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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Nr 233. 81. Jahrgang. Sonnabend/Sonntag den 1./8. Oktober 1922. BettMW siir de« 17.SE m- Tmitalis. Pf. 62,1: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Man begegnet zuweilen Menschen, die möchten nie eine stille Stunde haben. Sie fliehen davor und Hetzen sich lieber in ungezählten Vergnügungen müde. Denn sie ängstigen sich vor den sonst vom Lärm des Lebens übertönten Stimmen, die in der Stille reden. Da hört man das eigene Herz schlagen; es ist matter als einst; man ist älter geworden! Da hört man das Gewissen lauter reden als einst; man ist schlechter geworden! Da hört man die innerste Seele seufzen; das klingt hoffnungs- lofer als einst; man ist ärmer und wertloser geworden! In der Stille wachen so manche Stimmen auf, die man ungern hört. Darum gehen die Kinder der Welt der Stille möglichst aus dem Wege, sie fliehen vor ihr. Anders der Christ. Er weih, bah die Stille ihm manches zu sagen hat; darum sucht er sie. Auch das Unerwünschte mag er nicht fliehen, sondern innerlich überwinden, besiegen. Alle Klagen und Selbstanklagen, alle Gedanken der Sorge und Fürsorge wandeln sich ihm zum Gebet. Was er aus dem Herzen hat, legt er hinüber auf Gottes Herz. Seine Seele wird stille vor Gott, der ihm hilft. Aus solchen Stunden, in denen man die Stille Gottes gesucht hat, geht man frei und leicht, gekräftigt und geläutert hervor. Innerlich erhoben stehen wir dann über den Mühen Les Lebens, die uns nicht mehr überwältigen. Deshalb gönne auch du dir solche Stunden der Stille, und mühtest du sie durch manches Opfer und manchen Verzicht dir erkaufen. Segne dich selbst mit ihrem Segen! Der Nathenau-Mord vor Gericht. (Zweiter Tag.) K Letpzig, 4. Oktober. Vernehmung der Angeklagten. Der Student Ernst W erner Techow war bis 1919 See- kadett und gehörte der Brigade Ehrhardt und der Or - ganisation C an. Er hat im Auftrage der Organ,satton wiederholt Reisen gemacht, bestreitet jedoch, daß innerhalb der Organisation jemals der Plan zur Ermordung Rathenaus er- wogen worden sei. Sein jüngerer Bruder Hans Gerd Techow besuchte bis zu seiner Verhaftung em Berliner Gym nasium. Er war Mitglied einer Anzahl deuttchnattonaler Ver eine, u. a. des deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes. Aus der Organisation C, der er gleichfalls angehört hatte, wurde er ausgeschlossen, Weil er nicht verschwiegen genug war. Willi Günther ist wegen Fahnenfl u ch t l m F e l d e zu andert halb Jahren Gefängnis und zur Versetzung m die zweite Klasse des Soldatenstandes verurteilt worden; er hat die Straw ledoch nickt verbützt und die Degradierung wurde ihm im Gnaden- Wege erlassen- Aus der deutschnationalen Volkspartei, der er sich nach dem Kriege augescklossen hatte wurde er ausgeschlossen' weil er Veruntreuungen begangen haben soll. Ohne Offizier zu sein, ließ er sich in den Deutschen Offiz,erbund ausnehmsn; sein« Brust schmückte er mit türkischen Orden, obwohl er nie dem türkischen Heere angehört hat. Am lebhaftesten gestaltete sich die Vernehmung des Angeklagten / Karl Tillessen. Er ist der Sohn eines inzwischen verstorbenen Generals und der Bruder des flüchtigen Erzberger-Mörders Tillessen. Es schwebt gegen ihn eine Voruntersuchung wegen des Blau- säureattentats auf Scheidemann. Tillessen, der im Kriege Seeoffizier war, gehörte keiner Partei an, betätigte sich aber in „nationaler Richtung" und unterhielt Fühlung mit der Organisation C. Mit dem Rathenau-Mörder Kern, der auf der Burg Saaleck aus dem Leben schied, war er sehr gut bekannt, da er mit ihm der Sturmkompagnie der Brigade Ehrhardt angehört hatte. Er schildert Kern als eine Führernawr von großer Energie. Kern habe unter den Zuständen in Deutschland sehr gelitten und die Absicht gehabt, für den Fall eines französischen Einmarsches in das Ruhr gebiet eine Unternehmung im Gei st e Schills und seinerOffiziereins Werk zu setzen. — Dann begann das Verhördes Hauptangeklagten Werner Techow. Von dem Plan zur Ermordung Rathenaus hat er, wie er erklärt, zum erstenmal durch seinen jüngeren Bruder etwas er fahren. Dieser habe ihm erzählt, daß der (jetzt alS Zeuge ge ladene) Gymnasiast Stubenrauch jenen Plan aufs Tapet gebracht habe. Auch Günthersei eingeweiht gewesen. Man habe jedoch Stubenrauchs Plan, der dahin ging, daß Rathenau im Reichstag erschossen werden sollte, als „kindlich" verworfen. Auch Kern und Fischer, die er in einer Ber liner Pension kennengelernt habe und die, wie sie sagten, im Lande herumreisten, um „die politische Stimmung zu erkunden", hätten von Stubenrauchs Plan nichts wissen wollen. Kern habe erzählt, daß er unv Fischer in Berlin ein Auto, das für eine nationale Sache verwendet werden solle, erwarteten, und habe ihn, Techow, gefragt, ob er bereit wäre, das Auto, das von Wien kommen werde, an der deutschen Grenze abzu holen, falls der eigentliche Fahrer verhindert sein sollte. Er habe sich dazu bereiterklärt, da er nicht geahnt habe, daß dieses Auto mit dem Mordplan gegen Rathenau zusammenhänge. In Berlin fuhren Techow, Fischer, Kern und Günther am 21. und 22. Juni mit dem Auto stundenlang herum. Auf einer Fahrt nach Brandenburg stiegen sie in Nikolassee aus, und Fischer, Kern und Günther gingen in einen Wald, um Schieß übungen vorzunehmen. Daß die Ermordung Rathenaus ge plant war, und daß die drei „sich einschossen", will Techow aber auch damals noch nicht gewußt haben. Er habe einfach älteren Organisationsbrüdern gehorcht und nicht gefragt, was sie im Schilde führten. Auf die Frage des Vorsitzenden nach den politischen Ideen Kerns erklärt Techow: „Kern wollte eine nationale Regierung ohne Juden. Er er strebte zu diesem Zweck einen Linksputsch und wollte, um diesen zu entfesseln, mit der Maschinenpistole einen linksstehenden Führer ermorden. Der Name Rathenaus wurde jedoch nicht genannt." Gleich darauf muß Techow je doch gestehen, daß er Wohl wußte, daß Rathenau ermordet wer den sollte. Rathenau habe nach Kerns Darstellung Deutschland unter jüdischen Einfluß bringen wollen und durch seine Er- Mungspolitik Verrat am Deutschtum begangen. Techow schilderte Wie er, Kern und Fischer im Auto etwa 200 Meter hirrter dem Auto Rathenaus her gefahren seien, wie sie Rathenaus Wagen, der plötzlich abstoppen mußte, eingeholt hätten, und wie dann schnell hintereinander etwa zehn Schüsse gefallen seien. Er selbst habe bis zum letzten Augenblick immer noch geglaubt, daß es sich um eine Prsbembrt bandle, auck lei er überzeugt gewesen, daß das Auto nicht der Rathenausch» Wagen war. Die ihm zugeschriebene Äußerung: „Die Sachs hat geklappt — Rathenau liegt!" bestreitet er. Er will auch nicht wissen, woher die Mörder, als sie aus Berlin flohen, di» Geldmittel hatten. Er selbst sei zuerst planlos herumgereist lind dann zu seinem Onkel Behrens, der bei Frankfurt a. d. O. ein Rittergut besitzt, gefahren. Der Onkel selbst habe ihn fest* nehmen lassen. Es wird dann noch ein Brief verlesen, den Techow an seine Mutter gerichtet hat, und aus dem her vorgeht, daß er die Tat in vollem Bewußtsein begangen HA und sich über deren Tragweite durchaus klar war. (Dritter Tag.) § Leipzig, 5. Oktober. Die Vernehmung des alteren Techow endete mit einem Kreuzverhör des Angeklagten, an dem sich der OberreichS- anwalt Dr. Ebermayer und die Verteidiger Dr. Hahn und Dr. Sack beteiligten. Hierauf folgte die Vernehmung deS Untersuchungsrichters, Landgerichtsdirektors Alken. Er er klärte, daß er Techow mindestens sechsmal vernommen habe, s» daß dieser Zeit genug gehabt hätte, feine Gründe für oie Tat bekanntzugeben. Techow hatte nämlich behauptet, daß der Untersuchungsrichter ihn verhindert habe, die Gründe in einer schriftlichen Erklärung niederzulegen. Sachverständiger Ge heimer Müdizinalrat Professor Dr. Straßmann, Berlin, äußerte sich dann über den Leichenbefund. Rathenau hat fünf Schüsse erhalten, und zwar lauter Durchschüsse von links nach rechts. Die Schüsse sind wahrscheinlich gefallen, während das Auto der Mörder an dem Ratheuauschen Auto vorbeifuhr. Nunmehr begann Lie Vernehmung des Hans Gerd Techow, des jüngeren der beiden angeklagten Brüder. Er hatte, so er klärte er, von Günther gehört, daß Stubenrauch den Minister Rathenau im Reichstag oder in der Wohnung des Kommer zienrats Mamroth erschießen wolle. Ein paar Tage später habe ihn ein Herr Körner (Kern) telephonisch ersucht, ihn mit Günther bekanntzumachen, und das habe er auch getan. Der Zusammenkunft Hütten auch Stubenrauch und Fischer, der sich Fritsche nannte, beigewohnt. Kern habe ihn und Stuben rauch sehr von oben herab behandelt und des letzteren Mord plan siir kindisch erklärt. Viel mehr habe er dann über bl« Pläne und Entschlüsse der anderen nicht erfahren. Günther habe ihm zwar gesagt, daß sie „eine dicke Sache" vorhätten, aber er habe trotzdem nicht gewußt, daß ein Attentat auf Rathe nau geplant sei. Der als Sachverständiger und Zeuge ver nommene Hausarzt der Familie Techow, Dr. Großer, schil dert Hans Gerd Techow als einen körperlich etwas zurück gebliebenen Menschen. Die ganze linke Körperseite sei infolge eines Geburtsfehlers — Hans Gerds linke Hand ist verkrüppelt — in der Entwicklung behindert worden, so daß der jetzt Sieb zehnjährige eigentlich nur aus der rechten Körperseite lebe. Dar aus ergebe sich zwar eine gewisse Hemmungslosigkeit, aber ß 51 (Unzurechnungsfähigkeit) könne nicht in Frage kommen, wenn auch die Zurechnungsfähigkeit verringert sei. Was den älteren Bruder angehe, so reagiere er bereits auf das geringste Quantum Alkohol, so daß der inzwischen verstorbene Vater ver boten habe, ihm Alkohol zu geben. Werner Techows UntergebenenverhältniS. Ernst WernerTechow wurde dann noch einmal vovgr- rnsen, um seine Beziehungen zu Kern, die er als eine Art UntergebenenveHältnis geschildert hatte, näher zu erläutern. Der Vorsitzende fragt ihn, warum er sich Kern willenlos gefügt habe, obwohl er doch seiner eigenen Aussage nach, hon dessen Nach Köppels Tode wird es Eigentum der Witwe. Der folgende Besitzer ist der Appelations- und Bergrat Johann Friedrich Heige, -er es im Jahre 1722 nach 40jährigem Besitz auf seinen Sohn, den Oberhüttenverwalter Ernst Heige vererbte. Mit letzterem schloß der Obristleutnant Anton Christian von Kleist im Jahre 1723 einen Wiederlaus über Klipphausen ab, der aber schon im nächsten Jahre in einen Erbkauf verwandelt wurde. Im Jahre 1727 wird der Geheime Rat Kammerherr Alexander von Miltitz zu Scharfenberg Erbherr von Klipphausen, der es bereits nach vierjährigem Besitz dem Kammerherrn Johann August von Ponickau käuflich überläßt. Dieser vererbte den Herrensitz im Jahre 1747 auf seinen Sohn, den Ge heimen Kriegsrat Johann August von Ponickau. Vom Jahre 1762 an war der Geheime Rat Maximilian Robert Freiherr von Fletcher Erb-, Lehn- und Gerichts- Herr auf Klipphausen, das im Erbgange aus feine Tochter Johanna Friedericka, Gemahlin des Grafen Heinrich XXXVIIl., Reuß, übergeht. Im Jahre 1815 er wirbt Heinrich I^XIII., Fürst Reuß, das Rittergut Klipphausen, das nach feinem Tode im Jahre 1844 an Carolina Heinrich l^Xlll., Fürstin Reuß, fällt. Von 1859 bis 1869 ist Prinz Heinrich XV. Reuß Herr auf Klipphausen, nach ihm besitzt es die Witwe. Gegenwärtige Besitzerinnen sind Ihre Durch!. Prinzessinnen Gertrud und Anna Marie. 11 Familien hat das nun fast 400 Jahre alte Schloß in seinen Räumen ein ziehen sehen. Seinem Erbauer Hieronimus Balthasar Ziegler, der gleichzeitig der Ahnherr der Linie Ziegler-Klipphausen ist, sind aus seinem Herrensitze 9 Familien gesolgt, von denen 3 nur einen Besitzer aufweisen; 6 Familien haben das Schloß nur auf das nächste Geschlecht vererbt. Erst vom Jahre 1762 an ist Klipphausen ununterbrochen bei derselben Familie geblieben. Möge es dieser beschieden sein, nach weiteren 40 Jahren eine frohe 200-Iahr-Feier in Klipphausen zu halten. Dann möge der alte Herrensitz Hinausschauen können in ein freies, glückliches und mäch tiges deutsches Vaterland! Die Gewässer in der Umgebung von Wilsdruff. Von Professor Vogel, Pirna. Die Entwickelung der Gewässer in einem Gebiete ist von den Niederschlägen und der Beschaffenheit des Bodens abhängig. Der Boden wirkt dabei durch die- Gestalt seiner Oberfläche und durch die Eigenschaften der Gesteinsmassen, die den Untergrund bilden. Alle diese Bedingungen wirken nicht starr in demselben Sinne während der uns unendlich erscheinenden erdgeschichtlichen Zeitabschnitte, sondern erfahren im Laufe der Zeiten Veränderungen, die durch Ursachen begründet sind, die zum Teil auf Vorgänge im Weltenraume, zum Teil auf geologische Vorgänge Hinweisen. Alle diese Entwickelungen vollziehen sich in einem sehr allmählichen Flusse, und dem jeweilig erreichten Standpunkte der Entwickelung haftet ein so großes Beharrungsstreben an, daß die Ausbildung der Gewässer eines Gebietes in hohem Maße lebendig gebliebene Vergangenheit, zum Teil recht weit zurück liegende Vergangenheit ist. Das Gelände, über das ich in den nachfolgenden Ausführungen berichten will, umfaßt im wesentlichen das Gebiet des Saubaches. Zum Vergleiche habe ich für die von mir erwähnten meteorologischen Tatsachen die Berichte der benachbarten Wetterwarten im Gebiete der Weißeritz und Triebifch, zum Vergleiche geologischer Klipphausen. Von Oberlehrer Bruno Lrasselt-Radebeul. Alljährlich in den schönen Monaten wandern so viele Naturfreunde von der Dampsschiffhaltestelle Gauernitz her den schattigen Pfad im romantischen Saubach tale aufwärts bis zur Neudeckmühle (richtiger vielleicht Neideckmühle), die in ihrer stillen Abgeschiedenheit den Wanderer zur angenehmen Rast einlädt. Viele der Ausflügler nehmen dann den Rückweg über Kleinschönberg und das Prinztal, ver säumen leider die Wanderung im Tale auswärts fortzusetzen und das malerische, schattig umhegte Schloß Klipphausen, die Perle des Saubachtales, zu besuchen. Klipphausen zählt zu den jüngeren Herrensitzen unseres Landes; es kann also nicht wie die benachbarten Schlösser Siebeneichen, Scharfenberg und Weistropp auf eine fast tausendjährige Geschichte zurückschauen; denn es ist aus einem zum Rittergute Gauernitz gehörigen Vorwerke „Klein-Rugerstvrff", später Klein- röhrsdorf genannt, hervorgegangen, ein Beweis dafür, wie das einst zum Miri- quidiwald führende Höhengelände am linken Elbufer auch vom Tale her kultiviert und besiedelt worden ist. Die Geschichte des einstigen Vorwerkes ist identisch mit der Vergangenheit des Schlosses Gauernitz, das zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein Besitztum der Fa milie Ziegler war. Im Jahre 1402 wird „Michel Czigeler gesessen czu Iauwirnicz" als Bürge erwähnt von Paul Czigeler zu Lockwitz, der dem Kapitel zu Meißen Zinsen verkaufte. (Oock. ckip. Sax. re«. II. 2. btt. 767.) In einer Schuldurkunde des Mschofs Rudolph von Meißen aus dem Jahre 1411 wird dieser Michel Czigeler als Bürge aufgeführt. (Lock. ckip. Lax. reg. II. 2. dir. 836.) Später ist Balthasar Czigeler Erb- und Gerichtsherr von Gauernitz; von ihm erkaufte das Hochstist Meißen im Jahre 1464 30- Schock Groschen für 300 rh. Goldgülden. (Lock. ckip.