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Wilsdruffer Tageblatt : 22.09.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192209222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220922
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220922
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-09
- Tag 1922-09-22
-
Monat
1922-09
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 22.09.1922
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MM habe, ferner Armee zu gestatten, Thrazien zu be setzen. Er habe dabei erklärt, daß die Frage der Dardan nellen später erörtert werden müsse, unter Teilnahme aller Staaten am Schwarzen Meer. Es sei notwendig, daß Thrazien von den nationalistischen Streitkräften besetzt werde, um die muselmanische Bevölkerung zu befreien. Ferner wurde dem britischen Oberkommissar in Konstan tinopel erklärt, die Regierung von Angora werde an keiner Konferenz über die Meerengen teilnehmen, an der nicht auch Rußland und die Ukraine beteiligt seien. Italien räumt ebenfalls die neutrale Zone. Der Ministerrat billigte einstimmig die Haltung des Außenministers in der Orientfrage, ferner seine Bemühun gen, eine diplomatische Aktton zu erzielen, um einen raschen Frieden ohne jede militärische Intervention im nahen Osten zustandezubringen. Der Beschluß Frankreichs, seine Truppen aus Tschanak zurückzuziehen, wurde begrüßt. Die Consulta hat ebenfalls beschlossen, die italienischen Truppen vom asiatischen Ufer der Dardanellen zurückzu- ziehen, wodurch sie den Willen unterstreicht, an keiner Operation teilzunehmen. Englische Kriegsvorbereitungen. Das Verhalten Englands ist noch immer unklar. Während eine Reuler-Nole die Erklärung enthält, daß die englische Ne gierung keinerlei neue militärische Unternehmungen plane und sie Friedfertigkeit Englands betont, dauern die militärischen Vorbereitungen sott. Ein Mobilmachungsbefehl ist zwar noch nicht ergangen, aber Infanterie und Fliegertruppen sind bereits nach Konstantinopel unterwegs. Die ersten Verstärkungen, die nach den Dardanellen entsandt werden sollen, werden wahr scheinlich aus ägyptischen Truppen, 4 Kavallerieregimentern und 7 Infanterie-Bataillonen, bestehen. Die zweite Zerstörerfloltille des atlantischen Geschwaders ist aus Gibraltar nach dem Bos porus abgegangen, und auch das Regiment Wellington, das in Gibraltar garnisoniert, hat Befehl erhalten, nach Konstantinopel abzugehen. Der Präsident zahlreicher Gewerkschaften der Textilindustrie m Dorkshire, Ben Turner, sandte an Lloyd George ein Tele gramm mit folgendem Wortlaut: Bringt alle, die vom Krieg sprechen, zum Schweigen. Bedient Euch des Völkerbundes. Dis Arbeiterschaft willigt in keinen Konflikt im Orient. Wer hat Smyrna in Brand gestellt? Die persische Völkerbundsdelegatton in Genf er suchte' auf Antrag des Vertreters der türkischen National versammlung den Völkerbund, angesichts der unerhörten Anschuldigungen gegen die Türkei eine UnterfttMmgskom- mission für die jüngsten Vorgänge nach Kleinasien zu ent senden. Mehemed Hilmy Bey, der türkische Delegierte in Genf, protestiert in einer Mitteilung an die Presse gegen die Anschuldigung, daß die Türken Smyrna angczünvet batten. Er erklärt, daß die Griechen die Brandstifter seien. KrediitosigkeLi -er -euischen Giä-ie. Fortfall der letzten Unterstützung. Die finanzielle Noüage der deutschen Städte war schon bisher außerordentlich groß, droht sich aber nun noch zu verstärken. Die deutschen Girozentralen, die noch allein gemeinschaftlich mit den Sparkassen den Gemeinden Kredite gewährt haben, sehen sich gezwungen, anzukündigen, daß auch sie ihre Hilfeleistung jetzt einstellen müssen. Die Giro zentralen haben gemeinsam.ein Schreiben an die Stadtver waltungen gesandt, in dem es heißt: „Die Kreditansprüche der Kommunalverbände an die Giro-Organisation sind dauernd im Steigen begriffen. Andererseits bleiben die den Girozentralen aus allen ihren Quelle» zufließenden Mittel hinter diesem Bedarf immer mehr zurück. Infolgedessen sind die Girozentralen nicht mehr in der Lage, den Kreditanträgen ihrer Mit glieder zu der von ihnen gewünschten Zeit und in dem gewünschten Matze zu entsprechen." Es wird dann darauf aufmerksam gemacht, daß der Einlagenbestand der Spar- und Girokassen, der hauptsäch lichsten Geldquellen der Girozentralen, gegenüber der Geld entwertung erschreckend zurückgeblieben ist. Die Giro zentralen seien bisher bemüht gewesen, in dem Maße, in welchem das Mißverhältnis zwischen Geldzufluß und Kreditansprüchen gewachsen ist, neue Hilfsquellen zu> er schließen. Ein nachhaltiger Erfolg wurde aber durch die Edith Bürkners Liebe. 5) Roman von Fr. Lehne. Dabei biß er herzhaft in sein Brot und ließ es sich gut schmecken. „Weißt du, Dita, du könntest mir eigentlich nach her beim Präparieren des Französischen noch ein biß chen Helsen; das heißt, wenn du Lust hast — schreibst mir 'n paar Vokabeln 'raus. Du willst? Danke! Bitte, gib mir noch 'ne Tasse Tee. Ein weiteres Stück Brot wäre auch nickt zu verachten. So, danke dir, Schwe sterlein! Elende Vlaaerei!" „Na, Brüderchen, bist ja bald erlöst, m wenigen Tagen gibt's Fetten." „Und danach geht die Ochserei erst recht los. Ich danke! Wenn ich nur das nächste halbe Jahr hinter mir hätte!" „Du hast wohl Angst, daß du durchfällst?" „Das nun gerade nicht; aber bei Gott und beim Schniefke ist kein Ding unmöglich; da kann's schon vorkommen, daß man glatt durchrasselt," meinte Thank- mar, dabei aber in aller Gemütsruhe seinen Tee schlür- send. „Das wäre ja schrecklich." Vor Bestürzung legte Frau Bürkner ihr Besteck aus der Hand und sah den Sohn ängstlich an. „Das wäre ja schrecklich! Um Gottes willen, was sollte da werden? Was würde der Onkel sagen?" „Der? Der kann mir den Buckel —" das andere unterdrückte er aut einen warnenden Blick der Schwe ster. „Ich soll euch auch grüßen von Martha," sagte diese; „sie ist mir begegnet!" „Danke, leg's nur dahin!" knurrte Thankmar. „Das gnädige Fräulein braucht sich gar nicht zu bemühen." „So? Du hast sie gesehen? Sie war doch ver reist! Was hatte sie denn an?" fragte Frau Bürkner neugierig. „Anscheinend wieder etwas ganzNeues. Ein graues Schneiderkleid, natürlich auf Seide gearbeitet, einen großen schwarzen Federhui und eine Persianerstola — du weißt doch Mütterchen, die Stola, die sie im vo rigen Jahre zu Weihnachten bekommen hat. Kurz, es war alles sehr elegant und modern, es fehlte an nichts." „Was das alles wohl wieder gekostet haben mag!" Frau Bürkner seufzte auf und rechnete anschei nend nach. katastrophale Geldentwertung vereitelt. Soll ein solche: erzielt werden, so bedürften die Girozentralen neben ver ständnisvoller Förderung durch Reich und Staat unbedingt der Unterstützung der Kommunalverbände durch eine Reihe von Maßnahmen. Vorgeschlagen werden den Gemeinden Vermeidung aller ungedeckten Ausgaben, Verzicht auf Unternehmungen, besonders Bauten, für welche die Mittel nicht vorhanden sind, monatliche Gehaltszahlungen statt vierteljährlicher, Einstellung von Teuerungszahlungen, für die das Reich nicht vorher Deckung gibt, schnellere Zahlung des Reiches an die Gemeinden für die diesen zustehenden Steueranteile, Erstattung der verauslagten Beträge sür Kriegswohlfahrtspflege, Einziehung einmaliger Beiträge von den Abnehmern kommunaler Werke für Kohlen, Ol usw. Dieser Beschluß würde aus dem Allgemeinen Deutschen Sparkassentag in Goslar von sämtlichen Girokassen gefaßt und bedeutet zum mindesten eine bedenkliche Einschränkung des Kredits der Gemeinden. GsZialöemokraiischer parieiiag. Augsburg, 20. September. Wer die Tätigkeit der soziaLdemokr-attschen Roichstags- fraktion erstattete der Nürnberger Abgeorümete Vogel einen ausführlichen Bericht. Er ging aus von den letzten Steuer- gssetzen, die sicher bester geworden wären, wenn sie nicht unter dem Druck der Entente, hätten verabschiedet werden müssen. Dann beschäftigte er sich mi-t der Forderung der Landwirtschaft nach einer Erhöhung des Umlagepreises für Ge treide. Er erkannte zwar an, daß der im Sommer be schlossene Umlage preis nicht aufrecht; »erhalten sei, wandte sich aber nachdrücklich gegen die Forderung der Landwirtschaft, die Jnlandpreise für Getreide den Weltmarktpreisen an- znpassen. Den letzten Punkt seiner Ausführungen bildete der Konflikt zwischen Bayern und,dem Reich, wobei er hervorhob, daß kein Gedanke an die äußere Not des Reiches Bayern von dem Vorstoß gegen die Reichsregierung und gegen die Reichseinheit alb gehalten habe. Di« weitere Aus sprache gatt in der Hauptsache der Reichswehr; die For derungen aller Redner gipfelten darin, daß die sozialdemokra tische Roichskagssroktton eine Neubesetzung des Neichswehrministeriums durchsetzen müsse. Die schärfstem Angriffe gegen den Ncichs- wehrmntister Geßler richtete Hermann Wendel-Frauk- surt a. M.: er bezeichnete ihm als eine schwarz-weiß-rote Er scheinung mit einer schwarz-rot-goldenen Gösch in der Ecke. Alenn es unmöglich wäre, die Reichswehr umzubauen, dann lieber keine Reichswehr als eine, di« eine Gefahr für die Ne- publir darstelle. Es folgte dann eine Rede des Rcichstagspräsidcntcn Löbe, der die Reichstagssrattion gegen die Angriffe in der Frage der Er sa ssun g der Sachwerte in Schutz nahm und zu dem Schluffe kam, daß das Reich um di« Erfassung, der Sachwerte nicht herumkommen werde, und daß die Sozialdemokratie auf dieser Forderung bestellen werd« bis zu ihrer Erfüllung. Der Neichstagsprüsident setzte sich dann lebhaft für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ein; dieser Ein tritt sei notwendig im Interesse der Teilnahme Deutschlands an einem befriedeten Wirtschafts- und Kulturleben der Mensch heit. Der Patteivorstand hat dem Parteitag eine Entschließung Vorgelägt, di« angesichts der ungeheuren Preissteigerung aller Lebensmittel und Bedarfsartikel eine energische Bekämpfung des Lebcnsmittelwuchers fordett. Es soll eingcschritten werden gegen die Geschäfts abschlüsse, die am inländischen Warenverkehr in frem der Währung erzwungen werden und gegen die Speku lation im Devisenverk hr. Die Einfuhr fei auf das notwendige Maß zu beschränken, die Produktion und die Aus fuhr zu fördern. Gegenüber der Preispolitik der Kartelle und Trusts müsse die Regierung eine strenge Kon trolle üben. Meussie Meldungen. Umerstützuug für deutsck-e Kriegsgefangene. Berlin. Der Minister des Innern hat bestimmt, daß den Angehörigen der am 1. August 1922 noch nicht heimgekehrten sogenannten Avignongefangenen eine einmalige außerordent liche Unterstützung aus ReichsMitteln bewilligt werden soll. Die Unterstützung ist je nach Lage des einzelnen Unterstützungs falles auf den Betrag von 3000 dis 5000 Mark zu bemessen. Umsturz in Bulgarien? Belgrad. Die gesamte Presse bringt fast gleichlautende Berichte aus Bulgarien. In Lirnowo haben im Zusammen hang mit Kongressen sowohl der regierungsfreundlichen wie der oppositionellen Bauern große Unruhen stattgefunden. Angeblich soll die Gewalt durch die Urbeiter und Bauern übernommen worden sein. Wett- und Volkswirtschaft. Was kosten fremde Werte? Börsenplätze 20. 0. 19. 8. Stand gesuchtf angeb. gesucht^ angeb. I.H. 14 Lolland IvoGuld. Dänemark lOOKron. Schweden lOOKron. Norwegen lOOKron. Schweiz lOOSrank Amerika 1 Dollar England 1 Pfd. Frankreich lOOFrank Belgien lOOFrank Italien 100 Lire L.-Osterr. lOOKron. Ungarn lOOKron. Tschechien lOOKron. 36828.85 30362,00 38851,35 23118,55 56971.15 N438.00 38048,65 25181,45 1463,16 6491,85 11186,00 10486,85 6142,33 1,93 1466,84 6508,15 11214,00 10513,15 6157,70 1,97 4569'25 4580^75 56928,75 30362,00 38851,35 25U8M 57071,25 30438,00 3--948M 25231,50 1473,15 6506,85 11235,90 10536,80 1.80 V- 55,93 4654,15 1476,85 6523,15 11264,10 10563,20 1,84 V- 56,07 4635,85 170 Mk. 112 112 112 72 . 4.40. 20,20. 80 . 80 . 80 . 85 . 85 Berlin,20.September. Stand der Polenmark: 19,12V- Pt. * Berlimr Produktenbörse vom 20. September. Die amtlich notierten Preise waren an der Berliner Börse pro 50 Kilogramm ab Station: Weizen, märkischer 2925—2975, pommerschcr 2900 bis 2950. Behauptet. Roggen, märkischer 2400—2450, pommer scher 2375—2450, westpreußsicher 2350—2375. Behauptet. Som mergerste 2800—2900, Wintergerste 2500—2600. Still. Hafer, märkischer 2700—2850, pommerscher 2650—2750, mecklenbur gischer 2700—2800. Schwächer. Mais ohne Provenienzangabe loko Berlin 2650—2750, waggonfrei Hamburg 2550—2600. Ruhig. Weizenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin 8200 bis 8700, feinste Marken über Notiz bezahlt. Behauptet. Roggen mehl per 100 Kilogramm frei Berlin 6200—6750. Behauptet. Weizenkleie frei Berlin 1650. Behauptet. Roggenkleie frei Berlin 1700. Behauptet. Raps 3700—3900. Still. Erbsen, Viktoria 5000—5300, kl. Speisecrbsen 3900-4100, Futtererbsen, Peluschken und Ackerbohnen 2600—2800, Wicken ohne Angebot, Lupinen, blaue 1600—1800, do. gelbe 1900—2100, Rapskuchen 1750—1850, Trockenschnitzel 1750—1800, Torsmelasse 30-70 1150 bis 1200 M. Rauhsutter. (Nichtamtlich.) Großhandels preise Per 50 Kilogramm ab Station: drahtgepr. Roggen- und Weizenstroh 730—760, desgl. Haferstroh 730-760, bindfaden- gepr. Roggen- und Weizenstroh 660—700, gebündeltes Roggen langstroh 730—760, loses und gebündeltes Krummstroh 610 bis 650, Häcksel 800—840, handelsübliches Leu 510—580, gutes Heu 580—GO M. Sitzung des Bezirksausschusses der Amtshauptmannschaft Meißen am 11. September 1922 in Lommatzsch. lieber Beteiligung des Bezrrlsveroaiioes an oec mumaM Lrwerbung des als Kin der e r h o lu n g s he i m ein lerichteten Barackenlagers Wiek auf der 2nse singen berichtete ebenfalls Direktor Schaufuß. Der sächs Staat habe seit 1921 dieses Barackenlager vom Reichsschatz- nmisterium auf fünf Jahre gepachtet, nm dort ein Kinder irholungsheim zu unterhalten. Es bestehe die Absicht, diese: »Ederheim für Sachsen zu sichern und deshalb käuflich zr nwerben. Der Kaufpreis von 12 Millionen Mark soll an- :eilig von denjenigen Städten Und Bezirken aufgebracht wer >en, dis in Wiel Kinder verpflegen lassen. Es sei die Grün )ung einer E. m. b. H. geplant. Die Kosten für unaufschieb- mre Verbesserungen seien zusammen auf 2 Millionen Mar mgesetzt, der Platz für ein Kind sei mit 14 000 Mk. Anlage kapital veranschlagt, bei einer 5°/»igen Verzinsung also mi jährlich 600 Mk., oder bei einer Belegung von 180 Tag« täglich mit 3,50 Mk. für jedes Kind. Der Bettag vm 2 Millionen Mark für Instandsetzungen im Lager werden ab« wohl zu gering angenommen sein. Hinzu kämet: noch dü Verpflegkosten. Der Meißner Bezirk habe bereits in Wie Kinder untergebracht gehabt. Wie sich die Verhältnisse in kommenden Jahre gestalten werden, ließe sich heute nicht über sehen. Daß die Kinderfürsorge segensreich wirke und fortgesetzt werden müsse, und zwar nicht nur im Pflegebezirke Meißen Land, sondern auch von den Übrigell. Pflegebezirken der Amts „Na, Mütterchen, das kann uns ja egal fe:n; wir brauchen es doch nicht zu bezahlen," sagte Thankmar. „Damit kriegt sie doch keinen Mann; höchstens Fritze Arburg wird draus 'reinfallen! Ich habe schon genug, wenn sie den Mund auftut und man ihre Zähne sieht, die so groß wie Klaviertasten sind: Und die hat sie sich auch noch in Gold fassen lassen!" Edith lachte bei Thankmars drastischer Kritik; dann aber verwies sie ihn: „Nicht doch, Thankmar, mußt nicht so lieblos sprechen, sie ist gar nicht so schlimm." „Wenn du das behauptest, so kennst du eben unser holdes Kusinchen nicht! Du mußt doch merken, Dita, daß sie nicht ausrichtig ist, und auch, daß sie dich nicht leiden mag." „Nun ja, ich hab' ihr doch aber nichts getan." „Tut nichts, wenn du ihr auch nichts getan hast. Vielleicht bist du ihr zu hübsch." Edith errötete; genau dasselbe, was ihr vorhin der Geliebte gesagt, sagte ihr jetzt der Bruder. „Ja, ja, brauchst nicht rot zu werden, Dita! Die ganze Prima schwärmt ja für mein Schwesterlein. Ratz hat dich sogar in hoffnungslos schönen Versen angedich- tet, und Cäsar macht dir Fensterpromenaden. Solltest du davon noch nichts bemerkt haben?" So scherzte Thankmar mit der Schwester, bis er fertig mit essen war und ausstand, um weiter zu ar beiten. „Du kommst dann nachher 'rüber, Dita?" ries er noch von der Tür aus. „Gewiß Thankmar, es dauert gar nicht mehr lange. Ich will nur schnell noch das Geschirr abwaschen." Flink deckte sie den Tisch ab und wusch das Ge schirr ab, während die Mutter abtrocknete. Es war ein Vergnügen, ihr zuzusehen, wie schnell und gewandt und doch ohne eine Spur von Hast oder Ueberstürzung sie arbeitete. Dabei überlegte sie mit der Mutter die Arbeit des folgenden Tages. Am Vormittag war sie in dem nur kleinen und einfachen Haushalt tätig, der Mutter, die herzleidend war, den größten Teil der Arbeit abnehmend, wobei sie noch Zeit sand, feine Handarbeiten zu machen. Al lerdings hieß es da: früh ausstehen. Nachmittags gab sie einigen Kindern Klavierunter richt und Nachhilfestunden bei den Schularbeiten. So war jede Stunde des Tages berechnet und ausgcsüllt. Als sie mit ihrer Küchenarbeit sertig war, ging sie ins Wohnzimmer, setzte der Mutter einen Stuhl in die Nähe des Ofens und schob ein Tischchen davor, aus oas sie die Zeitunaen leate. „So, Mütterchen, nun liest du erst dir Geschichte; heute muß sie doch interessant sein — und ich will Lady noch ein wenig Helsen." „Lady" war Thankmars Kncipname, der ihm von seinen Mitschülern wegen seines mädchenhaften Ausse hens verliehen worden war. Edith öffnete ihr Geldtäschchen. „Hier Mütterchen, sieh, das Stundengeld von Frau Herbst. Sie hat mir auch gleich den Tischläuser bezahlt, den ich gestickt habe. Er gefiel ihr sehr, war ganz nach Wunsch ausgesallen. Nun geht sie hin und schenkt ihn irgend jemandem als „kleine Handarbeit" zum Geburtstage." Sie lachte da bei. „Na, mir soll es recht sein." „Liebes Kind, wie mußt du dich plagen, um das zu verdienen! Du tust mir zu leid, wenn ich dich mit Martha vergleiche, die den Himmel aus Erden hat," sagte Frau Bürkner wehmütig. „Wie schwer habt ihr es doch gegen Hildebrandts! Und wenn ick erst an Thankmar denke, der arme Junge, er möchte doch jo gern studieren." Ediths soeben noch fröhliches Gesicht wurde ernst. „Ja, Mütterchen," seufzte sie, „daran denke ich sehr ost. Ach, wenn wir es ihm doch nur ermöglichen könnten! Der gute Junge! Doch sorge dich noch nicht darum; kommt Zeit, kommt Nat!" suhr sie in einem anderen leichten Tone fort: „Lies nur, und hier ist auch deine Brille, die du nie finden kannst!" Sie schraubte die Lampe noch etwas höher, streifte einen Schirm darüber und ging, dem Bruder zu helfen. Dieser saß in seinem kleinen Zimmer, eisrig mit Schularbeiten beschäftigt. Er blickte aus, als die Schwester eintrat. „Kommst du? Das ist gut! Dann werde ich den Horaz solange beiseite legen und erst mtt dir präpa rieren." Er sagte ihr die französischen Worte, die er nicht wußte. Sie schrieb die deutschen dahinter, sie zuweilen aus dem Wörterbuche suchend, und übersetzte gleichzei tig mit ihm, was ihr nicht schwer siel, da sie im Fran zösischen sehr gut beschlagen war. Nach einer Weile unterbrach er und sah sie dabei forschend an. .„Du, Dita, sag' mal, mit wem promeniertest du denn heute nachmittag aus der Luisenstraßr und ver- schwandest nachher im Cafe Schreyer?" Bei dieser unvermuteten Frage errötete sie doch etwas. „Wenn du es weißt, weshalb fragst du da noch? Es ist dock auck weiter Nickis dabei."
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