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MbdmfferÄigeblÄ Kernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsbruff und Umgegend p-mch-«-»,-»««»-»r»4o Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. 4-e»l«ger und Drucker: ArthurZschuuke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermanu Lässig, für de« Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide iu Wilsdruff. 81. Zahrgitrrg, Nr. 237 Dienstag/Mittwoch, 17 /18. Oktober 1922. Amtlicher Teil. Bekanntmachung. Das Finanzamt Nossen hält Donnerstag den 19. Oktober d. I. in der Zeit von vormittags V^ll—12 und nachmittags 2—^4 Uhr ia öWgszimn Ns Bllthnf« z« MsW tim SllüerMMj O. Nossen, am 13. Oktober 1922. Finanzamt. Nach 8 " ^es ReichSmietensesetzes in Verbindung mit Z 19 der Ausführungs verordnung sind von sämtlichen Hausbesitzern für alle Wohnungen sogenannte Mieten- Verzeichnisse einzureichen, die genaue Angaben über die am 1. Juli 1914 und die am 1. Juli 1922 bestimmten Mieten enthalten. Die Anzeigen über die Mieten vom 1. Juli 1922 sind von den betreffenden Mietern gegenzuzeichnen. Für die Mietenver zeichnisse sind in der Zeit von 18. d. MtS. bis 20. d. Mts. Vordrucke, die nur allein zu den Verzeichnissen verwendet werden dürfen, gegen Erstattung der Selbstkosten von 8 Mark im Mieteinigungsamt zu entnehmen und bis spätestens 24. d. Mts. dort ordnungsgemäß wieder einzureichen. Dis Entnahme und Abgabe beider Vordrucke erfolgt nur durch den Vermieter oder dessen Vertreter. Dre Beträge für die Vordrucke können unter den Betriebskosten verrechnet werden. Ws zum 26. d. Mts. nicht eingereichte An zeigen werden unter Auferlegung einer Ordnungsstrafe angemahnt. »s Wilsdruff, am 14. Oktober 1822. Der Stadtrat. — Ortsmietenamt. über die Einrichtung einer Freibank in Wilsdruff vom 29. April 1901 ist der 3. Nachtrag aufgestellt und von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden. Ec liegt zu jedermanns Einsicht 2 Wochen im Verwaltungsgebäude aus. Wilsdruff, am 13. Oktober 1922. >«« Der Stadtrat. Avdwb-- gffMMHitzung der MükmSnM. Wilsdruff, am 16. Oktober 1922. Der Stadlverordneteuvorsteher. Kieme Leitung für eilige Leser. * Das Reichskabinett Hat tvoitere Maßnahmen für eine Sta bilisierung der Mark beraten, u. <1. de« Plan einer Gowanleihe. * Im Rathenauprozeß wurde am Sonnabend nachmittag das Urteil verkündet. Die Höchststrafe war 15 Jahre Zuchthaus für Techow. * Die Reichsinnkommenfleuer wird gegenüber einem Vor- »«schlag von 25 Milliarden etwa 100 Milliarde« Mark ein- br»*gen. * khamberlaln betonte in einer Rede nachdrücklichst die Not wendigkeit der Aufrechterhaltung der Koalition bei den bevor stehenden Wahlen. * Im Heeresausschuß der französischen Kammer teilte der Kriegsminister mit, die Effektivstärke des französischen Heeres belaufe sich auf 660 000 Mann, beliebend aus S6 Divisionen. Das Weil im Rachenamozeß Kein Todesurteil! K Leipzig, 14. Oktober. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde, unter großem An drang des Publikums, das Urteil im Rathenauprozetz verkündigt; es lautet wie folgt: Ernst Werner Techow wegen Beihilfe zum Mord 15 Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust. Hans Gerd Techow wegen Beihilfe und Be günstigung 4 Jahre 1 Monat Gefängnis. Günther wegen Beihilfe in Tateinheit mit Be günstigung 8 Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust. Niedrig und von Salomon wegen Beihilfe je 5 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust. Jlsemann wegen unbefugten Waffentragens zwei Monate Gefängnis (durch Untersuchungshaft verbüßt). Tillessen wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung (Nichtanzeige) 3 Jahre Gefängnis. Plans wegen desselben Vergehens 2 Jahre Ge- fängnis. Schütt und Diestel wegen Begünstigung je zwei Monate Gefängnis (durch Untersuchungshaft verbüßt). Botz, Warnecke und Steinbeck wurden frei- gefprochen. Ein Nachwort Von besonderer Seite wird uns zu dem Ausgang des Prozesses geschrieben: Das große Gerichtsdrama in Leipzig ist zu Ende, und das deutsche Volk kann nun langsam die erschütternden Eindrücke in sich verarbeiten, die ihm die Verhandlung gegen die 13 Rathenau-Angeklagten vor dem Staats- gerichtshofe vermittelten. Es ist ein Stück der deutschen Jugend, Fleisch von ihrem Fleisch, Bein von ihrem Bein, das dort auf der Anklagebank saß; und so gewiß die Techow und Günther, die Warnecke und Jlsemann, die Salomon und Voß in ihren Gedanken- und Gefühlsrich-tungew untereinander zum Teil abgrundtief verschieden sind, so gewiß werden sie auch von der Jugend, die lediglich als Zuschauer den Leipziger Verhandlungen folgt«, mit mehr oder weniger großer Ent schiedenheit als ein Spiegelbild ihrer selbst abgelcbnt werden. Trotzalledem aber kann die deutsche Volksgesamt heit die Angeklagten von Leipzig nicht ganz von sich ab stoßen, denn auch in ihrer Verirrung und Entgleisung sind sie an den Fäden entlanggeglitten, die in diesem Deutsch land des Hasses und des Unfriedens, der Parteiungen und der Selbstzerfleischung gesponnen worden find. Diesmal überwiegend Jugend aus Kreisen, aus Familien, die durch de« Umsturz aller Dinge vielleicht weniger noch in ihrer wirtschaftlichen als in ihrer gesellschaftlichen, in ihrer seelischen Existent auf das tieffk getroffen sind. Familie«. vre es durch die Jahrzehnte, Die Jahrhunderte gewöhnt waren, sich dem Staate zur Verfügung zu stellen und in der Arbeit für ihn ihre eigentliche Lebensaufgabe sahen. Junge Leute, die trotz dieses Wandels der Verhältnisse unter fester Führung auch jetzt noch zu nützlichen Gliedern der nationalen Gemeinschaft zu erziehen gewesen wären. Aber der Sturm und Drang der Kriegs- und Nachkriegs zeit ließen keine feste Zügelsührung aufkommen, weder im Staat noch in der Familie, weder in der Schule noch in der Gesellschaft. In dieser Zeit mußte wohl der Jugend, wie man so sagt, der Kamm schwellen, hier MM Guten, dort zum Bösen. Wir wissen alle aus leidigen Erfahrungen des täg lichen Lebens, wie verheerend diese Zeit in der deutschen ' Jugend gewütet hat. Wenn in Leipzig ein unreifer Pri- manerjüngling sich hingestellt und an dem Rapallo-Vertrag eines Walter Rathenau selbstsicher« Kritik geübt hat — unter Berufung auf das Testament Friedrichs des Großen — so wissen wir nicht einmal, ob die ungeheure Lächerlich keit dieses Unterfangens der Öffentlichkeit von heute in allen ihren Teilen gebührend zum Bewußtsein gekommen ist. Denn alle Tage kann man gleichwertige Vorgänge so ziemlich in allen Parteilagern, links wie rechts, beobach ten, ohne daß sie immer lediglich auf ein« theoretische Be deutung beschränkt blieben. Mit auf diese beschämende Beobachtung ist ja ohne Zweifel die beklagenswerte Tat sache zurückzuführen, daß das Alter sich mehr und mehr aus der öffentlichen politischen Wirksamkeit zurückzieht. Es fühlt sich, sehr begreiflicherweise, nicht Wohl im un lauteren Wettbewerb mit einer Jugend, die sich, kaum der Schule entwachsen, schon zu Lehrmeistern des Volkes be rufen glaubt. Und leider muß man auch im privaten Ge schäfts- und Erwerbsleben immer wieder feststellen, daß es nicht gerade die vernünftigen, die ruhigen und die ver antwortlichkeitsbewußten Schichten der Bevölkerung sind, denen in den wechselvollen Kämpfen des Alltags das große Wort überlassen wird. So steigen Verwirrung und Unsegen, Verführung und Verfehlung immer höher in der Mitte unseres Volkes empor, Lis sogar Verbrechen möglich werden, wie sie früher auf deutschem Boden von deutscher Hand niemals möglich gewesen wären. Man soll sich, da diesmal überwiegend nach einer bestimmten Richtung geartete Elemente vor dem Richter standen, nicht allzu sehr in die Brust werfen. Wenn unsere Straf justiz heute genügend Köpfe und Arme frei hätte, um jedes Verbrechen mit politischem Beigeschmack so ener gisch zu verfolgen, wie es hier geschehen ist, nach allen Seiten wäre Arbeit genug. Aber Splitterrichterei zu treiben, ist jetzt so ziemlich die schlechteste Zeit. Schlage jeder Volksgenosse, schlage auch jede Partei sich an die eigene Brust und sehe zu, statt die Kraft in Anklage- und Verfolgssucht zu verschwenden, wie es wieder besser werden soll in unserem armen Vater lande. Es muß vollends zugrunde gehen, wenn nicht alle seine guten Elemente, ob links oder rechts, ob arm oder reich, sich zusammentun zu gemeinsamer Arbeit, insbeson dere an der verwaisten und leider nur zu sehr auch ver wahrlosten Jugend. ^Blutige ZusmmenstStze in Berlin. Berlin, 16. Okr. Wie leider zu erwarten war, ist es am Sonntagmorgen vor dem Zirkus Busch zwischen Anhängern des „Bundes für Freiheit und Ordnung", der dort eine große vaterländische Kundgebung veranstaltete, und Kommunisten zu blutigen Kämpfen gekommen, die sich in den Vormittagsstunden dann vor der Berliner Universität und in der Dorvtheenstraße sortsetzten. Bei den bedauerlichen Zwischenfällen wurden, so weit sich dies bis zur Stunde feststellen ließ, ein Arbeiter ge tötet, ein Polizcibeamter so schwer verletzt, daß an seinem Auf kommen gezweifelt wird, ferner sind zwei Polizeibeamte und sechs Zivilisten schwer verletzt und über 20 Personen mehr oder minder schwer verletzt worden. Die herbeigerufene Polizei sperrte, nachdem sich bereits um 8 Uhr fast einstündige Kampfe entwickelt hatten, bei denen beiderseits Blut floß, den Zirkus Busch und die angrenzenden Straßen im weitesten Umkreise ab, konnte jedoch nicht verhindern, daß nach Schluß der Kund gebung nicht nur die abmarschierenden Versammlungsteilnehmer, sondern auch harmlose Spaziergänger und die zur Rektorats übergabe in der Universität vorfahrenden Chargierten studen tischer Korporationen beschimpft und bedroht wurden. Es er regte Befremden, daß die Polizei, bei der bekannt geworden war, daß ein kommunistischer Angriff aus den Zirkus Busch bevor stand, in keiner Weise für ausreichenden Schutz des Gebäudes Sorge getragen hatte. Als die Kommunisten anrückten, waren nur sechs Polizeibeamte zur Stelle, die der gewaltigen Ueber- macht der Angreifer gegenüber natürlich völlig machtlos waren. Ertragnisse -er Einkommensteuer. Weit über den Voranschlag hinaus. Die Schätzung des Ertrages der Reichseinkommen steuer für das Geschäftsjahr 1922/23 im Voranschlag belief sich auf 25 Milliarden Mark. Eingekommen sind vom 1. April bis 31., August, also iu fünf Monaten, 33,5 Mil liarden Mark, im Vorjahre in der gleichen Zeit 6 Mil liarden Mark. Es ist zurzeit noch unmöglich, die Ein gänge für das ganze Jahr genau zu überschlagen, wahr scheinlich wird der Gesamtbetrag sich auf 100 Milliarden hin bewegen. Als Ursachen zu den weit über den Voranschlag hin ausreichenden Summenvermehrungen sind die Geldent wertung und der mit den höheren Löhnen und Gehältern sich vermehrende lOprozentige Abzug des Arbeitnehmers anzusehen, dann aber auch das bessere Funktionieren des Steuereinziehungsapparates, der nunmehr auch die nicht dem Steuerabzug unterliegenden Steuerpflichtigen gründ licher und schneller erfaßt als bisher. Chamberlain für Lloy- George. Die Gesamtlage der englischen Politik. Die mit Spannung erwartete innerpolitische Ausein andersetzung in England verläuft etwas anders, als man erwartet hatte. Chamberlain erklärte in einer großen politischen Rede in Birmingham, in diesen Tagen deH Ringens und der Not müßten die Konservativen ihre eigenen Parteiziele zurückstellen und alle persönlichen Erwägungen der Wohlfahrt der Partei und des Reiches unrerordnen. Es würde ange sichts der von der Arbeiterpartei kommenden Dr 0 hung ein Verbrechen fein, es zum Bruch der Koalition kommen zu lassen. Er habe mit Lloyd George in vollkommenem Einklang zusammengewirkt. Es habe'Augenblicke gegeben, wo die Revolution sehr nahe an der Tür stand. Dies sei jetzt die Zeit, um alle Parteien zusammenzuscharen für die Verteidigung der Verfassung und der sozialen Wirtschafts ordnung, von der die Sicherheit und die Wohlfahrt Englands abhänge. Wenn Neuwahlen kämen, so werde das neue Unterhaus sich von dem augenblicklichen sehr unterscheiden. Wenn die Arbeiterpartei eine Majorität erhalten würde, so würde die Verantwortung derer schwer sein, die in einer Zeit nationaler Gefahr nicht national denken konnten. Nicht die Ge mäßigten in der Arbeiterpartei würden persönlich die Aktion leiten, sondern sie würden ihre Anweisungen von einem Wahlausschuß oder einer Massenversammlung nehmen müssen. Eine Vermögensabgabe würde den RuinderJndustrie bedeuten. Er sei überzeugt, es werde in einem n«uen Parlament oder einer neuen Ne gierung keine Möglichkeit bestehen, die Geschäfte anders zu führen als mittels einer Koalition, die von mehr als einer Partei getragen sei. Die britische Regierung sei in dem