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Fernsprecher Wilsdruff Nr. b Wochenblatt für Wilsdruff und ffmgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Berleqer und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. 81. Jahrgang. Nr. 266 Sonnabend / Sonntag 23 / 24. Dezember 1922. Amtlicher Teil. Auf Blatt 124 des hiesigen Handelsregisters — die Gemeinnützige Ball gesellschaft mit beschränkter Haftung für Wilsdruff in Wilsdruff betr — ist heute eingetragen worden, daß das Stammkapital auf einhundertsiebzehntausendfünf- hundert Mark erhöht worden ist. 157a/22 Wilsdruff, am 15. Dezember 1922. Amtsgericht. Die städtischen Kollegien haben beschlossen, die Preise für Lichtstrom auf 180 Mk., für Kraftstrom auf 165 Mk. für die Kilowattstunde mit Wirkung vom 1. Dezember 1922 ab zu erhöhen. Wilsdruff, am 22. Dezember 1922. Der StaÄtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * In Paris wird ein neuer Plan vorbereitet, wonach de' »rutschen Regierung ein zweijähriges Moratorium unter d« Bedingung einer Finanzkontrolle gewährt werlden soll. * Die Botschafterkonferenz hat in einer neuen Note Wegei der Zwischenfälle in Passau und Ingolstadt weitergehend» suhneforderungen gestellt. * Am 1. Januar tritt im Fernsprechverkehr der neue Teue rungszuschlag von 2900 H in Kraft. * Die allgemeinen Frachttarife der Eisenbahn werden in> neuen Jahre um 60—70 erhöht, während eine Reihe Taris. Positionen Ermäßigungen erfahren sollen. * Wei den Verhandlungen in Lausanne steht man unmittei- har vor dem Abschluß eines Kompromisses in der Meerengen frage, jedoch sind wegen der Kapitulationen neue Schwierig, keilen entstanden. Weihnacht! Nach vier Jahren Krieg haben wir nun vier Jahrik Frieden genoffen. Einen Frieden, wie die Entente ihn auffaßt, wie Lloyd George und Clemenceau und Wilson ihn in Versailles dem niedergebrochenen Gegner auf zwangen. Jahr für Jahr haben wir, von 1914 bis 1918, mn die Weihnachtszeit auf Frieden gehofft, und Deutsch land kann mit gutem Gewissen von sich behaupten, datz es nichts unterlassen habe, um ihn herbeizuführen. Von vem ersten ganz offiziellen, ganz feierlichen Friedensangebot Kaiser Wilhelms im Dezember 1916 an, bis zu den vielen halbamtlichen, privaten, vertraulichen Schritten, die unter nommen wurden, um dem unseligen Gemetzel ein Ende zu machen, um einen Frieden ohne Sieger und Besiegte zu ermöglichen, von dem namentlich der Präsident der Vereinigten Staaten so ungemein verlockend zu singen und zu sagen wußte. Auch mit einem Frieden in Ehren wollten wir uns schließlich abfinden, als wir einsahen und einsehen mußten, daß es über unsere Kraft war, was wir unternommen hatten. Aber der Schmachfrieden, in den wir uns fügen mutzten, hat die Sehnsucht nach wahrem Frieden, nach einem von Mißtrauen und Verleumdungen, von Bedrückung und Gewalttätigkeiten freien Zusammen leben der Völker nur von Jahr zu Jahr steigern können. Jede Weihnacht, die uns seit dem Abschluß des Welt krieges beschieden war, hat den Jammer über den Un frieden auf Erden immer nur qualvoller anwachsen lassen, und es gehört heute eine seelische Standhaftigkeit sondergleichen dazu, noch an der Hoffnung auf bessere Zeiten festzuhalten angesichts der trostlosen Verstocktheit, die als alles beherrschende Macht immer noch über uns waltet. Bald blitzt wohl hier, bald dort ein Irrlicht auf, das uns immer wieder neue Rettungsmöglichkeiten vor- spiegelt, aber die Enttäuschung, die unweigerlich nachfolgt, ist um so schmerzhafter und macht schließlich auch den un verbesserlichsten Optimisten verstummen. „Den Menschen ein Wohlgefallen!" Wer kann von den Mächtigen der Welt, die Gott in seinem Zorn heute über die Völker ge setzt hat, erwarten, daß ihre Haltung dieser himmlischen Verheißung entsprechen werde? Und doch ist eines wohl gewiß, bei aller Unsicherheit, von der das Völker- und Menschenleben mehr als je um geben ist: daß es so wie bisher nicht mehr lange fortgehen kann. Jeder, der über den Tag hinaus zu sehen und zu denken pflegt, ist davon überzeugt, daß eine Wendung kommen muß, und nur darüber können die Meinungen auseinandergehen, ob es eine Wendung zum Besseren oder zum Schlechteren sein wird. Worauf die Pessimisten, auch diejenigen wider Willen, ihre Ansicht gründen, wer wüßte es nicht bei all dem Jammer, von dem wir um geben sind. Aber die andern, die trotz täglich sich erneuern der böser Erfahrungen den Mut nicht sinken lassen wollen,' die immer noch an der Hoffnung festhalten, datz wir den „Frieden auf Erden" einmal erleben werden, den di« Weihnachtsbotschaft kündet, wie und wo finden sie die Rechtfertigung ihres Glaubens, an dem wir alle nur zu gern teilhaben möchten, so sehr uns auch das Herz schwer geworden ist im Anblick der vielen mühevollen und bisher fast durchweg ergebnislos gebliebenen Kämpfe um den Sieg von Recht und Vernunft, von Ehre und Menschlich- leit? Sören wir zu. wenn wohlmeinend« Ausländer uns zu trösten suchen, so sagen sie: ein Volk, das diese vier Jahre des Krieges und diese vier Jahre des sogenannten Friedens der Schmach und der Knechtschaft überstanden hat, ohne zugrunde zu gehen, ein solches Volk ist unsterb lich. Und was wollt ihr? Gewiß, Elend und Krankheit, Unverträglichkeit und Unsittlichkeit haben sich unter euch ausgebreitet wie nie zuvor, aber der Kern eures Volkes ist gesund, körperlich und moralisch, und die Jugend in ihren besten Teilen bürgt euch für die Wiederauferstehung der deutschen Volksseele in all ihrer Reinheit und Freiheit, deren ihr euch mit Recht so lange Jahre hindurch rühmen konntet. Auch darauf weisen sie hin, datz uns doch im Auslande, langsam allerdings, ganz langsam, aber doch allmählich Freunde in wachsender Zahl erstehen, die dem verbrecherischen Wahnsinn der Reparationsforderungen Einhalt zu bieten suchen, die uns helfen möchten, zunächst mit moralischen Mitteln, soweit es geht, und die auch jene materiellen Kräfte zu unseren Gunsten mobil machen wollen, ohne deren Mitwirkung auch die besten Absichten wesenlos bleiben müssen. Wenn wir auch noch so tief in Not und Elend Hineinsteuern, der Weg mutz doch schließ lich wieder aufwärts führen. Und immer wieder begegnen wir bei solchen Auseinandersetzungen dem einen Trost wort, das gleich dem Glauben in der Bibel Berge ver setzen kann: daß nurderwahrhaftverlorentst, dersichselbst verloren gibt. Im tiefsten Grunde unserer Seele fühlen wir alle Wohl die Nichtigkeit dieses Wortes, und je mehr es die besten unter uns dem Volke predigen, desto stärker wollen wir ihm anhängen, desto eifriger wollen wir ihm Gefolgschaft werben und nicht den jenigen das Feld überlassen, die in niederzwingender Gleichgültigkeit die ganze Welt eine Trübsal und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen wollen. Die Herzen hoch und die Hände gestrafft zu Tat und Arbeit — dann wird das Schicksal, ob früher oder später, doch noch den Weg gehen müssen, den wir wollen Dem Mutigen gehört die Welt! Dr. Sy. Moraiorium gegen Mnanzkonirolte. Vorbereitungen fürden2. Januar. Nach Pariser Meldungen werden dort bestimmte Pläne für die neuen Verhandlungen am 2. Januar vor bereitet. Für ein Moratorium von zwei Jahren an Deutschland soll man sich auf folgender Grundlage ge einigt haben: 1. Finanzkontrolle, 2. Ausführung! der Finanzreformen,-die von dem Garantiekomites verlangt worden sind und noch verlangt werden, 3. eins durch Deutschland aufzunehmende innere Anleihe in Goldmark zur Stabilisierung des Marlkurses, 4. Aus lieferung von Staatsforsten und Berg werken an die Alliierten, ebenso die Nutznießung der Zölle. Frankreich wird dann bereit sein, von der Ruhrbesetzung unmittelbar Abstand zu neh me n, es sei denn, daß die Bedingungen des Moratoriums von Deutschland nicht erfüllt werden. Da dieser Plan wohl noch viel Kritik finden dürfte, hofft man in England, daß man bei der Zusammenkunft in Paris einen neuen Vorschlag der deutschen Regierung besitzen werde, der geeignet ist, als Grundlage für Ver handlungen zu dienen. Die Besprechungen der deutschen Negierung mit den Sachverständigen in dieser Frage dauern in Berlin noch an. Der amerikanische Vor schlag, die Leistungsfähigkeit Deutschlands noch einmal zu „untersuchen", hat in Frankreich sehr verstimmt und wird für ganz unnütz erklärt. Viel Beachtung findet da gegen die Äußerung des amerikanischen Bankiers La mont, eine Anleihe sei unmöglich, weil gegenwärtig das amerikanische Publikum nicht daran denken würde, Schatzanweisungen zu kaufen. Amerika werde vielleicht Deutschland genug leihen, um ihm „über den Berg zu helfen", wenn die Neparattonen geregelt seien. Es sei jedoch zweifelhaft, ob Deutschland genug geliehen erhalten würde, um seine Reparationen bezahlen zu können. Französische Aadelstichpotttik. Neue Forderungen wegen Passau und Ingolstadt. Die würdige und sachliche und dabei doch außer- ordenilich weit entgegenkommende Note, die die deutsche Regierung der Botschafterkonferenz auf deren Süynefor- derungen wegen der Zwischenfälle in Passau und Ingol stadt übersandt hat, hat in Paris eine ebenso kleinliche wie gehässige Beurteilung gefunden. Die Botschafterkonferenz hat dem deutschen Botschafter Dr. M ayerin einem Brief auf die deutsche Note geantwortet, und sie stellt darin die Behauptung auf, daß die Ausführungen der deutschen Note dem Bericht der interalliierten Kom mission widersprächen. Die Konferenz nimmt die Zahlung von einer Million Goldmark sei tens der deutschen Regierung an Stelle der Städte Passau und Ingolstadt zur Kenntnis. Sie fordert, daß die Ent schuldigung der deutschen Regierung in der Presse veröffentlicht werde. Weiter aber wird von uns verlangt, mitzuteilen, wohin die verantwortlichen Pottzei- beamten sowie die beiden ihrer Stellung enthobenen Ver« j bindungsoffiziere aus Stettin versetzt wurden, Ver schärfung der Strafen, die die Polizeibeamten erlitten haben, Abberufung des Passauer Bürger meisters, Abberufung des mit der Leitung der Polizei betrauten Beamten in Ingolstadt und Pensionierung des Kommandanten der Munittonsanstalt in Ingolstadt. Nach dem die deutsche Negierung bereits nachgewiesen hat, datz die Absetzung der Bürgermeister rechtlich unmöglich ist, wird sie hoffentlich auf diese streitsüMige Note der Alliier ten die richtige Antwort zu finden wissen. Neue Tanserteichierungen. AllgemeineErhöhung der Gütertarife. Nach einer amtlichen Mitteilung werden zur Vermin derung der Erschwernisse, die bei einzelnen Wirtschafts zweigen durch die prozentualen Erhöhungen der Frachten seit dem 1. Oktober dieses Jahres eingetreten sind, zum 1. Januar 1923 Tariferleichterungen durchge führt. Stückgut wird um rund 17 ermäßigt. So dann wird zwischen den Wagenladungsklassen und 6 des Gütertarifschemas eine neue Wagenladungs klasse mit einer Tarifermäßigung von 15 A gegenüber Klaffe eingeschoben, die Lebensmittel aller Art umfaßt, insbesondere Brot, Butter, Margarine, Schmalz, Fette und Ole, Käse, Fische, Obst, Bier, Fleisch- und Wurst waren, Gemüse,. Milch, Nudeln usw. Die bereits in niedrigere Klassen aufgenommenen Nahrungsmittel ver bleiben natürlich in diesen Klassen. Endlich wird sür die niedrigste Wagenladungsklasse L eine Nebenklasse Ln 10 eingeführt, die Verbilligung sür Gewichteunter 15 Tonnen bringt. Der am 31. d. Mts. außer Kraft tretende Notstandstarif für Kartoffeln wird durch einen neuenAusnahmetarif ersetzt, der für Wagen ladungssendungen eine Fracht von nur 40 A der Normal fracht vorsieht, während bei Stückgut nur das halbe Ge wicht dxr Frachtberechnung zugrunde gelegt wird. Diese Frachtermäßigungen bedingen allerdings eine weitere prozentuale Erhöhung der Gütertarife zum 1. Januar 1923, und zwar müssen die Gütertarife um 7V H erhöht werden, während die Erhöhung der Tier- tarife 60 A betragen wird. Für das Maß dieser Erhöhun gen sind die Einnahmeverluste maßgebend, die seit Mo naten durch die billigen Notstandstarife, besonders in Kar toffeln, und die unter den Selbstkosten bleibende Verfrach tung auf weitere Entfernung infolge der Staffelung ent standen. Rund 40 A aller Frachten sind billigst laufende Kohlcnsendungen auf weite Entfernung. Dazu kommen die starken Ausgaben des Monats Dezember auf sächlichem und persönlichem Gebiete, die durch die Tariferhöhung vom 1. Dezember nicht gedeckt sind. treueste Meldungen. Der Wunsch nach Reisebrotmarken. Berlin. Eine Wiedereinführung der Reisebrotmarken regt eine Anfrage von rheinischen Reichstagsabgeordneten an, sie weifen auf die Gefahr hin, daß die französische Besatzungs» behörde, die sich die Prüfung -und Genehmigung aller polizei lichen Anmeldungen -Vorbehalten hat, bei der Anmeldung zur Erlangung von Brotmarken ihr mißliebig gewordene Personen abschieben könnte. Ein Dampfer mit 10» Personen untergegangen. Rom. Der Dampfer „Seftri", der von Genua nach Neapel ausgelaufen war, scheint verloren zu sein. Die letzte Botschaft von diesem Dampfer war ein drahtloser Hilferuf, den der Dampfer „Porto du Savona" auffing. Als die „Porto di Sa- vona" an der bezeichneten Stelle ankam, war von der „Seftri" nichts mehr zu sehen. Passagiere und Mannschaften, etwa 100 Personen, scheinen ertrunken zu sein. Die „Seftri" war ein 5869 Tonnen großer Dampfer, der vor vi«» Jahre» gebaut worden war