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Höhere Bezüge für Beamis. Zustimmung der Reichsregierung. Freitag fand in der Reichskanzlei unter dem Vorsitz des Vizekanzlers Bauer in Anwesenheit von Vertretern der preußischen Staatsregierung eine Besprechung mit den Führern der Parteien des Reichstages und des Preußischen Landtages über die Besoldungserhöhung der Beamten, Aw gestellten und Arbeiter statt. Vorn Rekchsfinanzminifterium wurde mitgrteilt, daß in letzter Rächt nach schwierigen Verhandlungen mit den Spitzenorgamsationen eine Einigung erzielt worden sei. Es sei in Aussicht genommen, den allgemeinen Teucrungs- zuschlag von 437 Prozent auf 677 Prozent, und den Kops- zuschlag, d. h. den erhöhten Teuerungszuschlag auf die ersten 10 600 Mark, von 492 auf 777 Prozent Zu erhöhen. Die Ardeiterlöhne sollten entsprechend festgesetzt werden. Die Reichsregierung habe zugesagt, daß schon am nächsten Donnerstag in eine Beratung über die grundsätz liche Neuregelung der Gehälter, insbesondere des Grund gehalts und des Ortszuschlags, eingetreten werde. Vize kanzler Bauer erklärte, daß sofort der Ausschuß des Reichs rates und der ständige Ausschuß des Reichstages um ihre Zustimmung zu den geplanten Erhöhungen ersucht werden würden, und daß die Auszahlung der Bezüge mit größt möglicher Beschleunigung vor sich gehen würde. Das Reichsministerium hat bereits der Neufestsetzung der Teuerungszuschläge zugestimmt. MrderaMMgruppe Sayern G.m.d.H. Sach lei st ungen an Frankreich und Belgien. Eine Gruppe von Interessenten gründete für Sach leistungen aus dem gesamten Gebiete des Wiederaufbaues im Sinne Bemelmans, Gillets und des Wiesbadener Ab kommens zwecks freien Zusammenschlusses die Wiederauf baugruppe Bayern G. m. L. H. mit dem Sitze in München und einem vorläufigen Kapital von 300 000 Mark. Wie mitgeteils wird, gehören der Gruppe eine größere Anzahl bedeutender süddeutscher Werke, darunter auch die Daimler Motoren-Gesellschaft in Stuttgart an. Für diese bayeri schen Sachlieferungen komme nach Zusage des französischen Wiederaufbauministeriums der französische Minimalzoll zur Anwendung. Mit Stinues habe dis Gruppe ebenfalls Fühlung genommen und bereits ein Übereinkommen dahin erzielt, daß auch die bayerischen Lieferanten durch die Aktiengesellschaft für Hoch- und Tiefbau Reparationskohle erhalten. Eisenbahner gegen öis preffensi. Regierung s maß nahmen verlangt. Der Verbandstag der Gewerkschaft Deutscher Eisen bahner hat eine Entschließung gefaßt, in der es heißt: Der Verbandstag des Stammverbandes der Gewerkschaft Deut scher Eisenbahner steht mit großer Besorgnis dem lang samen Hungertods der Presse gegenüber, hervorgerufeu durch die unheimliche, fast unglaubliche und vor allem nicht gerechtfertigte Preisbildung der Pa pierindustrie. Diesem Verhängnis ist nicht nur die Tagespresse, sondern auch die Arbeiter- und Gewerkschafts- Presse ausgeliefert. Die Regierung wird sich nicht ver schließen können, daß diese Entwicklung katastrophal wirken muß. Dem Verbandstag ist es unverständlich, daß die Reichsregierung immer noch eine Papierausfuhr zuläßt. Der Verbandstag erwartet von der Negierung, daß sie recht bald durchgreifende Maßnahmen erläßt, um dem Wucher durch die privaten und staatlichen Waldbesitzer, Holzhänd ler und Papierfabrikanten zu steuern und der Not der Presse abzuhelfen. Die im 160. Jahrgang erscheinende „Zweibrücker Zeitung", die älteste Zeitung der Pfalz und eine der ältesten Deutschlands, hat ihrem gesamten Personal zum 1. Oktober gekündigt, da sie von diesem Tage an nicht mehr erscheinen werde. Zur Verlobung Wilhelms II. Die Verlobung des früheren Kaisers mit der Prinzessin Hermine v. Schoenaickr-Carolath hat in monarchistischen kreisen vielfach Verwun derung erregt, da mau dort überzeugt war, daß Wilhelm II. nach dem Tode seiner Gattin, dis ihm eine so treue Lebens gefährtin war, seinen Lebensweg einsam zu Ende gehen werde. Ein rheinisches Blatt knüpfte an die Anzeige der Ver lobung die Bemerkung, Laß der ehemalige Kaiser dadurch zu erkennen gebe, daß er sich mit der derzei tigen Lage für immer ab- eefunden und jeden Ge danken an eins Rückkehr auf den Thron ausgegeben habe. — Wie aus der Um gebung der Prinzessin von Schoenaich-Carolath mit- gcteilt wird, hat Wilhelm U. mit feiner künftigen Fran vereinbart, daß sie die drei jüngsten Kinder aus ihrer ersten Ehe nach Schloß Doorn mit bringt. Die beiden ältesten Söhne, die 15 und 13 Jahre alt sind, werden in Greiz das Gymnasium besuchen. Der einzige Bruder der Braut, Heinrich XXIV. Reuß ä. L., ist schon feit vielen Jahren geisteskrank. Für ihn hatte, da er „dauernd an der Aus übung der Regierung behin dert war", seinerzeit ein Fürst Reuß j. L. die Regent schaft übernommen. Von den vier Schwestern der Prin zessin Hermine war eine die Gattin des früheren Groß- Herzogs von Sachsen-Wei- mar-Eisenach; sie starb schon nach zweijähriger Ehe. Der Vater der Prinzessin, Heinrich XXII., trug seine Abneigung gegen Preußen und das Reich bis zu seinem 1S02 erfolgten Tode okien »nr Sckau. Wiche m !ll Pr nze si» Hermine von Schoeneich-Caroleth. DctrWnU siir de» 15. Coming M Digitalis. Von Pfarrer Wolke, Wilsdruff. Röm. 2,6: Gott wird geben einem jeglichen nach seinen Werken. Da sehen, wir manchen den Kopf dazu schütteln, sie sagen: nichts wahrgenommen. Welche Ungleichheit auf Erden! Dem einen geht es gut, dem andern schlecht, die einen sind reich, die anderen arm: die einen plagen sich, die anderen freuen sich ost auf die bequemste Art ihres Lebens. Wie viele sind das nicht, was sie heißen, und wie viele heißen nicht so, wie sie sind. Wie viel Treue bleibt unbclohnt, wieviel Schlechtigkeit bleibt unbe straft. Wo bleibt da Gottes Gerechtigkeit? — Daß dieses Urteil nur nicht einseitig ist! Schon auf Erden gleicht Gott der Herr so manches aus und greif! in die Geschichtsverhältnisse der Völker oder in die Geschicke des Einzelnen mit starker Hand ein. Denke man nur an das Volk der Juden, man denke auch daran, wie mancher einst eine bedeutsame Rolle spielte: wo ist er heute? Man gehe einmal in die Gefängnisse und forsche nach der Ver gangenheit dieser Leute. Auf welch glänzende Namen und vor mals beneidenswerte Lebensiose wird man da oft stoßen. Sie spielten einst im Lebeck eine bedeutsame Rolle und heute! Aber das ist wahr, alles gleicht sich auf Erden nicht aus. Drüben in der jenseitigen Welt erfolgt die letzte Entscheidung, die endgiltige Ausgleichung. Wir wissen, welches Verfahren dort eingeschlagen wird. Der Gottessohn teilt es uns im Vertrauen einmal mit, er sagt: „Eben mit dem Maß, da ihr mit messet, wird man euch wieder messen." Das heißt, wie ihr euch stellt zu Gott und euern Mitmenschen, wird der Herr sich stellen zu euch. Ja: . Er kommt zum Weltgerichte, zum Fluch dem, der ihm flucht, mit Gnad' und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol' uns allzumal zum ew'gen Licht und Wonne in deinen Freudensaal. Edith Bürkners Liebe. 7) Roman von Fr. Lehne. „Eßt nur lieber," mahnte Thankmar. „Eßt und laßt die Linsen nicht kalt werden. Den Kram könnt ihr nachher noch genügend betrachten." Nach dem Essen probierte Edith die Jacke an, die ihr ein wenig weit war, im übrigen aber gut paßte. „Nun, wie gefalle ich dir, Thankmar?" Prüfend sah der Angercdcte die Schwester an, ehe er sagte: „Du gefällst mir in einem Jackett, das vielleicht den zehnten Teil kostet, besser, als in dem Ding da, das eine andere abgelegt hat — und wenn es zehnmal mit reiner Seide gefüttert ist! Passen denn überhaupt die Kleider, die du hast, dazu? Nein, dds Jeckett ist viel zu ausfallend für unsere Verhältnisse. Ich weiß nicht, Dita, kannst du dich darüber sreuen?" „Nein, Thankmar, nein! Es drückt, es beschämt Mich! Aber ablshnen kann ich es auch nicht, -da? würde nur böses Blut machen. Eine Erleichterung ist es mir ja, da ich notwendig ein Jackett haben mutzte!" „Ich möchte ebenso wie Thankmar wissen, was Martha zu dieser plötzlichen Liebenswürdigkeit veran laßt hat," bemerkte Herr Bürkner, ein sehr sympathisch, aber etwas leidend aussehcnder Mann von hoher, ein wenig nach vorn geneigter Gestalt, der mit seinem glattrasierten Gesicht, das einen gütigen, etwas in sich gekehrten Ausdruck hatte, fast den Eindruck eines Geist lichen machte. Mit einem Male durchfuhr es Edith wie ein plötzlicher Stich: Lucian! Das war's — natürlich — daher auch die Liebenswürdigkeit gestern nachmittag! Martha hatte Interesse für d:n jungen Künstler Hatte er ihr — Edith — nicht den Brief gezeigt, den ihm die Kusine geschrieben? Nun wollte diese durch die Verwandten nur Gelegenheit haben, ihn zu sehen, zu sprechen! — nichts weiter als das war cs — o — nun wurde ihr alles klar! Martha sollte es aber nur wagen, ihr Lucian nehmen zu wollen' ZuMrau.r war es ihr scholl. W-^s ihr gefiel, mußte sie haben — koste cs, was es wolle — so war es schon von jeher gewesen; und wenn sie des begehrten Gegenstandes überdrüssig war, warf sie ibn achtlos beiseite. Hier jedoch sollte ihre Absicht ihr nicht gelingen. Edith wollte schon acht geben — und Lucian war sie ja so sicher; wie oft hatte er ihr von seiner Liebe ge> sprochen! Trotzdem war das jungeMädchen in den Stunden, die es am Nachmittag zu geben hatte, auffallend zer streut. Edith mußte ihre Gedanken sehr zusammennehmen, damit sie nicht etwas ganz anderes sagte, als nötig war. P Sie sehnte den Abend herbei, um Martha zu prü fen, ihr ins Augen zu sehen, und darin zu lesen, was sie beabsichtigte. * * * Frau Lina Bürkner war eine geborene Hilde- vrandt. Ihr Vater war ein wohlhabender Bäckermei ster gewesen, nach dessen Tode sie Karl Bürkner, einen Buchhändler, geheiratet hatte, der ein stiller, in sich gekehrter Träumer war, vom praktischen Leben aber wenig verstand. Trotz aller Anstrengungen und alles ehrlichen Wol lens kam er nicht vorwärts. Er hatte im Geschäft kein Glück, schließlich mutzte der Konkurs erklärt werden. Die Gläubiger wurden jedoch alle zusriedengestellt, aber von Frau Bürkners Mitgift war dann nichts mehr da. mehr da. Das war nun Bürkners geringster Kummer; denn so konnten sie noch jedem frei ins Auge sehen, sie hat ten nicht das für rechtlich denkende Menschen so be drückende Gefühl, jemanden geschädigt zu haben. Ein Geschäft fing Karl Bürkner nicht wieder an. Er wurde Kontorist in einem Engrosgeschäft und schlug sich schlecht und recht durch. Seine Kinder machten ihm nur Freude; sie waren sehr begabt und besuchten höhere Schulen. Thankmar hatte eine Freistelle auf dem Gymnasium und war stets der Erste in seiner Klasse. Nachdem Edith die Schule verlassen hatte, wollte sie in Stellung gehen; aber ein beginnendes Herz leiden bei der Mutter lietz es ratsam erscheinen, daß sie zu Hause blieb. Sie unterstützte die Mutter, da der Arzt dieser jede größere Anstrengung untersagt hatte. Durch Anfertigung von feinen Handarbeiten sowie durch Klavier- und Nachhilfestunden verdiente sich Edith ein hübsches Taschengeld. An zwei Abenden in der Woche besuchte sie außerdem einen Kursus für Buchführung und Stenographie. Thankmars sehnlichster Wunsch war. Medizin zu Ans Stadt und Land. W i l s d r u f f, am 23. September. Erntefest! Das ist ein traulicher, freundlicher Klang, und er mag einem in diesen rauhen, schweren Zeiten besonders wohltuend und willkommen sein: Erntefest! Unwillkürlich denkt man an ländliche Bodenständigkeit und Heimattreue, und man erinnert sich her altgewohnten Gemeinsamkeit bei Herrschaft und Gesinde, des gemeinschaftlichen wackeren Schaffens und Zugreifens in vollbesetzten Erntewochen und der nun auch gemeinschaftlichen Erntefreude, die im stattlichen Erntekranz eins ihrer schönsten und finnigsten Symbole hat. Freilich ist fo manches an volks tümlicher Erntepoesie längst dahingeschwunden. Unsere Zeit ist dem patriarchalischen Wesen recht abhold geworden und auch das Drum und Dran des Erntefestes wird jetzt vielfach nur fo tarifmäßig in Geld abgemacht. Aber immerhin, es gibt noch Gegenden, gerade auch bei uns in Sachsen, wo mit erfreulicher Beharrlichkeit'auf ein richtiges Erntefest gehalten wird, mit Umzug und Dorfmusikanten, voran die hübsch ausgeputzte Erntekrone, und dann gehts zum Ernteschmaus und Erntetanz, wobei man noch alte ländliche Volkstänze erleben kann. Vor allem aber wird auf dem Dorfe das kirchliche Erntedankfest hoch eingeschätzt. Kaum ein Sonntag im Jahr mit solch einer Menge Menschen im Gotteshaus! Und überall Kränze zum besonderen Schmucke, und auf dem Altäre grüßen forgsam ge bundene Garben neben malerisch gruppierten Broten und aus gesucht tadellosen Feld- und Obstsrüchten . . . Wenn eben heute auch in der Stadt die Erntefestglocken läuten, so ist das nichts Ueberflüssiges und kein unzeitgemäßes Beginnen. In der Stadt weiß man recht gut, wie viel vom Ausfall der Ernte allenthalben abhängt. Man weiß und erlebt das in unseren wirtschaftlich gespannten und schwierigen Tagen noch ganz anders als in traumhaft glücklichen Zeiten, wie uns jetzt die Jahre vor dem Kriege erscheinen. Und auch bei uns sind noch genug Menschen, die ihre Sorgengedanken von wegen des bißchen täglichen Brotes und alles dessen, was nun einmal damit zusammenhängt, gern mit christlichen Glaubensstimmen in einen tieferen Einklang bringen, die am Erntedankfest wieder den alten schlichten Trost empfinden, daß an Gottes Segen alles gelegen ist, und daß man niemals gleich ganz die Hoff nung aufgeben soll! Die fromme Weise der Väter, in den Erntegaben zugleich freundliche Gottesgabe zu schauen und da für herzlichen Dank zu sagen und zu singen, ist für tiefer ver anlagte Menschen nichts Veraltetes, sondern ein bleibender Höhenwert des inneren Lebens, der wieder insbesondere der deutschen Wesensart wohl ansteht! l-I Herbstanfang. Eigentlich haben wir in diesem Jahre nur recht wenig vom Sommer verspür,. Abgesehen von einzelnen recht kurzen Schönwetterperioden war die Som merzeit so unwirtlich, wie es nur selten vorkommt. Die Durchschnittstemperaturen blieben durchweg ganz erheblich unter den Normalwerten. Besonders in den letzten Tagen machte sich eine derartige Abkühlung geltend, daß man meinte, schon im tiefsten Herbst zu sein. In der Nacht vom 18. zum 19. September sank das Thermometer vielfach au? 3 bis 4 Grad. Im allgemeinen rechnet man mit einem derartigen Temperatursturz erst Ende des Monats. Offi ziell soll der Sommer am 23. d. Mts., abends 9 Uhr zu Ende gehen. Zu diesem Zeitpunkt erreicht nämlich die Sonne zum zweitenmal im Jahr den Äquator, wir haben wieder Tag- und Nachtgleiche: Herbstanfang. Wenn auch zunächst die allgemeinen Wetteraussichten nicht gerade be sonders rosig erscheinen, fo darf man doch vielleicht hoffen, daß uns wenigstens im Oktober noch einige fchöne Tage be- schieden sein werden. — Marktkvnzert Sonntag, 24. Sept., vorm. II—12 Uhr: I. Abschied der Gladiatoren, Marsch von Blankenburg, 2. Fest- ouverture von Wellmann, 3. „Was sich auf Erden treu geliebt", Lied für Tromba-Solo von Führmann, 4. Herbst-Einzug, Al bumblatt von Blondin, 5. Auf Flügeln der Liebe, Walzer von Kriebstein. — Blindenkonzcrt. Im Lindenschlößchen veranstaltet Mon tag abend 8 Uhr der erblindete Geigenvirtuos Probst aus Braunschweig in Verbindung mit der Konzertsängerin Charlotte Eberlein-Dresden ein Konzert, das besonderen Genuß verspricht. (Vgl. Ins.) studieren; er fühlte einen wirklichen Beruf zum Arzi in sich. Aber wie wäre das bei den beschränkten pekuniären Verhältnissen wohl zu ermöglichen gewesen? Seiner Mutter schwebte da immer der Gedanke an den Bruder vor, dem es eine Kleinigkeit sein würde, ihm über die Studienjahre hinwegzuhelfen; im stillen trug sie sich auch mit der Hoffnung, Otto Hildebrandt dazu bewegen zu können. Thankmar aber hegte begründete Zweifel; er kannte Onkel und Tante in ihrem „beschränkten Untertanen- verstande" besser! Sie waren Egoisten vom reinsten Wasser; und ihr außerordentliches Glück in geschäftli cher Hinsicht hatte sie doppelt hochmütig Und selbstgefäl lig gemacht, so daß sie sich der weniger begüterten Ver wandten beinahe schämten. Sie hatten ganz vergessen, daß ihnen Lina Hilde brandt, die Schwester, vor ihrer Heirat mit fünfzehn tausend Mark aus einer argen Verlegenheit geholfen hatte; und von der Zeit an war es vorwärts gegan gen — das geliehene Geld brachte zehnfache Zinsen. Hildebrandt war Bauunternehmer gewesen und hatte bisher Glück in seinen Spekulationen gehabt. Ver schiedene größere Grundstücke hatte er erworben, von denen er sich für die Zukunft einen großartigen Gewinn versprach. Daß seine Schwester Lina den unpraktischen Träu mer, den Karl Bürkner, geheiratet hatte, konnte er ihr lange nicht verzeihen. Er mochte den Schwager nicku leiden. „Buchhändler haben nun mal 'nen Strich, u. Bürkner den größten" — pflegte er zu sagen. Vielleicht war ihm das geistige Uebergewicht des Schwagers unbequem, das er doch, trotz allen Dünkels, fühlte! Wenn der so klug war, mochte er auch allein zu- schen, wie er fertig wurde, hatte er gesagt, als er von den geschäftlichen Schwierigkeiten Bürkners hörte. Des halb hatte er sich auch nicht gerührt, den Konkurs auf zuhalten, die flehentlichen Bitten der Schwester Nicht be achtend. Er hatte ganz vergessen, daß er ihrer frühe ren Hilfe eigentlich seinen jetzigen Reichtum verdankte. Daran wollte er um keinen Preis erinnert sein. Und dann waren da die Kinder! Sein Nettester war ein Tunichtgut, der sich nicht mal die Primareise hatte ersitzen können und sich nun irgendwo in Spanien aufbielt. / (Fortsetzung folgt.)