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Der GireÜ um Thrazien. Dertürkifche Vorstoß aufneutrales Gebiet. An der Grenze der neutralen Zone, die von den Eng ländern scharf bewacht wird, herrscht eine höchst gefährliche Spannung. Die türkischen Kavalleriestreitkräfte, die sich nach ihrem ersten Vorstoß bei Erenköi tn der Tschanak- Zone unter dem Schutze einer weißen Flagge zurückge zogen hatten, sind wieder in verstärkter Zahl, und zwar schätzungsweise 2000 Mann, zurückgekchrt. Eine bri tische Abteilung hat eine Stellung Halbwegs gegenüber Erenköi angenommen und ist für jede Eventuali tät bereit. Man glaubt zu wissen, daß der französische Oberkom mandierende seinen ganzen Einfluß bei Mustapha Kemal einsetzt, um die Zurückziehung der türkischen Truppen zu erlangen. Die Türken sind bereit, an einer Konferenz teil zunehmen, vor Eröffnung der Konferenz müsse ihnen aber das Recht eingeräumt werden, die Meerengen zu überschreiten und Thrazien zu besetzen. Neuer Widerstand der Griechen? Trotz ihrer schweren Niederlagen und trotz des Pariser Kompromisses will Griechenland noch einmal einen letz ten Wider st and gegen Kemal Pascha aufeuropäi - schein Bod en versuchen. Mit dem Verlust Kleinasiens hat man sich abgefunden, eine Rückgabe Thraziens mit Adrianopel will die griechische Regierung jedoch auf kei nen Fall anevkennen und sich der Abtretung mit allen Mitteln widersetzen. Sollten die Türken mit oder ohne Genehmigung der Verbündeten über den Bosporus vordringen, so will Griechenland in Thrazien ein Heer von 150 000 Mann einsetzen. * Die Flüchtlinge. In Konstantinopel haben die griechischen, armeni schen und englischen Familien, da sie einen Angriff der Kema- listen befürchten, begonnen, die Stadt zu verlassen. Es reisen täglich bis zu 1000 Personen ab. Das Geschäftsleben stockt. Weit schlimmer sieht es jedoch in Smyrna aus. In Gens erklärte Lord Balfour, er habe von seiner Negierung die Mit teilung erhalten, daß die Lage der nach Hnnderttau sen den zählenden Smyrna-Flüchtlinge sich außerordentlich ver schlechtert habe. Seine Regierung sei deswegen bereit, 50 000 Pfund Sterling dem unter Nansen stehenden Hilfswerk zur Verfügung zu stellen, wenn die anderen Regierungen zu sammen eine ebenso große Summe ausbrinaen. politisch- Rundschaa. Deutsches Reich. Maschinen statt Viehlieserungen. Nach dem Versailler Vertrag hat Deutschland an Südslcrwien bestimmte Viehlieferungen zu leisten, die neuerdings auf große Schwierigkeiten stoßen, besonders im Hinblick auf die Ernährung des deutschen Volkes. Die deutsche Regierung hat daher angeboten, sogleich in Ver handlungen wegen einer entsprechenden Menge von Ma schinen, vorwiegend für den Gebrauch der Landwirtschaft, zu treten, die an Stelle des restlichen Teiles des Viehkon tingentes überwiesen werden soll. Das Kabinett Paschitsch hat beschlossen, das Angebot der deutschen Regierung an zunehmen. Ausweisung von Deutschen aus Litauen. Aus Kowno wird gemeldet: Vor einigen Tagen er hielt eine große Reihe zum Teil jahrelang in Litauen an sässiger Reichsdeutscher die behördliche Weisung, innerhalb mehr oder weniger kurzbefristeter Zeit, längstens aber innerhalb von vierzehn Tagen, das Gebiet der Republik Litauen zu verlassen. Die Angabe von Gründen wurde abgelehnt. Hand in Hand mit der Ausweisung ging die Requisition der Wohnungen, von der selbst der deutsche Ge schäftsträger nicht verschont worden ist. Der deutsche Ge- schäststräaer erhob sofort Vorstellungen bei der litauischen Negierung, und es gelang ihm, wenigstens in einigen be sonders schlimm liegenden Fällen die Zurücknahme der Maßregel zu erreichen. Noch keine Tabaksteuererhöhung. Der Neichsrat beriet über den Entwurf einer Verord nung über Zollerhöhungen für Luxusartikel. Die Aus schüsse waren der Ansicht, daß die nochmalige Erhöhung um 50 Prozent eine durchaus angemessene Maßregel ist, und empfehlen die Zustimmung zu der Verordnung. In der Frage der Durchführung des Tabakzolls von 130 Mark sind die Ausschüsse des Reichsrats der Ansicht, daß die Re gierung gut tun würde, wenn sie über die wichtige Frage der Tabakzollerhöhung eine besondere Vorlage an den Reichsrat richten würde. Der Reichsrat schloß sich diesen Beschlüssen an. Die Frage der Tabaksteuererhöhung ist also zunächst aus der Verordnung ausgeschieden. Einschränkung der Nebenbeschäftigung. Der sozialpolitische Ausschuß des Neichswirtschasts- rates hat bei der Beratung des Gesetzes über die Arbeits zeit in gewerblichen Betrieben eine Bestimmung angenom men, daß ständig beschäftigte Arbeiter und Betriebsbeamte ständige gewerbliche Beschäftigung bei einem andern Arbeitgeber insoweit nicht übernehmen dürfen, als die Arbeitszeiten zusammen die zulässigen Grenzen über schreiten. Wirkungen des Reichsmietengesetzes auf die Gehälter. Das Neichsfinanzministerium hat die Spitzenorgani sationen der Beamten- und Arbeiterschaft zu Verhandlun gen über eine Neufestsetzung der Grundgehälter und Kinder beihilfen eingeladen, die dadurch erforderlich geworden sind, daß die Teuerungszulagen infolge der Teuerungslage die Grundgehaltssätze bereits um ein Vielfaches über steigen. Außerdem lassen die Auswirkungen des Reichs mietengesetzes und die Kohlenpreise eine Revision der geltenden Ortszuschläge als unumgänglich erscheinen. Reichsverband Deutscher Fideikommißagnaten. In München wurde ein Reichsverband Deutscher Fideikommißanwärter gegründet. Derselbe bezweckt neben ver Pflege des Familiengedankens die Wahrung und Ver tretung der Rechte und Interessen der deutschen Fidei kommißanwärter und sonstiger Fideikommißbeteiligter. Im Bereich seines Wirkungskreises liegt daher insbeson dere eine Revision der preußischen und bayerischen Be stimmungen über die Art der Fideikommißauflösung. Oeuisch-Asterfeich. X Die Finanzhilfe. Wie aus Genf verlautet, ist der Zahlungsplan für die Finanzhilfe zugunsten Österreichs derart aufgestellt, daß England, Frankreich, Italien und die Tschechoslowakei je 20 Prozent der von den Banken gewährten Anleihe garantieren, d. h. zusammen 80 Prozent. Die anderen Staaten sollen gemeinsam die verbleibenden 20 Prozent übernehmen. Frankreich und die Tschechoslowakei haben bereits ihre Zustimmung zu diesem Abkommen ge geben, während die Einwilligung Englands, von der die Italiens abhängt, erwartet werde. Was die politische Regelung betritt, so faßt man nach dem „Journal de Gemwe" immer mehr eine Neutralität nach dem Muster der Schweizer Neutralität ins Auge. Schweiz. X Der Völkerbund muß sparen. Nach langwierigen Beratungen, in deren Verlaus von fast allen Rednern auf die Notwendigkeit größter Sparsamkeit im Haus halt des Völkerbundes hingewiesen wurde, genehmigte die 4. Kommission das Budget des Völkerbundssekretariats, das nach Abstrich von 314182 Goldfranken noch 24 934008 Goldfranken Ausgaben vorsieht. Aus In« und Ausland. Berlin. Als aussichtsreichster Kandidat für den durch Rück tritt des französischen Botschafters Laurent in Berlin sreiwerdenden Posten wird Präfekt Bernard aenannt. Berlin. Der biShs'nge Nelchstagsabgeordnete Krsisschulrm a. D. Szczepanik (Zentrum) in Kattowitz ist infolge Erwerbs der polnischen Staatsangehörigkeit aus dem Reichstage ansgc- schieden. An seiner Stelle ist der Rechtsanwalt Geh. Justizrat Seibt in Neiße (Zentrum) in den Reichst«« einaetreteu. Warschau. Im Parlament wurde eine Gesetzesnovelle be schlossen zur Beschleunigung der Liquidierung des deutschen Grundbesitzes in Posen und Pommerellen, wozu die polnische Regierung durch den Versailler Vertrag ermächtigt ist. Warschau. Die Blätter melden die Unterzeichnung des polnisch-österreichischen Handelsvertrages. Erhöhung -er Ackerbaueriräge. Fünfundzwanzig Prozent Mehrgewinn. Auf dem Versuchsfelds, das der Höheren Lehran stalt für praktische Landwirte zu Schweidnitz gehört, sind Versuche mit einem neuen Anbauverfahren für Roggen angestellt worden, das den Geheimrat Hiltner in Mün chen zum Urheber hat und nichts Geringeres bezweckt, als den Ertrag des Getreides ganz erheblich zu steigern. Das Verfahren besteht darin, daß das Saatgut, bevor es in die Erde kommt, mit einer Bakterienkultur gleichsam ge impft wird. Es handelt sich nicht etwa um ein Äeizver- fahren, wie man es schon vorher übte, um Sporen von schädlichen Rost- und Brandpilzen abzutöten, sondern im Gegenteil um eine Beigabe von nützlichen Bodenbakterien. Der Impfstoff wird in Form einer Komposterde ange wendet, mit der man das angefeuchtete Saatgetrcide fünf- oder sechsmal sorgfältig durchschaufelt, so daß jedes Korn etwas von dem Impfstoff mitbekommt. Diese Impfung soll nicht etwa, wie man es von den Knöllchen-Bakterien der Lupinenwurzeln her kennt, einen Dungstoff, den Stick stoff, entbehrlich machen, sondern es wird dabei eine volle Düngung des Bodens angewendet. Wohl aber bietet das neue Verfahren eine bessere Ausnützung der Düngemittel durch die Pflanze. Die wissenschaftlichen Grundlagen des Verfahrens sind noch nicht weiter bekanntgegeben. In der Praxis spielte sich die Probe in Schweidnitz folgendermaßen ab: Es wurden sechs Parzellen nebenein ander hergerichtet, welche genau denselben Boden hatten, ganz gleichförmig gedüngt wurden und natürlich auch Sonne und Regen in gleicher Weise erhielten. Diese Par zellen wurden abwechselnd, die eine mit ungeimpftem Ge treide, die andere mit geimpftem bestellt, die nächste wieder mit ungeimpftem, die vierte mit geimpftem usw. Die Aus saat erfolgte auf allen Parzellen am 20. September vorigen Jahres, es kamen immer 45 Pfund auf den Morgen. Nach einem starken Regen, der am 4. Oktober fiel, keimte die Saat ganz gleichmäßig. Bald aber zeigte sich, daß die ge impften Parzellen besser vorwärts kamen. Im Spätherbst war der Unterschied ganz deutlich zu sehen. In der Trockenheit und den Kälterückfällen dieses Frühjahrs glichen stH die Unterschiede aus kurze Zeit etwas aus, aber diä geimpften Parzellen gewannen in kurzer Zeit wieder den Vorrang und hoben sich bis zur Ernte deutlich von den andern ab. Geerntet wurde am 14. Juli und bald daraus gedroschen. Das Ergebnis war überzeugend: Die drei un- geimpften ParMen lieferten zusammen 28 Zentner Korn, die geimpften dagegen 35 Zentner! Und ungefähr ebenso war das Verhältnis hinsichtlich des Strohertrages. Es Ivar also der Ertrag durch das neue Verfahren um 25 Pro zent gesteigert worden. In diesem Jahre sollen nun die Anbauversuche auf großen Flächen fortgesetzt werden. Es wird mitgeteilt, daß das Impfmaterial auf etwa 7 Mark für den Morgen zu stehen kommt, das ist ein Betrag, der heutzutage kaum er wähnenswert ist. Man wird den Ergebnissen im nächsten Jahre mit dem größten Interesse entgegensehen dürfen, aber das kann gewiß schon heute gesagt werden, daß mit dem Hiltnerschen Verfahren ein vielversprechender Anfang zur Steigerung unserer Brotfruchterzeugung gemacht ist. Vorläufig ist nur der Roggen in Angriff genommen, später aber sollen auch andere Getreidearten und die übrigen Kulturpflanzen bearbeitet werden. M. Edith Bürkners Liebe. IS) Roman von Fr. Lehne. „So spät kommt Herr Waldow noch zu euch?" fragte Martha, sich gleichgültig stellend, obwohc ihr das .Herz bei dem Gedanken klopfte, den heimlich ange schwärmten Mann im nächsten Augenblick zu sehen. Sie lauschte auf seine Stimme; er sprach auf dem Vorsaal mit Thankmar, der ihm geöffnet hatte. Jetzt schien er aber wieder gehen zu wollen, als er hörte, daß Besuch da sei. Da stand Frau Bürkner schnell auf, öffnete die Tür und ries: „Aber bitte, Herr Waldow, treten Sie doch näher!" „Ich störe ja — wie ich höre, haben Sie Besuch." „Nur meine Nichte, sonst niemand —" „Ich will Sie nicht vertreiben," rief Martha Lu cian zu, als sie ihn an der Türschwelle stehen sah. „Bin ich denn so schreckenerregend?" Da trat er ins Zimmer. „Wenn Sie das denken, gnädiges Fräulein, möchte ich Sie doch vom Gegenteil überzeugen." Frau Bürkner wollte Vörstetten; doch Martha sagte: „Das ist nicht nötig, Tantchen, ich lernte Herrn Waldow schon gestern durch Edith kennen — das heißt, ich weiß nicht, ob er sich meiner noch erinnert!" „Aber ich bitte, gnädiges Fräulein, Sie verkennen mich," protestierte er. Dann reichte er Edith die Hand. „Guten Abend, Fräulein Edith; wie schaut's heut' gemütlich bei Ihnen aus!" „Vielleicht trinken Sie eine Tasse Lee mit uns, Herr Waldow," meinte Frau Bürkner. „Meine Toch ter hat erst vorhin noch einmal frischen aufgebrüht." „Wenn es nit zu unbescheiden ist? Nach der „Mai- kühle" draußen wird sie mir sicher gut tun!" Geschäftig bediente Edith den Geliebten, der sich das duftende Getränk gut schmecken ließ. Nun Halle Martha mit einem Male Zeit; sie ver wickelte Lician in ein Gespräch, so daß er sich ihr wid men und seine anfangs geäußerte Absicht, gleich wieder zu gehen, aufgeben mußte. Sie kokettierte ziemlich ungeniert mit ihm und warf ihm die vielsagendsten Blicke zu. Er merkte wohl ihre Absicht, und ward nicht ver stimmt, sondern amüsierte sich darüber. Außerdem schmeichelte es auch seiner Eitelkeit, die er in reichlichem Maße besaß. Und Edith wurde immer blasser und stiller. Um ihren feinen, roten Mund zuckte es. Waldow sah es Wohl und da verglich er im stil len die beiden Kusinen miteinander. Warm strömte es zu seinem Herzen, als er die Geliebte in ihrer blon- oen Anmut dasitzen sah und in ihrer Einfachheit, ? Lie doppelt neben der eleganten Martha bervortrat. Was war aber der goldene Hintergrund der an deren gegen Ediths lebensvolle Schönheit? Daneben verschwand Martha vollkommen, wenn sie auch sonst nicht häßlich war. Sie hatte eine gut gewachsene, etwas zur Fülle neigende Figur uno hübsches, dunkelblondes, sehr sorg- säliig frisiertes Haar. Das Gesicht war grob geschnit- ten, mit breiten Backenknochen und großem Munde. Die Zähne waren ziemlich groß, und gerade die Vor derzähne wiesen Goldplomben aus, die beim Sprechen und Lachen ziemlich aufdringlich wirkten. „Ich freue mich sehr auf die Mittwochskonzerte, Herr Waldow," sagte Martha da. „Wann fangen sic eigentlich wieder an?" „Am ersten Mittwoch nach dem ersten Oktober, also in einigen Tagen." „Und Sie werden da natürlich auch wieder als So list glänzen?" „Ich denke." Wie ein Kind klatschte Martha in die Hände. „O, wie ich mich freue! Ich habe Ihre Kunst immer schon bewundert; Musik ist doch etwas Herrli ches, Einziges." „Sie sind sicher sehr musikalisch, gnädiges Fräulein?" „Nicht so, wie ich es wohl gern sein möchte." „Ah, das liegt wohl in der Familie? Fräulein Edith spielt ja auch sehr schön Klavier." Etwas pikiert sah Martha bei diesen Worten vor sich hin. Sie konnte es nicht gut vertragen, daß an dere, und besonders Edith, vor ihr gelobt wurden. „Ja, das glaube ich wohl," entgegnete sie, „aber sie macht ihre Kunst sehr rar." „Ich möchte nicht lästig damit fallen," bemerkte Edith ruhig. „Uebrigens, gnädiges Fräulein was Halm Si für eine aparte Nadel? Ich kann sie nit mr r bewun dern," sagte Lucian zu Martha. „Wirklich? Finden Sie?" Martha löste die Bro sche vom Kleide und reichte sie ihm zur näheren An sicht. „Sie ist ganz hübsch und auch teuer; ich habe sie mir aus Ostende mitgebracht." „Auch mir gefällt sie sehr, Martha. Selten habe ich so etwas Originelles gesehen. Wie fein ist das Köpfchen der Eidechse mit dem Krönchen ausgefiihrt," meinte Edith. „Ja, wenn du sie magst, behalte sie doch. Hier, nimm sie." „Martha, du scherzest!" „Nein, nein, im Ernst! Ich bin glücklich, wenn ich dir mal eine kleine Freude machen kann! So nimm doch!" „Ich danke dir, Martha, ich danke dir herzlich, aber die Brosche ist viel zu kostbar.für mich." . um aues tn ver Wen yane csouy vas Scymucr- f stück nicht nehmen können, als sie sah, daß Marthas s Großmut nur durch Lucians Gegenwart bedingt war. > O, sie kannte sie zu gut — nachher würde es der Ku- i sine doch nur leid sein! Und daß sie mit der Ablehnung recht getan, be- z wies ihr des Bruders fast unmerkliches Kopfnicken. „Wenn du verschmähst, was ich dir so gern geben Z wollte, Edith, kränkst du mich," sagte Martha mit sanf tem Vorwurf. Dann warf sie einen Blick nach der Uhr. „Was? Gleich elf Uhr? Um Gottes willen, da mutz ich aber eilen. Ich glaubte, Onkel noch begrü ben zu können, nun wird es mir aber 'doch zu spät; länger kann ich nicht mehr warten!" „Als ob du auch nur eine Sekunde daran gedacht hättest, unseren guten Vater zu erwarten!" Diese Worte hätte Edith ihr am liebsten ins Gesicht gesagt, wenn es angängig gewesen wäre! Martha stand auf. „Nein, nein, Tantchen, halte mich nicht länger; es ist schon unverantwortlich von mir, so lange geblieben zu sein. Und nun muß ich außerdem Thankmar noch bemühen, mich das Stück bis zur Straßenbahn zu ge leiten! Edith, du bist wohl so freundlich und holst mir meinen Mantel." Diese brachte ihr Mantel und Hut. Mit vieler Umständlichkeit setzte Martha den gro ßen Hut aus das kunstvoll frisierte Haar und ließ sich dann von Thankmar den kostbaren, seidengefütterten, Hellen Promenademantel umlegen. „Wann kommt ihr uns mal besuchen?'" fragte sie. „Laßt nur nicht zu lange auf euch warten! Wie wär's denn nächsten Dienstag? Paßt es euch da oder habt ihr da etwas vor?" „Das nicht, aber —" „Kein aber, Edith, sonst muß ich denken, du willst nicht! Ihr eßt gleich ein Butterbrot bei uns; Thank mar hat ja dann Ferien und kann am anderen Tage schön ausschlafen! Kommt nur," bat sie in dringlicher Weise. „Wir sind doch so lange nicht gemütlich zusam men gewesen!" Dann, wie einem plötzlichen Gedanken Ausdruck ge bend, fügte sie hinzu: „Wie wäre es, Herr Waldow, wenn Sie uns gleichfalls das Vergnügen machen würden?" Mit liebenswürdigem Lächeln sah sie ihn an. Edith war fast starr; das hatte sie doch nicht er wartet. Wie konnte Martha — Zögernd entgegnete Lucian, dem die Einladung sehr überraschend und unerwartet kam: „Mein gnädiges Fräulein, ich weiß die Ehre sehr wohl zu schätzen, doch wäre es nit aufdringlich, wenn iw —" (Fortsetzung folgt.)