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Volle eine große historische Zukunft bevorstehe. Deutsch land sei gegenwärtig geschwächt und könnte Rußland keine materielle Hilse leisten. Er werde aber alle Maßnahmen ergreifen, um die technische Hilfe zu verstärken und das wirtschaftliche Band zwischen den beiden Staaten zu be festigen. Der Gulian will bleiben. Weitere Zuspitzung in Konstantinopel. Der bereits abgefetzte Sultan weigert sich nach neueren Meldungen entschieden, auf den Thron zu ver zichten. Wie es heißt, befindet er sich noch in Konstan tinopel und wird durch britisches Militär bewacht. Die Nationalversammlung in Angora wird durch die Extre misten beherrscht, die energisch gegen den Waffenstillstand von Mudania Einspruch erheben, weil dadurch der sieg reiche Vormarsch der türkischen Heere aufgehalten worden wäre. Wegen des neuen Regiments in Konstantinopel sind alle Botschaften und Gesandtschaften, die von der Hohen Pforte eingerichtet wurden, im Auslande aufge hoben worden. Gerhari Hauptmann. Zu seinem sechzigsten Geburtstag. Am 15. November vollendet Gerhart Hauptmann das 60. Lebensjahr. Immer wieder wird gesagt, daß man Distanz haften müsse, um einen Dichter nach seinem wirk lichen Wert einfchätzen zu können, und daß man über einen noch lebenden Poeten kein abschließendes Urteil fällen sollte. Aber Gerhart Hauptmann ist bei Vollendung des sechsten Jahrzehnts seines aN Erfolgen reichen Lebens eine so fest umrissene literarische Persönlichkeit, daß sein Charakterbild in ddr Geschichte der deutschen Literatur kaum noch schwankt, obwohl es von der Parteien Gunst und Haß noch heute verwirrt wird. Es hat Hauptmann nie an neiderfüllten Verkleinerern seines Ruhmes gefehlt, und es gibt besonders unter den jüngstdeutschen Literatur größen oder vielmehr Literaturkleinen ein paar Männchen, die den Dichter der „Weber" mit ebenso großartiger wie lächerlicher Geste als einen — wenn man so sagen kann — „längst überwundenen Standpunkt" abtun. Andererseits muß aber gesagt werden, daß Hauptmanns literarische Be deutung vielfach auch überschätzt wurde, und daß der Dichter — wohlverstanden: nicht die Persönlichkeit, son dern eben der Dichter — von feinen Jüngern feit Jahren in einer Weise verherrlicht wird, wie seit Goethe kein anderer deutscher Dichter verherrlicht worden ist. Kein Wunder, daß diese kritiklose Verhimmelung Hauptmanns kritische Gegenäutzerungen ausgelöst hat, und daß auch ernst zu nehmende Literaturhistoriker die meisten seiner Werke zwar als vortreffliche Bühnenstücke, aber nicht als klastische Literatur in des Wortes edelstem Sinne bezeich nen zu können glauben. Ob sie vor dem Richterstuhl der Nachwelt, der — nach Schopenhauer — der gerechte Kassationshof der Urteile der Mtwelt ist, bestehen werden — wer vermöchte es zu sagen? Aber auch der Zweifel ist ein Urteil. Während des Weltkrieges und nach der Revolution ist Gerhart Hauptmann auch politisch wiederholt an die Öffentlichkeit getreten. Daß er sogar einmal als Anwärter auf den Reichspräsidentenstuhl genannt wurde, war wohl nur ein parteitaktisches Manöver — denn es nehmen ihn auch politische Parteien für sich in Anspruch — dem er selbst ferngestanden haben dürfte. Wild und mit Er bitterung gekämpft wird längst nicht mehr um ihn, und die Zeiten, wo seine Dramen zu hitzigen literarischen („Vor Sonnenaufgang", „Das Friedensfest") oder politischen („Die Weber") Kundgebungen im Theater führten, sind vorüber. So dürfte denn die Feier seines 60. Ge burtstages sich zu einem durch keinen unschönen Mißklany gestörtes Fest der vielen, die an seine literarische Mission glauben, gestalten. Durch die Veranstaltung einer Fest spielwoche in Breslau, der Hauptstadt seines Heimatlandes Schlesien, sind dem Dichter bereits lange vor dem Geburts tage besondere Ehrungen erwiesen worden, und neue große Huldigungen sind ihm für den Jubeltag selbst zugedacht: Breslau wird ihn zum Ehrenbürger ernennen, und Berlin huldigt ihm durch eine in der Aula der Universität veran staltete Feier, der der Reichspräsident beiwohnen und bei der u. a. der Reichstagspräsident Löbs das Wort^ergreisen wird. Dr. Max Schwarz. * Gerhart Hauptmann wurde am 15. November 1862 zu Salzbrunn in Schlesien geboren. Er wollte ursprünglich Bild hauer werden, widmete sich dann aber der „Schriftstellerei" und schrieb, zuerst als Vorkämpfer der naturalistischen Kunsttheorie, eine große Anzahl von Dramen, die an allen deutschen Bühnen und zum Teil auch im Auslande zur Aufführung gelangten und noch heute auf dem Spielplan des deutschen Theaters eine vorherrschende Stellung einnehmen („Einsame Menschen", „Die Weber", „Kollege Crampton", „Der Biberpelz", „Hanneles Himmelfahrt", „Florian Geyer", „Die versunkene Glocke", „Fuhrmann Henschel", „Rose Bernd" u. a.). Auch Romane und Novellen hat Hauptmann geschrieben, aber sie sind nicht so ins Volk gedrungen wie seine Dramen. Dad onä fern. O Plünderungen in Köln. In Köln kam es in dem Jndustrievorort Köln-Kall zu Plünderungen von Lebens mittelgeschäften. In mehreren Großhausern wurden die Fensterscheiben zertrümmert. Tausende von Menschen durchfluteten die Hauptverkehrsstraßen und wurden von der aufgebotenen berittenen Polizei auseinandergesprengt. O Des Mädchenhandels verdächtig. In München wurde ein angeblicher Schriftsteller aus Straßburg i. E., der sich Dr. Josef Mayer, Dr. Rudolph und Dr. Rudolf Freiherr von Roland-Korff nannte und in vornehmen Gasthöfen wohnte, Weyen Verdachtes des Mädchenhandels verhaftet. Er hatte mehrere 16- bis 20jährige Mädchen als Zofen nach Italien mitnehmen wollen. O Neubau der Vogelwarte bei Rossitten. Die berühmte Vogelwarte Ulmenhorst bei Rosfitten auf der Kurischen Nehrung, die während des Krieges zerstört worden war, ist jetzt neu aufgebaut worden. An der Wiederauftichtung dieser für die Wissenschaft überaus wichtigen Beobach- tungsstation hat sich auch das Ausland — Holland, Schwe den, England, die Tschechoslowakei, die Schweiz und sogar Frankreich — durch Spenden beteiligt. O Millionendicbstahl in einem Schlöffe. In das dem ehemaligen Fürsten von Schaumburg-Lipps gehörende Schloß in Nachod in Oberböhmen brachen unbekannte Diebe ein und entwendeten aus zwei Panzerkassen Brillan ten im Werte von rund 21L Millionen tschechischer Kronen (über 500 Millionen Mark). Sie hatten auch eine dritte Panzerkasse, in der sich der auf 4 Millionen tschechischer Kronen geschätzte Familienschmuck befand, aufzubrechen versucht; das ist ihnen jedoch nicht gelungen. O Heimführung französischer Kriegerleichcn. Die fran zösische Regierung hat eine aus 25 Personen bestehende Abordnung nach Deutschland geschickt, die die Ausgrabung und Überführung französischer Leichen nach Frankreich in die Wege leiten soll. Die Kommission hat sich vorerst nach Kassel begeben, wo 1600 in der Gefangenschaft gestorbene oder ibren Verwundungen erlegene Soldaten ausgegraben werden. O Fahrgelderstattung. Um das Verfahren bei der Er stattung von Fahrgeld zu beschleunigen und zu verein fachen, hat der Reichsverkehrsminister die Erledigung solcher Anträge in weiterem Umfange den Fahrkartenaus- gaben usw. übertragen. Den Reisenden wird dadurch die Möglichkeit gegeben, ihre Anträge mündlich und unmittel bar im Anschluß an die Reise anrubrinaen. Die Rabr- Edith Bürkners Liebe. 32) Roman von Fr. Lehne. Da kam ihm der Gedanke an Edith, die gerade des Morgens immer so rosig und frisch, wie zum Anbeißen aussah. Wie hatte er nur ein so kurzsichtiger, blöder Tor sein können! Aber schließlich, wenn einem das Messer so eklig an der Kehle sitzt, wie ihm damals, da er greift man Wohl blindlings die rettende Hand — be sonders, wenn sie einem so sehr entgegenkommend ge boten wurde, wie ihm in diesem Falle. Der bittere Nachgeschmak kommt dann allerdings später! „Du bist so sonderbar heule, Lucian — gar nicht, als ob dich das trifft, was'hier geschrieben steht." Verwundert sah Martha ihren Verlobten an und deutete nochmals nachdrücklich auf die Zeitungen. „Nein, das trifft mich nicht mehr," entgegnete er ruhig — „seit gestem abend nicht mehr," fügte er in Gedanken hinzu; er sagte aber weiter nichts, da Martha nicht fragte, wie das Konzert gestern verlaufen war, trotzdem sie wußte, daß er eine große Aufgabe zu lö sen gehabt hatte. Seine große Ruhe in dieser Angelegenheit, die sie so stark erregt hatte, machte Martha sehr nervös; sie vermochte sich kaum mehr zu beherrschen. „Ich begreife dich einfach nicht, Lucian! Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich so etwas von mir le sen müßte! Mich geht's doch ebenso viel an, wie dich!" rief sie aufgebracht. „Dü hättest nur hören sollen, was ich in den Pausen habe anhören müssen — so recht aus dem Hinterhalt, mit Sticheleien, auf die man nichts erwidern kann! Man hätte sich nach den Ankündigun gen und Erzählungen doch mehr versprochen und so weiter! Und dann diese» höhnischen, triumphierenden Gesichter! Man kann sich kaum wieder mit dir sehen lassen!" schloß sie mit einem schrillen Auflachen, jede Vorsicht vergessend. Da wurde Lucian ganz bleich; ein entschlossener kalter Ausdruck trat in sein Gesicht. Anfänglich hatte er mit einem amüsierten Lächel» zugehört; aber das war ihm zu viel! Er stand auf. „Das sollst du auch richt mehr, Martha, das will ich dir ersparen! Du sollst nicht mehr nötig haben, dich meiner zu schämen. Ich geb' dich frei!" Er zog den glatten goldenen Reif vom Finger u. legte ihn auf den Tisch. Starr vor Schrecken stand Martha da. . Das hatte sie doch nickt gewollt! Sie war keines Wortes mächtig. /- Sttern, die bisher schweigend dem Worr». Es tut mir nicht mehr leid, daß alles so gekommen, ist aber nun zu ändern. Lebt wohl!" Festen Schrittes ging er zur Tür. Martha starrte ihm mit großen Augen war, als ob ein böser Traum sie narrte! nach. Ihr Es konnte „Was gibt's da noch zu überlegen? Ich lasse mir diel gefallen — aber so viel nimmer! Lang' genug hab' ich Marthas Vorwürfe über mein Mißgeschick an gehört; aber beleidigen lasse ich mich nicht! In jedem Wort, das sie mir gesagt, lag eine Beleidigung! So zeigt sich Liebe nicht, Wohl aber Eitelkeit! hoch nicht wahr sein, daß Lucian sie ausgab — nein, i>as war unmöglich! Mit beiden Händen faßte sie nach ihrem Kopf und brach dann mit einem Schrei zusammen. Sie wollte nichts sehen, nichts hören, leise weinte sie vor sich hin. Mittags verschmähte sie Speise und Trank. Vor ich hinstarrend, lag sie aus dem Divan in ihrem Zim- ner — und wartete! Lucian mußte ja zu ihr zurück- lehren — es war ja nicht zu fassen, daß sie ihn ver lieren sollte! i Gegen Abend öffnete ihre Mutter die Tür des Zimmers und trat vorsichtig ein. „Hier, Marthchen, sind die Zeitungen. Das Abend blatt ist soeben gekommen, und zu Mittag hast du die Mussten" dock auch nickt gelesen. Es' steüt was von , ucicm srm! Ist sie Migräne oeger? Dann wm ich Licht machen!" Mit fiebernden Händen entfaltete Martha die Zei tungen und suchte gierig die Berichte über das Kon zert des verflossenen Abends. Was las sie da — „er wolle gut machen, was er am Abend vorher verbrochen —" das waren die Worte unseres hochgeschätzten Künstlers Lucian Waldow. „Und wie hat er sie eingelöst! Wir danken ihm für sein herr liches, unvergleichliches Spiel! Er hat sich selbst über troffen! Tosende Beifallsstürme, nicht endenwollende Hervorrufe erfüllten den Saal — möge er uns noch reckt lauae erkalten bleiben — — —" plümer oer Verlornen gerauscht, suchten jetzt zu ver- Mitteln. Marthchen habe es doch nicht so gemeint — sie sei so schrecklich nervös, das müsse man auch bedenken. — Doch kurz schnitt Waldow jedes Wort ab. Seine Ge duld war zu Ende. Er sei auch nervös, sagte er, und Martha habe so eben bewiesen, daß sie nicht zur Frau eines Künstlers tauge; eine solche müsse ihren Mann trösten, ausheitern, ihm treulich zur Seite stehen, wenn ihm etwas miß lungen sei, sie dürfe ihm aber keine Vorwürfe machen und ihn in feinem Ehrgefühl nicht kränken. Wenn seine Braut jetzt schon so rücksichtslos sei, wie würde da ihre Ehe später verlaufen. Er sehe kein Glück mehr darin. „Ueberlege es dir, Lucian," flehte Frau Hilde brandt, „ich bitte dich." Doch er schüttelte bestimmt den Kopf. kartenausgaben können meist bis Anträge "sofort erledigen. Voraussetzung ist hierbei, baß der Antrag bei der Fahr kartenausgabe einer Station gestellt wird, wo die Reise begonnen, beendet oder abgebrochen worden ist, und daß das zur Berechnung erforderliche Tarifmaterial zur Ver fügung steht. Außerdem muß auf der Fahrkarte bezeichnet fein, inwieweit sie nicht ausgenutzt worden ist. Wenn die Fahrkarte bei einem Reisebureau gelöst, oder wenn Gepäck auf sie abgefertigt ist, muß die Fahrgelderstattung in der bisherigen Weise beantragt werden. O Eine Briefmarke für 1214 Millionen Mark. Auf der Postwertzeichenversteigeruny in Berlin kommt auch eine Marke der Germaniaausgabe zu 2 Mark, stahlblau, mit dem Handstempelaufdruck „China", zum Verkauf. Der Aus rufspreis wurde auf 12^ Millionen Mark festgesetzt, da die Marke das einzige Stück ihrer Gattung ist. O Die Not der Presse. Die Königsberger Hartunysche Zeitung und die Königsberger Allgemeine Zeitung werden vom 1. Dezember ab nur noch einmal täglich erscheinen. Der Rottaler Bote und der Rottaler Anzeiger (Nieder bayern) lassen wöchentlich eine Tagesausgabe ausfallen. Die Landshuter Zeitung erscheint nur noch zweimal wöchentlich und zweiseitig. C) Landgewinnung am Dollart. Am Nordufer des Dollart nähert sich jetzt eine große Eindeichun-gsarbeit dem Abschluß. Ein 8 Kilometer langer Deich wird von der Nefserlandschleuse, der Außenschleuse des Emdener Hafens, nach der Knock gezogen, wodurch ein etwa 17 Quadratkilo meter großes Stück Marsch dem deutschen Vaterlande hin- zugefügl wird. O Großer Silberschmuggel. Auf dem Grenzbahnhof in Chorzow bei Beuthen wurden zwei versiegelte Fässer Silberstaub beschlagnahmt. Die Silberladuny im Gewicht von 706 Kilogramm war für Hamburg bestimmt. Der Ab sender des Silbers soll die Hüttenverwaltung der Königs hütte sein. Das beschlagnahmte Silber stellt einen Wert von über 300 000 000 Mark dar. Die beiden Fässer waren mit Kupfersteinziegeln derart verdeckt, daß nur Eingeweihte die Aufklärung der Schiebung veranlaßt haben können. O Piraten aus der Unterelbe. Auf einen in Freiburg a. d. Elbe liegenden Schoner drangen mehrere Leute, ver letzten den Kapitän durch Schüsse schwer, überwältigten und fesselten die Mannschaft und entführten den Schoner nach der Jademünduny, wo er strandete. Die Piraten wurden inzwischen verhaftet. Der Schoner gilt als verloren. O Die geplatzte Turbine. In einem Elektrizitätswerk in Kopenhagen wurde eine 10 000 Kilowatt-Turbine, die von einer schweizerischen Firma ausgestellt worden war, aus probiert. Die Maschine wurde dabei zersprengt, wobei der schweizerische Monteur getötet wurde. Ein dänischer Ar beiter wurde schwer verletzt. Das Unglück ist vemmjlich auf einen Materialfehler zurückzuführen. O Fliegertod. Ein Flugzeug der LinieSevilla—Marokko wurde über der Meerenge von Gibraltar von einem Wirbelwind erfaßt und stürzte bei Tanger ab. Der Führer und ein spanischer Offizier, der sich an Bord befand, wur den getötet. C) Der Londoner Polizeichef vergiftet. Eine amtlich« Mitteilung der Londoner Polizeibehörde berichtet, daß der Ches lder Landespolizei, William Horwood, einer Vergif tung zum Opfer gefallen ist. Die Herkunft des Giftes, das in einem Schokoladenpäckchen enthalten gewesen sein soll, ist unbekannt. Der Zustand Horwoods ist kritisch. O Geschenk der Stadt Mailand für den Papst. Italie nischen Blättermeldungen zufolge ist die von der Stadt Mailand dem Papste angebotene Tiara nunmehr ferttg- gsstellt. Sie besteht ganz aus ziseliertem Golde und tragt an der Spitze einen eigroßen Smaragd, der von 27 Smaragden mittlerer Größe, 213 kleinen Smaragden, 327 Rubinen, 79 großen Diamanten, 1000 kleinen Diamanten und 150 orientalischen Perlen umgeben ist. ( Märthas Rügen weiteten sich, als sie auch in dem anderen Blatt eine ebenso begeisterte Kritik las. Vol ler Erregung sprang sie aus; sie hatte ihre Migräne vollständig vergessen. Was war das? Wie mußte Lucian gestern abend gefeiert worden sein. Und sie Törin war in ihrer Verblendung zu Hause geblieben! Sie hatte in kindischem Trotz geschmollt, während er umjubelt worden war wie nie zuvor! Einem König — einem Sieger gleich! „Mama — weißt du — Haft du schon gelesen? Sieh doch hier —" Mit vor Schluchzen unterbrochener Stimme las sie vor. Darum war Lucian auch so eigentümlich, so ruhig; darum hatte er das Lesen der Kritiken unterlassen. O, nun war ihr alles klar. Auf keinen Fall durfte sie ihn verlieren — ihn, den so gefeierten Künstler. Er mutzte zu ihr zurückkehren, koste es, was es wolle! „Mama, hat Lucian noch nichts von sich hören las sen? Nein?" Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust. „O, dann schicken wir zu ihm. Er mutz heute abend rommen — ganz unbedingt! Warte, ich schreibe ihm." In fliegender Hast schrieb sie ihm ein zärtliches Briefchen, in dem sie ihre Heftigkeit bereute und ihn bat, nicht nachtragend zu sein. Sie glaubte nicht, daß er im Ernst gesprochen habe, und sie bitte ihn recht herzlich um Verzeihung. „So, Mama, laß das gleich durch das Stubenmäd chen zu ihm tragen. Ich habe keine ruhige Minute, ehe er nicht da rst; er muß ja kommen!" Die Mütter- beeilte sich, den Wunsch ihrer Tochter zu erfüllen, während diese sich umkleidete und „auf Lu cian wartete. ß Fast wäre sie dem Mädchen entgegengeeilt, als die ses zurückkam; aber sie bezwang sich und saß schein bar ruhig La, als ihr dieBestellung ausgerichtet wurde, daß es Herrn Waldöw sehr leid tue, heute nicht mehr kommen zu können — er würde aber schreiben. Die Nacht verging in Bangen. Martha konnte kein Auge schließen. Frühzeitiger als sonst war sie am Kaffeetisch. Bekümmert trat ihr die Mutter entgegen. „War der Briefträger schon da?" fragte Martha hastig. „Ja, er hatte aber nichts für dich, Marthachen." „So hat Lucian nicht geschrieben?" „Doch — hier ist der Brief — ein Dienstmann brachte ihn — und auch ein Paket." Mit zitternden Händen öffnete Martha den Brief. Ms sie ihn gelesen, sank sie wie vernichtet in einen Sessel Z Vorbei! Lucian Waldow ließ sich nicht umstimmen.