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r-mipnch« 7k.» Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend p°«ch<«°,d>r«<» Wieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats z« Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. «*rl«a»r Dr«M«r: Arth«, 8fch»«ke in ««mNw-rtNcher Schriftleiter: Herman» Lässig, für de« Inseratenteil: Arthur Zschnnde, Heide in WtledrnA Rr. 203 Donnerstag den 31. August 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der englische Delegierte Bradbury hat sich nachdrücklich für die Gewährung eines Zahlungsaufschubs für Deutschland aus gesprochen. * Aus dem Katholikentag in München wurden Entschließun gen gegen die Not der Presse und gegen eine Änderung des Eherechts angenommen. * Nach italienischen Meldungen steht ein Einmarsch tschechi scher und jugoslawischer Truppen in Österreich bevor. * Dieser Tage hat eine neue türkische Offensive an der klein- asiatischen Front begonnen. „Kolonie" Österreich. Aus Rom wird gemeldet, datz die teilweise Besetzung Österreichs durch alliierte Truppen wahrscheinlich gewor den ist. Als vor einiger Zeit ähnliche Gerüchte kolportiert wurden, erhob sich in Österreich zwar einhelliger Wider spruch und die Parteien erklärten, Österreich wolle nie „Kolonie" werden. Ist die Sachlage jetzt so schlimm ge worden. daß unter Umständen dieser Widerspruch ver stummen müßte? Der österreichische Bundeskanzler Dr. Seipelist von seiner Rundfahrt über Prag, Berlin und Verona rascher, als man anfänglich annehmen durfte, nach Wien zurück gekehrt und ist nun dabei, die Regierungsparteien über das Ergebnis seiner auswärtigen Bemühungen des Näheren zu unterrichten. Begreiflich genug, daß er sich der Öffentlichkeit gegenüber zunächst nur auf sehr allge mein gehaltene Erklärungen beschränkte. Man hat ihn hier wie dort angehört und seine Vorstellungen mit Wohl wollen, mit warmem Interesse ausgenommen und Be mühungen zugesagt, um eine endliche Lösung der öster reichischen Frage nach Kräften zu ermöglichen. Aber in P r a g und in V e r o n a hat man, genau so wie es zuvor in London geschehen war, ans den Völlerbundsrat hin gewiesen, ohne oder gar gegen den nichts Entscheidendes geschehen könne; und in Berlin hat man, der eigenen Sorgen übervoll, viel mehr als gute Worte für den der Verzweiflung nahen Stammesbruder auch nicht übrig gehabt. Aber die Tatsachen, die jetzt hervortreten, lassen er kennen, daß der Bundeskanzler von den verschiedenen Mög lichkeiten, die er bei seiner Rundfahrt im Auge hatte, die Verhandlungen mit Italien zurzeit wohl als die aus sichtsreichsten ansieht. Denn nach seiner Abreise aus Ve rona werden nähere Einzelbesprechungen zwischen Beauf tragten der beiderseitigen Regierungen weitergeführt, von denen man wohl annehmen muß, daß sie den Abschluß einer Zoll-Union zum Ziele haben. Herr Schanzer, der italienische Außenminister, hat diese Wiener Anregung, zwar äußerlich recht kühl ausgenommen: er wolle sie prüfen und werde, wenn er sich entschließen sollte, ihr näherzu- treten, versuchen, ob er das Einverständnis der übrigen Alliierten dazu erlangen könne. Aber innerlich steht er dieser Frage vielleicht weniger zurückhaltend gegenüber; jedenfalls bietet sie die einzige Möglichkeit einer rasch wirkenden Hilfe für das zusammenbrechende Österreich, und daß eine andere weder Sinn noch Zweck hätte, kann ja auch Herrn Schanzer nicht mehr verborgen sein. Läßt man den Dingen ihren Lauf, so muß wohl schon in kurzer Zeit mit einem aktiven Eingreifen der Kleinen Entente ge rechnet werden, eine Aussicht, die den Leiter der italie nischen Politik schwerlich ruhig schlafen läßt. Er muß also für den Gedanken einer Zoll-Union, wenn er ihm von Wien aus entgegengetragen wird, zu gewinnen sein; es sei denn, daß ihm von der Großen Entente unüber windliche Schwierigkeiten bereitet werden. In Wien scheint man anzunehmen, daß der Kanzler Dr. Seipel Herrn Schanzer, wie man zu sagen pflegt, ziemlich starke Avancen gemacht habe, um ihn aus seiner Reserve heraus zulocken. Er soll ihm nicht nur die wirtschaftlichen Vor teile einer Zoll-Union angepriesen, sondern darüber hin aus auch schon gewisse politische Möglichkeiten in Aussicht gestellt haben, was ja eine grundsätzliche Bereitwilligkeit zu Sonderabmachungen bestimmter, die Zukunft Österreichs festlegender Art enthalten würde. Im ganzen ohne Zwei fel ein recht gewagtes Spiel. Aber Herr Dr. Seipel ist vielleicht der Meinung, daß bei der Lage feines Landes eben nichts anderes mehr übrig bleibt, als notfalls die ganze Zukunft auf eine Karte zu setzen, komme, was »ommen mag. Man kann unter diesen Umständen denjenigen nicht unrecht geben, die von einem hier an der Donau sich vor bereitenden neuen Neu-Mazedonien sprechen. Die kleine Republik, so begehrens u n wert sie im Laufe der Zeit auch geworden ist, kann, sobald der Zeitpunkt ein tritt, daß sie zusammenbricht, trotzdem ihren verschiedenen Nachbarländern recht begehrenswert erscheinen, und sei es auch nur aus dem Grunde, weil keines dem andern eine Erweiterung seines Gebietes über die in den Friedens verträgen mühselig genug festgesetzten Grenzen hinaus gönnen will. Aus dieser Besorgnis heraus sind die Ge rüchte zu erklären, daß die Große Entente eine Art inter nationaler Gendarmerie für die Republik aufstellen wolle, also eine Art Vorbeugungsmaßnahme, wie man sie ja auch in den verflossenen Jahrzehnten ewiger Balkanwirren hinreichend kennengelernt hat. Und wer der Meinung ist datz damit mehr Unheil als Ordnung gestiftet werden könnte, der malt sogar die militärische Besetzung der Re publik an die Wand, was gewitz auch so ungefähr den Anfang vom Ende bedeuten würde. Das wahrscheinlichste aber ist, daß die Entente auch hier wieder zu spät kommt Die Toten reiten heutzutage schneller als je. Die österrei chische Republik liegt, das fühlt nachgerade ein Blinder mit dem Stock, in den letzten Zügen. Sie hat alle Aussicht, un völliger Entkräftung zugrunde zu gehen. Zor -er Entscheidung. Um die Bedingungen des Moratoriums. Rach den neuesten Pariser Blättermeldungen gewinnt man den Eindruck, als ob sich jetzt auch die Franzosen von der Notwendigkeit überzeugt hätten, daß der deutschen Regierung ein Zahlungsaufschub gewährt werden mutz. Man sieht daher in politischen Kreisen der unmittelbar be vorstehenden Entscheidung der Reparattonskommission mit etwas größerer Sicherheit entgegen, die ja auch ihre Rück wirkung auf den Kurs der Martz,deutlich erwiesen hat. Es ist aber noch die große Frage, ob ein solches Moratorium, wenn es zustande kommt, für uns überhaupt wertvoll und annehmbar ist. Das hängt von den Bedingungen ab, an die es geknüpft wird, und der bekannte belgische Kompro mißvorschlag z. B., der von uns die Überführung von 210 Millionen Goldmark in eine Bank der Alliierten verlangt, wäre keine geeignete Basis für ein solches Abkommen. Das deutsche Memorandum, in welchem unser letzter Vorschlag von Privatlieferungs- verträgen für Kohle und Holz im einzelnen ausgearbettet wird, soll der Reparationskommission vor ihrer Beschluß fassung in Paris vorgelegt werden. Staatssekretär Schröder und Staatssekretär a. D..Bergmann sind mit einem Stabe von Referenten bereits in Paris. Die Regierung hat inzwischen nochmals mit den für die Kohlen- und Holzlieserungen matzgebenden Industriellen Rück sprache genommen. Eine Garantie dieser Lieferungen durch die Gewerkschaften kommt jedoch nicht in Frage. * Bradbury für eine Atempause. Höchst beachtliche Erklärungen über die politischen Notwendigkeiten der Stunde hat jetzt der aus Berlin zurückgekehrte britische Delegierte bei der Reparations kommission, Bradbury, abgegeben. Er sagte u. a.: Ich habe keinen Zweifel daran, daß die Alliierten, .wenn sie Reparationszahlungen erhalten wollen, verpflichtet sind, der deutschen Negierung cm gewisses Vertrauen mW Wohlwollen zu erweisen und danach zu streben, zu Vereinbarungen zu gelangen, unter denen der deutsche Kreditwieder hergestellt werden kann. Ich habe die Überzeugung, daß uns nur zwerWege offen stehen: der eine, Deutsch land ZeitzurErholungzu gewähren. Dies würde uns einige Aussicht auf Verwirklichung einiger unserer Forderungen an Deutschland geben. Der andere Weg ist, zu drohen und schließlich gewaltsam vorzugehen. Dieser Weg würde das sichere Ergebnis haben, "daß jede Hoffnung auf Reparationen schwindet. Jeder Druck, der bestimmt ist, die guten Absichten der deutschen Regie rung zu stärken, würde zweifellos die Mark noch Wetter herabdrücken, und wenn sie einen gewissen Tiefstand er reicht hat, wird es schwer sein, sie wieder zu heben. Die Folgen einer Forderung von Barzahlungen im gegen wärtigen Augenblick oder des Verlangens nach Pfän dern, die für Deutschland zu geben unmöglich sein würde, sowie die Anwendung von Sanktionen zur Er zwingung solcher Zahlungen und Pfänder, werde nicht nur für Deutschland verhängnisvoll sein, sondern auch un mittelbare Wirkungen auf andere Länder haben. Der einzige Weg, von Deutschland etwas zu erhalten, ist, Deutschland eine Zahlungsfrist zu gewähren und der Wiederherstellung seines Kredits kein Hindernis in den Weg zu legen, während der sichere Weg, nichts zu erhalten, der ist, ohne Rücksicht auf die ungeheure Erschütte rung zu handeln, die jetzt droht. * Die amerikanischen Bankiers fordern Reformen. Die auf der Konferenz für den Wiederaufbau Europas und die interalliierten Schulden versammelten amerikanischen Bankiers haben sich dahin geeinigt, daß ganz allgemein für Europa durch die Auflegung von großen Anleihen unter den gegenwärtigen Verhältnissen nichts zu gewinnen wäre; es seien grundlegende Reformen in Europa erforderlich. — Es versieht sich von selbst, daß damit in erster Linie eine Re vision des Friedensvertragcs und die Abrüstung in Frankreich gemeint sind. — Im übrigen ist man in Amerika der Meinung, daß Frankreich die Schlüssel für das europäische Gleichgewicht in Händen hält. Die Grundbedingungen Amerikas sind: Her absetzung der Landrüstungen, Ausgleich des Bud- gets, weitgehende Regelung der Reparationsfordernugen. Wenn die Bedingungen erfüllt seien, würde Hoover gern an einer Konferenz der europäischen Mächte teilnehmen. Abermals Ue Kriegsbeschuldigien. Die Allierten wollen selb st urteilen. Die Botschafterkonferenz hat uns eine Note zuge schickt, in der sie ihre Unzufriedenheit mit den Urteilen des Reichsgerichts gegen die sogenannten Kriegsbeschulvigten erklärt. Die Alliierten teilen uns darin ihre Absicht mit, von jetzt ab die deutsche Strafverfolgung der vor dem Leipziger Gerichtshof bisher nicht erschienenen Beschuldigten völlig außer Betracht zu lassen. Sie behalten es sich vor, selber, nötigenfalls im Abwesenheits- Verfahren, die Kriegsbeschuldigteu zu verfolgen. Diese Note muß um so mehr befremden, als die völ lige Unparteilichkeit des höchsten deutschen Ge richtshofes von der an den bisherigen Verfahren in erste, Reihe interessierten englischen Sette verschiedentlich unumwunden anerkannt worden ist, insbesondere vott dem ersten englischen Staatsanwalt Pollock. Das Reichs^ gericht steht in seiner leidenschaftslosen Unparteilichkeit über den in der Note enthaltenen Vorwürfen, über dft weitere Behandlung der Angelegenheit durch di« deutsch, Regierung sind die zuständigen Stellen bereits in Be ratungen eingetreten, an denen auch der Oberreichsamvaft beteiligt werden wird. politische Rundschau. Deutsches Reich. Vorbereitung des russisch-deutschen Handelsvertrages. ' Die Arbeiten der Kommission, die mit der Vorberei tung des russisch-deutschen Handelsvertrages beauftragt ist, sind in vollem Gange. Außer den drei Sektionen dieser Kommission (für internationale, ökonomische und Zoll fragen) arbeiten in Moskau noch Verwaltungskommissio nen der in Betracht kommenden Volkskommissariate mit. Die Arbeiten werden in ständigem Kontakt mit der Neichs- wirtschaftsplan Kommisston geführt Kredit- und Kapitalnot. Bei der Begründung der Diskonterhöhung der Neichs- bank führte Reichsbankpräsident Dr. Havenstein aus, die schwebende Schuld des Reiches betrage zurzeit 293,6 Mil liarden Mark. Es herrsche gegenwärtig in Deutschland eine wachsende Kredit- und Kapitalnot, die in einer außer ordentlichen Vsrknappmig des Geld- und Kapitalmarktes ihren Ausdruck findet. Die Betriebskosten der Landwirtscha ft und Industrie wachsen in stei gendem Maße und bedingen eine täglich verstärkte Nach frage nach Geld. Die Kreditinstitute reichen mit ihren Mit teln nicht aus. Durch alle diese Anforderungen des Ver kehrs wird die Reichsbank immer schärfer und dringen der in Anspruch genommen; selbst die verfügbaren Zah lungsmittel reichen vielfach nicht mehr aus, um die Geld ansprüche zu befriedigen. Die Ministerpräsidenten der deutschen Länder waren am Montag in Berlin versammelt, um mit dem Reichskabinett über die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Notlage zu beraten. Das Ergebnis der Besprechung wird von den einzelnen Mi nisterien zu bestimmten Gesetzentwürfen ausgearbettet wer den, über die dann das Kabinett Beschluß fasten wird. — Der Neichsernährüngsminister hat die Ernährungs mini st e r der Länder für nächsten Montag nach Hamburg zu Besprechungen eingeladen. Die Führer der Par teien sind für Donnerstag abend zu einer Aussprache mit der Reichsregierung in der Reichskanzlei gebeten worden. Der Preis des UmlagegetreideS. Der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstages be schäftigt sich zurzeit mit der Wahl der Kommission für die Preisstellung des Umlagegetreides. Die Wahl wurde aus nächste Woche vertagt, um vorher eine Beratung über die allgemeine Teuerungslage zu ermöglichen!. Reichsernäh rungsminister Fehr machte wegen dieser Vertagung Be denken geltend, da der Ausschuß sich nicht nur mit der Preisfestsetzung für das zweite und dritte Drittel der Ab lieferung zu beschäftigen habe, sondern Stellung nehmen müsse zu dem bereits im Gesetz bestimmten Preis für das erste Drittel. Auf heftige Einwendungen der sozialistischen Vertreter erklärte er, er wisse sehr wohl, daß eine derartige Änderung nur durch Gesetz geschehen könne. Japan. X Der Plan für die Abrüstung. Der japanische Knegs- n.iuister erläuterte in einer Versammlung von Truppen chefs den Plan für die Herabsetzung der Rüstungen, der am 15. August in Kraft getreten ist. In großen Zügen besteht der Plan in Herabsetzung der Iststärke der Armee (Manu und Pferde) um etwa 5 Divisionen, Kürzung der militärischen Dienstzeit um 40 Tage (vorläufige Maß nahme bis zum Inkrafttreten eines m Vorbereitung be findlichen Gesetzes), Verringerung der Zahl der einzu- ftelleuden Ossiziere, Entlassung einer bestimmten Zahl von Werftarbeitern, Abschaffung von 13 000 Meiden. Der