftaten in Bayern im Jahre 1919 und auf die Begnadigung der strafrechtlich und diszipli narisch wegen Teilnahme am Eisenbahnerstreik mr Jahre 1922 Verurteilten hinwirken. Ferner soll die Reichsregierung die Einstellung der aus dem gleichen Grunde schwebenden Diszipli narverfahren veranlassen. Die Abgeordneten Lededour und Wegmann <U. Soz.) forderten in einer Entschließung die Regierung auf, die Amnestierung und Haftentlassung aller wegen Beteiligung an revolutionären Kämpfen oder an der Abwehr reaktionärer Bestrebungen Verhafteten und Verurteil ten zu veranlassen. Abg. Dr. Kahl (D. Volksp.) wünschte die Einstellung eines literarischen Dispositionsfonds in den Justizhanshalt, mit dem verbinden werden könnte, dak Oniane von üober Rsdeutuna. wie die Deutsche Justizzeitung, wegen Geldmangel emgehen müssen. Weiter verlangte der Redner Maßnahmen gegen die Not der Anwälte, vor allem die Zulassung der Rechtsanwälte zu den Gowerde- und Kaufmannsgerichten. Der Redner be sprach hierauf die große Krtminalreform des Strafrechtes, des Strafprozesses und des Strafvollzuges. Leider habe man diese Reform so verzögert, bis die Novellengesetzgcbung auf den verschiedensten Gebieten notwendig geworden fei. Schließlich verlangte der Redner die Aufhebung des Gesetzes zum Schutze der Republik. Abg. Brodaus (Dem.) protestierte zunächst gegen die vom französische» Militär im Ruhrgebiet begangenen Rechtsbrüche. Der Redner verbreitete sich dann über die Zulassung der An wälte zu den Sondergerichten und Arbeitsgerichten, dann kritisierte er scharf die Rechtsprechung in politischen Prozessen. In den Schwurgerichten hätte» gerade diejenigen Volkskreise eine zu geringe Vertretung, die als Träger der Republik gelten können. Regierungserklärung. Reichsjustizminister Dr. Heinze: Der Entwurf des neuen Strafgesetzbuches liege jetzt den, Kabinett vor. In dieser Zeit aber, wo unser Volk schwer bodroht ist, hat das Kabinett nicht Lie Zeit, diesen Entwurf mit der ausführlichen Gründlich keit Lurchzuprüfen. Unter der Ungunst der Zeit leidet auch die notwendige Reform der Strafgerichte. Mit der Verab schiedung derStrafrechtsreform werden auch die bayeris chen Volksgerichte nnt Zustimmung der bayerischen Regierung verabschiedet. Wir sind in einer großzügigen Zivilprozeß- reform begriffen. Die Entlastung des Reichsgerichts wollen wir erreichen, indem wir in Zivilsache» die Revisionssumms ganz beträchtlich erhöhen und in Strafsachen eine scharfe Tren nung vornehmen zwischen der erstinstanzlichen und letztinstauz- licheu Tätigkeit der Senate. Das Ministerium vescMtigt sich dauernd mit der Notlage der Anwälte. Gleichzeitig mit dem Gesetz über die Entlastung des Reichsgerichts Werde die Zu ständigkeit der Amtsgerichte erweitert weiden. Bei der Ehe scheidungsreform sollten wir gerade in dieser Zeit, di, die nationale Geschlossenheit fordert, von einer Gesetzgebung absehen, die nicht besonders dringlich ist, aber weiter« VoW krei'se verärgern müßte. (Unruhe links.) Abg. Beyerle (Bayer. Volksp.) verlangte schleunige Ent lastung des Reichsgerichtes und mit Rücksicht auf die Anwälte eine Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsgerichte. Dem Reichsjustizminister sprach der Redner das Vertrauen seiner Fraktion aus. Abg. Dr. Herzfeld (Komm.) machte geltend, daß der Klassencharakter der Justiz sich immer mehr verstärkt habe, trotz allen nationalistischen Redensarten von der Einheitsfront. Die deutsche Justiz werde tatsächlich durch Bayern beherrscht. Wenn das Reich in höchster Not und den schlimmsten Angriffen der Gegenrevolutionäre ausgesetzt ist, dann kann Bayern immer noch tun, was es will. Jetzt sei es endlich Zeit, das bayerische Vorrecht in der Amnestiefrage zu brechen. Abg. von Graefe (Deutschvölkisch) gab eine Erklärung ab gegen die Ausführungen, die gestern der thüringische Minister Fröhlich über die Vorgänge aus dem Bahnhof in Gera gemacht hatte. Der Abgeordnete bezeichnete die Ausführungen des Mi nisters als unrichtig. Abg. Ledebour (U.-Soz.) trat vor allem für seinen Am nestieanttag ein. Börse und Handel. Die gebesserte Mark. Aus den Kreisen der Reichsbank ist bekannt geworden, daß die von der Neichsbank zur Stützung des Markkurses aus den Markt gebrachten Devisenbestände aus den Fonds stammen, die seinerzeit für die Aufbringung einer ausländischen Anleihe für Reparationen angesammelt worden waren. Da der deutsche Vorschlag keinerlei Aussicht auf Verwirklichung hat, wird der De visenbestand jetzt verwandt. Dieser Fonds verfügt über beträchtliche Bestände, die durch laufende Eingänge sich ständig ergänzen. Trotz vieler Anstrengungen des an der Niedrighaliung der Mark interessierten Spekulantentums gelang es auch an der B e r l i n c r D i e n s 1 a g s b ö r s e nicht, den Dollar wieder hochzutreiben. Er wurde mit 27 630 notiert. Interessant ist auch die aus Paris be richtete Tatsache, daß die französische Regierung infolge des Einbruchs im Westen gezwuirgen ist, täglich etwa 500 Millionen Papier mark zu kaufen, um ihre Zahlungen an Ort und Stelle bewerkstelligen zu können. Damit trägt Frankreich immerhin einiges zur Besscrbewertung der Mark bei 23) Das alte Lie- Roman von Fr. Lehne. Silvester, der letzte Tag im Jahre, war herangckom- - men. Nach dem Gottesdienst, dem das gräfliche Paa. ' tzicht beigewohnt hatte, war Pfarrer Hartmann zu ici- , »er Tochter geeilt, die müde in ihrem Zimmer auf der - Chaiselongue lag. »Du kommst schon, Vater, bist Du schon fertig?" : »Ja, mein Kind, mich treibt die Sorge um Dich hier- i her; ich habe Dich in der Kirche vermißt! — Sieh, heute ' ist der letzte Tag im Jahr," sagte er ernst und faßte ) liebreich ihre Hand, „und ich möchte, ehe die andern l, kommen, in der Stille Deines Zimmers ein paar Worte mit Dir reden." „Weshalb, Vater? Quäle mich nicht!" und unruhig ging sie im Zimmer mnher. „Mein Kind! Nichts liegt mir ferner, als in die Vergangenheit zurückzngreifen. Ich will Dich nnr bitten, erleichtere mir Dein Herz- ich will Dir tragen Holsen Denn es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, wie Du unter irgend einem Druck dahinsiechst, I Du mein liebes Kind! Blicke in den Spiegel — er- schreckt Dich denn Dein Aussehen nicht?" „Ich, Vater, ich bin nervös — elend — krank —" 8 „Aber nicht körperlich — Du leidest Welisch, 'Von " Deiner Ehe will ich nicht weiter spreche» — nur so 4 viel, daß es jetzt anders zwischen Euch als im Anfang Sist — ist ein Mißverständnis zwischen Euch getreten? Ich will versuchen, es aufzuhebeu — sprich Dich ans) ^ich möchte Dir so gern helfen." Da lächelte sie traurig und schlug de« Vorhang vor dem Fenster zurück, daß der sternklare Himmel iu seiner stillen, unendlichen Majestät ins Zimmer blickte. ! „Kannst Du mir die Sterne da herunterholeu?" Und als er wehmütig den Köpf schüttelte — „so üwenia kann mir einer helfen!" „Tu weißt nicht, was Du sprichst, Regina,' versnu- löige Dich nicht," wies er sie ernst zurück, „hast Du ^ganz vergessen, wie es in -er Schrift heißt: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid — kannst Tu Dich nicht mehr auf Deinen Herrn und ^Heiland besinnen?" „Ich kann nicht mehr beten. Vater, ich habe es k-verkernt." So trostlos klang ihre Stimme, daß es ihn bis ins Innerste erschütterte. Liebreich legte er den Arm um sie und blickte tief in ihre Augen. „Jetzt lasse ich Dich nicht, Du erleichterst mir Dein Herz — bist Tu Dir einer Schuld bewußt, die Dich drückt uud quält?" Da durchlief ein Zitter» ihre Gestalt: sie barg ihr Haupt an seiner Brust uud stöhnte ans: „Vater, sie Haven ihn mir genommen — nun ist er tot, und ich habe ihn noch nicht einmal gesehen!" Mit einem Male begriff er alles. Leise streichelte er das blonde Haar und drückte ihren .Kopf an sich. „Mein armes, armes Kind!" flüsterte er traurig — „also das ist es — sag mir, wie kam es doch —?" „Wie cs kam?" fragte sie träumerisch, und ihr Auge schaute in weite Ferne. „Wie es kam? Ich weiß es selbst nicht mehr, erlasse es mir auch, Vater! Genug, ich habe gekämpft — wie, das weiß nnr Gott allein!" und er allein weiß, warnm er Dir das Kreuz auferlegt hat. Seine Wege sind unerforschlich! Ich will nicht weiter in Dich dringen uud Dich fragen, was alles — hast Tu das Unrecht anch bedacht, dessen Du Dich Deinem edlen Gatten gegenüber schuldig ge macht hast?" „Ich kann nichts dafür —" „So gehe jetzt wenigstens in Dich uud suche, was hinter Dir liegt, zu vergessen. Raffe Dich auf uud fange das neue Jahr im Vertrauen auf den Herrn an. Nähere Dich Deinen- Manne wieder — Dn bist ihm viel schuldig, uud überlasse Dich nicht nutzlosem Grü bel» — sei mein Kind, Regina", sagte er bedeutungs voll. „Ich will cs versuchen, Vater!" entgegnete sie leise. „Uud ich bete für Dich, daß Gott Dich wieder auf den rechten Weg führt. Und wenn Dein Herz Dir allzu schwer wird und D» Dich durch eine Beichte be freien willst, so weißt Tu wo, nicht wahr, geliebtes Kind?" Und er breitete die Arme aus, in die sie hin- einflüchtctc wie ein müdes Vögelchen Redlich war sie bemüht, den Worten ihres Vaters nachzuleben, w urr sie auch niemals wieder auf jene Aussprache zurückkam. Nichts wollte sie verlauten lassen — es sollte alles bei ihr und — Gernot begrabe» bleiben. Ach, er und immer wieder er — das war der Punkt, um den sich ihre Gedanken drehten. Wenn sic ihn doch nur einmal noch gesehen hätte! Er hatte ihrem Leben seinen Inhalt gegeben und wieder ge nommen, und sehnlich wünschte sic zu sterben, von politische Rundschau. Deutsches Reich. Sondörzuschlag für Beamte im Westen. Eine weiter« Ausdehnung des örtlichen Sonder;^ schlags im Westen wurde im Reichsrat angenommen. Eö handelt 'sich um Fürsorge für die Beamten in den besetzte» Gebieten. Während bisher nur vier Klassen vorgesehen waren und eine Sonderklasse für Hamburg, sollen jetzt sechs Klassen mit Zuschlägen von 14, 30, 44, 58, 74 uni 102 5Z eingerichtet werden. Die von den Franzosen neuer dings besetzten badischen Orte sind auch berücksichtigt worden. Zustimmung zur Erhöhung der Postgebühren. Der Neichsrat nahm die Verordnungen an, wodurch die Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren zM 1. März d. I. abermals erhöht werden. Der Reichsrat hat sich im wesentlichen an die Vorschläge des Verkehrs- beirais gehalten, wie sie kürzlich schon von der Presse ver öffentlicht worden sind, d. h. die Gebühren sind im allge meinen verdoppelt worden. Nur die Postkarte im Fern verkehr erfuhr insofern eine kleine Vergünstigung, als hier der Gebührensatz auf vierzig Mark bemessen wurde. Da auch Ler Postgebührenausschuß des Reichstages bereiis seine Zustimmung erklärt hat, werden die neuen Gebühren also am 1. März in Kraft treten. Wiederherstellung des Bankgeheimnisses? Der finanzpolitische Ausschuß des Neichswirtschafts- rates beschäftigte sich in zweiter Lesnng mit dem Banst geheimnis, Lessen Wiederherstellung beantragt wird. Der Vertreter des Neichsfinanzministeriums erhob starke Be denken gegen den Beschluß der ersten Lesung, nach Lem die allgemeine Auskmrftspflicht für die Banken aufgehoben werden soll. Die Folge dieser Aufhebung wäre die Schaf fung von Wertaufbewahrungsstellen, die vor jeder Nach prüfung der Finanzämter gesichert wären im Gegensatz z» allen anderen Rechtspersonen. Von den Arbeitgeberver tretern der Banken und der Sparkassen wurde die Not wendigkeit der Aufhebung der allgemeinen Auskunstspslichi mit der Hemmung der Kapitalflucht begründet. Die Auf hebung der allgemeinen Auskunstspflicht, die Streichung der Kundenverzeichnisse, die Aufhebung des Depotzwangs für alle Wertpapiere wurden trotz des Widerspruches der Regierung abermals angenommen. Oberbürgermeister Jarres vor dem Kriegsgericht. Vor dem belgischen Kriegsgericht in Aachen hatte sick der Oberbürgermeister von Duisburg Dr. Jarres Wege» Bannbruches zu verantworten, weil er trotz des Aus weisungsbefehles des belgischen Generals nach Duis burg zu rückgekehrt war, um seine Amtspflichten z« erfüllen. Der Vertreter der Anklage beantragt« zwei Monate Gefängnis, der Verteidiger wies jedoch nach, daß auch der Friedensvertrag keine Handhabe zui Verurteilung biete. Das Urteil in diesem grünt« sätzlich höchst wichtigen Prozeß wird am Sonnabend ge< sprachen Tschechoslowakei X Der Kamps gegen die deutschen Schulen. In der Tschechoslowakei wurden in den vier Jahren seit Errich tung dieses Staates 23 deutsche Mittelschulen aufgelöst oder sind im Abbau begriffen. Im Volks- schulwesen sind die Verwüstungen noch größer. In Böhmen allein wurden 88 deutsche Volksschulen mit 1000 Klassen beseitigt. Dafür hat die Tschechoslopakei dort 92 neue Volksschulen und 23 neu« bürgerliche Schulen er- richtet. , Hab unä fern. O Schweres Autounglück. In der Siedlung Lindenhoi bei Berlin stießen zwei Autos, Lie in rasender Fahrt aui entgegengesetzten Richtungen kamen, mit großer Gewalt zu sammen. Beide Wagen wurden vollständig zertrümmert; die beiden Chauffeure sowie ein Fahrgast erlitten schwere innere Verletzungen. O Opfer der Geschoßsucherei. Einen schaurigen Fund machte ein Berliner Oberwacktmeister der Schutwolttei. als MI— einem Dasein erlöst zn sein, das keinen Wert mehr für sie hatte. Ihre Widerstandskraft war vollständig gebrochen, und die Schlaflosigkeit nahm so überhand, daß sie ihre Zuflucht zum Morphium nahm. Ihre blühende Ge stalt verfiel sichtlich, und mit Kopfschntteln betrachtet« üe der Arzt, dessen Weisungen sie gänzlich unbeachtet ließ. Vor der Welt schien sie heitey^und unbefangen! in den Hütten der Armut war sie als Engel geprie sen; ihr Wohltu» war fast ohne Grenzen. Und doch gab ihr das keine rechte Befriedigung; ihr Her,) war tot. Und diese Nächte! Voll heißer Sehnsucht schluchzte sie Gernots Namen. Gar manchmal war es ihr, als fühlte sie »och immer den Druck seiner Lippen, seine leidenschaftlichen Liebkosungen — sie war ja noch so jung, und sie hatte schon mit der Liebe abschließen müs sen — der Geliebte lag ja tief unter der Erde, aber er zog sie zu sich hiuab; sie fühlte lauge kounte es so nicht weiter gehen. Nun war es bald ein Jahr, daß sie sich hatte« kenne» gelernt, deutlich stand ihr alles vor Auge» — ihre erste Begegnung auf der Straße, sein erster Be such — cs war, als ob es erst gestern gewesen wäre — und was lag alles dazwischen! Heute war auch solch Wetter, wie an jenem ver hängnisvollen Novemberabend. Sturm und Rege« kämpften um Lie Wette. Trostlos sah es aus — wie iu ihrem Innern — für sie gab es keinen Frühlina mehr. Mit bitterem Lächeln trat sie vom Fenster zurück. Das Beste wäre, sie ginge und befreite sich von der drückenden Last ihres Daseins. Schon öfter war ist" dieser Gedanke gekommen; aber mit einer gewisse« Scheu hatte sie ihn dann zurückgewiesen. Tenn der Einfluß ihres Vaters war doch zu groß uud seine Er ziehung zur Wahrheit, zum Guten nicht ohne Nach Halligkeit. Und den Selbstmord hatte er immer als schwerst- Sünde hiugestellt. Und in Kabale und Liebe, wie sagte doch da der alte Miller zn seiner unglücklichen Luise: Selbstmord ist die abscheulichste Sünde — uud Goft darum nm Verzeihung bitten, heißt den Diebstahl bereuen, sobald man das Gestohlene in Sicherheil weis-" (Fortsetzung folgt.)