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MdmfferNgebla« Fernsprecher Wilsdruff Nr. (-- Wochmblütt sÜs WWdkU^'UN- UNMgelld Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Berleqer und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff- 81. Jahrgang. Nr. 261 Dienstag / Mittwoch 12. / 13. Dezember 1922. Amtlicher Teil Falls in der hiesigen Einwohnerschaft infolge der wachsenden Schwierigkeiten des höheren Schulbesuches in den Nachbarstädten das Bedürfnis nach verlängerter und erweiterter Dolksschulbildung bestehen sollte, würde der Stadtrat nicht abgeneigt sein, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen durch Einrichtung eines 9. und 10. Schul jahres. Eltern, die daran Interesse haben, wollen dies dem Stadtrat bis zum 20. d M. schriftlich mitteile». Sil Wilsdruff, am 5. Dezember 1922. Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser, * In London wurde die Konferenz der Premierminister von England, Frankreich, Italien und Belgien eröffnet. * Präsident Harding hat in einer Botschaft an den Kongreß erneut die Hilfsbereit, chaft Amerikas für Europa betont. * Der Außenminister v. Rosenberg hielt im auswärtigen Ausschuß des Reichstages eine vertrauliche Rede über die poli tische Lage. * Die Festsetzung der neuen Preise für das Umlagegetreide wird voraussichtlich zu einer Verdoppelung des Brotpreises nach Neujahr führen. * Die Reichsregierung hat die beiden Noten über die Vor fälle in Bayern und über die Frage der Kontrollkommissionen in Paris überreichen lassen. Lloyd Georges erster Streich. „Hört, ihr Herren, und laßt such sagen..." — so un gefähr könnte die Überschrift des ersten Artikels lauten, den Lloyd George, der frühere Ministerpräsident, am Morgen des Tages, an dem in London die Konferenz der alliierten Premierminister zusammentritt, in englischen und anderen Zeitungen der Alten und der Neuen Welt Veröffentlichen läßt. Lloyd George hat offenbar die Ab sicht, aus diese Weise eine Art Rückblickund Rechen schaftsbericht über seine gesamte auswärtige Politik zu geben. Und wenn er sich dazu den Augenblick aus gesucht hat, in dem über die Kern- und Grundfrage der gesamten internationalen Lage wieder einmal entschei dende Beratungen beginnen, so niuß er die Gefahren dieses Augenblickes hoch genug einschätzen, um ein so ungewöhn liches Vorgehen wie das seine fiir gerechtfertigt zu halten. Denn Lloyd George ist nichts weniger als ein toter Mann; er kann, wenn die Umstände es so wollen, schon morgen wieder in Amt und Würden stehen. Sein Feldzug gegen Frankreich, den er jetzt eben einleitet, wäre dann ein Posten in seiner aktiven Politik, der nicht mehr zu streichen wäre. Lloyd George kleidet seine Warnung an Frankreich in eine Polemik gegen Clemenceau, der es auf seiner Rundreise durch die Vereinigten Staaten England zum Vorwurf gemacht hat, daß es den berühmten Garan tievertrag zugunsten Frankreichs nicht habe zustande kommen lassen. In Wahrheit ist dieser Vertrag, wie Herrn Clemenceau von Lloyd George sehr nachdrücklich in Erinnerung gebracht wird, an dem Verhalten Frankreichs gescheitert. Gescheitert gerade in einem Augenblick, als die Welt in der Zuversicht lebte, daß man der ewigen Beun ruhigung und dem Unfrieden in Europa durch Abkehr von der Gewalt- und Diltatpolitik nach dem Muster von Versailles ein Ende machen werde. In Cannes war es, wo die englische Delegation sogar einen schriftlichen Garantievertrag vorlegte, und wo Briand draus und dran war, diesen Vertrag anzunehmen, als ihm plötz lich von Paris her ein Bein gestellt und Herr Poincard an seinen Platz geschoben wurde. Poincars ließ dann in Genua Herrn Barthou eine Rolle spielen, die Lloyd George jetzt als äußerst demütigend bezeichnet; eine Rolle, die dadurch bedingt war, daß, wie hier ausdrück lich gesagt wird, eine Großmacht diese Konferenz, von der das Wohl unV Wehe Europas abhing, zum Scheitern brin gen wollte. Völlig in Übereinstimmung mit den Kreisen in Deutschland, die sich durch kein heuchlerisches Gerede, aber auch durch keine Selbsttäuschungen über den wahren Stand der Dinge irre machen lassen, sieht Lloyd George den tiefsten Grund für diese Vorgänge in Frankreich in der „rheinischen Richtung" der französischen Politik, die leine anderen Ziele kennt und kennen will als die Annexion des deutschen Rheinlandes. Lloyd George sieht voraus, daß diese Richtung die vertragsmäßig fest gesetzte Räumung des besetzten Gebietes, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, verweigern wird, weil sie nicht zugeben will, daß für Frankreich irgendeine andere ausreichende Sicherung gegen Deutschland hin denkbar sei als die Vorschiebung der Grenze bis an den Rhein. Diese Richtung rechnet kaltblütig mit der furchtbaren Tat sache, daß Millionen und aber Millionen von Männern deutschen Blutes, deutscher Abstammung, deutscher Ge sinnung unter ein fremdes Joch zu beugen seien. Und er sagt voraus, daß ein Befreiungskrieg, furchtbarer als irgend ein anderer Krieg, den wir bisher erlebt haben, entbrennen werde, wenn die Franzosen nicht gehindert würden, an diesem Ziel noch fernerhin festzuhalten. Nie mals werden die siebzig Millionen Deutsche, die es jetzt gibt, oder gar die hundert Millionen, die vielleicht in der nächsten Generation da sein werden, sich beruhigen, solange Millionen ihrer Brüder jenseits des Rheins unter frem dem Joch schmachten. Und es werde nur eine Frage der Zeit und der Umstände sein, daß der unvermeidliche Be freiungskrieg beginnt. Lloyd George sieht kein anderes Mittel, diese Katastrophe abzuwenden, als das Zusammen halten Amerikas und Englands, die ebenso sehr jeden Nationalismus in Deutschland, wenn er sich erheben sollte, obschrecken und niederhalten müßten, wie sie die Annexion deutscher Gebiet durch Frankreich zu verhindern hätten. Sie müßten erklären, daß, wenn der unvermeidliche Be freiungskrieg ausbreche, die beiden angelsächsischen Reiche mit ihren Sympathien offen auf der Seite derjenigen sein würden, die für nationale Freiheit kämpfen. Die Zeit sei gekommen, diese Dinge jetzt zu sagen, und wenn sie nicht an hervorragender Stelle gesagt würden, werde die Menschlichkeit eines Tages diejenigen, die diese Stellen jetzt inne haben, zur Rechenschaft ziehen. Deutlicher kann ein gestürzter Machthaber an die poli tische Einsicht und an den politischen Mut feines Nach folgers nicht appellieren, als Lloyd George es hier tut. Schon nennt man ihn darum in Frankreich einen Agenten Deutschlands, während er doch oft genug, in Versailles und anderwärts, bewiesen hat, wie leicht und wie leicht herzig er sich über deutsche Lebensinteressen hinwegzu setzen vermochte. Bonar Law wird diese warnende Stimme schwerlich so kurzerhand abtun. Wohin die fran zösische RheiMandpolitik zielt, kann ihm ebenso wenig ver borgen geblNen sein wie seinem Vorgänger, und es mag ihm in gewisser Hinsicht zustatten kommen, daß dieser Herrn Poincare so bittere Wahrheiten ins Gesicht sagt, Wie sie ihm ein aktiver britischer Staatsmann im gegen wärtigen Augenblick kaum Vorhalten kann. Fragt sich nur, ob der britische Ministerpräsident den Willen und die Macht hat, sich den verderbenbringenden französischen Ab sichten in den Weg zu stellen. Daß er dabei die ameri kanische Staatsleitung an seiner Seite finden würde, gilt vielen Kreisen in England schon als eine ausgemachte Sache. Es käme also darauf an, die Probe aufs Exempel zu machen — auch, dann, wenn Herr Poinears, wie anzu nehmen ist. die gekränkte Unschuld spielen will. Beginn der Londoner Besprechung. Der Kampf um die „Pfänder". Die alliierten Ministerpräsidenten sind nunmehr in London zu den Vorbesprechungen für die Brüsseler Kon- -serenz zusammengekommen und man ist geneigt, dieser Aussprache fast eine gwßere Wichtigkeit beizumessen, als der wohl erst im Januar zu erwartenden Versammlung in der belgischen Hauptstadt. Poincarö jedenfalls betrachtet die Auseinandersetzungen der nächsten Tage offenbar als eine Generalprobe auf seine Pfändertheorie. Man erkennt allerseits an, daß die Frage eines an Deutschland zu gewährenden Moratoriums im Vordergründe stehen muß, aber Poincarö will ein solches nur zugestehen, wenn er dafür als „Pfand" feine Hände auf die Bergwerke, Forsten und Industrieanlagen im Rheinlande und womöglich auch im Ruhrgebiet legen kann. Darin widersprechen ihm aber die Engländer. Das Kon ferenzprogramm soll in erster Linie Maßnahmen der deut schen Negierung zur Stabilisierung der Mark und dann die Auflegung einer Anleihe für Deutschland umfassen. In englischen Geschäftskreisen gibt man sich guten Hoffnungen hinsichtlich einer internationalen An leihe hin, da die augenblickliche deutsche Regierung eine Regierung der G e»schäf 1 sleute sei, die also alle diejenigen Kreise von Deutschland vertreten könne, die den Rest des deutschen Geldes besitzen. Dennoch wird natür lich auch in London der Ernst der Lage allgemein an erkannt. Aber man betont die Möglichkeit, sowohl für die Reparationsfrage, als auch für die Frage der interalliier ten Schulden zu einem Einverständnis zu kommen. Viel bedenklicher als die optimistische Auffassung in London lauten die Stimmen aus Paris. Dort wird betont, Poin- care werde sich an zwei Grundsätze halten: keine Herab setzung der deutschen Schuld ohne entsprechende Herab setzung der französischen Verpflichtungen. Kein Mora torium ohne produktive Pfänder, die Geld einbringen. Am meisten interessiert vielleicht die Haltung Mussolinis. Unter dem neuen Herrn Italiens ist jo der frühere deutsch-freundliche Kurs völlig verändert worden. Von ihm erwartet man Überraschungen. Vorläufig hat er er klärt, Italien sei seit dem Kriege verarmt und nicht in der Läge, Geschenke zu machen. Er beabsichtige, in London einen italienischen Plan vorzulegen, der eine Lösung auf der Grundlage einer Verbindung von Reparationsfrage und dem Problem der internationalen Sckmkden vorsiebt. Deutschland könne zahlen, und' die Bürger anderer Länder sollten nicht aufgefordert werden, auf ihre Ansprüche zu verzichten. Im übrigen glaubt man, die Besprechungen würden länger als eine Woche dauern, wenn der Bruch nicht schon in den ersten 24 Stunden eintritt. Auch Japan hat seine Zulassung zu den Besprechungen verlangt. -i- Ein deutscher Vorschlag. Das Reuter-Bureau veröffentlicht eine Note über die Vor schläge der deutschen Regierung zur Reparationsfrage. Da nach hat man von den letzten Berliner Anregungen in London einen recht günstigen Eindruck. Man glaubt, daß diefe Vorschläge die Ausgabe einer inneren und äußeren Anleihe umfassen, letztere in Höhe von 11L Milliarden Goldmark, deren größter Teil den Reparationszahlungen zuslietzen soll. Die Meinung oer englischen Industrie. Der Präsident der Vereinigung der britischen Industrie hatte eine Unterredung mit Bonar Law. Er schlug vor, die Forderungen Englands an die Alliierten nicht'zu streichen, solange die Wiedergutruachungs frage nicht geregelt sei. Die interalliierten Schulden seien es gerade, die England in den Stand setzten, einen großen Einfluß aus diese Regelung ausznüben. Ein Moratorium für Deutschland hält der Präsident für notwendig. Die Hilfsösrsiischast Amerikas. Eine Botschaft Hardings. Präsident Harding hat eine Botschaft an den Kon greß gerichtet, in der er sagt, die Welt befinde sich noch immer in einer großen Krise, und es sei keine bloße Redensart, wenn man sage, daß unsere Ziv'ilifation jetztaufdieProbe gestellt werde. Wir verlangen von niemandem, daß er die Verantwortung für uns über nehme, und wir übernehmen auch keine Ver antwortung, die die ^anderen selbst tragen müssen. Denn andernfalls werden die Nationen hoffnungslos im Internationalismus versinken, über die außenpolitische Lage Amerikas urteilt Harding sehr optimistisch. Die Union sei noch immer bereit, Europa zu helfen, aber dies dürfe nicht zur Folge haben, daß Lie eigene Lage Amerikas dadurch verschlimmert werde. Der Krieg habe Amerika zu einer Gläubigernation gemacht. Wir haben nicht danach gestrebt, so schließt die Botschaft, einen übertriebenen Teil des Goldes der Welt zu haben; wir trachten nicht danach, ein internationaler Dik ta t o r zu werden. Wir werden uns freuen, die Währungs- fysteme wiederherzustellen, den Handel in jeder Beziehung zu erleichtern, aber nur so, daß wir nicht auf die Stufe derer herabsinken, die ivir emporzuheben suchen. Verdoppelung des Broipreises? NeuePreisefürdasUmlagegetreide. Dieser Tage tritt die im Getreideumlagegesetz vorge sehene Zwanziger-Kommission zusammen, um für die näch sten zwei Drittel Getreide umluge selbständig die Preise festzusetzen, ohne daß seine Beschlüsse der Genehmigung des Reichstages unterliegen. Reichs ernährungsminister Dr. Luther wird dabei sein Pro gramm entwickeln. Aus feinen Besprechungen mit den Vertretern der Fraktionen geht hervor, daß Dr. Luther auf Lern Standpunkt steht, daß einerseits zwar eine gewisse Erhöhung des Getreidepreises notwendig sei, daß aber j andererseits unbedingt das Interesse der Verbraucher ge wahrt werden müsse. Wie verlautet, wird von den Land wirten eine drei- bis vierfache Erhöhung der Preise für das Umlagegetreide gefordert. Das würde aber zur Folge haben, daß sofort der Brotpreis eine Stei gerung um 100 erfahren würde, auch wenn Liefe Forderung nicht vollständig anerkannt wird. Heue Sähe -er Einkommensteuer. Für 1922 und 1923. Der Steuerausschuß des Reichstages beschloß, die Einkommensteuersätze für 1922 wie folgt festzusetzen: Für die ersten angefangenen oder vollen 309 000 M. 10 H für die weiteren anaefangenen oder vollen 300 000 „ 15 , — 400 000 „ 20 . 500000 , 25 . 500 000 . 30 , 500000 , 35 , - 1000 000 , 40 . — — — — 1 000 000 . 45 . M» — »» 1 500 000 , 50 . 1500 000 „ 55 . kür weitere Beträae . . ... 60 .