Volltext Seite (XML)
Vie MoSe vom Tage Es wird Frühling - man trägt Stroh. klacdllrurL »ämtliccher ^rtileG auck lllustratiolleii y^rNn»«-«. Die Formen für den Tagr kleine, schmiegsame Kappen und Baretts, graziös, aber kleidsam aus der Stirn gesetzt, oft wie eine Wagnerkappe ein seitig herabgezogen — sehr elegant und damenhaft wirkende Zwei- und Dreispitze, denen man besonders viel Erfolg weissagt — an den Seiten tief herab» gebogene kleine Glocken, aus der Stirn gefetzt mit schmalem Rand und, schon als Uebergang zum eleganteren Modell, Turvanhüte oder mit Turban windungen garnierte Kappen. Für den eleganten Anzug selbst: große, Weiche, malerisch gebogene Hüte mit Blütenschmuü, die auch stirufrei getragen werden. Bei allen Laushütche» sind die Köpfe flach, die Garnituren sparsam: Bandkokarden, eine Federpose, Fantasiegcstcüe, Ziernadcln oder eine einzelne Blüte, die zur Blume im Knopfloch paßt. Zusammenstellung von zwei Farben fällt auf: karierte Effekte suchen die Harmonie mit hübschen Schals, Taschen und Schirme» in Karomuster, die die Industrie anbictet. Grob geflochtene Borten, ost mit Glanzeffckt oder in Tweedmustern, sicht mau neben fei» geflochtenen Stumpen aus Papierstoff, Formosa genannt, neben Exote» mit Hochgla«z u»d allerlei Fantasieborten, deren Wirkung so gut ist, daß man den Ursprung nicht nachspürt. Die Farben neben Schwalbenblau, Braun und Schwarz, alle modischen Zusammenstellungen zweier Farbtöne, Schwarz- und Blauweiß, Braunbcige, Grün- und Rotweitz. Die Preise: zeitgemäß billig, also kann cS getrost Frühling werden. Die ersten Strohhütchen sind stets die Vorboten des Frühlings. Sie tauchen auf, wenn brausten noch eisiger Wintersturm uns an die eigentliche Kälte, die der Kalender programmäßig produziert, mahnt und zu warmer Ver» mummelung zwingen müßte. Diese ersten „Modeschwalben, die noch keinen Sommer machen", Haven uns Frauen, das kann man nicht leugnen, bei der Herrenwelt ein wenig kom promittiert. Strohhütchen bei zwei Grad unter Null — das schien dann doch der Gipfel der Unlogik zu sein. Es waren la auch immer nur einige Wenige, die es gar nicht abwarten konnten und schon im Februar das neueste Frühjahrsmodell unter allen Umständen spazieren führen mußten. War der alte Hut nicht mehr schon genug? Oder sollte dem alten Wettermacher PetruS mal gezeigt werden, daß es nun end. ltch an der Zeit sei, wolkenlos blauen Himmel und strahlenden Frühlingssonnenschein zu schicken? War vielleicht überhaupt nur der Gedanke, Opposition zu machen, maßgebend, der nun auch mal tief in der weiblichen Psyche begründet liegt? Wer kann es entscheiden? Aber man stellt immer wieder fest, wenn die ersten Strohhüte austauchen: „aha — jetzt wird es Frühling!" Nun paßt ja zwar ein verfrorenes Näschen schlecht zum nllerneuestcn glänzenden Stroh. Der sanfte Filzglanz wirkt da besser vermittelnd, aber merk würdigerweise schweigt ja in punkto Hüten die Selbstkritik oft überhaupt. Der Hut ist schön, er ist modern und das genügt vielen Frauen. Finden sie selbst, daß er sie nicht restlos kleidet, so werden etwa ausstcigcnde Zweifel bestimmt mit dem Beweis erstickt, „ach. man muß sich natürlich erst an die neue Form gewöhnen!" Man selbst gewöhnt sich ja vielleicht auch, aber die andern, die einen seltener sehen, kaum. Auch bei der Hutmode must man Kompromisse machen, genau wie bei der Wahl eines Kleides. Pastt die klare, freie Stirn gut zum eigenen Typ, so mag man den Hut ganz aus der Stirn tragen. Steigen leise Bedenken auf, so sollten lieber ein paar Löckchen unter dem Hut hervorgezupst, ein paar Wellen kokett in die Stirn gelegt werden. Das mildert sofort die strengen modischen Konturen — „und wo das Strenge mit dem Zarten ..., da gibt eS einen guten Klang!". Wobei keineswegs gesagt sein soll, daß nun auch im Nacken etwa Locken vorsehen sollen. Das kleine modische Hütchen mit dem slachen Kops verträgt sie nicht. Höchstens zum gan- grotzen, malerisch geschwungenen Hut mögen sie passen. Meistens aber sind sie ein Unglück, denn sie wirken weder schön noch ordentlich! Die Pariserin, die jedes neue auf. tauchende Modell mit unnachahmlichem Schick zu tragen versteht, weil sie es sofort ihrem eigenen Typ dienstbar macht, kann als Vorbild für die ordentliche Frisur unter dem stirn- freien Hütchen gelten. Nur eine Nebertreibung wird man ihr hier kaum nachmachen: sie breitet nämlich, selbst unter den von ihr zärtlich geliebten Baskenmützen, den Turbanen und Kappen, einen hauchdünnen Schleier über Stirn, Haar und Augen, auf den dann das Hütchen gesetzt wird, aus Angst vor zausenden Winden. Sehr viel schöner wirkt unbedingt das unbedeckte Haar, wenn es gepflegt und leicht gewellt vom Hut enthüllt wird. Die aus der Stirn getragene Form wird uns nämlich auch ins Frühjahr begleiten. Nur sind alle Formen viel weicher, viel graziöser geworden. Es gibt keine herben, strenger» Linien mehr, die so oft unvorteilhaft älter machten. Die Hütchen dieses Frühlings haben alle unbedingt etwas Lebensbejahendes. Sie wirken irgendwie lustig, amüsant, die Vielfältigkeit der Einfälle überrascht. Es scheint, als wolle man keinen Pessimismus auskommen lassen, auch hier nicht! Man will durch weichere Umrahmung des Gesichts das allzu Gesammelte und Ernste der Gesichter mindern, man will einen» das Lächeln, das »ins so bitter not tut, wieder leichter machen. Die ersten Vorboten der Früh» liugsmode übernehmen also auch eine Mission, die ihnen leichter fallen wird, »veil man nicht nur unter diese»» Hüten, sondern auch über diese Hüte vergnügt lächeln kann. Man hat rnit billigsten» Material beste Effekte erzielt, man bringt kleidsamste Formen zu billigstem Preis. Der so oft angescindete Preisabbau marschiert also, mit dem Hut in der Hand. Die Kappen, von denen »vir zuerst sprechen »vollen, weil wir nun schon so gut Freund mit ihnen sind, werden säst immer weich drapiert, die eine Seite herab- gezogen. Die fesche Baskenmütze hat unbedingt hier Pate gestanden, oder die Wagnerkappe, seeligen Angedenkens? Oft wird sie einseitig ganz weit zurückgesetzt, so daß noch ein amüsantes Bandauteil aus Bändern oder sogar mit Blumen besetzt, sichtbar wird. Eine Neuheit, die aber nur junge, feine Gesichter kleidet. Die größte Konkurrenz ist der Turban, der schon einmal jung und alt, Männlein und Weiblein, begeisterte. Die Turbanrvlle wird jetzt mehr wie ein Diadem um den Htltkopf gelegt, oder wie eine Tiara aufgestellt. Beides ist außerordentlich kleidsam und gibt Gelegenheit, eine Farbzusammenstellungen zu bringen. Will doch schließ» ich auch die Hutmodc nach „schwarzen" Tagen zeigen, daß ie in diesem Frühling Farbe bekennen »vird. Die kletd» ainste und hübscheste Fori»» saber vielleicht ist das allzu »eriönliche Einstellung) ist unbedingt der Zwei- und Drei» Pitz, der uns als Neuestes, Allerneuestes beschert wird. Es gibt kaum ein Gesicht, das er nicht kleidet. Die Damen des galanten Rokoko haben schon gewußt, was sie taten, als sie diese Forin einst wählten. Wir fetzen den modernen Zwei» und Dreispitz fester in den Kopf, aber »vir wisse» genau so gut, daß unö die kapriziöse Linie kleidet, wie einst unsere Ahnen. Von allen Setten gesehen, im Profil und auch halb von vorn, stets wirkt ein solche» Hütchen wieder anders; es ist nie engemischen und rotweiße diesen gröberen Sorten, die sich entzückend f Hütchen eignen, vor alle»» auch in Glanzbort schwarz- und blauweiße, beigebraune, grün- Effekte Bedeutung. Ost wirken die Strvhbortcn wie kariert, sie »vollen eben auch die Karomode mitmachcn, für die man als Ergänzung der feschen Kopfbedeckungen Tasche, Schirm und Schal bereitgestellt hat. Eine kleine Bandkokarde, eine Ziernadel, ein Federbüschelchen, ein Fantasiegesteck und »»ach langer Zeit auch wieder Blüten, schmücken die kleinen Hütchen. Wenn nicht alles trügt, »vrd die Blüten» mode sogar zum Sommer endlich wieder ganz groß auf» lebe»» und Blumen sich in dicken Girlanden an kleine Turban» köpfe schmiege»» oder zu Kränzen um große malerische Glocken legen. Auch die über die Schulter fallende Feder versucht man an kleinen, kapriziöse»» Kappen wieder zu neuen» Mode» leben Kl» erwecken. Ob aber nicht doch dem Zweispitz die Zukunft gehört? Zum feschen Kostüm mit zartfarbig er Eamelie oder amüsanter kleiner Spitzenblume getragei», wirkt er so reizvoll und hübsch, daß man ihm schwer widerstehen kann. Genau so wenig »vte den neuen farbigen Ketten, die passend zu dem Hütchen angeboten werden und genau so wichtig find, »vie farblich abgesttmmte Handschuhe, Schuhe und Laschen. Die Frübjahrsmode wird schön, »veil sie lebensfroh, kleidsam und was das Wichtigste ist, auch zeitgemäß billig ist. Wo, kam» es ruhig Frühling werden — wir tragen gern wieder Stroh l Anna P. Wedekind. langweilig »n»d erlaubt jeder Frau durch die Art »vie es ausgesetzt wird, auch persönlichen Schick zu zeigen. So kokett die Hütchen an sich sind, sie wirken immer damenhaft — ein Prädikat, das man überhaupt der Mode erteilen muß. Die vierten in» Bunde der Hüte für alle Tageszeiten und alle Begebenheiten sind die Glocken, die vorn über der Stirn »»eist sehr kurz gehalten sind und an den Seiten das Gesicht rahmend herabgehen. Auch der aufgeschlagene Hut Ist natürlich »viederzufinden, aber eigentlich mehr noch bei großen Formen, die, sehr malerisch in der Linie, tief in de»» Nacken herabgebogen sind und aber nur zu einen» eleganten Nachmittags- oder Abendanzug passen. Sie werden später eine entzückende Ergänzung der eleganten Hochsommer kleider werden. Und nun zu den Strohsorten: ja, da ist eigentlich alles zu finden, was in vorigen Jahre»» Erfolg hatte. Die Erotenstumpen, die Zellophan- und Twcedborten in »»euen Farbstellungen, die uns schon in» Vorjahr entzückte»» und noch manches Neue dazu. Vor allen» ganz grob gefloch. tenc Stroh-'und Splitstumpen mit starken» Hochglanz. Auch Papierstrohbortcn und Glocken, Formosa-Geflecht ge- nannt, gefallen besonders. Dann allerlei Häkclstrohborten, Wistastroh und natürlich auß Roßhaar und Pedaline. Neben Braun, Schwalbend!«»» und Schwarz gewinnen in diesen gröberen Sorten, die sich entzückend für die kleinen