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Kleine Leitung für eilige Leser. * Der Reichskanzler hielt im Reichstag« ein« große politische Rede znm Protest gegen die Besetzung de» Rrchrgebietes. Der Reichstag nahm einen Vertrauensantrag für die Regierung an. * Alle zwischen Deutschland und Frankreich schwebenden wirtschaftlichen Verhandlungen sind abgebrochen worden. * Die Franzosen haben den Vormarsch im Ruhrgebiet weiter ausgedehnt und sind in Bochum eingerückt. * Der Termin der Fälligkeit der nächsten deutschen Zahlun gen ist von der Reparationskommisston vom 15. aus den 81. Ja nuar hinausgeschoben worden. * Amerika und England werden auf die deutschen Proteste gegen di« Ruhrdesetzung keine Antwort erteilen, dagegen soll von Sowjetrußland «in Einspruch vorliegen. Der zerrissene Schleier. Aus parlamentarischen Kreisen wird uns unserm 13. Januar geschrieben: Die heutige Sitzung des Reichstage- war dazu be stimmt, den Auftakt und die Einleitung zu der nächsten Willenskundgebung zu bilden, mit der Deutschland den frechen Einfall in friedliches deutsches Gebiet beantworten wird. Das Programm lag demgemäß von vornherein fest. In seiner Rede, durch die die Ration noch einmal Auge in Auge vor die vollzogene Tatsache gestellt wurde und die gleichzeitig aus dieser Tatsache die gegebenen moralischen und praktischen Folgerungen zog, unternahm es der lei tende deutsche Staatsmann, Reichskanzler Dr. Cuno, allen Selbstbehauptungsinstinkt des deutschen Volkes wach zurufen und Reich und Land zum entschlossensten Widerstande zusammenzuschweißen. Dr. Cuno konnte als verantwortungsbewußter Politiker aber gerade des halb auch nicht an der Schwere der kommenden Zeit vor- übergehen, denn nur, wenn wir uns klar darüber sind, daß es unserer letzten Kräfte bedürfen wird, wenn wir di« drohenden großen Gefahren bestehen wollen, können wir darauf rechnen, daß wir uns als Volk und als Staat er halten. Demgemäß war auch am Vormittag in ernstesten Verhandlungen zwischen den Parteien die Vertrauens- formet für das Kabinett Cuno gesucht worden, die nach Lage der Dinge von den nun einmal bei uns vorhande nen parteipolitischen Verhältnissen abhängt. Und eben wegen dieser Parteiverhältnisse ist denn auch leider ein solcher ^oßer Tag im Leben einer Nation selten frei von ledem Mißklang. Die Reichsregierung hatte im übrigen aufs wirksamste und beste vorgcrarbeitet. Als der Botschafter Frankreichs dem deutschen Außenminister den Einbruch ins Ruhrgebiet anlündigte, hatte Herr v. Rosenberg sofort erklärt, die Neichsregierung behalte sich ihre Stellungnahme vor. Viel leicht aber hatte Herr de Margerie zu jener Stunde nicht geahnt, daß die deutscheAntwort in dem Stile er folgen kömite, wie sie ihm am Freitag überreicht worden ist. Man dürste auch in Paris nicht darauf vorbereitet ge wesen sein, daß man in Berlin derartig heftig auf Granit beißen würde. Der Text der deutschen Antwortnote spricht nämlich eine ungemein deutliche und erfreuliche Sprache und wird überall im Auslands das entsprechende Ver ständnis finden. Die Reichsregierung erklärt nämlich kühl und nachdrücklich, daß sie jetzt den Augenblick für ge- kommen erach^, wo sie den Schleier herab- reißen müsse, mit dem die französische Regierung den wahren Charakter ihres Vorgehens zu verhüllen trachte. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Auf dieläppische Behauptung Poincarss, daß es sich nur um die Entsendung einer harmlosen Kontrollkommission handelt, wird auf den ungeheuren nnd ganz kriegsmäßigen Auf- wand hingewiesen, mit dem diese Kommission umgeben wird. Dieses Vorgehen habe keinerlei Rechts- grundlage, es stelle vielmehr die denkbar gröbste Ver letzung des Völkerrechtes nnd des Versailler Vertrages dar. Wenn die französische Regierung wirklich eine Ver fehlung festzustellen vermöchte, so könnte als einzige Sühne von Deutschland die Umwandlung der Forderung in Bar zahlung verlangt werden. S t r a fm a ß n a h m e n könn- ten die Alliierten höchstens in ihrem eigenen Hoheitsgebiet gegen Deutschland durchführen, nie mals aber ließe sich ein Einbruch von Truppen in deutsches Gebiet rechtfertigen. Dann wird darauf hingewiesen, in wie lächerlich geringfügigem Umfange die ungeheuren deutschen Leistungen hinter dem Soll zurückge blieben sind, und den Schluß bildet die Feststellung, daß die Folge des französischen Vorgehens bereits eine wei tere katastrophale Vergrößerung des in Deutschland herrschenden Elends verursacht habe, und daß die deutsche Negierung nicht daran denke, unter den jetzigen Verhältnissen weitere Reparations- leistungen durchzusühren. Man wird abwarten können, welchen Eindruck diese sehr überzeugungskrästige Darlegung in der Welt machen wird. In Frankreich wird man so tun, als ob der Schlag nicht schmerzt, den man unversehens erhalten hat; aber man dürfte wohl inzwischen eingesehen haben, daß in Berlin fttzt ein anderer Wind weht. Heute sind zuni erstenmal die französischen Journalisten, die seit dem Tage des Waffenstillstandes vielfach die übelsten und entstelteudsten Berichte aus Deutschland heraus- telegraphierten, nicht zu der Reichstagssitzung zugelassen worden, und sie haben vermutlich daraus gleichfalls die entsprechende Lehre gezogen. Ferner sind die Kundgebungen des Sonntags ganz dazu angetan, für den entschlossenen Abwehrwillen Deutschlands zu zeugen. Unser Volk ist heute einig in dem unerschütterlichen Ent schluß, Frankreich ein „Bis hierher und nicht weiter!" zu zurufen, und in diesem entschlossenen Willen liegt sogleich der innere Willensbeschlutz, auch in der sich anbahnenden neuen schweren Zeit die letzte und größte Bewährungs probe zu bestehen. In diesem Sinne hat die Reichsregierung auch den Schleier zerrissen, hinter dem sich vor der Welt das wahre Gesicht der französischen Raubpoli- t i k verbarg, und dieser Tag wird sich sicherlich eines nich« zu fernen Tages lohnen. Vormarsch auf Bochum. Beratung mit den Grubendirektore kk. Die Franzosen haben ihren Vormarsch im Ruhrgebiet fortgesetzt und find mm auch in Bochum mit einige» Vortruppen eingezogen. Eine Anzahl Direktoren der be deutendsten Gruben des Gebietes sind auf Grund einer Aufforderung des Präsidenten der Kontrollkommission mit diesem in Essen zu einer Konferenz zusammengetreten. Die Generalbetriebsverwaltung der Reichsbahn, der die Kohlenverteilnng untersteht, ist von Essen nach Elberfeld verlegt worden. * Die Besatzungsbehörde hat die Trauerkundgebung in oen Schulen des besetzten Gebietes verboten. In Steele wurde die von den Besatzungstruppen aufgezogene fran- zösische Fahne bereits nach einer Stunde herabgerissen und zerfetzt. Der Bürgermeister hat sich bei dem Kom mandanten entschuldigen müssen und einen Aufruf an die Bevölkerung, der vor Exzessen warnt, anschlagen müssen. Der Protest streik, der für Montag geplant war, wird nicht im ganzen Reiche, sondern nur im Ruhrgebiet eine halbe Stunde lang durchgeführt werden. Die Leitung des Bergarbeiterbundes Großbritanniens hat eine Entschlie ßung angenommen, in der Protest gegen das Eindringen der Franzosen ins Ruhrgebiet erhoben wird. Amerika und England werden den deutschen Protest nicht beantworten und weiter abwarten, dagegen hat die Sowjetregierung den alliierten Regierungen eine Note übersandt, in welcher scharfer Protest gegen die militärische Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen und Bel gier eingelegt wird. Las Koratmum um 14 Tage verlängert Neue Pfänders orderungen. Die Neparationskommission hat beschlossen, den Terminfür die deutschen Zahlungen vom 15. aufden 31. Januar h i n a u s z u s chi e b e n. Bei dem franzö sischen Projekt handelt es sich um die Verwaltung der deutschen Grenzzölle, ohne zwischen dem Rhein land und dem übrigen Deutschland einen Grenzkordon zu ziehen. Ferner soll auf Konto der Alliierten dieselbe deutsche Steuer erhoben werden, die heute das Reich aus der Kohle-ziehe. Dieses Kohlenpfand könne jährlich min destens 200 Millionen Goldmark einbringen. Die Zölle brächten 180 und die Wälder 400 Millionen Goldmark; dazu kämen weitere 400 Millionen der Naturallieferungen an Kohle und Holz. Wie deutsches? Länder einig! Die Reichseinheit über alles. In der Versammlung der Staats- und Ministerpräsi denten der Länder in Berlin gab der Reichskanzler ein Bild der allgemeinen Lage uno ging im besonderen auf die rechtswidrige Besetzung des Ruhrgebiets ein. Bei dec Aussprache billigten die Vertreter der Länder einmütig das Verhalten der Neichsregiernng. Dabei gab der bayerische Ministerpräsident eine Erklärung ab, in der er sagte: Die feste Haltung der Reichsergicrnng wird, wie wohl in allen deutschen Landen, so auch in Bayern, freudige Zustimmung und Unter stützung finden. Heute geht es um die Würde der Nation, um Deutschlands Zukunft, Rettung und Freiheit. In dieser Stunde der höchsten Gefahr ist es für alle deutschen Stämme s el b st v e rst ä n d l i ch e s Gebot, sich um die Reichsregierung zu scharen und ihr auf ihrem schweren Gange heute zur Seite zu stehen. Das bayerische Volk ist bereit, im Kampfe gegen die Schmach, die französische Herrschsucht und Raubgier uns antun will, und in der Zurückweisung des unerhörten Zwanges, der unserem wehrlosen Volle auferlegt wird, mit der Reichs- regierung bis zum Letzten durchzuhalten. Heute darf es in allen deutschen Landen nur eine Losung geben: Deutschlands Zukunft rmd Gedeih, die ReMZein- heil über alles ft , i ' * 82. Jahrgang. Nr 6 Dienstag / Mittwoch 16. / 17. Januar 1923 Innere Maßnahme«. Im weiteren Verlauf der Versammlung die innerpolitische und die wirtschaftliche Lage besprochen, wo bei der Reichswirtschaftsminister die von der Reichsregies rung geplanten Maßnahmen gegen Luxus und- Schlemmerei zur Kenntnis gab. Die betreffende« Gesetzentwürfe werden, ebenso wie diejenigen, die sich gegen die Auswüchse im Handel mit edlen und unedlen Metallen richten, den gesetzgebenden Körperschaften mtt größter Beschleunigung zugehen. Protest des Reichstages. Vertrauensbeschluß für die Regierung. (286. Sitzung.) ob Berlin, 13. Januar. Unter dem Zeichen der auf Halbmast gesetzten schwarz- rot-goldenen Flaggen auf den vier Ecktürmen des Reichs tagshauses stand die von Ernst und Entschlossenheit ge tragene Protestkundgebung, zu der sich die deutsche Volks vertretung und die Regierung, die Vertreter der Länder und — so viel Raum die Tribünen nur irgend ließen — die Berliner Bevölkerung heute vereinigten. Wenn das deutsch« Parlament außer seiner sachlichen geschäftlichen Arbeit der Gesetzgebung auch die höhere moralische Auf gabe hat, an bedeutungsvollen Tagen in Freud und Leid dem Willen und den Empfindungen Ausdruck zu geben, die die Seele des Volles bewegen, so sind Reichstag und Kanzler heute dieser Pflicht in vollem Maße gerecht ge worden. Der Präsident des Hauses, Abg. Löbe, ist im Laufe der Jahre, in denen er sein Ehrenamt verwaltet, zu einem Meister der würdevollen, ergreifenden Rede ge worden, der mit dem eindringendsten Ernst und rückhalt loser Wahrheitsliebe das Wesen einer solchen Schicksals stunde in kurzen Sätzen trifft und die Hörer so in seinen Bann zwingt, daß heute mitten während seiner Rede ohm' irgendwelche äußere Anregung das ganze Haus sich aus innerem Antriebe von den Plätzen erhob und seinen Präsi denten stehend anhörte. Auch dem Kanzler Dr. Cuno merkte man es heute an, wie stark ihm selbst die Tragik der Ereignisse ergriff, über die er sprechen sollte. Wett eindringlicher, mit viel stärkerer, innerer Erregung sprach der sonst so kühle und zurückhaltende Politiker von dem unerhörten Rechtsbruch des Gegners, von der Freiherr und dem Recht, die unser Ziel, und von der Einigkeit, die der Weg zu diesem Ziele sein soll. Wir stehen allein in der Welt, aber gerade deshalb soll der Nachhall dieser im Namen der ganzen Nation gesprochenen Worte, die mehr als Worte, die ein entschiedener Wille sind, im Volke weiter wirken und uns für den Leidensweg, der vor uns liegt, fest zusammenschmieden. * Sitzungsbericht. Ler Beginn der aus 2 Uhr anberaumten Sitzung verzögerte sich einig« Zeit, daun eröffnete Präsident Löbe di« Siyung mit einer Ansprache, die von den anwesenden zahlreichen Reichs ragsmi»gliedern stehend angehört wurde. Die Ansprache des NeichstagsPrLfidente.r. Der Reichstag soll heute Stellung nehmen zu einen! empö renden militärisäxn Gowaltstreich. An. die von ihm zunächst betroffenen Landsleute an der Ruhr richte ich die Mahnung, in diesen Tagen mit Festigkeit und Treue, mit Stolz und Würde aufrecht zu stehen, tvenn auch äußerlich geknech tet. so dochinnerlich frei. Vor der Welt erklären wir, dieser Streich, der geführt wird gegen die Freiheit eines Landes, gegen Freiheit und Recht seiner Bewohner wird seinen Stachel nicht nur gegen uns tragen, sondern gegen alle, die eine ruhige Entwicklung wollen. Er wird die verhängnis vollsten Folgen haben für die Allgemeinheit. Am Schluß seiner Worte richtete der Präsident an das fran zösische Volk die Mahnung: „Haltet ein und macht das Unrecht rückgängig, das ihr gegen uns begangen habt, sonst werdet ihr selbst und eure Nachkommen die Folgen tragen." Die Rede des Neicltstagspräsidenten wurde mit allge meinem Beifall ausgenommen. Es folgten einige geschäftlich« Mitteilungen, wobei der Präsident des Hauses auch der zahl reichen Opfer des ob erschloss scheu Grubenunglücks gedachte. Run erhielt das Wort Rsichskanzler Dr. Cuno: Der Kanzler sprach wieder von seinem Platze, nicht von der Rednertribüne. Er schilderte zunächst unter lebhasten Pstn- rujen der Mehrheit des Hauses das bewassnete Einrücken der sranzösisch-belgischen Besatzungsarmee ins Ruhrgebiet. Dieser bewassnete Einfall, so ftchr er sort, der unternommen wurde gegen ein Land und ein Volk, das seine Entwaffung durch- gosiihrt hat und friedlicher Arbeit nachging, das nicht daran denken konnte und nicht daran gedacht hat, den bereitgestellten französischen nnd belgischen Armeen auch nur einen Mann ödec ein Gewehr entgegenzustellen. Unter lebhaftem .Hört, hört!" wies der Kanzler darauf hin, daß zwei Tage, nachdem diese Arme« bereits in Marsch gesetzt War, die RevarationL- kommission erst das an geblickte schuldhafte Versäumnis Deutsch lands in der Kohlen- und Holzlieferung festgestellt hat. Dieses Vorgehen stützt die französische Regierung aus den Vertrag von Verurikes, der vor drei Jahren unterzeichnet wurde, um an die Stelle des Krieges einen festen, gerechten und dauerhaften Frieden zu setzen. Das deutsche Volk bat sich ehrlich bemüht, bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit die Vertragsbedingun gen zu erfüllen. Ich frage die Welt, ob jemals ein Boll mehr geleistet hat. mehr Hai leisten können, das ganz- vier Jahre hi"- Md Fernsprecher Wilsdruff Rr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 dem Fahre 1841 Erscheint seit Erschein! bi« aus weiteres nur Montag«, Mittwoch« u. Freitags nachmittag« j ithr für den folgenden Tag. Bezugspreis bei Gelbstabholung monatlich MI., durch unsere Buströger zugelragen in der Stadt monaMch Mk., auf dem Lande M!.. durch die Post bezogen vierteliöhrllch MI. mii Zustellungsgebühr. Alte Postanstalten und Postbolen sowie unsere Au-tröaer und Seschäst-sttNe nehmen jederzeit Bestcttungen entgegen. 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