Volltext Seite (XML)
K-rnsvrecher Wilsdruff N,. 6 Wochenblatt fük Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtliche» Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forftrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. «»k »r»«»»: Aritz», Asch»»», in WU«kr»fi. vermrtw-rtlicher Schristleiter: Her«««» Lässt,, für de« Inseratenteil: Aritz«» Zschunke, keitze i» Wtl«dr«G. Rr. 221 Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der deutsche Gesandte in Brüssel erklärte der belgischen Regierung, die Reichsbank sei bereit, die Schatzwechsel der deutschen Regierung sür Belgien zu unterzeichnen. Die belgische Negierung soll mit dieser Lösung der strittigen Frage einver' standen sein. * In Leipzig hielt der Staatsgerichtshof zum Schutz der Re- publik seine erste konstituierende Sitzung ab. * In Hamborn verhaftete die belgische Besatzungsbehörde den Kommandanten der deutschen Schutzpolizei und sieben an dere Beamte ohne stichhaltigen Grund. * Die Verlobung des früheren Kaisers Wilhelm II. mit der verwitweten Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath wird bestätigt. * Frankreich hat seine Truppen am Ostufer der Dardanellen zurückgezogen. In England erblickt man darin eine Partei- nähme für die Türken. * Kemal Pascha, der siegreiche Oberbefehlshaber der Angora armee, soll die Absicht haben, auf Konstantinopel zu mar- schieren. * Jugoslawien hat in Paris wissen lassen, daß die Belgrader Regierung nichts gegen eine Zuteilung Thraziens mit Ein- schlub Adrianovels an die Türken einzuwenden habe. Eine kurze Atempause. Berlin. In der Kabinettssitzung teilte Reichs bankpräsident Havenstein mit, daß die Neichsbank unter Berücksichtigung der Ergebnisse seiner Londo ner Reise bereit sei, die sechsmonatigen Schatzwechsel für Belgien zu unterzeichnen. Das Reichskabinett beschloß, der belgischen Regierung sofort Mitteilung zu machen. -Am 7. September hatte die Reparattonskommission die Kreditunfähigkeit Deutschlands nach innen und außen fest gestellt und damit zugegeben, daß die Zahlungsunfähigkeit nicht auf dem „bösen Willen* beruhe, mit dem PoincarS krebsen geht und Sanktionen rechtfertigen wollte. Die Reichsregierung als solche wurde aber trotzdem zur Zah lung aufgefordert. Es ist widersinnig und unlogisch, von einem Zahlungsunfähigen zu verlangen, sechsmonatliche Geldwechsel auszustellen. Immerhin war die Entschei dung der Reparationskommission eine Verlegenheitslösung. Sie war ein Mittelding zwischen kaufmännischen Er wägungen und der Tatsache, daß Frankreich politische Ziele einer kaufmännischen Regelung entgegenstellte. Die Ver schiebung der Lösung der Reparationsfrage vom politi schen Gebiet auf das kaufmännische, der Verhandlungen von Negierung zu Regierung auf Verhandlungen von Privatgruppe zu Privatgruppe, mußte in dem Augenblick deutlich werden, in dem die Regierung Wirth gezwungen wurde, zu den Forderungen der Reparationskommission Stellung zu nehmen. Sie beauftragte den Präsidenten der Reichsbank Havenstein in London Garantien von Privatinstituten sür die deutschen Schatzwechsel zu suchen. Die Bank von England hat sich bereiterllärt, die Schatzwechsel, die vom 15. Februar bis 15. Juni 1923 fällig sind, zu garantieren und die Reichsbank ist zur Unterschrift bereit. Die Bedingungen, die die Bank von England stellte, gehören zu den inneren Geschäftsangcle- genhetten der beiden Banken. Die Reichsregierung hat sich also damit nicht zu befassen. Jedenfalls ist die Aus lieferung der Golddepots der Neichsbank, die eine neue Markverschlechterung zur Folge gehabt hätte, vermie den worden. Die Reichsregierung selbst hat die Tat sache, daß die deutschen Schatzwechsel honoriert werden, der belgischen Regierung mitgeteilt. Es ist anzunehmen, daß Belgien mit dieser Lösung einverstanden ist. Der Konflikt über die Garantiefrage zwischen der deutschen und der belgischen Regierung ist damit wohl er loschen. Wir haben eine kurze Atempause, aber es muß sestgcstcllt werden, daß wir keine Erleichterungen er halten haben. Wenn nach 18 Monaten die Schatzwechsel des Reiches fällig werden, also im Februar 1924, wenn die Reichsbank dann die Wechsel einlöst, dann müssen wir erreicht haben, daß die gesamten Reparationsleistun gen auf ein Mindestmaß zurückgefchraubt wurden und daß das wirtschaftliche Leben Deutschlands nicht durch die Anmeldung und Eintreibungsverkuche von Gesamtforde- rungen abgedrosselt wird. Eine Stundung von Zahlun gen ist keine Ermäßigung, eine Atempause nur eine Galgenfrist, wenn nach deren Ende die alten Forderungen in ihrer grotesken Unvernunft wieder erscheinen und mit dem Büttel eingetrieben' werden sollen. Eine aktive deutsche Politik muß also zunächst wirtschaftspolitisch orientiert sein und versuchen, durch Verträge der privaten Gruppen statt der Drohnoten und entschuldigenden Ant worten der Regierungen das Reparations- und Zahlungs problem organisch nach den Forderungen und der Lei stungsfähigkeit der Gläubigergruppen und Ler deutschen Wirtschaft zu verbinden. Das heißt: Statt der Regierun gen und ihrer Forderungen werden die Geschädigten und die Lieferanten in freier Vereinbarung die Reparations fragen regeln, die mit den politischen Droh- und Abwehr mitteln der Negierungen selbst nicht gelöst werden konnten, trotz aller Versuche, die auf den Konferenzen unternommen wurden. Die Sachlieferungsverträge mit Frankreich und das Verhandlungsergebnis des Präsidenten der Reichsbank, also einer privaten Firma, haben den Auswea aus dem Donnerstag den 21. September 1922 81. Jahrgang Irrgarten der Ententepolitik gezeigt. Wird auf diesem Wege weitergeschritten, dann wird das ganze Reparations problem entpolitisiert. Im anderen Falle tritt die Kata strophe, vor der sich auch die Entente fürchtet, mit ver stärkter Gewalt ein. * Einverständnis Belgiens. Wie aus Brüssel halbamtlich gemeldet wird, hat der deutsche Geschäftsträger Landsberg dem Minister des Aus wärtigen Jaspar mitgeteilt, daß die Reichsbank nunmehr bereit sei, die Sechsmonatswechsel im Gesamtbetrag von 270 Millionen Mark, fällig vom 15. Februar bis 15. Juni 1923 unter Verzicht auf die zunächst verlangten Verlängerungen auf 12 und 18 Monate zu unterzeichnen. Unter diesen Um ständen faßt die belgische Regierung eine gütliche Lösung der strittigen Frage ins Ange auf den Grundlagen, die die belgischen Delegierten in Berlin aufgestellt hatten. Reue deutsch-französische Abkommen. Verträge zwischen Industries ruppen. Berlin, 19. September. Wie die Korrespondenz „Radio" wissen will, sind neue sehr wichtige Abkommcü zwischen deutschen Jndustrie- gruppen und französischen Jndustriegruppen zum Wieder aufbau der zerstörten Gebiete abgeschlossen worden. Diese Abkommen betreffen einerseits die Gruppe Sichel-Mainz und die französische Wiederaufbau-Genossenschaft, anderer seits die Gruppe von Siemens-Halske in Berlin und Düssel dorf und die französische Gruppe Brice, deren Präsident gleichzeitig der Vorsitzende der französischen Deputats kammer für Eisen ist. Oer Orienizwist. Gemäßigter Standpunkt Kemal Paschas. Der Oberkommandierende der türkischen Nationalisten von Angora soll auf die Vorstellungen Englands, Frank reichs und Italiens in versöhnlichem Tone geantwortet haben. Die Angora-Regierung sei bereit, im Sinne der an sie gerichteten Reklamationen die vorläufige Anwesenheit der Ententemächte dort anzuerkennen, wo sie sich seit drei Fahren festgesetzt haben; ebenso deren Anspruch, beim Ab schluß des Friedens mitzuwirken. Gegen Liese Punkte werde Kemal nichts unternehmen, und man brauche keine Besorgnis zu haben, daß er auf Gallipoli oder in Ostthra zien auf die Tschataldschalinie vormarschiere. Aber man soll ihn nicht daran hindern, diejenigen Stellungen zu be setzen, wo die Entente bisher nicht gewesen sei, sondern nur die griechische Armee. Denn das gegenteilige Vorgehen würde die Ententemächte auf die Seite des Feindes stellen, gegen den er vorläufig noch im Kampf stehe, da ein Waf fenstillstand nicht abgeschlossen sei. Rückzug der Franzosen. Der offenbare Widerspruch in Ler Stellung Frank reichs und Englands in der Orientfrage ist noch offensicht licher geworden durch eine Maßnahme der französischen Regierung, die in London geradezu als „Bombe aus Paris" bezeichnet wird. Nach Mitteilungen der Pariser Blätter hat der fran zösische Geschäftsträger in London bei seinem Besuch im Londoner Außenministerium erklärt, die französische Regie rung habe, um jede Konfliktsmöglichkeit zu beseitigen, die in Tschanak (aus der asiatischen Seite der Dardanellen) stehenden französischen Truppen auf das Nordufer zurück führen «issen. Einzelne Londoner Blätter erklären, daß kein Ereig nis von solchem Ernst seit Beendigung des Weltkrieges die europäische Politik gestört. Trotzdem fordern die Blätter Festhalten an der bisherigen englischen Politik, und die „Times" berichtet z. B. aus Konstantinopel, daß das Sussex-Regiment in Tschanak gelandet und sich mit starken Landungsabteilungen der Marine verschanzt habe. Wei tere englische Truppensendungen werden angekündigt. Wieder eine Konferenz. Großbritannien soll nach halbamtlichen Mitteilungen daraus bestehen, daß die Meerengen freigehalten werden. Es ist aber bereit, die Frage auf einer Konferenz aller interessierten Mächte behandeln zu lassen. Von einigen Seiten wird der Völkerbund als Vermittler in Vorschlag gebracht. Lord Curzon ist von London nach Paris abge reist, um mit den französischen Ministern zu verhandeln. Auch läßt die Londoner Regierung durch Reuter erklären, es sei keine Rede davon, daß sie einen neuen Krieg Hervor rufen wolle. Heftige Angriffe gegen Lloyd George. Die Isolierung Englands als Beschützer und Vertei diger der geschlagenen Griechen hat das Ansehen Lloyd Ge orges unzweifelhaft erschüttert. „Daily Mail" fordert die Einberufung des englischen Parlaments. Das Blatt fragt, wie die Regierung es wagen könne, England in einen neuen kostspieligen, verhängnisvollen Krieg zu verwickeln, ohne erst das Parlament zu befragen. Lloyd George spiele mit den patriotischen Regungen der Dominions, die von ihm zum Narren gehalten würden. Die Dominions ken nen Lloyd George nicht so gut, wie man ihn in England kenne. Lloyd George sehe feine Orientpolitik in Trüm mern. Er habe alle, einen nach hem anderen, verraten und Griechenland ruiniert. Zu einer Zeit, wo die Steuern Sandel und Industrie lahm legten, habe der Premier minister versucht, der Nation neue Lasten aufzubürden. Wie lange sei solche Mißregierung noch zu ertragen? — „New Statesman" schreibt, es fei bedauerlich, Laß sich England in den Händen eines Premierministers befinde, der so gut wie nichts vom Orient wisse, und eines Außenministers, der die Lage vollkommen kenne, aber nicht wisse, wie sie anzupacken sei. Die Politik der Regierung habe das bri tische Prestige und Len britischen Handel geschädigt. Weitere Einschränkung der Luruseinsuhr. Fünfzig Prozent Zollerhöhung. Dem Reichsmt ist der Entwurf einer Verordnung über Zollerhöhungen zugegangen, durch die eine weitere Ein schränkung der Einfuhr von entbehrlichen Luxuswaren her beigeführt werden soll. Für eine Reihe Warengattungen sollen die Zollsätze um 50 Prozent erhöht werden, so für wohlriechende Wasser, Puder, Schminken usw., Gespinstwaren aller Art, die ganz oder teilweise aus Seide sind, Fußbodenieppiche, dichte Ge webe für Möbel- und Zimmerausstattungen, Samt und Plüsch, sowie samt- und plüschartige Gewebe, Spitzen und Spitzenstoffe, undichtes Gewebe zu Vorhängen, Stickereien, Kleider, Putzwaren usw., die ganz oder teilweise aus Seide sind, Persickenmacherarbeiten usw., Schmuck, Federn, Fächer, Pelzwaren, Schläuche und Reifen aus Kautschuk, echte Perlen, Hohlglas gepreßt, geschliffen, bemalt usw., Gold waren, Silbergefpinst, Silberwaren. Es handelt sich durch gängig um Luxuswaren, deren Zollsätze schon im April verdoppelt worden sind. Dev Entwurf sieht eine noch malige Erhöhung um 50 Prozent der jetzigen Zollsätze vor. Zusammentritt des Staatsgerichtshofes. 8 Leipzig, 19. September. Im Reichsgericht trat heute morgen der Staatsgerichts hof zum Schutz der deutschen Republik zu einer konstitu ierenden Sitzung zusammen. Die ganze Sitzung dauerte nur zehn Minuten. Senatspräsident Hagens eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache, in der er sagte, er hoffe, daß die Arbeit Les Gerichtes dem deutschen Volke und Vaterlande zum Segen gereichen möge. — Die öffentliche Sitzung beschränkte sich darauf, die Vereidigung derjenigen Herren vorzu nehmen, die erschienen waren. Es sind das die Herren Fehrenbach, Dr. Reincke-Bloch, Professor van Calker, Hartmann, Jäckel und Aufhäuser. Die ersten drei Ge nannten werden nach der religiösen, die drei andern nach der weltlichen Formel vereidigt. Nach der öffentlichen fand eine nichtöffentliche Verhandlung statt, in der zunächst Lie Verwaltungsgeschäfte, d. h. die Festsetzung der demnächst abzuhaltenden Termine zur Beratung gelangen sollen. Das Arbeitsprogramm sür die Verhandlungen ist festge legt worden und wurde in der nichtöffentlichen Sitzung den Mitgliedern zur Beschlußfassung vorgelegt. Wie mitgeteilt worden ist, soll der erste Termin am 23. September stattfinden, und zwar gegen die am Nathenau-Mord beteiligten Personen. Belgischer Übergriff im Rheinland. Hamborn, 19. September. Wieder ist ein Zwischenfall durch die belgischen Be satzungstruppen entstanden. Hier wurden der Komman dant der deutschen Schutzpolizei sowie drei höhere und acht untere Beamte ohne Angabe von Gründen von der belgischen Besatzungsbehörde verhaftet. Es wird vermutet, daß die Verhaftung mit der noch ungeklärten Tötung des belgischen Oberleutnants Graff in Zusammenhang ge- bracht wird. Graff wurde von unbekannten Tätern vor einiger ^Zeit erschossen. Die Einsprüche der zuständigen deutschen Behörden bei dem kommandierenden General des Brückenkopfes Duisburg sind bisher ohne Erfolg ge blieben. Der Kommandant will selbst nicht wissen, zu welchem Zweck die Verhaftung angeordnet ist. Sozialdemokratischer Parteitag. Augsburg, 19. September. Im Laufe der gestrigen Verhandlung wurde im wesent lichen über Agitation, Organisation und Kasse ge sprochen, und es wurde mitgeteilt, daß in diesem Jahre zum erstenmal ein Rückgang der Gesamtzahl der Mit glieder festgcstellt werden müsse: die Gesamtpartei zählt gegenwärtig 1174 105 Mitglieder, was gegenüber dem Vorjahr einen Verlust von rund 47 OVO Mitgliedern bedeutet. Ein Redner meinte, daß die allgemeine Anteilnahme der Massen und der Vertrauensleute zurückgegangen sei. Sollmann-Köln machte längere Ausführungen über die Alkoholfrage und verbreitete sich dann über die Wuckerkraae. indem er erklärte, dak der Wucher ück nur