Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Fernsprecher Wilsdruff 7K. 6 Postscheckkonto Dresden 264V Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts -» Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. »«rs««r «,» Ve«»er: « rttz» r zse» »oke i» WU»dr»A. Bermliwortttcher SchriMeiter: Her««»« Lsssis, fSr de» Inseratenteil! Trttz»r Jsch»»t«, »eide i» wilrdniA Rr. 224 Sonntag de« 24. September 1S22 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Strompreiserhöhung. Die Kosten der Stromerzeugung und der Energieverteilung sind in den letzten Wochen derartig gestiegen, daß der Aufsichtsrat beschlossen hat, die am 1. April 1922 festgesetzten Gebühren für das 4. Quarial 1922 für Lichtanlagen um das fünffache, für Kraftanlagen um das achtfache zu erhöhen Damit beträgt ab l. Oktober 1922 -er Strompreis für Licht wie auch für Kraft 36 — Mark die Kilowattstunde. Alle übrigen Gebühren des Tarifes erhöhen sich ebenfalls in gleichem Verhälinis. Da ab l. Januar 1923 da» Kalenderjahr gleichzeitig Abrechnungsjahr werden soll, werden die Zähler bereits Ende Dezember abgelesen und der Mehrverbrauch für das 2., 3. und 4. Vierteljahr abgerechnet. Wegen der unübersehbaren Verhältnisse bis zum Jahresschlüsse muß sich der Auf- stchtsrat Vorbehalten, bei weiterer erheblicher Verteuerung der Bezugs- und Betriebskosten mit den Jahresabrechnungen entsprechende Nachzahlungen auf das 4. Vierteljahr 1922 anzufordern, deren Höhe vorher besonders bekanntgegeben wird. Gröba, am 20. September 1922. «8.» Elektrizitätsverband Gröba. BeWftiWg MMWr Wüter in der LMmrtslhast. Die Genehmigung zur Beschäftigung ausländischer Arbeiter läuft am 15. Dezem ber 1922 ab. Unabhängig von einer auf Grund des Z 26 des Reichsarbeitsnachweis- gesitzes vom 22. Ju i 1922 zu erwartenden weiteren Verordnung ergeht schon jetzt dis Aufforderung an die Arbeitgeber ausländischer landwirtschaftlicher Arbeiter, dw Gesuche auf Weiterbeschäftigung für das Jahr 1923 oder auf Neueinstellung ausländischer land wirtschaftlicher Arbeiter bis zum 10. Oktober 1922 bei der Amtshauptmannschaft zu beantragen, wo auch die erforderlichen Vordrucke entnommen werden können. Meißen, am 22. September 1922. «8«, Nr. 305 II 2- Die Amtshauptmannschaft. Maul- und Klauenseuche. Limbach erloschen ist, wird der Sperrbezirk Limbach aufgehoben und hiermit als Beobachtungsgebieterklärt. » Nr. V 1.46a. Meißen, am 22. September 1922. 4S«2 Die Amtshauptmannschaft Wir bitten höflichst, Anzeigen bis vorm. 10 Uhr aufzugeben. I W_» M»!»«! »UIKUIM Meine Zeitung für eilige Leser. * Die Reichsrcgierung hat der mit den Führern der Par teien vereinbarten bedeutenden Erhöhung der Teuerungszu lagen für die Beamten und Arbeiter zugcstimmt und eine bal dige Neuregelung der Gehälter zugesagt. * Die bürgerlichen Parteien Thüringens haben beschlossen, vorläufig von dem Verlangen eines Volksentscheides zur Aus lösung des Landtages abzufehen. * In Genf wurde die französische Resolution über Maß nahmen des Völkerbundes gegen das wirtschaftliche Chaos und die Valutakrists angenommen. * Die siegreichen Türken fordern nachdrücklich Thrazien und Konstantinopel. England widerstrebt diesen Forderungen. * Präsident Harding soll beabsichtigen, eine allgemeine Wirt- schastskonferenz nach Washington einzubcrufen. * Der amerikanische Senat hm eine Vorlage angenommen, durch die 180 000 Dollar zur Deckung der Ausgaben der Kom mission für die amerikanischen Kriegsforderungen an Deutsch land bereitgcstellt werden. Linier der Wolke. Wir stehen in der Schicksalswende des großen Dramas, das mit Versailles begann und dessen Enve klar Umrissen aufstcigt. Es ist das Ende des alten Europas, der Verschiebung der Gcwaltzentren und in geistiger Be ziehung das Ende der Formeln, mit denen man noch vor wenig Jahren Politik und Wirtschaft zu bestimmen ver suchte. Das Umbiegen des Russenstaates in einen kapita listischen, das Erlahmen eines folgerichtig durchgeführten Marxismus und der damit zusammenhängenden Soziali- sierungsbesirebungen in einer Reihe von privatwirtschaft- lichen Verträgen, die die Sowjetregierung mit den Leitern von Finanzkonzernen abschloß, ebenso die Lösung der Re parationsfrage zwischen der Entente und Deutschland durch Verträge der interessierten Lieferungs- bezw. Geschädigten- gruppen, das alles sind Ansätze zu neuen Formen der Wirtschaft und Politik, in der der Staat nicht mehr alles, dagegen die freie Vereinbarung vorherr schend ist. Mit dem Wort „Kapitalismus" kommt man derartigen Entwicklungsreihen nicht mehr bei. Daß z. B. die Gewerkschaften an solchen Verträgen direkt interessiert sind, will zwar mancher radikale Politiker nicht wahr haben, und auf der sozialistischen Einigungswoche in Augs burg und Gera ist genugsam dagegen gesprochen worden, aber die Dogmatiker sind gezwungen, in der Praxis nach dem Hebel der Besserung zu suchen. Der außen- und innenpolitische Kurs des Deutschen Reiches hat seit der Novemberrevolution von 1918 auf dem Weg der Erfüllungspolitik nicht die Richtung gefunden. Wohl wurde die Erfüllung angestrebt, aber die Unmög lichkeit dazu wurde offenbar. Die Massen sind erbittert, es muß neuer Wein in alte Schläuche gegossen werden, um eine Katastrophe zu verhüten. Durch die wirtschaftliche Entwicklung sind die früheren Parteidoktrinen erschüttert, ihre Anziehungskraft in Frage gestellt. Diese Entwicklung wird fortschreiten, wenn auch in Zukunft nur Steine statt lebendigen Brotes des Erkennens der Wirklichkeit gegeben wird. In Augsburg, in Gera haben die beiden bisher ge trennten sozialdemokratischen Parteien sich zusammengeschlossen. Bedeutet das einen Fortschritt auf dem Wege zur unablässig geforderten Einheit der Nation? Einer der besten Deutschen, de Lagarde, hatte die Einheit der Nation also hergeleitet: „Deutschland kann nur einig werden durch gemeinsame Arbeit, vorausgesetzt, daß diese Arbeit die ganze Nation in Anspruch nimmt. Denn nur diese Arbeit wird alle Kräfte Wecken und alle nicht zum Wesen der Deutschen gehörigen, sondern durch ein beispielloses Mißgeschick ihnen aufgebürdeten fremden Stoffe abstoßen.- Wir haben heute kein gemeinsames Arbeitsziel, unsere Parteien trennen, statt zu verbinden, und so aleicht die deutsche Natton einem Heer, das unter einer schweren und verstimmenden Wolke marschiert und in sich selbst uneins ist und gegeneinander hadert. Der Weg zur Volksgemeinschaft ist ein anderer als der trennender Parteiprogramme. Weil wir republikanisch lind freiheitlich wurden, haben wir noch längst keine Er leichterungen vom Feindbund erhalten, eben weil wir keine Macht im Kampf der Mächte mehr waren. Auch das Moratorium, das der Präsident der privaten Reichsbank in London herausholte, steht auf dem Boden der ErMungspolitik, die eigentlich ein Ende haben müßte, va wir sogar nach dem Urteil der Reparationskommission zahlungsunfähig sind. Die Reichsbank hat den Goldbetrag von 270 Millionen Mark auszuscheiden, und um dessen Ab fluß nach London zu verhindern, muß die Reichsvegierung der Neichsbank monatlich Beträge von 15 Millionen Gold mark zueignen. Diese Beträge werden uns fehlen und die Weltwirtschaftskrise noch verstärken. Das weiß man natür lich auch auf der Gegenseite. Es ist bemerkenswert, daß auf der Völkerbundstagung in Genf auch die Fran zosen durch de Jouvenel sich endlich bereit erklärten, die Frage der Reparationen und zwischenstaatlichen Verschul dung in ihrer Gesamtheit und möglichst unter Ausscheidung politischer Maximen behandeln zu lassen. Das ist vielleicht ein Lichtblick, aber der Weg dazu ist mit den Grabsteinen der europäischen Wirtschaft umsäumt. Auch die Entente hat allerlei zu Grabe tragen müssen. Die einheitliche Erhebung des Türkenvolkes gegen den Schmachfrieden von Sövres hat im Orient eine neue Lage geschaffen, die England insofern trifft, als nach englischer Tradition Lloyd George nicht auf den kranken Mann am Bosporus gewettet hatte. Kemals Sieg über die Griechen führte dann zum Zusammenbruch der briti schen Orientpolitik, die immer, wie Disraeli betonte, der Schlüssel der Politik Englands sein wird. England klirrt etwas mit den Waffen, aber man scheint doch die Folgerun gen aus der Lage zu ziehen und auf einer großen Orient- konferemz mehrere Monate lang sich diplomatisch zanken und dang einigen zu wollen. Die Gefahr, daß die Kriegs- Wolke, die plötzlich in Vorderasien verheerend niedergiug, auch auf dem Balkan aufsteigen wird, ist aber noch nicht ge bannt. S. //JMien, wsii in der Türkei. . Ultimatum der Angoraregierung. Heute kann man nicht mehr davon reden, daß die nord europäische Ruhe unbeeinträchtigt bleibt, wenn „hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen". Der Vor marsch des Türkenfeldherrn Mustapha Kemal Pascha hat die politischen Stützen der englischen Weltmacht scharf an gestoßen, und während man in Frankreich ob des Ereig nisses jubiliert, herrscht große Sorge und Unsicherheit in London, zumal die Zustimmung des englischen Volkes zur Regierungshaltung durchaus unsicher ist. Sie erklärte der Arbeiterführer Thomas in einer Rede, die britische Ar beiterschaft müsse es dem Kabinett klar machen, daß es unter keinen Umständen England in einen Krieg verwickeln dürfe, ohne daß die Vertreter des Volkes im Parlament die erste Stimme in dieser Frage hätten. Kemal drängt vorwärts. Aus Konstantinopel telegraphierte der Berichterstatter dem Londoner „Daily Expreß", die Angora-Regierung sei im Begriff, den Alliierten eine Erklärung zu unterbreiten, worin gefordert wird, daß die Griechen Thrazien räumen, das dann durch türkische Truppen besetzt werden würde. Es werde um eine Entscheidung binnen 48 Stunden ersucht werden. Und der französische General Pelle erklärte nach seiner Rückkehr aus Smyrna, daß Kemal ihm gesagt habe, er könne seine Truppen nur noch einige Tage zurückhalten unter der Bedingung, daß die Alliierten in einer Konfe renz die Rückgabe Konstantinopels und Ost-Thraziens an die Türken aussprächen. General Pellv hat den Eindruck, daß die Türken entschlossen sind, Konstantinopel und Thra zien unter allen Umständen vor dem Winter zu erlangen, selbst wenn ein gewaltsames Vorgehen die Zerstörung Konstantinopels notwendig machen sollte. Deutschland nicht interessiert. Der Berliner Korrespondent der „Westminster Gazette" hatte eine Unterredung mit dem Reichskanzler Dr. Wirth, in der auch Deutschlands Stellung zu den Ereig nissen im Orient berührt wurde. Der Kanzler äußerte sich folgendermaßen: „Deutschlands Politik ist der Frieden. Wir haben kein Interesse an den Problemen des Orients. Wir halten alle militärischen Konflikte, wo immer, sie auch sein mögen, für unerwünscht." Mparaiionsdebatte m Genf. Zusammenstoß zwischen Frankreich und der Schweiz. Die große Auseinandersetzung über die Reparationsftags begann unter großer Gespanntheit mit einer Erklärung des französischen Vertreters, Senator de Jouvenel, über die Stellung Frankreichs. Es wäre unmöglich, begann de Jouvenel, daß die hier versammelten Vertreter der Weltmcinungen zu den großen Fragen, die den Frieden der Welt betreffen, schweigen sollten, wie es denn auch unmöglich sei, daß Frank reich schweige. 80 Millionen französischen Geldes habe Frank reich schon für die Reparationen ausgegeben und kein Pfennig deutschen Geldes sei in dieser Summe enthalten. Wie Frank reich für die verwüsteten Gebiete Solidarität bekunde, so müsse sich jetzt die Solidarität Europas bekunden, ohne daß man die Intervention Amerikas abwarte. Der Wohlspruch müsse lau ten: Hilf dir selbst, dann hilft dir Amerika! Frankreich verlange, daß man aus dem Zeitalter des Moratori ums in das der Lösung übergehe. Diese Lösung müßte im Rahmen der internationalen Verträge und der internationalen Abkommen gesunden werden. Wenn auch diese Verträge in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht in keiner Weise vollkommen seien, so hätten sie doch die Ketten der unter drückten Nationalitäten zerbrochen, und dieses Ergebnis dürfe nicht wieder in Frage gestellt werden. England stimmt den französischen Vorschlägen zu. Der Vertreter Englands Lord Fisher sagte, daß er die Vorschläge Jonvenels annehme, die nach seiner Ansicht an Stelle der Vorschläge Cecils treten könnten. Er sei mit ihnen einverstanden, weil sie die Bedeutung des Reparationsproblems und der zweiten Lebensfrage, der interalliierten Schulden, so wie die Zusammenhänge dieser Fragen untereinander und für die Abrüstung hcrvorhcben. Die Schweiz für Deutschland. Der Vertreter der Schweiz Motta schnitt die Rollt Deutschlands in der Reparationsangelegenheit und im Völker bünde an. Er wandte sich gegen die Auffassung, daß unter den interessierten Staaten nur die alliierten Regierungen zu ver« stehen seien. Zu diesen müsse auch unbedingt Deutschland gerechnet werden, ohne dessen Mik arbeit eine besricdigendc Lösung der Reparationsfrage undenk bar sei. Ebenso sei der Beitritt Deutschlands in den Völker bund wünschenswert. Der französische Vertreter wandte sich mit scharfer Betonung gegen Motta und verlangte, daß seine Resolution nicht geändert werde. Er verlange das um so nach drücklicher, als hier der Vertreter eines neutralen Landes gewisse Worte ausgesprochen hat, die ihn zu der Erklärung zwingen, daß über den Resolutionstext, nachdem die vier alliierten Delegationen sich geeinigt haben, kein Zweifel be stehen kann, und daß niemand das Recht habe, seinen Sinn zu vergewaltigen oder zu ändern. Der Schweizer Motta ent gegnete, daß er annehmen wolle, daß de Jouvenel keine unhöf lichen Worte gebrauchen wolle. Er Hobe nichts vergewaltigt und nichts verändert. Die Tatsachen sprächen selbst. Der Präsident des Ausschusses schloß dann die Debatte. Die bekannte Resolution de Jonvenels, in welcher der Völker bund zu Maßnahmen gegen die Valutakrists und das wirt schaftliche Chaos aufgefordert wird, wurde angenommen mid Lord Robert Cecil mit der Ausarbeitung eines Vorent- wurss betraut.