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MdmfferMeblati Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. 81. Aahrgasg, Nr. 232 Donnerstag/Freitag, 4 /5. Oktober 1922. Amtlicher Teil. Wintergoldparmänen WM, DMibv mmtkg; 10 Ihr msWkti. Wilsdruff, am 4. Oktober 1922 Der Stadtrat. i>mnmniimniiiii,min»nii»iiinmiiii»nuiinittiiiiitt»iiii!iiiiiiniiimiii»!iiinminui»i»»iiiii»iiniiiiiiiiuiniiiiiiiiillNinm»i»iRstii»niiii Kleine Zeitung für eilige trter. * Das Reichskabinett hat beschlossen, den Preis für das erste Drittel des Umlageaetreides, vorbehaltlich der Zustimmung des Reichstages, zu verdreifachen. * Die Regierung beabsichtigt, gleichzeitig mit der bevor stehenden Brotpreiscrhöhung auf eine Heraufsetzung der Ge hälter und Löhne binzuwirkcn. * Wegen der Überflutung Deutschlands durch Ausländer sind besondere Maßnahmen zur Abwehr ergriffen worden. * In Leipzig begannen die Verhandlungen des Staats- gerichtshoses gegen die Angeklagten im Rathenau-Mordprozeh. * Zwischen Griechen und Türken ist ein Waffenstillstand ab- geschloffen worden. * Der allrussische kommunistische Vollzugsausschuß in Moskau hat beschlossen, für alle Manner zwischen 20 und 40 Jahren die allgemeine Wehrpflicht einzusühren. Das liebe Brot. Das Neichsfinanzministerium hat einer Erhöhung des Preises für das erste Drittel des Umtagegctreides auf das Dreifache zu- gcstimmt. «die Kämpfe des Winters künden sich, je weiter der Herbst und die Teuerung fortsch-reiteu, desto vernehmlicher an. Allgemein herrscht das Gefühl, daß wir nur bei mög- nchster Geschlossenheit der inneren Front über die größten Schwierigkeiten für die Volksernährung hinwegkommen werden. Eben so allgemein aber ist die geringe Zuversicht in die Möglichkeit einer Zurückstellung alles Trennenden inn dieses lieben Friedens willen. Das sehen wir schon bei dem Vorpostengefecht um den Prers für das erste Drittel der Getreideumlage, der, vor Monaten festgesetzt, als noch ganz andere Mark- verhaltnisse bestanden, jetzt zur Auszahlung gelangen soll. Blrebe er unverändert, so bedeutete das unbestritten eine Beeinträchtigung der Landwirtschaft über das Maß dessen hinaus, was ihr in den aufgeregten Tagen des Rathenau mordes Mgedacht und damals von ihr, wenn auch mit Protest, schließlich doch angenommen worden war. Daß es jedoch bei der damaligen Entscheidung nicht verbleiben könne, ist mittlerweile ziemlich von allen bürgerlichen Par teien anerkannt worden, nicht bloß von den Parteien der Rechten, denen die Wahrnehmung landwirtschaftlicher Interessen besonders nahe zu liegen pflegt. Dabei leitet sie weniger die Abneigung gegen ein« übermäßige Be lastung der Landwirtschaft als vielmehr die Sorge um die Aufrechterhaltung ihrer Produktionsfähigkeil, die Sorge um die Gefahr einer sonst nicht ausbleibenden Ein schränkung des Getreideanbaues und endlich auch die Rück sicht auf die Geldknappheit, über die bei dem schon wahn sinnig zu nennenden Anschwellen aller Preise die Land wirtschaft nicht weniger als Handel und Industrie zu klagen haben. Diese Frage wurde nun nicht nach den vor liegenden sachlichen Gesichtspunkten rasch entschieden, son dern sie blieb in der Schwebe, bis ihrer sich die Partei- gegensätze bemächtigten. Eine Vorentscheidung im volks wirtschaftlichen Ausschuß des Reichstages fiel zugunsten der Preiserhöhung für das erste Drittel der Getreide umlage um das Drei- bis Vierfache aus. Sie entfesselte starken Widerspruch auf der Linken. Man weiß, wie die Parteitage von Augsburg und Gera ihrerseits zu der Frage Stellung nahmen. Daß der Reichsernährungs minister Professor Dr. Fehr seinen Standpunkt in der Frage gelegentlich eines Aufenthaltes in Bayern im Sinn« der Preiserhöhung mit vielbemerkter Rückhaltslosigkett fest legte, trug auch nicht dazu bei, die Gegner fügsamer zu machen. So ist es denn auch bis jetzt dabei verblieben, daß die nunmehr vereinigte sozialdemokratische Partei des Reichstages in ihrer überwiegenden Mehrheit an ihrem Widerspruch gegen diese Preiserhöhung festhielt. Die Tonne Roggen wäre danach auch jetzt noch mit 6900 Mark zu bezahlen gewesen. Der Marktpreis im freien Handel ist inzwischen längst in die fünfstelligen Zahlenreihen auf- gerückt. Das Neichskabinett trat in seiner Dienstag- Beratung den Gründen des volkswirtschaftlichen Aus schusses zur Erhöhung der Preise für das erste Drittel des Umlagegetreides bei. Der vom Reichsminister für Er nährung und Landwirtschaft vorgelegte Gesetzentwurf, in dem für die Tonne ein Preis v o n 20 700 Mark, also genau das Dreifache, vorgesehen ist, wurde angenom men. Der Gesetzentwurf ging sofort dem Reichsrat und dem Re i chswir ts chastSrat zu. Der Reichstag wird nach seinem am 17. Oktober erfolgenden Zusammentreten sofort die Frage behandeln. Möglich, daß der Beschluß gegen die Stimmen der sozialistischen Mitglieder des Reichskabinetts geschehen ist, obwohl auch bei ihnen in den Verhandlungen ihrer Partei und Fraktion doch die Meinung zum Ausdruck kam, daß sie das Verharren auf dem ursprünglichen Getreidepreis als nichttunlich betrachte ten. Und offen bleibt die Frage, wie sich nun die Parteien Und die Gewerkschaften der Linken, als solche zu der Ent scheidung stellen werden. Reichspostminister G i e s b e rts , der in diesen Tagen vor den katholischen Arbeitervereinen in Essen über die gegenwärtig^ Teuerung sprach, äußerte sich recht zweifel haft über die Möglichkeit, der gegenwärtigen Teuerung durch Wiederaufnahme von Rationierung und Zwangs wirtschaft zu Leibe zu gehen. Die Moral unseres Volkes, sagte er in Übereinstimmung mit einem bekannten Wort des ReiWkanzlers Dr. Wirth, ist leider sehr tief gesunken, und wenn man hätte voraussehen können, wie sich die Dinge in diesen Jahre« entwickelt haben, hätte man gewiß von vornherein manches anders gemacht. Im übrigen aber müßten wir uns damit abfinden, daß die Folgen des Krieges und der Revolution so schnell eben nicht über wunden werden können. Zwei Fünftel aller Lebensmittel müssen wir jetzt wie in früheren Friedenszetten etnführcn. Was das bei den gegenwärtigen Dottarpreisen auf dem freien Markt zu bedeuten hat, könne man sich denken, eben so, welche Brotpreise daraus sich ergeben müssen. Also: Entweder Verbilligung der Brotversorgung aus Staats mitteln, oder weitere Erhöhung des Brotpreises. Auch der Minister bat schließlich um möglichst leidenschaftslose Erörterung dieser Fragen, eine Bitte, die allerdings leich ter auszusprechen, als zu erfüllen ist. Etwas günstiger scheint die Aussicht für die Zucker- versorgung zu liegen, wobei uns allerdings die reiche Rübenernt« dieses Jahres zugute kommen wird. Der Reichsrat hat sich dahin schlüssig gemacht, daß aus der Jn- landserzeugung für die gesamte Bevölkerung je Kopf und Monat 2)4 Pfund und außerdem einmal 6 Pfund Ein machzucker zur Verfügung gestellt werden müssen. Aus landszucker soll nur mit Genehmigung des Reichsernäh rungsministers eingeführt werden dürfen und dann nicht mehr in den freien Verkehr kommen, sondern der ver arbeitenden Industrie zugeführt werden. Wenn dieser Versorgungsplan wenigstens gelingt, wird mit ihm viel- leicht mancher Mangel auf anderen Gebieten sich aus- gleichen lassen. Doppelter Brotprels — höhere Löhne. Durch die Erhöhung der Preise für das eingeführte Kuslandsgetreide—(ausländischer Weizenkostete zur Zeit der Verhandlungen über das Reichsgetreidegesetz und die jetzt geltenden Abgabepreise 18 000 bis 20 000 Mark die Tonne, heute fast 84 000 Mark, nachdem der Preis bereits auf 93 000 Mark und höher gestiegen war) — war nach einem Anträge des Neichsernährungsministers eine erhebliche Steigerung der Abgabepreise der Neichsgetwidestelle un vermeidlich. Entsprechend muß auch der Preis für Markenbrot erhöht werden. Die Erhöhung wird je doch nicht vor Ablauf dieses Monats eintreten und vor aussichtlich über eine Verdoppelung nicht wesentlich hin ausgehen. Da die Erhöhung des Brotpreises eine schwere Belastung.der minderbemittelten Bevölkerungskreise mit sich bringt, beabsichtigt die Regierung, noch im Laufe dieser Woche mit den Vertretern der Arbeitsgemeinschaften in Besprechungen einzutreten, nm gleichzeitig mit der Er höhung des Brotpreises auch eine entsprechende Erhöhung der Löhne und Gehälter zu erwirken. Waffenstillstand im Orient. Türkischer Rückzug. — Verhandlungsbeginn. Die Entspannung der Lage am Bosporus macht wei tere Fortschritte. Bereits am Sonntag ist, wie nachträglich aus Konstantinopel gemeldet wird, der Waffenstill stand zwischen Griechen und Türken beschlossen wor den. Die Nationalversammlung von Angora hat Kemal Pascha ermächtigt, die Einstellung der Feind seligkeiten auf allen Fronten anzuordnen. Im Zu sammenhang damit haben die türkischen Truppen die Gegend um Tschanak geräumt. Die Truppen, die einige Kilometer weit von den Englän dern entfernt stehen, trafen jedoch noch keine Vorbereitun gen zum Aufbruch. Kemalistische Verstärkungen sind da gegen in der Nähe von Jsmed aufgetaucht. Das dürfte aber kaum auf neue Feindseligkeiten hindeuten, denn die Regierung von Angora wird einen Delegierten zu der Konferenz von Mudania und andere Delegierte Zu der späteren Friedenskonferenz entsenden. Griechischer Widerstand. Die Griechen, die an der Konferenz von Mudania nicht teilnehmen, bereiten in Thrazien einen neuen Wider stand vor. Die Trümmer der griechischen Armee werden an der Grenze der Tschataldschalinie umgruppiert und die dortigen Stellungen in fieberhafter Eile befestigt. Den Mangel an schwerer Artillerie ersetzen die Griechen dadurch, daß sie alle alten Kriegsschiffe abmontieren und die Geschütze nach Thrazien schaffen. Militärische Kreise Konstantinopels sehen jedoch das Beginnen der Griechen angesichts der völligen Desorganisation ihrer Truppen als aussichtslos an. Andererseits herrscht in Ententekreisen Besorgnis wegen der zunehmenden Gärung gegen die Fremden in Konstantinopel. Man fürchte den Ausbruch ernster Zwischenfälle. Oer Naihenau-Prozeß. 8 Leipzig, 3. Oktober. Unter außerordentlich stacken, Andrang des Publikums fand heute im großen Sitzungssaale des Reichsgerichts, in welchem seinerzeit auch der Kapp-Prozeß verhandelt wurde, der erste Termin des ncugebildeten Staatsgerichtshoses gegen die Helfer und Mitwisser des Rathenau-Mordes statt. Die Verhandlungen begannen mit einer Auseinandersetzung über die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes. Einer -er Verteidiger, Rechtsanwalt Hahn, begründete sehr eingehend einen Antrag, der Staatsgerichtshof solle beschließen, diesen Prozeß an das Schwurgericht zu verweisen. Er erklärte, das ganze Gesetz zmn Schutze der Republik und damit auch der neugebildete Staatsgrrichtshof seien verfassungs widrig und rechtsungültig, denn sie seien nur »unter dem Druck der Straße" zustandegekommen. Die Zusammensetzung des Richterkoklegiums sei unter politischen, tendenziösen Gesichts punkten erfolgt, und eine Reihe von Rechtsgelehrten hätte in der einschlägigen Literatur ebenfalls den Standpunkt ver treten, daß dieser Gerichtshof unzulässig sei. Der Oberreichs- anwalt Dr. Ebermeyer erwidert« auf diese sehr ausführ liche Rede, während der im Saale lebhafte Unruhe entstand, mit einer kurzen Widerlegung, in der er vor allem betonte, daß das Gesetz zum Schutz der Republik durchaus ordnungsgemäß im Reichstage zustandegekommen sei, und daß der Staats gerichtshof zwar ein Sondergericht, aber kein Ausnahme gericht darstelle. Das Gericht zog sich hierauf zu einer kurzen Beratung zurück, als deren Ergebnis der Präsident Hagen verkündete, daß der Antrag Hahn abgelehut sei und der Staatsgerichtshof seine Zuständigkeit bestätigt habe. Darauf erklärte Rechtsanwalt Hahn, daß er dann von dem Rechte zur Ablehnung des jetzigen Gerichtshofes und einzelner Richter Gebrauch machen wolle. Der Gerichtshof lehnte jedoch auch die Anträge des Verteidigers, die sich gegen den Vorsitzenden und die Laienrichter wendeten, ab. Der Vor sitzende brachte sodann in großen Zügen das Ergebnis der Voruntersuchung, wie es in der Anklageschrift dargelegt ist, zur Kenntnis mit dem Bemerken, es handele sich nicht um feststehende Tatsachen, vielmehr seien die Vorgänge w dargestellt, wie sie im Licht der Anklage erschienen. Dabei wurden auch mehrere charakte ristische ÄußerungenderTäter zur Sprache gebracht. So sagte Kern am Morgen des 24., kurz bevor die Fahrt nach dem Grunewald angetreten wurde: „Wir wollen sehen, ob wir Rathenau heute noch vor die Pistol« bekommen." Mau fragte gleichzeitig den älteren Techow, der das Auto fahren sollte, ob er auch sür seine Nerven garantieren könne, was Techow bejahte. Als das Auto in der Königsalles erschien, ries Techow dem Fischer zu: „Fahren Sie los und machen Sie das be sprochene Manöver." Techow hat bei feiner Vernehmung an gegeben, -aß er nicht gewußt habe, -atz es sich um das Rathe- nausche Auto handele, er sei der Ansicht gewesen, er befinde, sich auf einer Probefahrt. Dann habe er später «hinter sich die Schüsse und den Knall einer Handgranate gehört und er habe mit dem Auto die Flucht ergriffen. Nach der Darstellung der Anklage hat Techow dann in -er Garage zu dem ihn erwartenden Günther gesagt: „Die Sache hat geklappt, Rathenau liegt." Und später, als er Schütt und Diestel von der Tat erzählte, sagte er noch: „Wir haben es getan, um die Roten zum Angriff zu reizen, uns aina das Geld ans." politilck« RuniilchLv. Gegen die Überflutung mit Ausländern. Die deutschen Auslandsvertretungen sind vom Reichs ministerium des Innern nachdrücklich daraus verwiesen worden, daß dis Sichtvermerke der Ausländer für die Einreise nach Deutschland in Zukunft mit einer gewissen Zurückhaltung erteilt werden solle«. Insbesondere soll der Sichtvermerk in den Fällen verweigert werde«, in denen die Vermutung naheliegt, daß die beabsichtigte Reise zu Zwecken des billigen Ankaufs deutscher Ware erfolgt. Auch die Anträge auf Verlängerung der Aufenthalts erlaubnis sollen strenger geprüft, die Erleichterungen für den kleinen Grenzverkeür eingeschränkt werden. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das Reichsarbettsministerium ist mit dem^ Reichs- Finanzministerium und dem Reichsrat in eine Fühlung-