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Wilsdruffer Tageblatt : 16.12.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192212168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19221216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19221216
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-12
- Tag 1922-12-16
-
Monat
1922-12
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 16.12.1922
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Widerstand in England. Die Engländer zeigen sich jedoch auch von diesem neuen Gewattplan der Franzosen wenig erbaut. Lord Birkenhead hat im englischen Oberhause eine bedeut same Rede gehalten, in der er u. a. sagte, er kenne nur drei mögliche Sicherheiten für Frankreich: 1. Die Besetzung des Ruhrgebiets, aber diose könne zwar nicht zu einem militärischen Widerstand, Wohl aber zu einem nationalen Streik in Deutschland führen. 2. Die Er richtung einer Zollschranke am Rhein oder statt dessen um das Ruhrgebiet herum. Much diese werde wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Die Alliierten hätten bereits die Zollmethode versucht, und die Folge sei, daß die Reparations kommission zahlreiche Kisten voll mit deutscher Papiermark habe. Ein drittes voraeschlagenes Verfahren sei, daß die Alliierten einige der Wälder und Bergwerke in Deutsch land beschlagnahmen sollten. Dies würde Besatzungs- truppen zum Schutze der damit Beauftragten notwendig machen. Nach Birkenhead ergriff Lord Grey das Wort. Er führte aus: Vier Jahre feien jetzt seit dem Waffenstillstand vergangen, und es scheine ihm, daß die Gefahr politischer Unruhen in Europa und die Aussicht auf weiteren wirt schaftlichen Zusammenbruch statt abzunehmen, in Wirklich keit im Zunehmen begriffen seien. England habe mehr Interesse daran, politische Sicherheit und wirtschaftliche Wiederherstellung in Europa zu erzielen, als Barzahlung der ihm geschuldeten Summen zu erlangen. Wenn durch einen Verzicht, nicht auf tatsächliche Barzahlungen, sondern auf die Aussicht, eines Tages vielleicht Zahlung zu er halten, England irgend etwas Wesentliches tun könnte, um die Sicherheit des Friedens und die wirtschaft liche Wiederherstellung der Länder in Europa, die Abnehmer für den englischen Handel sind, zu fördern, so würde England in riesigem Maße der gewinnende Teil sein. Auch Lord Grey mißbilligte die Besetzung der Ruhr. Diese Maßnahmen würden zunächst den Zusammenbruch Deutschlands berbeiführen, und ein solcher Zusammenbruch würde eine wahre Katastrophe für die ganze Welt sein. Lord Sakis- bury, der im Namen der Regierung antwortete, drückt« die Hoffnung aus, daß die französischen Staatsmänner diese Erklärungen Lord Greys lesen werden und nach ihrem vollen Werte einschätzen, dies um so mehr, als Lord Grey ein erprobter FreundFrankreiöbs sei. Nah und Fern. O Leipzig—Magdeburg elektrisch. Am 19. Dezember werden die Fahrleitungen der elektrischen Zugförderungs anlage auf dem Streckenabschnitt Dessau—Magdeburg unter Spannung gesetzt werden. Damit ist die ganze Bahn Leipzig—Magdeburg elektrisiert. Es handelt sich um die größte elektrische Vollbahn Deutschlands. O Der „Geheimpolizist" als Wächter. In der Mittel mühle im Süntelgebirge bei Hameln erschien ein Mann, der sich als Geheimpolizist vorstellte und dem Müller er zählte- daß eine Einbrecherbande mit Revolvern und Hand granaten in der Nacht seine Mühle stürmen wolle. Da er die Bande kenne, wolle er die Wache übernehmen. Der Müller ging auf den Vorschlag ein und ließ den Mann in die Mühle. Als der Müller am andern Tage seine Mühle aufsuchte, war der „Wächter" verschwunden, und mit ihm alle Gold- und Silbersachen und 3 Millionen Mark in barem Gelds. Der Täter war gegen Morgen in einem Auto von zwei anderen Männern abgeholt worden. O Ermittlung zweier Eisenbahnräuber. Die Ermitt lungen in der Angelegenheit des vor einiger Zeit gegen den amerikanischen Major Sauerwein auf einer Eisen bahnfahrt am Rhein verübten Raubmordversuchs haben ergeben, daß als Täter vermutlich der 28jährige Friseur Emil Reinboth-Kastel und der 30jährige Landwirt Alois Rub aus Arzheim in Frage kommen. Die Belohnung für ihre Ermittlung ist auf 500000 Mark erhöht worden. Sauerwein, der mehrere Wochen zwischen Tod und Leben schwebte,ist inzwischen als beinahe gehellt entlassen worden. O Mord an einem Bahnwächter. Auf dem Kalibahnhof Freden a. d. Leine wurde von Bullerräubern, die einen Güterzug plünderten, der Bahnwächter Otto Helmbrech! erschossen. O Pan Korfanty und fein deutsches Auto. Einen schmerzlichen Verlust hat der Polenführer Korfanty er litten. Er Halle seinen Schwager beauftragt, ihm in Deutschland ein Auto zu kaufen. Der Schwager kaufte daraufhin in Berlin einen Wagen für etwa 20 Millionen deutsche Mark und versuchte, ihn über die deutsche Grenze nach Polnffch-Oberschlesien zu schmuggeln. Dabei wurde er jedoch von deutschen Zollbeamten erwischt, und der Kraftwagen Wurde beschlagnahmt. (D Auffindung von Leichen deutscher Soldaten. Zwölf Skelette deutscher < Soldaten wurden bei Aufräumungs arbeiten auf dem Schlachtfeld« von Metzeral im Oberelsatz aufgesunden. Sie haben ihre volle Ausrüstung mit Ge wehren bei sich. Aus den Achselklappen war zu ersehen, daß sie dem Infanterieregiment Nr. 156 angehörten; je doch konnten die Namen nicht mehr festgestellt werden, da alle Papiere verweht waren. Die Soldaten waren ver mutlich schlafend im Unterstand verschüttet worden. O Der Roman einer Prinzessin. Nach thüringischen Blättern steht die neunzehnjährige Prinzessin Marie Rose zu Hohenlohe-Bartenstein, die Tochter der verwitweten Fürstin Anna, einer geborenen kaiserlichen Prinzessin und Erzherzogin von Österreich und Toskana, im Begriff, sich mit dem Haupüehrer Waldemeyer in Bartenstein zu verloben. O Der Tod in den Bergen. Bei einer Skitour an der Brecherspitze ist der Münchener Kunstmaler Forchhammer mit seiner Frau tödlich abgestürzt. Die Leichen der beiden Touristen wurden geborgen. Bei Oberaudorf stürzte, ebenfalls auf einer Skitour, der Volkssckullebrer August Zeitler etwa 300 Meter hoch ab. O 1V0VV0 Mark Wochenverdienst. Die Diamantschleifer«! des Kreises Offenbach hat gegenwärtig Hochkonjunktur. Die wöchentliche Durchschnittseinnahme eines Diamant schleifers beziffert sich auf mehr als 50 000 Mark. Geübte Arbeiter verdienen 100 000 Mark und mehr in der Woche. Die Diamantschleifer legen die Löhne größtenteils in Grundstücks- und Häuserankäufen an. Nicht nur in den kleineren Ortschaften, sondern auch in Offenbach und Frankfurt a. M. sind Häuser in den Besitz der Arbeiter übergegangen. O Schneesturm im Riesengebirge. Im Riesengebirge hat ein furchtbarer Schneesturm gewütet. Es gingen riesige Schneemassen nieder, so daß in den Gebirgsorten der Schnee einen Meter und auf dem Kamm zwei bis drei Meter hoch liegt. Alle Straßen und Wege sind vollständig verweht. Viele Telephonleitungen wurden zerstört. Auch der Verl hr auf den Eisenbahnen hatte unter den Schnee verwehungen zu leiden. O Einbrecher im Prinzenschloß. In dem Palast deS Prinzen zu Natibor in Münster wurde ein großer Silber diebstahl verübt. Den Einbrechern fiel ein großer Teil des Familienschatzes in die Hände, darunter auch alte Schätze aus dem Kloster Corvey. Der Wert beziffert sich auf mehrere Millionen. Äußerst kostbar ist auch eine eben falls gestohlene Münzensammlung, die seit mehr als 100 Jahren im Besitz der Familie war. Von den Dieben fehlt bisher jede Spur. O Der falsche Gesandte. In Frankfurt a. M. trat vor mehreren Wochen ein Herr auf, der sich als belgischer Ge sandter und als Mitglied der Reparationskommission und der Interalliierten Militärkommission ausgab. Er nannte sich Andro de Voß und fand überall Zutritt. Hierbei schwindelte er einer Dame einen Zobelpelz im Werte von über einer halben Million Mark und 100 000 Mark in bar ab. Seitdem ist der Schwindler verschwunden. Später hat man ihn im D-Zuge Berlin—Brüssel gesehen. Es wird jetzt bekannt, daß er mit großem Erfolg auch die Mit glieder der Fremdenkolonie in Danzig beschwindelt hat. Seine Persönlichkeit konnte noch nicht festgestellt werden. O Neue Erderschütterungen in Chile. Aus Santiago de Chile wird gemeldet, daß dort und in anderen chile nischen Städten neue starke Erdstöße verspürt worden sind. O Böser Flitterwochenanfang. In Marseille wurde einem deutschen Hotelbesitzer am Abend seiner Hochzeit von seiner jungen Frau die Brieftasche mit 150 000 Frank ge stohlen. Die Täterin hat darauf die Flucht ergriffen und ist bis jetzt noch nicht gefaßt worden. O Folgenschwere Kefselexplosion. Infolge einer Kessel explosion sind in einer Zuckerfabrik in Havanna über 100 Arbeiter, meist Spanier, gelötet oder schwer verwundet .C) Nicht Nitti, sondern Nansen. Italienische Blätter hatten vor kurzem etwas voreilig gemeldet, daß den Friedenspreis der Nobelstiftung in diesem Jahre der frühere italienische Ministerpräsident Nitti erhalten werde. Diese Nachricht erweist sich jetzt als falsch: der Friedens preis ist nicht Nitti, sondern Nansen zuerkannt worden. Q Verhängnisvolle Übungsschießen. In der Nähe von Bilbao hielten kürzlich spanische schwere Landbatterien ein Übungsschießen mit scharfer Munition ab. Das Schießen wurde auch dann fortgesetzt, als über dem Meere ein hefti ger Schneesturm niedergiug und die Aussicht ^verschleierte. Das Opfer dieser Unvorsichtigkeit war ein Schleppdampfer, der von einem Schuß getroffen wurde. Der Dampfer sank sofort. Der Kapitän des Schiffes wurde getötet, drei Mann ver Besatzung wurden schwer verwundet. O Vulkanausbruch. Italienische Blätter melden, auf dem Monte Torretta bei Potenza hätten sich zwei Krater geöffnet, die unter Getöse Flammen und Rauchsäulen aus- stoßen. Die Bevölkerung flüchtet. Die Nachricht bedarf noch der Aufklärung. O Das amphibische Panzerauto. In Newyork ist ein Panzerauto mit dreizölligen Geschützen, das sowohl auf dem Lande wie aus dem Wasser verwendbar sein soll, konstruiert worden. Bei einer Probefahrt auf dem Lande wurde eine Stundengeschwindigkeit von 30 englischen Meilen erzielt. Mit Hilfe seiner Schrauben hat das Panzerauto dann im Hudsonfluß 1N englische Meilen '.nrjirfcwttat. Vermischtes. Das Mädchen mit dem Monogramm. Als neueste Modelaune taucht jetzt in England die Sitte auf, auf Blusen und Jumpers ein gesticktes Monogramm zu tragen. Einstweilen sieht man es erst an sehr teuren Modellen aus Seide, aber die schöne Sitte wird sicherlich ihren Weg machen und auch in die niedrigeren Regionen hinunter steigen. Da eine Monogrammschablone und eine Strähne Stickseide nur ein paar Pfennige kosten, steht dem nichts im Wege, so meint ein englisches Blatt, nichts als der gute Geschmack, und das Zutrauen zu ihm scheint nicht über mäßig groß zu sein. Man darf also erwarten, daß bald jedes weibliche Wesen in England, mit Monogramm ver sehen, wie ein Kopfkissenüberzug herumlaufen wird. Die Entrüstung, die eine solche Zeichnung der Kleider mit den Anfangsbuchstaben eine Taktlosigkeit und Aufdringlichkeit nennt, wird wenig nützen. Es gab ja auch eine Zeit, da die jungen Mädchen mit Broschen aus Silber oder Elfen bein, die ihren Namenszug trugen, herumliefen, — und nicht nur in England. Kriegsbericht vom Feldzug gegen den Alkohol. Nach dem Bericht, den die für die amerikanischen Antialkohol gesetze verantwortliche Liga vor kurzem erstattet hat, wur den bei der Durchführung des Kampfes gegen die Alkohol- sckMuggler 125 Beamte der Vereinigten Staaten getötet und 3500 verwundet. Der Bericht hat nicht unrecht, wenn er den Kampf gegen den Alkohol als einen „Bürgerkrieg im kleinen" bezeichnete Wie weiter festgestellt wird, sind in 56 amerikanischen Städten während des Jahres 1920 252 310 Personen wegen Trunkenheit und Störung der öffentlichen Ordnung verhaftet worden; im folgenden Jahre, dem zweiten unter dem Prohibitionsgesetz, erfühl diese Sahl eine Steigerung um 36 Im selhen Jahr« stieg die Zahl der betrunkenen Chauffeure von 3588 aü 3825, während die Zahl der wegen anderer Vergehe, gegen das Gesetz bestraften Personen um 18 A Prozent ft die Höhe ging. Die Kosten der für die Aktion erforder lichen polizeilichen Überwachung erhöhten sich in 43 Städte, um 11,2 Frankreichs EntvöUerungselcnd. „Wenn die Ent völkerung Frankreichs in dem bisherigen Maße fort schreitet, werden wir in vierzig Jahren eine erledigte Rasse sein," erklärte kürzlich der Vorsitzende der „Nationalen Ver einigung für die Kräftigung der französischen Bevölkerung". Ein von dem Verein veröffentlichter Bericht enthält eine Statistik, die ganz dazu angetan ist, den Ernst der Lage zu illustrieren. Allenthalben in Frankreich übersteigt danach Lie Zahl der Todesfälle die Geburtenziffer mehr oder weniger erheblich. Am schlimmsten liegen die Dinge in Südfrankreich. Zieht man eine gerade Linie von Bor deaux nach der Schweiz, so ergibt sich, daß in dem Gebiet, das südlich von dieser Linie liegt, auf jede Geburt drei Todesfälle entfallen. In dem Departement Var und an der Riviera entfallen beispielsweise auf 335 Todesfälle 100 Geburten. Diese Zahlen umfassen zwar den Zeitraum von Juli 1914 bis 1918, schließen aber keine Kriegsverluste in sich. Warum die Notleine gezogen wird. Ein Schnellzug, der sich aus der Fahrt nach London befand, mußt« kürzlich auf freier Strecke hatten, weil ein vierjähriges Kind, ehe es daran gehindert werden konnte, die Notleine gezogen hatte. Der Vater des kleinen Verbrechers erhielt jedoch kei nen Strafbefehl; wie auf der Direktion der Eisenbahn- gcsellschaft einem Berichterstatter erklärt wurde, handelte es sich bei Lem Vorkommnis nicht um ein Verschulden, weaen dessen die Gesellschaft Buße ru verlanaen vfleat. Da gegen wurden dem Berichterstatter allerlei andere Not leinegeschichten, bei denen es weniger glimpflich abging, erzählt. Einmal hatte ein Mann den Zug zum Hatten gebracht, weil er aus dem Fenster ein Haus erblickte, das zu verkaufen war, und das ihm gefiel. Ein Schotte, der nach Manchester fuhr, zog die Notleine, weil er beim Er wachen aus einem keinen Schläfchen entdeckt hatte, daß ihm ein« Pfundnote fehlte. Er wurde noch um ein weite res Pfund erleichtert. Ein Fahrgast zog an der Schnur, in der Meinung, daß er dadurch die Beleuchtung in Tätig keit setze. Er mußte ein Pfund zahlen. Einer Dame war eine Papiertüte, die ihren neuen Hut enthielt, aus dem Fenster geflogen, und der erschreckte Gatte ließ schleunigst den Zug halten. Der Hut, der 2 Pfund 6 Schilling ge kostet hatte, wurde glücklich eingefangen, aber dis Strafe betrug dafür auch 2 Pfund nebst 1 Pfund 1 Schilling Kosten. In Nottingham zog ein Mann die Notleine, wäh rend der Zug noch im Bahnhof hielt, an der Notleine, um an die herbeieilenden Bahnbediensteten die Frage zu rich ten, ob es bald loögehe, oder ob er nicht doch lieber ein Auto nehmen solle. Auch dieser Neugierige mußte 1 Pfuirs blechen. Ans Stadt und Land. MW«» AK M-WE «SW»« »mir KM»», «WWW«. Wilsdruff, am 15. Dezember 1922. — Weihnachtsbitte für unsere darbenden alten Leute. Nun schreiten sie wieder von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, die lieben Weihnachtsmänner: Knecht Ruprecht, St. Nikolaus, Pelzmärtel oder wie sie auch heißen mögen. Aber, o weh! Ihre Säcke sind recht leer, ihre sonst so guten, lieben Gesichter sehen ernst und traurig aus und ihr Gang ist trotz der teeren Säcke von der Sorgenlast noch gebeugter als sonst. Auch der Weihnachtsmann des Fechtvereins empfindet schwer den Ernst der Zeit und schüttelt traurig sein graues Haupt. Seine Haupt aufgabe ist ins Riesenhafte gewachsen. Einen Lichtblick, einen Sonnenstrahl möchte er in alle die dunklen Räume senden, wo von Not und Sorge geplagt der alte Großvater freudelos feinen Lebensabend verbringt, wo das gebückte Mütterchen, das einst in Sorge für das Wohl ihrer Kinder und Enkel sich verzehrte, nun einsam und allein ihr letztes Stündchen herbei- fehnt, weil der Hunger täglich an ihre Türe pocht. Sollen sie auch an den beiden Feiertagen am Hungerluche nagen, da andere Tische mit Gänsebraten und Leckerbissen bedeckt sind? Soll nicht auch ein Abglanz der Weihnachtsfreude in die Her zen und Häuser der armen alten Leute dringen? Der Fecht- verein will den Einsamstehenden einen freundlichen Heilig abend bieten und ihnen die Sorge für das Mittagsbrot an beiden Feiertagen abnehmen und bittet herzlich alle, die noch ein Herz für das darbende Alter haben, zur Deckung der Un kosten beizutragen und die Listen auszufüllen, die in den hiesigen Gastwirtschaften ausliegen oder das Girokonto 123 zu be denken. Ging früher der Ruf an die, welche im Ueberfluß lebten, dann muß er sich heute an alle richten, die noch etwas entbehren können; und ihrer sinds ja noch so viele. Landwirt, Industrieller, Handel- und Gewerbetreibender, Beamter, Ar beiter, der du noch an den Feiertagen Braten und Stollen auf dem Tische hast, gedenke derer, die es nicht haben! Trag dein Scherflein dazu bei, dem Weihnachtsmann des Fechwereins das Säcklein zu füllen, er will Weihnachtsfreude in die Herzen unserer bedürftigen Alten bringen! Wer Liebe gibt, wird in der beglückenden Tat Liebe ernten. . — Weihnachtsfeiern. In unserer schweren Zeit ist jede Gelegenheit freudig zu begrüßen, welche die Gedanken einmal löst von den Sorgen und Nöten des Alltagslebens und die Herzen erhebt zu einer Freude, die uns kein Feind rauben kann. Das vermögen aber trefflich die Weihnachtsfeiern, an denen auch in diesem Jahre erfreulicherweise kein Mangel herrscht. Eröffnete die Schule mit den Weihnachtsaufführungen den Reigen, dann folgen morgen Sonnabend der „Anakreon" im „Adler", der Allg. Turnverein im „Schützenhaus", der Kinder hort am Dienstag im „Adler" und der „Sängerkranz" am Mittwoch ebendaselbst. Üeberall hat Liebe die Feier bereitet, wird ungetrübte Freude die Stunden verschönen. — Ein Schadenfeuer wurde am Dienstag abend kurz nach 9 Uhr in dem Vorraum der Bildhauerwerkstätte von Hentschel äc Frey bemerkt und gelöscht, ehe es größeren Um fang annehmen konnte. Es liegt unzweifelhaft Brandstiftung vor, denn das nach dem Stadtgraben zu liegende Fenster, das mit einem Brett verschlossen war, war durchstoßen und un mittelbar darunter lag der Brandherd. Der Brandstifter muß mit der Oertlichkeit vertraut gewesen sein. Etwa gemachte Wahrnehmungen wolle man der Gendarmerie mitteilen. — Der Landwirtschaftliche Verein Wilsdruff hielt am Mittwoch nachmittag im „Adler" eine sehr gut besuchte Sitzung ab. Nach der üblichen Erledigung des Geschäftlichen behandelte der Vorsitzende, Rittergutspächter Böhme-Klipphausen, ver schiedene wichtige Tagesfragen, u. a. den vielumstrittenen Milch preis. Die ganze wirtschaftliche Lage habe sich seit dem Vor jahre überhaupt sehr zu Ungunsten der Landwirsschaft ver schoben, man brauche nur einmal die prozentuale Steigerung der landwirtschaftliche'n Produkte mit der der Düngemittel, Kohlen und sonstigen Bedarfsartikel (besonders Maschinen) zu vergleichen. — Auf Vorschlag aus der Mitte der Versamm lung wurde beschlossen, den Mitgliedsbeitrag für das nächste Jahr zu verzehnfachen. Mit der Ausarbeitung der Sätze wird der Vorsitzende beauftragt. — Einer ehrenvollen Aufgabe konnte sich der Vorsitzende dann insofern unterziehen, als er unter warmen Worten der Anerkennung der Wirsschaftsgehilfin Emma Frieda Hanisch für 15jährige treue Dienste bei Herrn Gutsbesitzer Klügel in Schmiedewalde das vom Kreisverein verliehene silberne Ehrenkreuz nebst Ehrenurkunde überreichen konnte. — Dann hielt Herr Prof. Derlitzky, der Leiter der Ver suchsstation Pommritz, einen sehr instruktiven Vortrag über die Aufgaben derselben. Sie liegen in erster Linie in der Erfor schung rationellster Arbeitsmethoden und praktischster Einrich tung, um bei intensiver Wirtschaft eine Prvduktionssteigerung zu erzielen und doch an Arbeitskraft zu sparen. Seine interessan ten Ausführungen und die dazu gezeigten Lichtbilder wiesen viele nachahmenswerte Beispiele auf unck fanden reichen Beifall. — Einkommensteuermarken zu 100 und 200 stehen dem Postamt in Wilsdruff in beschränkter Anzahl zur Ver fügung und können daselbst gekauft werden. — Der Landtag fetzte gestern seine Beratungen fort. Neu eingetreten ist der Abg. Grellmann für den verstorbenen Abg. Schmidt-Freiberg. Die Regierungsbänke sind gut besetzt, die Tribünen ziemlich leer, trotzdem nach der Vornahme einiger Ausschußwahlen die Aussprache über die Regierungspolitik stattfindet. Als erster Redner trat der sozialdemokratische Abg. Wirth auf. Seine langen Ausführungen gipfelten in einer Be weisführung für die angebliche Richtigkeit der in der Regie rungserklärung enthaltenen Forderungen und gegebenen Ver sprechungen. Abg. Dr. Kaiser (D. V.) vermißte in der Re gierungserklärung vor allem die Stellungnahme der Regierung zur Schuldfrage und zum Vertrage von Versailles. Auch ein Wort über die Treue zum Reiche fehle. Den heftigsten Wider-
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