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KUdnOrAgebla« Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Fernsprecher Wil-Vroff 7K. d Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt euthLll die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» -u Wilsdruff, des Forstreutamts Tharandt und des Finanzamts Nassen. »»» Asch,»»e i» WU-dnch. «errmtwortliche- Schriftleiter: -er«««» LLssl». für de» Inseratenteil: «ritz», zsch»,»e, »et»« N, W««»r»A Nr. 229 Sonnabend den LO. September 1922. 81. Jahrgang An die Leser! Die Zeitungen sind gezwungen, auch vom 1. Oktober ab wiederum die Preise er heblich zu erhöhen. Die Teuerung schreitet fort und nötigt jedes Geschäft, das nicht zu grunde gehen will, ihr zu folgen. Die Zeitungen können sich zur Ehre nachsagen, daß sie in diesen Zeiten des Umsturzes aller Werte nie besondere Vorteile für sich erstrebt haben. Sie haben sich an der Jagd nach Kriegsgewinn nicht beteiligt, haben als Dienerinnen der 'Allgemeinheit stets Teuerung und Wucher bekämpft und durch ihr eigenes geschäftliches Verhalten bewiesen, daß ihnen der Kampf ernst war. Auch wenn jetzt der Bezugspreis erhöht wird, geschieht es nur in dem unbedingt nötigen Maße, wie jeder Leser selbst nachrechnen kann, wenn er den Bezugspreis mit dem PapierpreiS vergleicht. Jener ist auf das 200fache gestiegen, das Papier aber ist 340 mal teurer geworden; dabei macht das Papier den größten Teil der Ausgaben aus, die ein ZeilungSbetrieb hat. Die Presse kämvft einen furchtbar schweren Kampf um ihre Existenz und kann sich nur behaupten, wenn ihr die Leser treu bleiben. Grimma, im September 1922. Verein Sächsischer Zeitungsverleger (E. V.). Meine Zeitung für eilige Leser. * Die verfassunggebende preußische Kirchenversammlung Hai den umstrittenen Bekenntnisvorspruch genehmigt. * König Konstantin von Griechenland hat zugunsten deS Kronprinzen Georg auf den Thron verzichtet. * 80V00 Türken befinden sich im Anmarsch auf Konstanti- nopel. Die Griechen wollen Thrazien unter allen Umständen gegen einen türkischen Vorstob verteidigen. * Die amerikanische Regierung hat zwölf Torpedoboots zerstörer nach den Dardanellen entsandt. * Nach Londoner Meldungen erwartet man die Flucht deS Sultans nach England oder der Schweiz. Im Hexenkessel des Orients. Wie vor Ausbruch des Weltkrieges jahrelang das Interesse Europas auf den Wetterwinkel im Südosten ge richtet war, von wo das große Unheil feinen Ausgang naym, so konzentrieren sich auch jetzt die politischen Be mühungen der europäischen Kabinette wieder darauf, den Streit zwischen den verhältnismäßig kleinen Staaten auf der Balkanhalbinsel und in Kleinasien irgendwie beizu legen, ehe er weiteren Umfang annimmt und auch die Gross mächte wieder in Anspruch nimmt. Der schon früher so ost mit einem politischen Hexenkessel verglichene Winkel, in Welchem sich Türken, Griechen, Serben und Bulgaren seit Jahrzehnten, nur von kurzen Ruhepausen unterbrochen, die Köpfe blutig schlagen, zeigt augenblicklich allerdings ein Aussehen, welches alles andere als eine baldige Klärung erwarten läßt. Der Ausgangspunkt des gegenwärtigen Orientkrieges liegt im Friedensvertrag von Svvres, der die Türken ähnlich, wie es uns erging, weit über Gebühr an Land und Leuten beraubte und sie aus ihrer europäischen Macht stellung fast vollständig verdrängte. Der lange Zeit im stillen vorbereiteten und jetzt so energisch durchgeführten Offensive Kemal Paschas ist der Erfolg beschieden gewesen, Kleinasien von dem griechischen Feinde vollständig zu säu bern. Damit ist aber das Ziel der Türken noch nicht er reicht. Sie wollen nunmehr auch die aus europäischem Boden verlorengegangenen Landstriche wieder zurück- gewinnen, und damit tritt der Krieg in ein ganz neues Stadium ein. Der rasche Sieg in Kleinasien wird von den Griechen damit entschuldigt, daß die griechische Armee zwar zur Verteidigung ihrer europäischen Heimat bis aus den letzten Blutstropfen bereit sei, daß aber die Soldaten an dein Feldzuge in Kleinasien nur widerwillig teilge nommen hätten. Ganz anders würde es sein, so sagt man in Achen, wenn der Türke über die Dardanellen herüber komme und den Kampf auf die Balkanhalbinsel verpflan zen wolle. Dort würde er auf den erbitterten Widerstand einer starken griechischen Armee stoßen, die unter keinen Umständen die Provinz Thrazien so leicht preisgeben würde wie den Boden jenseits des Ägäischen Meeres. Die anscheinend unvermeidlich bevorstehende neue Phase des Krieges würde sich sonach von der ersten dadurch erheblich unterscheiden, daß nunmehr das griechische Nationalgefühl als ein ebenso wenig zu unterschätzender Fakwr mit sprechen würde wie der aufopferungsfähige Patriotismus der Kemalisten, der den Siegeslauf der Türken in ihrem eigenen Lande unterstützte. Diese Verschiebung der inneren Voraussetzungen des Kampfes gibt auch gleichzeitig eine Erklärung für die so wohl in Athen wie in Konstantinopel vor sich gehenden Veränderungen in den Regierungen. Die Revolution in Griechenland und die Forderung nach der Ab dankung des Königs Konstantin haben keineswegs ihre Wurzel allein in der Unzufriedenheit eines geschlagenen Volkes, sondern man erwartet vielmehr, daß die neue Re gierung in Athen das Kabinett eines großen nationalen Widerstandes sein soll. Demgemäß ist diese Revolte auch nicht von den Volksmassen selbst, sondern von denjenigen Teilen der Armee und der Flotte hervorgerufen worden, die sich noch kampfkräftig fühlen und-die den Türken keines falls zu irgendwelchen Erfolgen auf europäischen: Boden kommen lassen wollen. Wie es heißt, ist dem König die Aufforderung zur Abdankung durch eine aus Flugzeugen abgeworfene Proklamation übermittelt worden. Unweit von Athen sind zwei griechische Kriegsschiffe gelandet, die der bisherigen Regierung telegraphisch ein Ultimatum übermittelten, welches, wie die Abdankung selbst beweist, vollen Erfolg gehabt hat. Voraussichtlich wird ein griechischer General, ein Anhänger Venizelos', die neue Re gierung führen, deren Zweck in erster Linie die Verstär- j kung der Tbrarischen Armee fein loll. Aus dem Unutande. daß auch die Umgebung des Königs der ganzen Be wegung wenig Widerstand entgegensetzt, schließt man, daß dem König im Grunde mehr daran lag, den nationalen Widerstand unter seinem Nachfolger erfolgreich zu sehen, als selbst in einer Stellung zu dleiben, in der er angesichts der vorangegangenen Ereignisse sich ohnedies kaum hallen konnte. Ob es zu einem neuen Wafsengang in Thrazien kommt, ist allerdings noch völlig ungewiß, und noch weni ger läßt sich sagen, welche Ausdehnung ein derartiger neuer Krieg gewinnen würde. Voraussichtlich bliebe das Ringen nun nicht mehr auf die Türken und die Griechen beschränkt, sondern auch die Südslawen und in ge ringerem Maße auch die in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeengten Bulgaren bekunden ein starkes Interesse an der weiteren Entwicklung des Kampfes, soweit er euro päische Gebiete betrifft. Serbien wünscht nicht, daß die Türken wieder von Thrazien Besitz ergreifen, und man spricht bereits von der Möglichkeit einer südslawischen Expedition gegen Konstantinopel. Die Gesamtlage läßt je doch im Augenblick eine Lösung am nächsten liegend er scheinen, bei der zum mindesten Adrianopel wieder in türkischen Besitz zurückkehrt. England hat die geschlagenen Griechen, die ja zum großen Teile bei ihren Kriegszügen in Kleinasien englische Winke befolgten, anscheinend völlig fallen gelassen. In Athen ist daher die Erbitterung über die ungetreuen Schutzherren in London nicht gering, und Venizelos, der von manchen in Athen als Retter der Situation herbeigewünscht wird, führt seine Verhandlun gen gegenwärtig in Paris, von wo der Wind in der Orientfrage ganz anders weht als aus London. Derjenige Staatsmann, der sich augenblicklich vielleicht in der größten Verlegenheit befindet, ist Lloyd George. Für ihn gilt es, den Weg nach Indien, der Quelle der bri tischen Weltmachtstellung, über den Balkan freizuhalten. Und er muß befürchten, daß infolge des augenblicklich verloren erscheinenden Spieles diese Stütze des englischen Imperiums eine empfindliche Erschütterung erfährt, greift doch das Feuer der nationalen Begeisterung der Türken auch auf die Mohammedaner in Indien und Mesopo tamien über. Wenn es den Diplomaten der großen Entente nicht rasch gelingt, das Feuer im Orient zu dämpfen, so besteht die Gefahr, daß der Hexenkessel aus dem Balkan wieder einmal überkocht und seinen verderb lichen Inhalt über ganz Europa verspritzt. Oie Abdankung König Konstantin« Exkönig Konstantin. der hellenischen Nation, kehrte nach Griechenland zurück und zichte ich auf die königliche Gewalt. Mein ältester Sohn Georg ist von diesem Augenblick ab Euer .König. Ich bin gewiß, daß sich die gesamte Nation um ihn scharen wird und ihn mit allen Kräften und um den Preis aller Opfer in seiner schwierigen Aufgabe unter unser Land in eine kritische Lage ge- bracht.AberGriechen- land wird auch diese Hindernisse über winden und auf sei nem ruhmreichen und glänzenden Wege fortschreiten, vorausgesetzt, daß es der Gefahr in voller Einmütigkeit begeg net und von seinen mächtigen Freunden unterstützt wird. Da ich ni<A will, daß irgend jemand auch nur im geringsten glaube, daß ich auch nur in irgend etwas durch mein Verblei ben auf dem Throne der Einigkeit im Wege stehe, ver König Konstantin von Griechenland hat den Ent schluß, auf den Thron zu verzichten, dem griechischen Volke in einer Botschaft mitgeteilt, in der es u. a. heißt: „Entsprechend dem feierlich kundgegebenen Wunsche - - ' ich am 6. Dezember 1920 übernahm wieder mein königliches Amt. Heute haben betrü bende Ereignisse stutzen wird. Ich selbst bin glücklich, daß sich mir eine neue Gelegenheit bietet, mich abermals für unser Griechenland aufzuopfern. Ich bin bereit, a n derSpitzederArmeefürdie Interessen des Landes zu kämpfen, wenn die Regierung und das Volk von Griechenland glauben, daß dieser Dienst meinem Vater land nützen könnte." Kronprinz Georg ist der älteste Sohn Konstantins. Er steht im 33. Lebens jahr und hat sich vor anderthalb Jahren mit der Prin zessin Elisabeth von Rumänien vermählt. Er ist in Frank reich nicht beliebt, weil er für ebenso deutschfreundlich gilt wie sein Vater. Allerdings gibt feine Heirat mit einer rumänischen Prinzessin eine Gewähr dafür, daß er keine Politik gegen die französischen Wünsche treiben wird. Aber man würde in Paris seinen jüngsten Bruder Paul oder seinen Onkel Christophus entschieden vorziehen. Prinz Cbristophus ist jetzt 39 Jahre alt und hat vor einiger Zeit eine amerikanische Millionärin mit Namen Leeds ge heiratet. .Daily Mail" verzeichnet das Gerücht, daß König Konstantin die Absicht habe, sich nach den Vereinig ten Staaten zu begeben. Es seien bereits Verhand lungen mit Washington im Gauge. SV WO Türken im Vormarsch. Der Siegeslauf nach Konstantinopel. Der Smyrna-Korrespondent des „Corriere della Sera* drahtet eine Unterredung mit Kemal Pascha, der erklärt, keine Macht der Erde könne den Siegeslauf der türkischen Nation aufhal ten. In Konstantinopel brauche sich niemand vor Kemals Einmarsch zu fürchten, und was die Meerengen be treffe, so werde deren Freiheit von den Türken jeden falls sicherer gewährleistet werden, als von dieser oder jener interessierten Macht. Der Korrespondent schließt: ,80 000 Mann, die mit ungeheurer Kriegsbeute ausge stattet sind, marschieren gegen Konstantinopel.* Er weiß von nichts. Der englische Oberbefehlshaber General Harrington hat von Mustapha Kemal Pafcha den Bescheid erhal ten, daß ihm von dem Bestehen einer neutralen Zo ne nichts bekannt sei. Kemal Pascha weicht dann der Frage aus, ob er der türkischen Armee Befehl geben wolle, den Tschanak-Abfchnitt wieder zu verlassen. In ähnlich kriegerischem Sinne äußerte sich der Ver treter Kemals in Konstantinopel, Hamid-Bei. Dieser er klärte, daß Kemal die Einladung der Alliierten zu einer Konferenz annehmen werde. Kemal müsse je doch, bevor er eine offizielle Antwort erteile, die türkische Nationalversammlung in Angora befragen. Die englische Flotte, die vor den Dardanellen versammelt ist, hat folgende Stärke: 6 Dreadnoughts, 7 Schlachtkreuzer, 20 Zerstörer boote, mehrere Unterseeboote, sowie eine Anzahl Schiffe zum Transport von Flugzeugen. Die englischen Laud- streitkräfte in Konstantinopel und Tschanak belaufen sich aus 30 000 Mann. Das Gieigen -es Dotlarkurses. Donnerstag-Stand: 1665. Berlin, 28. September. Nachdem in der vergangenen Woche der Dollarstand etwa auf 1400 gebliebey war, hatte sich in weiten Kreisen die Hoffnung auf eine sich anbahnende Stabilisierung der Mark verbreitet. Wenn man deren Bewertung auch noch nicht für angemessen hielt, so glaubte man doch anneh men zu dürfen, daß nunmehr der verhängnisvolle Weg des Dollars seit Anfang dieses Jahres sich nach unten neigte. Die Hoffnungen haben getrogen. Vor einigen Tagen schnellte das amerikanische Zahlungsmittel aus zunächst unerfindlichen Gründen wieder steil aufwärts und er reichte heute morgen sogar eine Ziffer von 1750 bis 1775. Nachmittags schwächten sich der Markt und die Unterneh mungslust ab, wie man börsentechnisch zu sagen pflegt, und der Dollar blieb schließlich bei ungefähr 1650 hängen. Trotz dieses Abweichens aber ist die Lage andauernd schwankend, jede Stunde kann Überraschungen bringen. Als Gründe für die abermalige Dollarhausse werden De visenbedarf der Industrie, Lie Unruhen im Orient und Vorstöße der Svekulationswut aenannt. die es an der