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werden. Lie britischen Truppen sollen Konstantinopel ver lassen, wenn die Feindseligkeiten beginnen. Angesichts dieser Lage erklären die englischen Blätter, daß die Frage: „Krieg oderFrieden" aufdesMessers Schneide stehe und daß die englische Aufforderung an Kemal Pascha zur Räumung der neutralen Zone tatsäch. lich auf ein Ultimatum hinauslaufe. Die Negierung von Australien hat den Engländern ebenso wie im Weltkriege abermals ihre Hilfe zugesaht, während die Russen den Türken alle Unterstützung leisten wollen. Die Regierung von Jugoslawien dagegen erklärt von vornherein ihren Willen, wenn irgend möglich, neutral zu bleiben. Weiblicher Nachwuchs der Landwirtschaft DreijährigeAusbildung. Die Zentrale der Deutschen Landfrauen beriet im Landwirtschaftsministerium über das landwirtschaftliche Lehrlingswesen sür Frauen. Nach den gemachten Aus führungen denkt man an folgende Gestaltung der Be strebungen. In drei Lehrjahren wird der Lehrling im Kochen, Backen, Wäschebehandlung, Geflügelzucht und einem Wahlfach ausgebildet; während dieser Zeit wird ein Taschengeld gewährt; neben der praktischen Lehre in der Lehrwirtschaft soll der Besuch einer ländlichen Fort bildungsschule und, wo diese noch nicht vorhanden, ein zu schaffender Ersatz obligatorisch sein. Eine Gehilsenprüfung schließt die Ausbildung ab. Die Hilfe für Oberschlefien. Unterstützung durch den Groß Han de l. Der Zentralverband des deutschen Großhandels faßte in Breslau eine Entschließung, worin die im gesamtwirt schaftlichen und vaterländischen Interesse liegende Grün dung des oberschlesischen Hilfsbundes begrüßt und an alle Einzelmitglieder und Verbände die Bitte gerichtet wird, dem Hilfsbunde als Mitglieder unter Bewilligung großer Jahresbeiträge beizutreten, sowie darüber hinaus durch Gewährung namhafter einmaliger Spenden die Grün dung eines deutschen Fonds für Oberschlefien sicherzustellen. Richtlinien für das Ernteopfer. Das Ernteopfer für Oberschlesien besteht in Spenden von Kartoffeln oder Geld. Geldbeträge sind abzu führen an das Konto „Oberschlesischer Hilfsbund E. V." bei allen V-Banken und deren Filialen, sowie bei allen Kasten der Genossenschaften (Spar- und Darlehnskassen) oder an das Postscheckkonto Breslau Nr. 45 157. Die Ab lieferung von Kartoffeln an Stelle von Geld ist in folgender Weise geregelt: Die Landwirte, welche Kar toffeln spenden wollen, liefern diese gegen Quittung den Kartoffelauskäufern der Genossenschaften oder des or ganisierten Kartoffelhandels unentgeltlich ab. Diese ver kaufen diese erhaltenen Kartoffeln zum Marktpreise und führen den vollen Erlös ohne Abzug den obigen Konten Les Oberschlesischen Hilfsbundes zu. Um zu verhüten, daß Mißbräuche mit den Spenden der Landwirtschaft ge trieben werden, ist eine genaue Kontrolle eingerichtet. politische Rundschau. Deutsches Reich. Die deutschen Schatzwechsel diskontiert. Rach einer Brüsseler Meldung hat die belgische Negie rung auf die Diskontierung der sechsmonatigen deutschen Schatzwechsel bezüglichen Maßnahmen zu einem befrie digenden Abschluß geführt. Die am 15. August und 15. September fällig gewordenen 100 Millionen Gold man, die in zehn Wechsel eingeteilt sind, können an ver schiedenen englischen, amerikanischen und Schweizer Ban ken diskontiert werden. Max von Baden gegen Kaiser Wilhelm. Vor kurzem ist in einem großen Schweizer Blatt ein scharfer Vorstoß gegen das Memoirenwerk des früheren Kaisers erfolgt. Der Verfasser ist vermutlich der früher in Zürich ansässige Prinz Alexander zu Hohenlohe, der ein naher Verwandter und Intimer Freund des Prin zen Max von Baden ist. Die Kritik des Schweizer Blattes ist daher offenbar eine inoffizielle Abwehr von der Seite des in den Memoiren angegriffenen früheren Reichskanzlers selbst. Prinz Max hat offenbar davon Kenntnis, daß er in dem noch nicht veröffentlichten Teil der Erinnerungen vom Kaiser beschuldigt wird, er habe am 9. November entgegen dem Protest des Monarchen eine gefälschte Abdankungsmeldung in die Öffentlichkeit gesetzt. Erhöhte Zuckerverteilung^ Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Reichswirt- schaftsrats hat das Gutachten des Unterausschusses für Landwirtschaft und Ernährung über den Entwurf einer Verordnung über den Verkehr mit Zucker im Betricbsjahr 1922/23 mit der Änderung bestätigt, daß die Kopfquote von einem Kilo Verbranchszucker für den Monat zunächst auf 1^» Kilogramm erhöht werden soll. Brotkarien nur für Minderbemittelte. Vom 16. Oktober ab. Nach der Verordnung des Reichsernährungsministers haben vom 16. Oktober ab die Bemittelten keinen Anspruch auf Brotkarten. Als Bemittelte gelten alle diejenigen Per sonen, deren steuerpflichtiges Einkommen im Kalender jahre 1921 30 000 Mark überstiegen hat. Bei Per sonen, die in einem gemeinsamen Haushalt, das heißt in Wohnuugs- und Verpflcgungsgemeinschaft leben, werden der Einkommensgrenze des Haushaltungsvorstandes — also den 30 000 Mark — für jede Person, der im Haushalt Unterkunft gewährt wird (auch Dienstboten usw.), noch 15 000 Mark hinzugerechnet. Besteht also ein Haushalt aus dem Haushaltungsvorstand und drei Personen, so hätte dieser Haushalt Anspruch auf Brotkarten, wenn das gemeinsame steuerpflichtige Einkommen im Kalender jahr 1921 nicht mehr als 75 000 Mark betragen hätte; überstieg das Einkommen der vier Personen diesen Betrag, so ist der Haushalt nicht kartenberechtigt; er bleibt es je doch ausnahmsweise, wenn das Gesamteinkommen der viep Personen im Wirtschaftsjahr 1922/23 (16. August 1922 bis 15. August 1923) das Vierfache der erwähnten Sätze, also 300 000 Mark nicht über steigt. Alle Personen, die hiernach als bemittelt anzu sehen sind, müssen unaufgefordert die Annahme der Brot karten verweigern oder die Karten unverzüglich zurück geben, wenn sie sie fälschlich erhalten haben; andernfalls setzen sie sich der im Gesetz vorgesehenen Bestrafung aus. Hilfe gegen die Texiilnoi. Rcichszentrale für Seidenkaninwirtschaft. Unter den Sorgen, die uns die leidige Kriegszeit auf gezwungen hat, folgt auf die Lebensmittelknappheit gleich Lie Not um die K le i d u n g s st o f f e. Man ist damals mit vollen Segeln ans Werk gegangen und hat die Nessel faser auf den Schild erhoben als billigen Ersatz für Baum wolle und Leinwand. Aber nach anfänglichen Erfolgen ist es davon wieder still geworden. Die Sache hatte offen bar einen Haken, und wahrscheinlich hat sich das Sammeln der wilden Brennesseln auf die Dauer doch als zu teuer heransgestellt. Es war auch verfehlt, in kurzer Zeit große Fortschritte oder gar die Beseitigung aller Not zu er warten, denn alles braucht seine Zeit, um sich zu ent wickeln. Dagegen hat in aller Stille eine andere Bewegung um sich gegriffen, die, nach dem Bisherigen zu urteilen, in einiger Zeit Fortschritte verspricht, wenn man von über triebenen Hoffnungen absieht. Das ist die Zucht des Seiden- oder Angorakaninchens. Das Kanin chen ist schon während der Kriegszeit als Fleischlieferant des armen Mannes (und arm sind wir jetzt alle!) sehr in Aufnahme gekommen; freilich ist auch wieder eine Ab nahme zu verzeichnen bei denen, die sich der Pflege des Stallhasen nicht genügend widmen konnten. Neben der Fleischversorgung ist auch stets auf die Fellverwertung hingewiesen worden, das Kaninchenfell hat an Bedeutung von dem Pelzwerk eine jetzt gut bezahlte Nebeneinnahms chen züchtet, um sich mit billigem Fleisch zu versorgen und von dem Pelzwerk eine jetzt gut zahlende Nebeneinnahme zu haben, warum nicht auch die Haarverwertung ins Auge fassen? Das Angorakaninchen liefert Fleisch wie jedes andere, daneben ein prächtiges Pelzwerk, und für Spin nereizwecke wird nur das ausgekämmte Haar beansprucht, das noch nebenbei ab fällt. Das Angorakaninchen wird alle Woche einmal durchgekämmt und das Haar gesammelt, das Fell leidet dadurch gar nicht. Das Seidenkaninchen war schon jahrhundertelang in Deutschland und Frankreich bekannt, und vor dem Kriege hatten wir verschiedene Vereine, die diese Rasse pflegten. Als aber nach dem Kriege in Leipzig die Reichszentrale für Seidenkaninwirtschaft ins Leben trat, zeigte sich, daß diese Zucht gänzlich ausgestorben war! Nirgends waren Zuchttiere aufzutreiben. Endlich erfuhr man, daß die Dienstmädchen in der Pfalz sich noch mit Angorakaninchen befaßten. Sie fütterten die Tiere mit den Küchenabfällen und benutzten das Haar, um sich Strümpfe daraus herzu stellen. Von dort gelang es, fünfhundert Tiere zu erlan gen, die sich nun schon auf hunderttausend vermehrt haben. Die Reichszentrale in Leipzig, die mit Unterstützung der Reichsbehörden ins Leben trat, verfährt dabei ungemein praktisch. Sie gibt die Zuchttiere umsonst ab, und die Züchter haben sich nur zu verpflichten, von der Nachzucht wieder je einen Bock und eine Häsin zur Verfügung zu stellen. Sie übernimmt ferner die ausgelämmten Haare gegen Bezahlung. Im vorigen Jahre wurde für ein Kilo der Preis von 260 Mark gezahlt, und Züchter, die viel lieferten, erhielten noch eine Prämie. An der Spitze stand diesmal ein Züchter, der acht Kilo eingesandt hatte. Der Züchter und Haarlieferant kann aber statt der Be zahlung auch Strumpfwolle oder Kleiderstoffe bekommen. Das Verspinnen auf Spinnmaschinen hatte erst Schwierigkeiten, die man aber dadurch überwunden bat, daß die Kaninwolle mit Schafwolle gemischt wird. Auch das Färben mußte erst ausprobiert werden. Die Schwierigkeiten sind jetzt überwunden, und die in öffent lichen Vorträgen gezeigten Proben von Unterwäsche, von Damenkleiderstoffen, von Pelzwerk geben einen Beweis davon, Laß ganz Vorzügliches geleistet wird. Die Seiden kaninzucht hat sich in den wenigen Jahren, die seit dem Ende des Krieges verflossen sind, über ganz Nord- und Süddeutschland verbreitet. Sie findet immer mehr An hänger, da das Seidenkaninchen an Futter und Pflege keine höheren Ansprüche stellt als jede andere Rasse. Natür lich gehört etwas Liebe zur Sache dazu; wer die nicht hat und nicht in der Lage ist, etwas von seiner freien Zeit für seine Tiere zu opfern, der läßt besser die Hände davon. E. M-ul Medschid, der kommende Sultan. Musiker, Maler und — Journalist. Es mehren sich die Stimmen, die von der bevorstehen den Abdankung des türkischen Sultans Mohammed VI. — des „Großsultans", wie man ihn zum Unterschied von andern Sultanen nennt — und von seiner Ersetzung durch den Kronprinzen Abdul Medschid sprechen. In der Türkei ist die Thronfolge so geregelt, daß der Thron auf das älteste-Mitglied des Hauses Osman übergeht; es brauckt also durchaus nickt immer der Sobn aus den Vater Edith Bürkners Liebe. 14) Roman von Fr. Lehne. Lyammar ärgerte sich innerlich darüber; er hielt immer sehr auf „Rückgrat" und ließ sich auch in der Schule nicht unterkriegen. Mochte sein Nachbar auch der Sohn eines sehr hochstehenden und schwer reichen Mannes sein, der sogar einen Onkel im Ministerium hatte und um den so manche in der Klasse herumschar- wenzelten — ihm war das gleich! Nach Tische sprach man der wirklich guten Pfirsich, bowle zu, und die Stimmung wurde sehr lebhast. Herr Hildebrandt reichte seinem Neffen die gefüllte Zigarrenkiste. „Willste nich auch mal eine versuchen? Die Sorte haste noch nich gekriegt, solche mit Leibbinden hier — nimm nur, ich gebe sie dir gern," nötigte er. In bescheidener, aber fester Weise lehnte Thank- mar ab. „Ich rauche überhaupt nicht und will mich gar nicht erst an den Genuß gewöhnen, dann merkt man die Entbehrung gar nicht," meinte er. „Hab'n recht, junger Herr, hab'n recht, der reine Philosoph," lachte Herr Arburg in seiner lauten, lär menden Weise. „Sie sind ja der — na, wie hieß doch der Kerl in seiner Tonne? — na, 's is schließlich ganz schnuppe — sagen Sie mal, was wollen Sie eigent lich werden? Sie machen doch wohl Ostern Ihr Exa men?" Herr Hildebrandt horchte bei dieser Frage auf, u. lauernd funkelten seine Augen hinter den Brillenglä- fern. Was der Neffe wohl antworten würde? Dieser zögerte gar nicht mit der Antwort. „Ich möchte etwas recht Schönes werden — Arzt.' „Ei, ei, junger Freund, so kühn? Das kostet doch 'ne ganze Stange Gold?" „Das weiß ich, und trotzdem hoffe ich es zu er möglichen." „Und wie das, mein lieber Thankmar?" fragte der Onkel sanft. Kurz sagte der Jüngling nun dasselbe, was er bereits zu Martha gesagt. Er hatte keine Veranlassung, mit seinem Vorsatz hinter dem Berge zu halten, trotz dem seine Mütter ihn zu Hause gebeten, lieber zu schweigen, damit „der Onkel nicht zanke." Kopfschüttelnd hörte ihm Herr Hildebrandt zu. „Da sieht man den jugendlichen Unverstand und Leichtsinn, der nicht rechnet, außer mit seinen soge nannten Idealen," sagte er. Und sich dann an Herrn Bürkner wendend, fragte er: „Und wie stellst du dich zu der Sache, Schwager? Du hast doch da auch ein Wöricken mitzureden!" „Ich habe meinem Sohn gesagt, daß meine Mit tel ihm ein Studium, welches es auch sei, nimmermehr ermöglichen können. Er weiß also, daß er von mir auf nichts zu rechnen hat," erwiderte Herr Bürkner ru hig. „Ich habe Thankmar alles vorgestellt, will ihn aber zu keinem Berufe zwingen, für den er nicht Nei gung verspürt. Kann er in dem, was er sich vorge- nommen hat, nicht durchkommen, so sind seine Kennt nisse doch nicht verloren, und ermöglichen ihm jeden anderen Beruf." „Du machst es dir sehr bequem, Schwager, das muß ich sagen," bemerkte da Herr Hildebrandt, und sein Ton war förmlich getränkt von Hohn. „Doch du r mußt es ja wissen! Meiner Ansicht nach wäre es aber 8 das richtigste, dein Herr Sohn lernte irgend 'was Prak- k tisches, wo er auch schnell was verdient! Das ist vcr- nünftiger, als sich auf solche unsicheren Experimente ein zulassen, wie ihr sie vorhabt.' Geld zu verdienen, so wie verstehen, es zusan«nenzuhalten und zu vermehren, das ist die Hauptsache. Was nützt einem alle Gelehr samkeit, wenn man nischt zu beißen hat? Nich die Bohne nützt einem das! Gar nischt ist der Krempel wert, wenn's hier fehlt —" Dabei machte er die Gebärde des Geldzählens, u. i zustimmend nickte ihm Freund Arburg zu, der äugen- i scheinlich dieselbe Meinung hatte. Thankmar sah, wie weh seinem Vater die rohen Worte taten, noch dazu in Gegenwart der Fremden gesprochen, und ehe dieser Zeit sand, etwas zu erwi dern, brachte er das Gespräch auf ein anderes Thema. Was sollte er sich hier ereisern und sagen, daß es noch höhere Ideale im menschlichen Leben gibt, als Geldverdienen! Am liebsten hätte er ja geantwortet und ihnen seine Verachtung geäußert — aber Klugheit hieß ihn hier um der Eltern willen schweigen. Durch eine geschickte Wendung zog er Lucian ins Gespräch, der sich bis dahin ausschließlich den Damen gewidmet hatte. Der junge Künstler war sehr vergnügt und brachte mit seinen drolligen Einfällen alles zum Lachen; er war ganz in seinem Element, und die reichlich genossene Pfirsichbowle tat ein übriges. „Ich bin heut so srohgelaunt," rief er aus, „daß ich die ganze Welt umarmen könnte!" „Na, dann machen Sie doch bei mir den Anfang, Herr Kapellmeister," lachte Arburg mit seinem breiten, dröhnenden Lachen. „Nich? Oder vielleicht bei meiner Alten? Das wollen Sie ooch nich? Die jungen Mä dels wären Ihnen wohl lieber? Verdenken kann ich es Ihnen nich — ich machte es ebenso! Na, Prost, Herr Kapellmeister, wollen uns wieder vertragen!" Und er hielt Waldow das gesüllie Glas entgegen. „Hat denn Ihre gute Laune einen besonderen Grund?" sragte Martha, mit kokettem Läckeln zu Wal dow emporschauend. „Hat sie — jawohl!" „Nun — und?" „Ich hab' halt so fleißig an meinem Schauspiel gearbeitet, daß ich beinahe mit dem zweiten Akt zu Ende bin!" „Ein Schauspiel, Herr Waldow? Sie dichten auch noch? O, das ist ja surchtbar.interessant!"' Wie ein Kind klatschte Martha in die Hände. Sie setzte sich ganz nahe zu ihm, sah ihn bittend an und sagte: „Erzählen, erzählen! O, wie bin ich gespannt! Sie sind wirklich zu bewundern! Wovon hasidelt denn Ihr Schauspiel?" Er mußte nun berichten, und ihm schmeichelte das Interesse, das Martha ihm so augenfällig entgegen brachte; das war doch etwas anderes, als Ediths dumme, kleinliche Bedenken! Edith Bürkner tat das Benehmen des geliebten Mannes Weh; sie kannte ihn kaum wieder. Hier sprach er so offen aus, wovon er ihr nur leise, geheimnis volle Andeutungen gemacht! Und Martha saß neben ihm und starrte ihn an, als wolle sie ihn mit den Augen verschlingen. Er sah auch bildhübsch aus — der Smoking stand seiner etwas behäbigen, stattlichen Figur sehr gut, u. das kleine, dunkle Schnurrbärtchen über dem hübschen Mund hatte er noch kecker als sonst ausgedreht, wäh rend die dunkelblauen, glänzenden Augen nur so von Lebenslust lachten und sprühten. Leise und unbemerkt stand Edith da auf und ging durch einige Räume, bis sie in das nur schwach er hellte Wohnzimmer der Frau Hildebrandt kam, das mit altväterlichem Hausrat angefüllt war. Sie mußte ein paar Minuten allein sein, um sich zu sammeln; sie war gar so traurig heute; es war ihr, als ob über die Sonne ihres Lebens ein dichter Schleier gezogen sei, der all ihr strahlend Glück ver dunkelte. In trübes Sinnen verloren, stand sie am Fenster und blickte in den Hosraum hinab. Plötzlich fühlte sie sich umfaßt/ Erschreckt wandte sie sich um und sah in Lucians lächelndes Gesicht. „Hier steckst du, mein goldenes Herze? Hier muß ich dich finden, so allein und verlassen? Recht so, da kann ich mir die Küsse holen, die du mir schuldest!" „Aber Lucian!" wehrte sie erschrocken. Er achtete jedoch nicht darauf, sondern küßte sie stürmisch auf den Mund. „Mein süßestes Lieb — mein Ditele —" flüsterte er dazwischen. Sie bekam Angst und entwand sich seinen Armen. „Wie unvorsichtig, Lucian, wenn jemand käme! Was würde man da von mir denken, da ich noch nicht deine Braut bin—"